Vergessen wir E-Books, werfen wir das Buch 2.0 in den Mülleimer der Geschichte, denn pünktlich zur Frankfurter Buchmesse kündigt sich ein absolut wahnsinniger Trend an: BOOK! Umweltfreundlich, gehirnfreundlich - und es kann noch eine ganze Menge mehr:
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30. September 2010
29. September 2010
Zukunftsmusik von gestern
Die Sache mit den "Enhanced Ebooks" (aktueller Kommentar) hat mich jetzt nicht losgelassen, mir kam da irgendetwas verdächtig bekannt vor. Zur Erklärung: Unter diesem Terminus versteht man nicht einfach digitalisierte Printversionen, sondern E-Books, in denen Multimedia eingebunden wird, vom Foto über die Audiodatei bis hin zum Video.
Ich fing mit dem Internet später an als andere, weil ich durch meinen Aufenthalt in den Neunzigern in Polen etwas weit ab von technischen Möglichkeiten lebte. Wir waren froh, wenn ein normales Telefon zufällig funktionierte und die Kabel im Boden blieben. Auf der anderen Seite explodierte in Polen nach wenigen Jahren die Technik und Probierfreude dann aber auch: Schnell waren die nicht funktionierenden Festnetzapparate gegen Handys ausgetauscht und die modernsten amerikanischen und japanischen Computerläden öffneten in Warschau. Zurück in Deutschland landete ich mit meiner ersten Website denn auch beim damals legendären "geocities", wo es all das, was heute als Social Media gepriesen wird, längst gab: Foren, Chats, Stadtteilvernetzungen und Webringe, Plattformen für Mailinglists und Vernetzungen von all den technischen Möglichkeiten.
Eben habe ich die Datei wiedergefunden. Man schrieb das Jahr 2000, das sich doch tatsächlich noch ein wenig wie Zukunft anfühlte. Eine deutsche Autorin hatte eben ihre beiden ersten Bücher veröffentlicht und die Erfahrung gemacht, wie viel Wissen rund um den Globus zu haben ist, wie spannend eine Vernetzung. Also langweilte sie sich mit dem deutschsprachigen Bücherschreiben ein wenig. Ich erinnere mich noch an das High-Gefühl, als ich es tatsächlich schaffte, einen amerikanischen Verlag anzubaggern.
Es war kein normaler Verlag. Die Leute stellten E-Books her. Und sie taten das im Gegensatz zu anderen, die gleich pleite gingen, in jedem damals gängigen Format. Natürlich gab es Romane als pdf oder fürs RocketBook (erinnert sich noch jemand?). Aber dieser Verlag wollte mehr. Ebooks sollten alle technischen Möglichkeiten des Internet ausschöpfen, zumindest sollte man durch Anklicken im Inhaltsverzeichnis direkt in den Text springen können. In Deutschland gab es das in dieser Form meines Wissens nicht.
Die Datei aus dem Jahr 2000 zeigt meinen Vorschlag an jenen amerikanischen Verlag für eine Reihe von Ebooks (Sachbüchern aus dem Bereich Touristik mit Kulinarik!), die man heute "enhanced" nennen würde. Da gibt es ein Dossier über Interaktivität. Was fordert die Autorin im Jahr 2000 als Mindeststandard:
Tja - und dann ereilte mich das Schicksal, das Innovationen öfter mal droht. Der Verlag war hochbegeistert und hatte die Verträge bereits abgeschickt - für eine gesamte Buchserie. Aber das RocketBook entpuppte sich als Flopp, das Ebook ebenso. Der Markt war noch nicht reif, es wurden viel zu viele Fehler gemacht. Zu schnell war ein Hype aufgeblasen worden, ohne Leserbedürfnisse, technische Voraussetzungen und Autorenkönnen zu berücksichtigen. Die Blase platzte, der amerikanische Verlag war wie viele andere, die ausschließlich aufs Ebook gesetzt hatten, von einem Tag auf den anderen Pleite. Nur ich mit meinen abstrusen Ideen hatte mal wieder überlebt (und wie viele Verlagspleiten habe ich schon überlebt...).
Einige Jahre später konnte ich mich wenigstens dabei austoben, am Aufbau eines Businessnetzwerks mit eigener Community mitzuwirken. Jetzt, im Jahr 2010 sehe ich, dass meine Ideen von damals, wie ich sie erträumt hatte, plötzlich umgesetzt werden können. Enhanced Ebooks nennt man das. Und weil die Blase damals so schlimm platzte, gibt es heute wahrscheinlich so viele Bedenkenträger.
Mein Atem ist länger geworden. Ich sehe, was in anderen Ländern experimentiert wird und geht. Ich habe die jungen Leute vor mir, die schneller zum i-phone greifen als zum Buch. Ich kann mir immer noch sehr vieles vorstellen, was noch gar nicht umzusetzen ist. Ich persönlich glaube, wir werden weiterhin herkömmliche Bücher haben, keine Frage! Wir werden aber auch immer mehr Hybridmedien bekommen, bei denen sich Grenzen verwischen. Computerspiele und Bücher werden sich annähern. Enhanced Ebooks werden eine Schnittstelle sein. Touristenführer vor Ort werden mit Buchautoren verschmelzen, vielleicht per GPS geortet und per Handy direkt aufs Ohr und in die Augen. So viele spannende Möglichkeiten tun sich neben - nicht gegen das Buch auf.
Wir werden in Zukunft eine neue Generation Autoren brauchen: Autoren, die nicht einfach nur für Papier schreiben können, sondern die eigene "Literaturen" für all die neuen Möglichkeiten entwickeln können. Man schreibt anders fürs Hören als fürs Lesen, man konzipiert Stories völlig neu bei Interaktion oder Einbau anderer Medien.
Als ich mein Angebot im Jahr 2000 an diesen amerikanischen Verlag schickte, haben mich alle ausgelacht. Ich glaube immer noch an wilde Experimente. Wir kratzen ja auch unsere Bücher nicht mehr in Tonscherben. Wir sollten aus dem Platzen der letzten Blase jedoch eins gelernt haben: Diskussionen, wer nun was zuerst zum Sterben bringen wird, sind in etwa so nützlich wie das Jammern um den Untergang des Abendlandes. Auch das künstliche Puschen von Hypes hilft nur einer Sorte von Mensch: den Geräteherstellern.
Ich würde mir wünschen, neben all dem Experimentieren an der Qualitätssicherung zu arbeiten. Und dazu gehört neben all der Technik vor allem eins: der Aufbau und die Zusatzausbildung von Autoren. Sonst sitzen eines Tages eine Menge Kids mit Supergeräten einer Generation gegenüber, die nur geradeaus auf Papier tippen kann.
Ich fing mit dem Internet später an als andere, weil ich durch meinen Aufenthalt in den Neunzigern in Polen etwas weit ab von technischen Möglichkeiten lebte. Wir waren froh, wenn ein normales Telefon zufällig funktionierte und die Kabel im Boden blieben. Auf der anderen Seite explodierte in Polen nach wenigen Jahren die Technik und Probierfreude dann aber auch: Schnell waren die nicht funktionierenden Festnetzapparate gegen Handys ausgetauscht und die modernsten amerikanischen und japanischen Computerläden öffneten in Warschau. Zurück in Deutschland landete ich mit meiner ersten Website denn auch beim damals legendären "geocities", wo es all das, was heute als Social Media gepriesen wird, längst gab: Foren, Chats, Stadtteilvernetzungen und Webringe, Plattformen für Mailinglists und Vernetzungen von all den technischen Möglichkeiten.
Eben habe ich die Datei wiedergefunden. Man schrieb das Jahr 2000, das sich doch tatsächlich noch ein wenig wie Zukunft anfühlte. Eine deutsche Autorin hatte eben ihre beiden ersten Bücher veröffentlicht und die Erfahrung gemacht, wie viel Wissen rund um den Globus zu haben ist, wie spannend eine Vernetzung. Also langweilte sie sich mit dem deutschsprachigen Bücherschreiben ein wenig. Ich erinnere mich noch an das High-Gefühl, als ich es tatsächlich schaffte, einen amerikanischen Verlag anzubaggern.
Es war kein normaler Verlag. Die Leute stellten E-Books her. Und sie taten das im Gegensatz zu anderen, die gleich pleite gingen, in jedem damals gängigen Format. Natürlich gab es Romane als pdf oder fürs RocketBook (erinnert sich noch jemand?). Aber dieser Verlag wollte mehr. Ebooks sollten alle technischen Möglichkeiten des Internet ausschöpfen, zumindest sollte man durch Anklicken im Inhaltsverzeichnis direkt in den Text springen können. In Deutschland gab es das in dieser Form meines Wissens nicht.
Die Datei aus dem Jahr 2000 zeigt meinen Vorschlag an jenen amerikanischen Verlag für eine Reihe von Ebooks (Sachbüchern aus dem Bereich Touristik mit Kulinarik!), die man heute "enhanced" nennen würde. Da gibt es ein Dossier über Interaktivität. Was fordert die Autorin im Jahr 2000 als Mindeststandard:
Intern verlinktes Register / Inhaltsverzeichnis / FußnotenspringenWenn man das heute liest, zehn Jahre danach, klingt es fast rührend niedlich. Damals war es so bahnbrechend, dass es für die Ideen noch gar keine Ausdrücke gab. Den letzten Punkt nennt man heute Community-Bildung.
Infolinks im Text zum Web
Vernetzung des Buchs mit eigener Website / eigenem Forum und e-zine zum Mitmachen für Leser
Rezepte und Tipps aus dem Buch extra "herklickbar"
Vernetzung von Fotos mit größeren, aktualisierbaren Fotoseiten im Web
Vernetzung des Buchs mit Updates im Web
Internetaktivitäten mit Lesern zum Buch
Tja - und dann ereilte mich das Schicksal, das Innovationen öfter mal droht. Der Verlag war hochbegeistert und hatte die Verträge bereits abgeschickt - für eine gesamte Buchserie. Aber das RocketBook entpuppte sich als Flopp, das Ebook ebenso. Der Markt war noch nicht reif, es wurden viel zu viele Fehler gemacht. Zu schnell war ein Hype aufgeblasen worden, ohne Leserbedürfnisse, technische Voraussetzungen und Autorenkönnen zu berücksichtigen. Die Blase platzte, der amerikanische Verlag war wie viele andere, die ausschließlich aufs Ebook gesetzt hatten, von einem Tag auf den anderen Pleite. Nur ich mit meinen abstrusen Ideen hatte mal wieder überlebt (und wie viele Verlagspleiten habe ich schon überlebt...).
Einige Jahre später konnte ich mich wenigstens dabei austoben, am Aufbau eines Businessnetzwerks mit eigener Community mitzuwirken. Jetzt, im Jahr 2010 sehe ich, dass meine Ideen von damals, wie ich sie erträumt hatte, plötzlich umgesetzt werden können. Enhanced Ebooks nennt man das. Und weil die Blase damals so schlimm platzte, gibt es heute wahrscheinlich so viele Bedenkenträger.
Mein Atem ist länger geworden. Ich sehe, was in anderen Ländern experimentiert wird und geht. Ich habe die jungen Leute vor mir, die schneller zum i-phone greifen als zum Buch. Ich kann mir immer noch sehr vieles vorstellen, was noch gar nicht umzusetzen ist. Ich persönlich glaube, wir werden weiterhin herkömmliche Bücher haben, keine Frage! Wir werden aber auch immer mehr Hybridmedien bekommen, bei denen sich Grenzen verwischen. Computerspiele und Bücher werden sich annähern. Enhanced Ebooks werden eine Schnittstelle sein. Touristenführer vor Ort werden mit Buchautoren verschmelzen, vielleicht per GPS geortet und per Handy direkt aufs Ohr und in die Augen. So viele spannende Möglichkeiten tun sich neben - nicht gegen das Buch auf.
Wir werden in Zukunft eine neue Generation Autoren brauchen: Autoren, die nicht einfach nur für Papier schreiben können, sondern die eigene "Literaturen" für all die neuen Möglichkeiten entwickeln können. Man schreibt anders fürs Hören als fürs Lesen, man konzipiert Stories völlig neu bei Interaktion oder Einbau anderer Medien.
Als ich mein Angebot im Jahr 2000 an diesen amerikanischen Verlag schickte, haben mich alle ausgelacht. Ich glaube immer noch an wilde Experimente. Wir kratzen ja auch unsere Bücher nicht mehr in Tonscherben. Wir sollten aus dem Platzen der letzten Blase jedoch eins gelernt haben: Diskussionen, wer nun was zuerst zum Sterben bringen wird, sind in etwa so nützlich wie das Jammern um den Untergang des Abendlandes. Auch das künstliche Puschen von Hypes hilft nur einer Sorte von Mensch: den Geräteherstellern.
Ich würde mir wünschen, neben all dem Experimentieren an der Qualitätssicherung zu arbeiten. Und dazu gehört neben all der Technik vor allem eins: der Aufbau und die Zusatzausbildung von Autoren. Sonst sitzen eines Tages eine Menge Kids mit Supergeräten einer Generation gegenüber, die nur geradeaus auf Papier tippen kann.
28. September 2010
Die Selbermacher
Es bewegt sich was
Wer fleißig Branchennachrichten liest, wird es längst wissen: Im Buchmarkt bewegt sich etwas. Da werden einerseits technische Neuerungen wie E-Books, Apps & Co. diskutiert, da kämpfen Nische gegen Mainstream und der kleine unabhängige Buchhändler gegen die Marktkonzentration - und andererseits wird die Herstellung von Büchern im Gegensatz zu früher "kinderleicht". Autorinnen und Autoren nehmen an den Fachdiskussionen erschreckend wenig teil, viele wollen sich nicht mit Dingen außerhalb des Schreibens beschäftigen, andere sind einfach nur verunsichert. Kein Wunder, denn Diskussionen werden in unseren Breiten gern nur in Schwarz-Weiß ausgetragen und über den Extremen vergisst man gern die Lösungen und Chancen. Und doch ist das kurzsichtig gedacht: Autoren schaffen den Inhalt der Bücher. Ohne Autoren keine Bücher - so einfach ist das.
Was jetzt für die Zukunft entwickelt wird, betrifft vor allem Verlagsautoren nachhaltig. Wenn sich ein amerikanischer Superagent mit Random House um die Ebookrechte seiner Autoren streitet, wenn Verlage plötzlich Pferdefüße bzgl. der Honorierung in Verträge einbauen, dann betrifft das jeden einzelnen Autor genauso wie die seltsame Entwicklung, dass sich die Buchherstellung zwar enorm beschleunigt hat, die Wartezeiten bei vielen Verlagen jedoch selbst für eingeführte Profis und Agenturen inzwischen eine Schmerzgrenze überschreiten. Bisher - und so steckt das auch noch in den Köpfen - war die Welt der Bücher noch strikt und deshalb bequem geordnet.
Alles lief nach dem gleichen Schema ab: Autor schreibt - bewirbt sich - findet Verlag - wird verlegt - Buch liegt überall im Buchhandel - Buch wird tüchtig beworben - Buch wird doll verkauft - Autor schreibt einfach weiter und muss sich um nichts kümmern. Doch irgendwann wurde diese Kette aufgebrochen: Nicht jedes Buch bekommt Werbung. Nicht jeder Verlag gelangt mehr in jede Buchhandlung. Und mit dem Schreiben allein ist das Autorendasein nicht gelebt.
Nun kann man in Zeiten von Umbrüchen über die "guten alten Zeiten" jammern und sich verwirren lassen - man kann aber auch die Chancen sehen und einfach machen... Drei Anregungen zum Nachdenken möchte ich vorstellen, die vielleicht deutlich machen: Den Weg gibt es nicht. Das Buch, egal in welcher äußerlichen Form, ist eine Kulturleistung, die sich wie Kultur auch weiterentwickeln darf - genauso übrigens wie die Kulturschaffenden.
"Autoren können ohne Verlage leben - aber Verlage nicht ohne Autoren"
so titelt Matthias Czarnetzki in seinem Blog und hat damit eine hochinteressante Diskussion auch mit der Verlagsseite angestoßen. In seinem Beitrag spricht er Schwachstellen an, die unter Autoren oft beklagt werden: Welche Verlage können sich heutzutage noch eine echte Autorenentwicklung oder gar den Aufbau von Autoren leisten? Das ist in Literaturverlagen noch üblich oder bei sehr engagierten Verlegern - aber das sind dann auch meist die idealistischen, die ihre Arbeitszeit nicht in Cents umrechnen. Oder was passiert mit einer Buchauswahl, wenn tatsächlich nur noch der Controller oder die Rabattforderungen potenter Buchketten entscheiden? Wo liegen eigentlich die Kernkompetenzen der Verlage, wo ihr künftiger Reiz für Autoren?
Sein lesenswerter Beitrag macht deutlich, dass Autoren in der Partnerschaft mit dem Verlag eine wichtigere Rolle spielen, als viele sich dessen gewahr sind. Er zeigt aber auch, dass Verlage Autoren vieles zu bieten hätten - selbst wenn es nicht immer deckungsgleich mit dem ist, was manche derzeit anbieten. Das Experimentierfeld jedenfalls wächst, die Zwischenräume werden größer. Wohl dem, der wagt, jenseits der eingefahrenen Wege nachzudenken. Doch wünschenswert wäre ein gemeinsameres Nachdenken, als das in der Branche bisher der Fall ist. Ob sich Autoren deshalb so selten für Buchpolitik interessieren, weil sie kaum darin vorkommen?
Schmuddelimage passé
Selbermachen wird immer einfacher, ist absolut erschwinglich (DKZV braucht heute wirklich keiner mehr!) und verliert zunehmend sein Schmuddelimage, das ohnehin meist nur durch "richtige" Autoren transportiert wird. Auf der Website der Krimiautorin Nele Neuhaus habe ich Überraschendes über ihre Laufbahn gefunden. Natürlich ist sie einer der berühmten Ausnahmefälle und nicht die Regel, aber ihr Beispiel zeigt etwas, das auch ich im Moment erfahre: Selbermachen ist nicht einmal Verlagen gegenüber schmuddelig oder ehrenrührig. Die Zeiten sind vorbei.
Nele Neuhaus ist eine starke Macherin: Sie hat sich von nichts und niemandem in ihren Träumen beirren lassen. Man kann erahnen, wie viel Zeit, Geld und Mühen sie in ihr Schreiben investiert hat und gegen welche Widerstände sie kämpfen musste: Ihr erstes Buch ließ sie nämlich in einem PoD-Verlag drucken und kaufte gleich noch eine Auflage fertig (das muss man heutzutage nicht mehr). Dass sie in vier Wochen 500 Exemplare eines für Verlage als unverkäuflich geltenden Riesenklopses von 1000 Seiten verkaufte, klingt dann wirklich wie ein Märchen. Die meisten PoD-Autoren, vor allem Newcomer, können froh sein, wenn sie ihre Exemplare an Verwandte, Freunde und Bekannte loswerden, für 500 verkaufte Bücher muss man schon ganz gut arbeiten.
Aber alles ist relativ. Ich erinnere mich an einen Kollegen bei Lübbe, der Bücher für die berühmte "Altpapiertapete" hinter den Spitzentiteln schrieb und mit knapp 600 verkauften Exemplaren im Jahr dabei war. Ich selbst staunte nicht schlecht, dass sich meine Tante-Erna-Zitate-Sammlungen, die ich in drei Stunden heruntertippte, besser verkauften als Romane - und mein Buch im Literaturverlag um ein mehrfaches besser als das im riesigen Publikumsverlag. Von meinem Agenten hörte ich, dass Verlage in gewissen Bereichen Auflagenerwartungen nach unten korrigierten, etwa im Sachbuch, Hardcover. Da stiegen mit den Skandalbüchern die Spitzentitelerwartungen ins Unermessliche, während man beim Spezialthema mit 1000 verkauften Exemplaren zufrieden war. Das breite Mittelfeld brach weg. Wenn ich 1998 als blutiger Anfänger im damals renommierten, aber eher kleineren Eugen Diederichs Verlag 5000 Stück des Odilienberg-Buches im ersten Jahr verkauft hatte und völlig unzufrieden war, so muss ich heutzutage ungleich mehr arbeiten, um das überhaupt zu erreichen - oder viel größere Verlage wählen. Und nach ein paar Monaten oder einem Jahr bricht der Verkauf dann völlig ein, wenn die Backlist nicht gepflegt wird.
Nele Neuhaus lag mit ihrem ersten Buch im PoD-Verfahren also durchaus in einem Zahlenbereich, den selbst Kollegen in Publikumsverlagen ertragen müssen. Aber sie schaffte sechs Auflagen. Ihr zweites PoD-Buch verkaufte sie 10.000 mal - und dann schlug Ullstein zu. Der Verlag kaufte die Autorin ein, die es inzwischen auf die Bestsellerlisten geschafft hat. Unbedingt lesen (der Beitrag befindet sich unter der Buchliste) - auch so kann es gehen. Eine sehr interessante Geschichte, weil sie zeigt, was Autoren aus eigener Kraft leisten können, welche Arbeit das macht und welche Vorteile ein Verlag dann für die Autoren hat.
Die Utopie vom vernetzten Buch
Die dritte Geschichte ist eine Utopie. In meine Brotjob begegne ich wundervollen Büchern, meist aus den Themenbereichen Kunst, Kultur oder Tourismus, die in Zusammenhang mit Europaprojekten entstehen und in Auftrag gegeben werden. In der Regel werden dafür Verlage bezahlt, eigentlich strenggenommen eine Art DKZV - nur dass sich hier ganz seriöse Verlage bezahlen lassen. Das ist auch irgendwie verständlich, weil der Verlag die Themen nicht aussuchen kann und auch nicht die Autoren. Doch leider kranken diese Bücher an genau dieser Zusammenarbeit. Viele Verlage haben eine unzureichende Distribution und schon gar keine grenzüberschreitende. Viele sind einfach zu klein und manche sogar zu unprofessionell, um wirklich alles leisten zu können - nicht selten sind "nur" Regionalverlage im Spiel. Und manchmal leiden auch die Bücher darunter, dass sich die Macher nicht ausreichend von den Verlagen beraten lassen, was publikumswirksamer wäre.
Kurzum: Das ist eine Notgemeinschaft, keine echte Partnerschaft. Beide Seiten könnten sehr viel intensiver voneinander profitieren und ihr Know-How austauschen. Aber im Verlagsalltag ist dafür weder Zeit noch Raum. Spezialverlage gibt es nicht. Die Utopie bestünde darin, einen Verlag zu finden, der nicht nur zweisprachig herstellt, sondern auch den Vertrieb in zwei Ländern beherrscht. Die Utopie bestünde darin, dass dieser Verlag offen wäre, seine Bücher mit anderen Darstellungsformen, auch technischer Art, zu vernetzen. Das alles ist recht kompliziert, denn zur interkulturellen Kompetenz käme auch eine intermediale Kompetenz. Und obendrein wäre der Verlag ein Partner von vielen - in einem absolut gleichberechtigten Team von Autoren, Künstlern, Agenturen. Zukunftsmusik?
Insofern verstehe ich mein PoD-Projekt auch als Feldversuch. Es geht mir nicht einfach nur darum, ein Buch erscheinen zu lassen. Ich will sozusagen am lebendigen Leib ausprobieren, was ich als Autorin heutzutage selbst bewegen kann und welche Partner mir helfen können, ein Projekt in bestmöglicher Form (im Rahmen der Finanzen) bestmöglichst anzubieten und zu fördern. Ein Verlag kann solch ein Partner sein. Doch mit meinem Testlauf bin ich neugierig auf die Zukunft: Ich sehe nicht nur Schilder zu Wanderwegen im Wald und in Broschüren, sondern längst die passende App, das animierte Buch, mit individueller Sprachwahl natürlich ...
Übrigens - falls jetzt jemand ruft: Wir machen sowas längst - bitte bei mir melden. Ernsthaft.
- das ist ganz genau das, was ich mir zu meiner Utopie (keine Belletristik) als Ergänzung zum Print vorstellen könnte. Dass man sich dann darum streitet, ob so etwas noch E-Book oder schon App ist - finde ich ... ziemlich "deutsch"...
Auch wenn im Publikum noch die Abspielgeräte fehlen, auch wenn sich Prototypenentwicklung zuerst finanziell und vom Aufwand her nicht lohnen mag - das alles hat man der ersten Dampflokomotive auch vorgeworfen. Ich bin gespannt auf die nächsten Jahre und die mutigen Experimentatoren!
Durchsetzen werden sich solche neuen Formen natürlich nur, wenn die Verlage rechtzeitig Fachautoren aufbauen. Jedes Medium braucht ein eigenes Schreiben - und daran krankt die 1:1-Übertragung zwischen Print und Digital derzeit.
Auch Rowohlt ist mit Enhanced Ebooks bei der Buchmesse dabei.
Wer fleißig Branchennachrichten liest, wird es längst wissen: Im Buchmarkt bewegt sich etwas. Da werden einerseits technische Neuerungen wie E-Books, Apps & Co. diskutiert, da kämpfen Nische gegen Mainstream und der kleine unabhängige Buchhändler gegen die Marktkonzentration - und andererseits wird die Herstellung von Büchern im Gegensatz zu früher "kinderleicht". Autorinnen und Autoren nehmen an den Fachdiskussionen erschreckend wenig teil, viele wollen sich nicht mit Dingen außerhalb des Schreibens beschäftigen, andere sind einfach nur verunsichert. Kein Wunder, denn Diskussionen werden in unseren Breiten gern nur in Schwarz-Weiß ausgetragen und über den Extremen vergisst man gern die Lösungen und Chancen. Und doch ist das kurzsichtig gedacht: Autoren schaffen den Inhalt der Bücher. Ohne Autoren keine Bücher - so einfach ist das.
Was jetzt für die Zukunft entwickelt wird, betrifft vor allem Verlagsautoren nachhaltig. Wenn sich ein amerikanischer Superagent mit Random House um die Ebookrechte seiner Autoren streitet, wenn Verlage plötzlich Pferdefüße bzgl. der Honorierung in Verträge einbauen, dann betrifft das jeden einzelnen Autor genauso wie die seltsame Entwicklung, dass sich die Buchherstellung zwar enorm beschleunigt hat, die Wartezeiten bei vielen Verlagen jedoch selbst für eingeführte Profis und Agenturen inzwischen eine Schmerzgrenze überschreiten. Bisher - und so steckt das auch noch in den Köpfen - war die Welt der Bücher noch strikt und deshalb bequem geordnet.
Alles lief nach dem gleichen Schema ab: Autor schreibt - bewirbt sich - findet Verlag - wird verlegt - Buch liegt überall im Buchhandel - Buch wird tüchtig beworben - Buch wird doll verkauft - Autor schreibt einfach weiter und muss sich um nichts kümmern. Doch irgendwann wurde diese Kette aufgebrochen: Nicht jedes Buch bekommt Werbung. Nicht jeder Verlag gelangt mehr in jede Buchhandlung. Und mit dem Schreiben allein ist das Autorendasein nicht gelebt.
Nun kann man in Zeiten von Umbrüchen über die "guten alten Zeiten" jammern und sich verwirren lassen - man kann aber auch die Chancen sehen und einfach machen... Drei Anregungen zum Nachdenken möchte ich vorstellen, die vielleicht deutlich machen: Den Weg gibt es nicht. Das Buch, egal in welcher äußerlichen Form, ist eine Kulturleistung, die sich wie Kultur auch weiterentwickeln darf - genauso übrigens wie die Kulturschaffenden.
"Autoren können ohne Verlage leben - aber Verlage nicht ohne Autoren"
so titelt Matthias Czarnetzki in seinem Blog und hat damit eine hochinteressante Diskussion auch mit der Verlagsseite angestoßen. In seinem Beitrag spricht er Schwachstellen an, die unter Autoren oft beklagt werden: Welche Verlage können sich heutzutage noch eine echte Autorenentwicklung oder gar den Aufbau von Autoren leisten? Das ist in Literaturverlagen noch üblich oder bei sehr engagierten Verlegern - aber das sind dann auch meist die idealistischen, die ihre Arbeitszeit nicht in Cents umrechnen. Oder was passiert mit einer Buchauswahl, wenn tatsächlich nur noch der Controller oder die Rabattforderungen potenter Buchketten entscheiden? Wo liegen eigentlich die Kernkompetenzen der Verlage, wo ihr künftiger Reiz für Autoren?
Sein lesenswerter Beitrag macht deutlich, dass Autoren in der Partnerschaft mit dem Verlag eine wichtigere Rolle spielen, als viele sich dessen gewahr sind. Er zeigt aber auch, dass Verlage Autoren vieles zu bieten hätten - selbst wenn es nicht immer deckungsgleich mit dem ist, was manche derzeit anbieten. Das Experimentierfeld jedenfalls wächst, die Zwischenräume werden größer. Wohl dem, der wagt, jenseits der eingefahrenen Wege nachzudenken. Doch wünschenswert wäre ein gemeinsameres Nachdenken, als das in der Branche bisher der Fall ist. Ob sich Autoren deshalb so selten für Buchpolitik interessieren, weil sie kaum darin vorkommen?
Schmuddelimage passé
Selbermachen wird immer einfacher, ist absolut erschwinglich (DKZV braucht heute wirklich keiner mehr!) und verliert zunehmend sein Schmuddelimage, das ohnehin meist nur durch "richtige" Autoren transportiert wird. Auf der Website der Krimiautorin Nele Neuhaus habe ich Überraschendes über ihre Laufbahn gefunden. Natürlich ist sie einer der berühmten Ausnahmefälle und nicht die Regel, aber ihr Beispiel zeigt etwas, das auch ich im Moment erfahre: Selbermachen ist nicht einmal Verlagen gegenüber schmuddelig oder ehrenrührig. Die Zeiten sind vorbei.
Nele Neuhaus ist eine starke Macherin: Sie hat sich von nichts und niemandem in ihren Träumen beirren lassen. Man kann erahnen, wie viel Zeit, Geld und Mühen sie in ihr Schreiben investiert hat und gegen welche Widerstände sie kämpfen musste: Ihr erstes Buch ließ sie nämlich in einem PoD-Verlag drucken und kaufte gleich noch eine Auflage fertig (das muss man heutzutage nicht mehr). Dass sie in vier Wochen 500 Exemplare eines für Verlage als unverkäuflich geltenden Riesenklopses von 1000 Seiten verkaufte, klingt dann wirklich wie ein Märchen. Die meisten PoD-Autoren, vor allem Newcomer, können froh sein, wenn sie ihre Exemplare an Verwandte, Freunde und Bekannte loswerden, für 500 verkaufte Bücher muss man schon ganz gut arbeiten.
Aber alles ist relativ. Ich erinnere mich an einen Kollegen bei Lübbe, der Bücher für die berühmte "Altpapiertapete" hinter den Spitzentiteln schrieb und mit knapp 600 verkauften Exemplaren im Jahr dabei war. Ich selbst staunte nicht schlecht, dass sich meine Tante-Erna-Zitate-Sammlungen, die ich in drei Stunden heruntertippte, besser verkauften als Romane - und mein Buch im Literaturverlag um ein mehrfaches besser als das im riesigen Publikumsverlag. Von meinem Agenten hörte ich, dass Verlage in gewissen Bereichen Auflagenerwartungen nach unten korrigierten, etwa im Sachbuch, Hardcover. Da stiegen mit den Skandalbüchern die Spitzentitelerwartungen ins Unermessliche, während man beim Spezialthema mit 1000 verkauften Exemplaren zufrieden war. Das breite Mittelfeld brach weg. Wenn ich 1998 als blutiger Anfänger im damals renommierten, aber eher kleineren Eugen Diederichs Verlag 5000 Stück des Odilienberg-Buches im ersten Jahr verkauft hatte und völlig unzufrieden war, so muss ich heutzutage ungleich mehr arbeiten, um das überhaupt zu erreichen - oder viel größere Verlage wählen. Und nach ein paar Monaten oder einem Jahr bricht der Verkauf dann völlig ein, wenn die Backlist nicht gepflegt wird.
Nele Neuhaus lag mit ihrem ersten Buch im PoD-Verfahren also durchaus in einem Zahlenbereich, den selbst Kollegen in Publikumsverlagen ertragen müssen. Aber sie schaffte sechs Auflagen. Ihr zweites PoD-Buch verkaufte sie 10.000 mal - und dann schlug Ullstein zu. Der Verlag kaufte die Autorin ein, die es inzwischen auf die Bestsellerlisten geschafft hat. Unbedingt lesen (der Beitrag befindet sich unter der Buchliste) - auch so kann es gehen. Eine sehr interessante Geschichte, weil sie zeigt, was Autoren aus eigener Kraft leisten können, welche Arbeit das macht und welche Vorteile ein Verlag dann für die Autoren hat.
Die Utopie vom vernetzten Buch
Die dritte Geschichte ist eine Utopie. In meine Brotjob begegne ich wundervollen Büchern, meist aus den Themenbereichen Kunst, Kultur oder Tourismus, die in Zusammenhang mit Europaprojekten entstehen und in Auftrag gegeben werden. In der Regel werden dafür Verlage bezahlt, eigentlich strenggenommen eine Art DKZV - nur dass sich hier ganz seriöse Verlage bezahlen lassen. Das ist auch irgendwie verständlich, weil der Verlag die Themen nicht aussuchen kann und auch nicht die Autoren. Doch leider kranken diese Bücher an genau dieser Zusammenarbeit. Viele Verlage haben eine unzureichende Distribution und schon gar keine grenzüberschreitende. Viele sind einfach zu klein und manche sogar zu unprofessionell, um wirklich alles leisten zu können - nicht selten sind "nur" Regionalverlage im Spiel. Und manchmal leiden auch die Bücher darunter, dass sich die Macher nicht ausreichend von den Verlagen beraten lassen, was publikumswirksamer wäre.
Kurzum: Das ist eine Notgemeinschaft, keine echte Partnerschaft. Beide Seiten könnten sehr viel intensiver voneinander profitieren und ihr Know-How austauschen. Aber im Verlagsalltag ist dafür weder Zeit noch Raum. Spezialverlage gibt es nicht. Die Utopie bestünde darin, einen Verlag zu finden, der nicht nur zweisprachig herstellt, sondern auch den Vertrieb in zwei Ländern beherrscht. Die Utopie bestünde darin, dass dieser Verlag offen wäre, seine Bücher mit anderen Darstellungsformen, auch technischer Art, zu vernetzen. Das alles ist recht kompliziert, denn zur interkulturellen Kompetenz käme auch eine intermediale Kompetenz. Und obendrein wäre der Verlag ein Partner von vielen - in einem absolut gleichberechtigten Team von Autoren, Künstlern, Agenturen. Zukunftsmusik?
Insofern verstehe ich mein PoD-Projekt auch als Feldversuch. Es geht mir nicht einfach nur darum, ein Buch erscheinen zu lassen. Ich will sozusagen am lebendigen Leib ausprobieren, was ich als Autorin heutzutage selbst bewegen kann und welche Partner mir helfen können, ein Projekt in bestmöglicher Form (im Rahmen der Finanzen) bestmöglichst anzubieten und zu fördern. Ein Verlag kann solch ein Partner sein. Doch mit meinem Testlauf bin ich neugierig auf die Zukunft: Ich sehe nicht nur Schilder zu Wanderwegen im Wald und in Broschüren, sondern längst die passende App, das animierte Buch, mit individueller Sprachwahl natürlich ...
Übrigens - falls jetzt jemand ruft: Wir machen sowas längst - bitte bei mir melden. Ernsthaft.
update:
Enhanced Ebooks - ein Kommentar von Steffen Meier vom Ulmer Verlag- das ist ganz genau das, was ich mir zu meiner Utopie (keine Belletristik) als Ergänzung zum Print vorstellen könnte. Dass man sich dann darum streitet, ob so etwas noch E-Book oder schon App ist - finde ich ... ziemlich "deutsch"...
Auch wenn im Publikum noch die Abspielgeräte fehlen, auch wenn sich Prototypenentwicklung zuerst finanziell und vom Aufwand her nicht lohnen mag - das alles hat man der ersten Dampflokomotive auch vorgeworfen. Ich bin gespannt auf die nächsten Jahre und die mutigen Experimentatoren!
Durchsetzen werden sich solche neuen Formen natürlich nur, wenn die Verlage rechtzeitig Fachautoren aufbauen. Jedes Medium braucht ein eigenes Schreiben - und daran krankt die 1:1-Übertragung zwischen Print und Digital derzeit.
Auch Rowohlt ist mit Enhanced Ebooks bei der Buchmesse dabei.
Hilft mir jemand?
Ich brauche für einen Technik-Check mal die Mithilfe meiner LeserInnen. Die Applaus- und Buhtaste machen technische Probleme, seit ich sie im Layout ein wenig verschoben habe. Weil ich mir nicht selbst applaudieren kann, müssten bitte unter diesem Posting möglichst viele andere die Tasten ausprobieren und mir am besten im Kommentar sagen, falls es Fehlermeldungen gibt oder sonst etwas Schräges.
Außerdem habe ich eigentlich bei Blogger unter jedem Posting die Felder freigeschaltet, mit denen man einen Beitrag bei Twitter, Facebook & Co. empfehlen kann. Aber ich kann mich abstrampeln - da erscheint nichts. Falls wider Erwarten jemand diese Tasten doch sehen sollte, bitte melden.
Merci!
Außerdem habe ich eigentlich bei Blogger unter jedem Posting die Felder freigeschaltet, mit denen man einen Beitrag bei Twitter, Facebook & Co. empfehlen kann. Aber ich kann mich abstrampeln - da erscheint nichts. Falls wider Erwarten jemand diese Tasten doch sehen sollte, bitte melden.
Merci!
27. September 2010
Multiplikatoren im Wald
Nur kein Neid - so ungefähr sieht das aus, wenn ich beruflich zu einem Termin wie heute fahre, diesmal zum Thema Qualitätsgastronomie. Natürlich sitzt die Buchautorin im Hinterkopf dabei, vor allem, wenn sie doch noch mehr Elsassbücher schreiben will. Bei solchen Empfängen lernt man nämlich seine Region von neuen Seiten kennen. Nun muss man sich das mal vorstellen: Ich befinde mich im Nachbarland, wo eher die Alten deutschsprachige Bücher lesen können und wo es mein Elsassbuch im Handel nicht gab. Und diese Treffen laufen auf Französisch ab.
Und dann war ich völlig platt. Ich weiß nicht mehr, wie viele Hände ich geschüttelt habe von Leuten, die mich kannten. Die mein Elsass-Buch kannten, die mein Buch schon mehrfach verschenkt hatten, die mein Buch am liebsten gleich gekauft hätten. In dem Land, in dem mein Buch tatsächlich erschienen ist, ist mir das in dieser Dichte noch nie passiert, schon gar nicht auf Fremdveranstaltungen. Und wo das Buch überall hingereist ist! Ja das habe ich im Hotel XY entdeckt! Das hat mir Madame Z empfohlen.
Es ist faszinierend, wenn man plötzlich das vor Augen hat, was gemeinhin "Zielpublikum" genannt wird. Und wenn man bemerkt, dass es sehr viel mehr Zielpublikum am Wegesrand gibt als diese einfach gebastelte, konforme Masse, die man sich vorher beim Briefing eines Buches vorstellt. Noch spannender aber war für mich zu sehen, was gute Multiplikatoren ausrichten können. Menschen, die ein Buch vehement empfehlen und genau das richtige Klientel erreichen. Diese Multiplikatoren muss man suchen, kennenlernen und pflegen. Man muss sich interessieren, wer sie sein könnten und was es ihnen eigentlich bringt.
Ich habe viel gelernt, vor allem über das Erobern von Nischen. Das Schlimme ist, dass es gerade für diese Art Buch derart hochspannende Kanäle gäbe, dass man damit eine Lebensarbeit aufbauen könnte - allein mit dem Vertrieb - vorausgesetzt, es wäre zweisprachig zu haben. Aber daran arbeiten wir ja zumindest schon einmal gedanklich. Mir wird nach dem Nijinsky ganz bestimmt nicht langweilig werden.
Dass ich heute wieder Leute vertrösten musste, die Appetit auf den Zander im Riesling haben, war zwar traurig - aber Gourmets können ja bekanntlich auf eine feine Speise warten...
Und dann war ich völlig platt. Ich weiß nicht mehr, wie viele Hände ich geschüttelt habe von Leuten, die mich kannten. Die mein Elsass-Buch kannten, die mein Buch schon mehrfach verschenkt hatten, die mein Buch am liebsten gleich gekauft hätten. In dem Land, in dem mein Buch tatsächlich erschienen ist, ist mir das in dieser Dichte noch nie passiert, schon gar nicht auf Fremdveranstaltungen. Und wo das Buch überall hingereist ist! Ja das habe ich im Hotel XY entdeckt! Das hat mir Madame Z empfohlen.
Es ist faszinierend, wenn man plötzlich das vor Augen hat, was gemeinhin "Zielpublikum" genannt wird. Und wenn man bemerkt, dass es sehr viel mehr Zielpublikum am Wegesrand gibt als diese einfach gebastelte, konforme Masse, die man sich vorher beim Briefing eines Buches vorstellt. Noch spannender aber war für mich zu sehen, was gute Multiplikatoren ausrichten können. Menschen, die ein Buch vehement empfehlen und genau das richtige Klientel erreichen. Diese Multiplikatoren muss man suchen, kennenlernen und pflegen. Man muss sich interessieren, wer sie sein könnten und was es ihnen eigentlich bringt.
Ich habe viel gelernt, vor allem über das Erobern von Nischen. Das Schlimme ist, dass es gerade für diese Art Buch derart hochspannende Kanäle gäbe, dass man damit eine Lebensarbeit aufbauen könnte - allein mit dem Vertrieb - vorausgesetzt, es wäre zweisprachig zu haben. Aber daran arbeiten wir ja zumindest schon einmal gedanklich. Mir wird nach dem Nijinsky ganz bestimmt nicht langweilig werden.
Dass ich heute wieder Leute vertrösten musste, die Appetit auf den Zander im Riesling haben, war zwar traurig - aber Gourmets können ja bekanntlich auf eine feine Speise warten...
26. September 2010
Nicht ohne...
So eine Enttäuschung. Beim gestrigen Beitrag wartete ich auf massives Groupiekreischen: "Wir gehen ja alle ins Ballett, schreib endlich mehr!" Denn das habe ich ja jetzt bei Seth Godin gelernt: Bücher nicht an jeden dahergelaufenen Deppen zu verkaufen, der womöglich gar nicht lesen kann, sondern sich sein Idealpublikum zu erziehen. Öhem, tja, ganz schön schüchtern, diese idealen Leserinnen und Leser...
Trotzdem, ich bleibe hart: Zwar gibt es noch Nijinsky ohne mich, aber mich nicht ohne Nijinsky. Heute beispielsweise bin ich zur Zeitdiebin geworden, weil meine Lektorin mir ein kleines Verschnaufpäuschen verschafft hat. Anstatt mich also bei der Übersetzung selbst zu überholen - was vernünftig wäre - setzte ich mich gemütlich an ein Transkript, das Eingang in mein Buch finden wird. Arbeit kann sowas von schön sein und sich anfühlen wie ein Osterspaziergang! Es ist schon komisch, wie plötzlich die Seiten in die Tastatur fließen, als bräuchte man gar nicht die eigenen Finger dazu. Nicht einmal der Schnitt im Zeigefinger ist zu spüren, und ich schwöre, der hat bei anderen Arbeiten noch geschmerzt.
So langsam kann ich das Buch auch äußerlich richtig vor mir sehen. Im Geist probiere ich Schriften aus, sehe unterschiedliche Layouts und Cover. Zu Glück ist die Papierauswahl begrenzt, sonst würde ich in den Kaffeepausen noch öfter mit Daumen und Zeigefinger in meinen Papiermustern herumfahren, um mir vozustellen, wie es sich beim Umblättern anfühlen mag. Schlimm ist nur, dass das, was ich mir dazu erträumt habe, nun so gut geworden ist, dass es schon wieder inspiriert. Da wird zum ursprünglichen Text wohl noch ein ganzer Textblock dazukommen.
Und die These von Godin reize ich nächste Woche einmal bis zum Anschlag aus. Mal sehen, was Ihr aushaltet, liebe Leserinnen und Leser. Nächste Woche erzähle ich von einem Ballett. Die letzte Gelegenheit zu flüchten, ist ... JETZT!
Trotzdem, ich bleibe hart: Zwar gibt es noch Nijinsky ohne mich, aber mich nicht ohne Nijinsky. Heute beispielsweise bin ich zur Zeitdiebin geworden, weil meine Lektorin mir ein kleines Verschnaufpäuschen verschafft hat. Anstatt mich also bei der Übersetzung selbst zu überholen - was vernünftig wäre - setzte ich mich gemütlich an ein Transkript, das Eingang in mein Buch finden wird. Arbeit kann sowas von schön sein und sich anfühlen wie ein Osterspaziergang! Es ist schon komisch, wie plötzlich die Seiten in die Tastatur fließen, als bräuchte man gar nicht die eigenen Finger dazu. Nicht einmal der Schnitt im Zeigefinger ist zu spüren, und ich schwöre, der hat bei anderen Arbeiten noch geschmerzt.
So langsam kann ich das Buch auch äußerlich richtig vor mir sehen. Im Geist probiere ich Schriften aus, sehe unterschiedliche Layouts und Cover. Zu Glück ist die Papierauswahl begrenzt, sonst würde ich in den Kaffeepausen noch öfter mit Daumen und Zeigefinger in meinen Papiermustern herumfahren, um mir vozustellen, wie es sich beim Umblättern anfühlen mag. Schlimm ist nur, dass das, was ich mir dazu erträumt habe, nun so gut geworden ist, dass es schon wieder inspiriert. Da wird zum ursprünglichen Text wohl noch ein ganzer Textblock dazukommen.
Und die These von Godin reize ich nächste Woche einmal bis zum Anschlag aus. Mal sehen, was Ihr aushaltet, liebe Leserinnen und Leser. Nächste Woche erzähle ich von einem Ballett. Die letzte Gelegenheit zu flüchten, ist ... JETZT!
25. September 2010
Nijinsky in Bildern
Manchmal ist es traurig, dass die Welt doch aus so vielen Kilometern besteht. So entgeht mir vorerst der Live-Genuss eines Nijinsky-Balletts, dem ich aus reinem Eigennutz eine Tournee in meine Nähe wünsche (oder hallo ARTE, wie wäre es mit einer Aufzeichnung?!?)
Der Choreograf Ralf Rossa hat mit dem Rossa Ballett an den Bühnen Halle eine ganz besondere Reminiszenz an den "Gott des Tanzes" geschaffen: Nijinsky - Star des russischen Balletts. Heute ist Wiederaufnahme - unbedingt hingehen, wer mobiler ist als ich. Entdeckt hatte ich das Projekt durch eine Rezension im Tanznetz.
Für die armen Daheimgebliebenen wie mich gibt es aber wundervolle Fotos, die ein bißchen von dem Charisma des Tänzers Yann Rezavov erahnen lassen, der schon vom Aussehen und Körperbau Nijinsky erstaunlich nahe kommt. Tipp: Oben rechts kann man sie in eine großflächige Diashow umwandeln.
Und wir können das jetzt ja so machen wie bei diesen verlagsseitigen Buchverlosungen: Wenn mindestens drei Leute für mich in dieses Ballett gehen, schreibe ich später noch etwas darüber! Ist das ein Angebot?
Der Choreograf Ralf Rossa hat mit dem Rossa Ballett an den Bühnen Halle eine ganz besondere Reminiszenz an den "Gott des Tanzes" geschaffen: Nijinsky - Star des russischen Balletts. Heute ist Wiederaufnahme - unbedingt hingehen, wer mobiler ist als ich. Entdeckt hatte ich das Projekt durch eine Rezension im Tanznetz.
Für die armen Daheimgebliebenen wie mich gibt es aber wundervolle Fotos, die ein bißchen von dem Charisma des Tänzers Yann Rezavov erahnen lassen, der schon vom Aussehen und Körperbau Nijinsky erstaunlich nahe kommt. Tipp: Oben rechts kann man sie in eine großflächige Diashow umwandeln.
Und wir können das jetzt ja so machen wie bei diesen verlagsseitigen Buchverlosungen: Wenn mindestens drei Leute für mich in dieses Ballett gehen, schreibe ich später noch etwas darüber! Ist das ein Angebot?
Komplizenschaft und Lesesucht
Wer keine Zeit für meine langen Geschichten hier hat, wird wieder einmal anderswo in Kürze fündig:
Phainomena führt ein Interview mit dem Verleger Johannes CS Frank, der mit dem Verlagshaus J. Frank genau die sperrige und in keine Schubladen passende Gegenwartsliteratur verlegt, von der man meinen könnte, sie wäre heute nicht mehr möglich. Der Verleger erzählt, wie wichtig und wirkungsvoll gerade heute hohe Qualität und Anspruch sind und warum man auch Risiken eingehen sollte. Außerdem gibt er zu bedenken, wie hinderlich Pseudonyme sein können und wie wichtig die "Komplizenschaft" zwischen Autor und Verlag ist.
Das ganze Gegenteil von Typ ist Seth Godin und man muss ihn als das lesen, was er ist: sehr amerikanisch. Sein Blog liest sich zwar manchmal, als wolle er die ganze Welt mit Weisheiten beglücken, aber viele Ratschläge funktionieren im deutschen Buchmarkt schlichtweg überhaupt nicht. So auch diesmal, wenn er Autoren Ratschläge gibt für den Prozess, wenn ein Buch erscheint. Damit meint er vor allem Autoren, die es so machen wie er: nicht mehr über Verlage, sondern in Eigenverantwortung verlegen. Die anderen können sich trotzdem einiges abschauen.
Natürlich wäre es Blödsinn, in good old Europe Buchhändler als etwas Schreckliches anzusehen - hierzulande sind sie noch unsere besten Verbündeten, weil der Alternativmarkt wie in den USA nicht in dieser Größe existiert. Natürlich ist es lustig, einem Selbstverleger beibringen zu wollen, dass Verlegen und Drucken zweierlei Stiefel sind - so weit sollte man lange vor der Arbeit sein. Aber da ist einiges bedenkenswert, worüber man sich hierzulande keine Gedanken macht.
Seine Vorlaufzeit von drei Jahren, um sich einen gewissen Namen zu verschaffen in den Social Media ist ziemlich realistisch geschätzt. Und in seiner Forderung, nicht am Lektor oder Cover zu sparen, essentiell wichtig. Verblüffend die Forderung "Versuch nicht, dein Buch jedem zu verkaufen!" Denn genau das ist ein Denkfehler, der um sich greift. Sein Gegenmittel stammt eigentlich aus dem Grundlehrbuch uralter Buch-PR: Man solle ein Buch von der Nische aus verkaufen - die natürlich gern wuchern darf. Ich persönlich fand seinen Punkt 4 hochinteressant: Ein Buch als Gefäß für eine Idee betrachten, als ein Souvenir für die Leser, so dass die Ideen dem Buch entfleuchen dürfen, dass man Ideen außerhalb des Buches teilt. Am besten selbst den ganzen Artikel lesen.
Aber bitte nicht zu viel lesen, vor allem als Frau. So hätte ich vor ein oder zwei Jahrhunderten schließen müssen und vor der Lesesucht warnen. Ja, es hat tatsächlich einmal Zeiten gegeben, da galt die "Lesesucht des Weibes" sogar als Geisteskrankheit, gefährlich und hirnzersetzend. Wer mehr wissen will, als bei Wikipedia steht, der findet in "Das Buch der Rose" ein Kapitel über die Kitschklischees und süßlichen Vorurteile, mit denen sich die Frauen des 19. Jahrhunderts auseinanderzusetzen hatten und die bis heute nachwirken. Damals hat man nämlich eigens für diesen Teil der Menschheit "geeignete" Literatur geschaffen, die Frauen- und Familienbücher, die Mädchenbücher, die Modekataloge und Trivialliteratur...
Phainomena führt ein Interview mit dem Verleger Johannes CS Frank, der mit dem Verlagshaus J. Frank genau die sperrige und in keine Schubladen passende Gegenwartsliteratur verlegt, von der man meinen könnte, sie wäre heute nicht mehr möglich. Der Verleger erzählt, wie wichtig und wirkungsvoll gerade heute hohe Qualität und Anspruch sind und warum man auch Risiken eingehen sollte. Außerdem gibt er zu bedenken, wie hinderlich Pseudonyme sein können und wie wichtig die "Komplizenschaft" zwischen Autor und Verlag ist.
Das ganze Gegenteil von Typ ist Seth Godin und man muss ihn als das lesen, was er ist: sehr amerikanisch. Sein Blog liest sich zwar manchmal, als wolle er die ganze Welt mit Weisheiten beglücken, aber viele Ratschläge funktionieren im deutschen Buchmarkt schlichtweg überhaupt nicht. So auch diesmal, wenn er Autoren Ratschläge gibt für den Prozess, wenn ein Buch erscheint. Damit meint er vor allem Autoren, die es so machen wie er: nicht mehr über Verlage, sondern in Eigenverantwortung verlegen. Die anderen können sich trotzdem einiges abschauen.
Natürlich wäre es Blödsinn, in good old Europe Buchhändler als etwas Schreckliches anzusehen - hierzulande sind sie noch unsere besten Verbündeten, weil der Alternativmarkt wie in den USA nicht in dieser Größe existiert. Natürlich ist es lustig, einem Selbstverleger beibringen zu wollen, dass Verlegen und Drucken zweierlei Stiefel sind - so weit sollte man lange vor der Arbeit sein. Aber da ist einiges bedenkenswert, worüber man sich hierzulande keine Gedanken macht.
Seine Vorlaufzeit von drei Jahren, um sich einen gewissen Namen zu verschaffen in den Social Media ist ziemlich realistisch geschätzt. Und in seiner Forderung, nicht am Lektor oder Cover zu sparen, essentiell wichtig. Verblüffend die Forderung "Versuch nicht, dein Buch jedem zu verkaufen!" Denn genau das ist ein Denkfehler, der um sich greift. Sein Gegenmittel stammt eigentlich aus dem Grundlehrbuch uralter Buch-PR: Man solle ein Buch von der Nische aus verkaufen - die natürlich gern wuchern darf. Ich persönlich fand seinen Punkt 4 hochinteressant: Ein Buch als Gefäß für eine Idee betrachten, als ein Souvenir für die Leser, so dass die Ideen dem Buch entfleuchen dürfen, dass man Ideen außerhalb des Buches teilt. Am besten selbst den ganzen Artikel lesen.
Aber bitte nicht zu viel lesen, vor allem als Frau. So hätte ich vor ein oder zwei Jahrhunderten schließen müssen und vor der Lesesucht warnen. Ja, es hat tatsächlich einmal Zeiten gegeben, da galt die "Lesesucht des Weibes" sogar als Geisteskrankheit, gefährlich und hirnzersetzend. Wer mehr wissen will, als bei Wikipedia steht, der findet in "Das Buch der Rose" ein Kapitel über die Kitschklischees und süßlichen Vorurteile, mit denen sich die Frauen des 19. Jahrhunderts auseinanderzusetzen hatten und die bis heute nachwirken. Damals hat man nämlich eigens für diesen Teil der Menschheit "geeignete" Literatur geschaffen, die Frauen- und Familienbücher, die Mädchenbücher, die Modekataloge und Trivialliteratur...
24. September 2010
Reise nach Amerika
Gestern ist mir etwas passiert, das mich privat tief berührt hat und das mir auf künstlerischer Ebene etwas von der Magie offenbart, die uns antreibt, wenn wir Bücher lesen oder schreiben, die uns Menschenleben nahebringen und womöglich noch die Vergangenheit. Da ist dann dieser geheimnisvolle Punkt, wo sich die Vergangenheit mit der Gegenwart berührt, wo das eine im anderen sichtbar wird. Etwa so wie in dem meisterhaft verwobenen Roman "Alles ist erleuchtet" von Jonthan Safran Foer. Kürzlich habe ich die Verfilmung gesehen, die zwar auf eben jenen vergangenen Erzählstrang zugunsten des Mediums verzichtet, aber da war plötzlich ein ganz eigener Verwebe-Punkt im Film. Ein Bahnhof aus einem familiären Tabu...
Erst in diesem Jahr habe ich entdeckt, dass es bei meinen Eltern eine Art Giftschrank gegeben hatte, ein gut verschlossenes Fach, in dem alles verschwand wie in einem Scharzen Loch; der Erinnerung gestohlen, verschämt mit Kram getarnt, aber doch immerhin dadurch vor jeder Vernichtung bewahrt. Vielsagend die Auswahl: Der erste Erotikroman (Emanuelle), den ich mir heimlich vom Taschengeld gekauft hatte und der plötzlich auf geheimnisvolle Weise verschwunden war. Familienaufzeichnungen. Meine frühesten Manuskripte und politische Artikel, die ich vergeblich jahrzehntelang gesucht hatte. Angeblich waren sie einem Hochwasser zum Opfer gefallen. Fotos. Wahrscheinlich hat jede Familie ihren eigenen Giftschrank, der sich in den Köpfen fortsetzt. Wo die Tochter von Kindheit an darauf gedrillt wurde, bloß nie Künstlerin zu werden, und die Künstler in der Familie als schwarze Schafe galten (so viel zum Wert von Erziehung). Wo man sich sesshaft gab und einheimisch, obwohl es kein typischeres Migrantensammelsurium des alten Europa gab.
Meist leben die Menschen sicher und bequem in den eigenen Verdrängungen und selbstgemachten Familienmythen. Deshalb funktioniert Literatur so wunderbar. Sie lässt Menschen ausbrechen, weitet Horizonte, konfrontiert - aber man kann das Buch dann wieder zuschlagen und beruhigt aufatmen: "Das war ja nur ein Buch." Das Buch des Lebens dagegen ist hinterhältiger als so ein Ersatzleben auf dem Papier - es öffnet seine Seiten immer wieder, Geschichten sickern heraus, eine Ahnung von Schicksalen. Es gibt ein breites Spektrum von Fachliteratur darüber, wie sich Familienlügen über Generationen vererben können und dadurch Schaden anrichten.
Meine Umgehung des inneren Giftsschranks war eine Großtante, von der ich heute weiß: Sie brachte mich zum Erzählen. Sie vermittelte mir die Magie von Menschengeschichten. In einer schamanischen Gesellschaft wäre sie die Dorferzählerin gewesen, in der Zeit meiner Kindheit war sie die einzige, die den gesamten Clan gekannt hatte, vom äußersten Osten bis in den äußersten Westen. Und so konnte ich es nicht abwarten, sie zum Kaffee zu besuchen, ihren unvergesslichen Mohn mit Streusseln zu essen, auf den die Kettenraucherin auch Asche streußelte, und ungeduldig zu fragen: "Tante, erzählst du mir wieder von Amerika?" Sie ließ sich nicht lang bitten, denn sie war auch die einzige, die selbst in Amerika gewesen war. Manchmal, ganz selten, holte sie ein paar wenige Fotos hervor, die ein klein wenig älter waren als ich.
Aber ich kannte diese Menschen schon längst vorher. Diese Leute, die irgendwie mit mir verwandt waren, und die irgendwann aus einem mir fremden Land in ein anderes fremdes Land emigriert waren, die von einer Sprache, die ich nicht konnte, in eine andere Sprache wechselten. Dank dieser Frau, die das kollektive Gedächtnis der Familie war, erfuhr ich von Hungersnöten und Kriegen, von Dingen, die Menschen anderen Menschen antaten, und von Träumen und Visionen, die Menschen hinaustrieben aus der Enge. Von den Menschen meiner Generation erfuhr ich, wann sie gezahnt hatten, mit wem sie im Sandkasten spielten und was sie zu Weihnachten bekommen hatten. "Amerika" wurde in meinem Kinderkopf zu mehr als nur einem Kontinent, es war eine Art Mythos, ein Traum von Freiheit, von harter Arbeit gewiss, aber auch vom Umsetzen der eigenen Träume.
Da war einer gewesen, nennen wir ihn G., der galt als besonders schwarzes Schaf. Nicht, weil er Künstler war, nein, er hatte auch noch Vater und Mutter verlassen! So etwas tut man nicht. Nimm dir ein Beispiel an den anderen. Werde ja nicht so ein Mensch.
Bei der Großtante dagegen verwandelte sich G. in einen Märchenkönig. So reich soll er geworden sein damals, dass er seiner Frau eine Villa auf den Bermudas hinstellte und zum Hochzeitstag ein Cabrio voller roter Rosen davor. In den miefigen deutschen 1960ern ein Unding, so etwas gab es nicht einmal im Film! Also bin ich zum Glück umerzogen worden: Wer sein Ding macht, der hat möglicherweise damit Erfolg. Hartnäckig daran arbeiten muss man eben. Das schwarze Schaf G. wurde mir zum Beispiel.
Doch irgendwann geschieht im Leben das, was auch manchem Buch geschehen kann, wenn es etwa schlecht verfilmt wird. Es wird entmythologisiert. Irgendwann nämlich konnte ich genügend Englisch, um Kontakt mit dem Clan im Westen aufzunehmen. Das Gefühl kennt wahrscheinlich jeder: Man erinnert sich an einen machtvollen, riesigen Urwaldbaum im Garten der Kindheit. Dann steht man Jahrzehnte später vor dem gleichen Baum und wird eine Weile nicht fertig mit dem Gedanken, dass er doch unmöglich so geschrumpft sein kann, wo Bäume doch stetig wachsen! So war das auch mit den Geschichten der Großtante. Aus den ersten jauchzenden Emigranten wurden Menschen, die für den Aufbruch ins Ungewisse alles zurückgelassen hatten, aus den typischen Tellerwäschergeschichten wurden Leben voller Mühen und harter Arbeit. Und doch überlagerte das Erzählen auf eine fantastische Weise die alltägliche Wirklichkeit, weil es den Zauber einfing, die Kraft der einzelnen Menschen, die man im Alltag so gern vergisst wahrzunehmen.
Gestern kam ein neuer Zauber hinzu. Ich hatte endlich einmal etwas Muße, im ehemaligen Giftschrank zu wühlen. Meine Finger stießen auf einen alten Briefumschlag von irgendeiner Werbung. Sehr dick war er, sehr tief in der Kiste verborgen. Und so fand ich Fotos, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, auch nicht bei jener Tante. Das, was ich hier sah, hatte ich mir allenfalls im Kopf ausgemalt und noch nicht einmal richtig - ich war nämlich in der falschen Zeit. Hier lagen Fotos von 1925 datiert, als es ihnen schon gut ging. Mit dem Ersten Weltkrieg müssen sie wohl ausgewandert sein. Einen von den ganz jungen Männern hatte ich als kleines Kind noch erlebt, als er einmal zu Besuch kam. Ich vergesse es nie, wie ich im alten Radio mit dem magischen Auge Kurzwellenrauschen und seltsame Signale hörte und er mir erklärte: Da hörst du Amerika. Stundenlang konnte ich damals diesem Britzeln und Knattern lauschen, mir vorstellen, wie unendlich lange Telegrafendrähte summten - von mir bis nach Amerika, mitten in diese Kopfidee hinein.
Auf einem dieser Fotos ist der berühmt-berüchtigte G. zu sehen, wie er sich von seinen Eltern verabschiedet. Stolz hatten sie das Foto nach Deutschland geschickt und geschrieben, er mache sich nun 3500 Meilen auf den Weg, nach California. G. ist von einem gewissen Schick, trägt das etwas längere gewellte Haar nach hinten gekämmt, so dass eine ungewöhnlich hohe Stirn auffällt. Er ist auf dem Weg zu seinem neuen Arbeitgeber, einem gewissen Disney, wo er Portraitzeichner wird.
Und da sind auch all die anderen. Der malochende Farmer der ersten Generation, dem die Armut das Gesicht verhärmt hat, aber nicht den Stolz aufs eigene Land löschen konnte. Auswanderer einer späteren Generation auf einem Schiff, die nicht mehr nach Zwischendeck und Entbehrungen aussehen. Erstaunliche Gesichter, sprechende Mienen, Fotos voller Geschichten.
Und da fiel mir auf, dass ich gerade auf dem umgekehrten Weg reiste wie Jonathan Safran Foer. Der Bahnhof, der mir in der Verfilmung so auffiel, war auch einer von mehreren familiären Ausgangspunkten gewesen; einer, der im Giftschrank versteckt gewesen war, einer, der dort endete, von wo Foers Protagonist abgereist war. Menschengeschichten. Man kann nicht mehr aufhören, wenn man dieser Magie einmal verfallen ist. Dann spricht aus jeder Zeile eines Briefes, aus jedem vergilbten Foto, aus jedem Koffer so viel Leben...
Ein Geschenk für das, woran ich derzeit arbeite. Da ist auch so einer, eigentlich Pole, doch durch die Geschichte Russe, im fernen Frankreich, immer mit dem Koffer in der Hand - und dann bricht der Erste Weltkrieg aus und eine gnadenlose Wirrnis beginnt, weil die ungarische Frau nicht nach Amerika will. Noch so eine Menschengeschichte aus dem Schmelztiegel der Migration, diesem wundervoll lebensbunten Europa.
Erst in diesem Jahr habe ich entdeckt, dass es bei meinen Eltern eine Art Giftschrank gegeben hatte, ein gut verschlossenes Fach, in dem alles verschwand wie in einem Scharzen Loch; der Erinnerung gestohlen, verschämt mit Kram getarnt, aber doch immerhin dadurch vor jeder Vernichtung bewahrt. Vielsagend die Auswahl: Der erste Erotikroman (Emanuelle), den ich mir heimlich vom Taschengeld gekauft hatte und der plötzlich auf geheimnisvolle Weise verschwunden war. Familienaufzeichnungen. Meine frühesten Manuskripte und politische Artikel, die ich vergeblich jahrzehntelang gesucht hatte. Angeblich waren sie einem Hochwasser zum Opfer gefallen. Fotos. Wahrscheinlich hat jede Familie ihren eigenen Giftschrank, der sich in den Köpfen fortsetzt. Wo die Tochter von Kindheit an darauf gedrillt wurde, bloß nie Künstlerin zu werden, und die Künstler in der Familie als schwarze Schafe galten (so viel zum Wert von Erziehung). Wo man sich sesshaft gab und einheimisch, obwohl es kein typischeres Migrantensammelsurium des alten Europa gab.
Meist leben die Menschen sicher und bequem in den eigenen Verdrängungen und selbstgemachten Familienmythen. Deshalb funktioniert Literatur so wunderbar. Sie lässt Menschen ausbrechen, weitet Horizonte, konfrontiert - aber man kann das Buch dann wieder zuschlagen und beruhigt aufatmen: "Das war ja nur ein Buch." Das Buch des Lebens dagegen ist hinterhältiger als so ein Ersatzleben auf dem Papier - es öffnet seine Seiten immer wieder, Geschichten sickern heraus, eine Ahnung von Schicksalen. Es gibt ein breites Spektrum von Fachliteratur darüber, wie sich Familienlügen über Generationen vererben können und dadurch Schaden anrichten.
Meine Umgehung des inneren Giftsschranks war eine Großtante, von der ich heute weiß: Sie brachte mich zum Erzählen. Sie vermittelte mir die Magie von Menschengeschichten. In einer schamanischen Gesellschaft wäre sie die Dorferzählerin gewesen, in der Zeit meiner Kindheit war sie die einzige, die den gesamten Clan gekannt hatte, vom äußersten Osten bis in den äußersten Westen. Und so konnte ich es nicht abwarten, sie zum Kaffee zu besuchen, ihren unvergesslichen Mohn mit Streusseln zu essen, auf den die Kettenraucherin auch Asche streußelte, und ungeduldig zu fragen: "Tante, erzählst du mir wieder von Amerika?" Sie ließ sich nicht lang bitten, denn sie war auch die einzige, die selbst in Amerika gewesen war. Manchmal, ganz selten, holte sie ein paar wenige Fotos hervor, die ein klein wenig älter waren als ich.
Aber ich kannte diese Menschen schon längst vorher. Diese Leute, die irgendwie mit mir verwandt waren, und die irgendwann aus einem mir fremden Land in ein anderes fremdes Land emigriert waren, die von einer Sprache, die ich nicht konnte, in eine andere Sprache wechselten. Dank dieser Frau, die das kollektive Gedächtnis der Familie war, erfuhr ich von Hungersnöten und Kriegen, von Dingen, die Menschen anderen Menschen antaten, und von Träumen und Visionen, die Menschen hinaustrieben aus der Enge. Von den Menschen meiner Generation erfuhr ich, wann sie gezahnt hatten, mit wem sie im Sandkasten spielten und was sie zu Weihnachten bekommen hatten. "Amerika" wurde in meinem Kinderkopf zu mehr als nur einem Kontinent, es war eine Art Mythos, ein Traum von Freiheit, von harter Arbeit gewiss, aber auch vom Umsetzen der eigenen Träume.
Da war einer gewesen, nennen wir ihn G., der galt als besonders schwarzes Schaf. Nicht, weil er Künstler war, nein, er hatte auch noch Vater und Mutter verlassen! So etwas tut man nicht. Nimm dir ein Beispiel an den anderen. Werde ja nicht so ein Mensch.
Bei der Großtante dagegen verwandelte sich G. in einen Märchenkönig. So reich soll er geworden sein damals, dass er seiner Frau eine Villa auf den Bermudas hinstellte und zum Hochzeitstag ein Cabrio voller roter Rosen davor. In den miefigen deutschen 1960ern ein Unding, so etwas gab es nicht einmal im Film! Also bin ich zum Glück umerzogen worden: Wer sein Ding macht, der hat möglicherweise damit Erfolg. Hartnäckig daran arbeiten muss man eben. Das schwarze Schaf G. wurde mir zum Beispiel.
Doch irgendwann geschieht im Leben das, was auch manchem Buch geschehen kann, wenn es etwa schlecht verfilmt wird. Es wird entmythologisiert. Irgendwann nämlich konnte ich genügend Englisch, um Kontakt mit dem Clan im Westen aufzunehmen. Das Gefühl kennt wahrscheinlich jeder: Man erinnert sich an einen machtvollen, riesigen Urwaldbaum im Garten der Kindheit. Dann steht man Jahrzehnte später vor dem gleichen Baum und wird eine Weile nicht fertig mit dem Gedanken, dass er doch unmöglich so geschrumpft sein kann, wo Bäume doch stetig wachsen! So war das auch mit den Geschichten der Großtante. Aus den ersten jauchzenden Emigranten wurden Menschen, die für den Aufbruch ins Ungewisse alles zurückgelassen hatten, aus den typischen Tellerwäschergeschichten wurden Leben voller Mühen und harter Arbeit. Und doch überlagerte das Erzählen auf eine fantastische Weise die alltägliche Wirklichkeit, weil es den Zauber einfing, die Kraft der einzelnen Menschen, die man im Alltag so gern vergisst wahrzunehmen.
Gestern kam ein neuer Zauber hinzu. Ich hatte endlich einmal etwas Muße, im ehemaligen Giftschrank zu wühlen. Meine Finger stießen auf einen alten Briefumschlag von irgendeiner Werbung. Sehr dick war er, sehr tief in der Kiste verborgen. Und so fand ich Fotos, die ich noch nie in meinem Leben gesehen habe, auch nicht bei jener Tante. Das, was ich hier sah, hatte ich mir allenfalls im Kopf ausgemalt und noch nicht einmal richtig - ich war nämlich in der falschen Zeit. Hier lagen Fotos von 1925 datiert, als es ihnen schon gut ging. Mit dem Ersten Weltkrieg müssen sie wohl ausgewandert sein. Einen von den ganz jungen Männern hatte ich als kleines Kind noch erlebt, als er einmal zu Besuch kam. Ich vergesse es nie, wie ich im alten Radio mit dem magischen Auge Kurzwellenrauschen und seltsame Signale hörte und er mir erklärte: Da hörst du Amerika. Stundenlang konnte ich damals diesem Britzeln und Knattern lauschen, mir vorstellen, wie unendlich lange Telegrafendrähte summten - von mir bis nach Amerika, mitten in diese Kopfidee hinein.
Auf einem dieser Fotos ist der berühmt-berüchtigte G. zu sehen, wie er sich von seinen Eltern verabschiedet. Stolz hatten sie das Foto nach Deutschland geschickt und geschrieben, er mache sich nun 3500 Meilen auf den Weg, nach California. G. ist von einem gewissen Schick, trägt das etwas längere gewellte Haar nach hinten gekämmt, so dass eine ungewöhnlich hohe Stirn auffällt. Er ist auf dem Weg zu seinem neuen Arbeitgeber, einem gewissen Disney, wo er Portraitzeichner wird.
Und da sind auch all die anderen. Der malochende Farmer der ersten Generation, dem die Armut das Gesicht verhärmt hat, aber nicht den Stolz aufs eigene Land löschen konnte. Auswanderer einer späteren Generation auf einem Schiff, die nicht mehr nach Zwischendeck und Entbehrungen aussehen. Erstaunliche Gesichter, sprechende Mienen, Fotos voller Geschichten.
Und da fiel mir auf, dass ich gerade auf dem umgekehrten Weg reiste wie Jonathan Safran Foer. Der Bahnhof, der mir in der Verfilmung so auffiel, war auch einer von mehreren familiären Ausgangspunkten gewesen; einer, der im Giftschrank versteckt gewesen war, einer, der dort endete, von wo Foers Protagonist abgereist war. Menschengeschichten. Man kann nicht mehr aufhören, wenn man dieser Magie einmal verfallen ist. Dann spricht aus jeder Zeile eines Briefes, aus jedem vergilbten Foto, aus jedem Koffer so viel Leben...
Ein Geschenk für das, woran ich derzeit arbeite. Da ist auch so einer, eigentlich Pole, doch durch die Geschichte Russe, im fernen Frankreich, immer mit dem Koffer in der Hand - und dann bricht der Erste Weltkrieg aus und eine gnadenlose Wirrnis beginnt, weil die ungarische Frau nicht nach Amerika will. Noch so eine Menschengeschichte aus dem Schmelztiegel der Migration, diesem wundervoll lebensbunten Europa.
22. September 2010
Disciplina, die peitschende...
Eigentlich war heute mein freier Tag und den wollte ich genau dort verbringen, wo Nijinsky und Diaghilew hinfuhren, wenn sie keine Zeit für Venedig hatten. Die habe ich nämlich auch nicht. Vierundzwanzig Grad im Schatten wären ideal gewesen. Und was macht die Autorin stattdessen? Sie ist wohl krank.
Sie setzt sich nämlich ins kälteste Nordzimmer (viel kälter als draußen), schaut sehnsüchtig über den glutenden Feuerdorn draußen auf den Azurhimmel über dem Bergkamm und stürzt sich so mir nichts dir nichts in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Während draußen das typische Leben des schulfreien Mittwochs quirlt und Kinder und Lehrer fröhliches Nichtstun feiern, kämpft sie mit der Dicken Bertha und Granaten und einer Munition, die man doch tatsächlich "Schei..eschachteln" nannte. Nur kurz flackert die Überlegung auf, noch sei es Zeit für eine Fahrt in die Sonne.
Aber dann kommt das Knattermoped der Briefträgerin, sie rennt hinaus, um einen gewissen Umschlag mit einem gewissen Ballett abzufangen, umsonst, denn die französische Post scheint wieder auf Pferdeboten umgestiegen zu sein, der Inlandsbrief im Kasten ist auch schon acht Tage alt. Doch jener Gang war entscheidend, denn neben dem Briefkasten steht Disciplina mit der Peitsche in der Hand. Süßlich verspricht sie, mit einem Verzicht auf einen freien Tag käme die Autorin schließlich der hochgeliebten Herzensarbeit ein Stückchen näher.
Also wird das Pensum noch ein wenig hochgeschraubt, die Granaten fallen nun im Turbotakt und ratzfatz ist ein Arm amputiert. Seltsam nur, wie eiskalt tippende Finger bei diesen Außentemperaturen werden können - ein paar Sonnenbäder zwischendurch und eine Handmassage am eigenen Leib müssen reichen. Was ich schaffen will, ist eigentlich nicht zu schaffen, aber ich werde. Im Oktober möchte ich mit diesem Text nichts mehr zu tun haben. Endlich schreiben... (als ob ich nichts anders täte).
Ausgerechnet jetzt kommt in der zu überarbeitenden Übersetzung etwas vor, was auch im Nijinsky vorkommt - das sind die Extraqualen, diese kleinen Erinnerungsstiche. Irgendwie fühlt man sich dabei falsch und wünscht sich woanders hin, in einen anderen Text: den eigenen.
Ich schaue wieder im Wörterbuch nach. L'obsession steht da. Im Französischen klingt es melodiös wie la passion, wie etwas, das man durchaus genießen kann. Doch wie unbarmherzig klingt's in Germanien, eine tobende Wagnertuba ist nichts dagegen: "dauernde Belästigung, Verfolgung, Zudringlichkeit, quälender Gedanke, medizinisch: Zwangsvorstellung, fixe Idee, theologisch: Besessenheit."
Ich habe also nur drei Möglichkeiten, um zu gesunden:
Den Psychiater, den Exorzisten oder das, was der Franzose "s'abandonner à la luxure" nennt und der Deutsche "sich ausleben": Sich an den Luxus verlieren ... hemmungslos schreiben, schöpfen, schreiben...
Deshalb gehen jetzt noch fünf Seiten Übersetzungsüberarbeitung. Statt freiem Abend vom freien Tag.
Sie setzt sich nämlich ins kälteste Nordzimmer (viel kälter als draußen), schaut sehnsüchtig über den glutenden Feuerdorn draußen auf den Azurhimmel über dem Bergkamm und stürzt sich so mir nichts dir nichts in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs. Während draußen das typische Leben des schulfreien Mittwochs quirlt und Kinder und Lehrer fröhliches Nichtstun feiern, kämpft sie mit der Dicken Bertha und Granaten und einer Munition, die man doch tatsächlich "Schei..eschachteln" nannte. Nur kurz flackert die Überlegung auf, noch sei es Zeit für eine Fahrt in die Sonne.
Aber dann kommt das Knattermoped der Briefträgerin, sie rennt hinaus, um einen gewissen Umschlag mit einem gewissen Ballett abzufangen, umsonst, denn die französische Post scheint wieder auf Pferdeboten umgestiegen zu sein, der Inlandsbrief im Kasten ist auch schon acht Tage alt. Doch jener Gang war entscheidend, denn neben dem Briefkasten steht Disciplina mit der Peitsche in der Hand. Süßlich verspricht sie, mit einem Verzicht auf einen freien Tag käme die Autorin schließlich der hochgeliebten Herzensarbeit ein Stückchen näher.
Also wird das Pensum noch ein wenig hochgeschraubt, die Granaten fallen nun im Turbotakt und ratzfatz ist ein Arm amputiert. Seltsam nur, wie eiskalt tippende Finger bei diesen Außentemperaturen werden können - ein paar Sonnenbäder zwischendurch und eine Handmassage am eigenen Leib müssen reichen. Was ich schaffen will, ist eigentlich nicht zu schaffen, aber ich werde. Im Oktober möchte ich mit diesem Text nichts mehr zu tun haben. Endlich schreiben... (als ob ich nichts anders täte).
Ausgerechnet jetzt kommt in der zu überarbeitenden Übersetzung etwas vor, was auch im Nijinsky vorkommt - das sind die Extraqualen, diese kleinen Erinnerungsstiche. Irgendwie fühlt man sich dabei falsch und wünscht sich woanders hin, in einen anderen Text: den eigenen.
Ich schaue wieder im Wörterbuch nach. L'obsession steht da. Im Französischen klingt es melodiös wie la passion, wie etwas, das man durchaus genießen kann. Doch wie unbarmherzig klingt's in Germanien, eine tobende Wagnertuba ist nichts dagegen: "dauernde Belästigung, Verfolgung, Zudringlichkeit, quälender Gedanke, medizinisch: Zwangsvorstellung, fixe Idee, theologisch: Besessenheit."
Ich habe also nur drei Möglichkeiten, um zu gesunden:
Den Psychiater, den Exorzisten oder das, was der Franzose "s'abandonner à la luxure" nennt und der Deutsche "sich ausleben": Sich an den Luxus verlieren ... hemmungslos schreiben, schöpfen, schreiben...
Deshalb gehen jetzt noch fünf Seiten Übersetzungsüberarbeitung. Statt freiem Abend vom freien Tag.
21. September 2010
Ein Konzept geht auf
Rückblickend ist man immer schlauer. Seit heute weiß ich, dass mir nichts Besseres hat passieren können als die "Katastrophen", die meinem Nijinsky-Projekt zugestoßen sind - auch wenn sich das zu jener Zeit ganz anders angefühlt hat. Zum Glück habe ich erst recht weitergemacht und Ideen entwickelt, die man sich im üblichen Verlagsalltag kaum noch leisten darf. Seit heute ist mein Konzept rund, und das nicht nur durch die Autorin allein. Genaueres kann ich vor Erscheinen nicht verraten, denn ja, es ist kein Branchenmärchen, auch ich wurde in meiner Laufbahn bereits von drei seriösen Verlagen schlicht beklaut - im Sachbuchbereich ist das gang und gäbe.
Die kurzzeitig einmal angedachte Alternative für den Druck, den Text durch eine Art Werkstattbericht "Von der Idee zum Buch" zu begleiten, ist nach ein paar Meinungen von Buchmachern ganz schnell gestorben, weil sie das Projekt in der Tat fehlgeleitet hätte. In solchen Phasen ist es wichtig, sich mit Menschen auszutauschen, die sich mit Büchern auskennen und die einen hinterfragen. Die nächste Idee, die mir an jenem Abend mit den Petersburgern kam, erschien mir zunächst verwegen und verrückt, weil "man" das in "ordentlichen" Büchern angeblich so nicht macht, weder formal noch inhaltlich. Wer mich etwas näher kennt, weiß aber, dass mir gerade die verrücktesten Ideen als tragfähig erscheinen. Denn alles andere machen ja schon tausend andere.
Nun wird das Buch also tatsächlich auch formal ein Spagat (passt wunderbar zum Thema), der hoffentlich den Layouter zu einer besonderen Lösung anstachelt. Grenzgängerei pur: Literatur meets Journalistenkür, wie es so schön im Zeitungs-Kauderwelsch heißt, Sachbuch trifft auf Erzählung - und ein paar andere Dinge treffen auch noch aufeinander. Auf dass das Faszinosum Nijinsky noch faszinierender werde. Der erste Schritt dazu ist "im Kasten", einen zweiten erträume ich noch. Und währenddessen bekommt die Idee schon fast wieder Junge, denn ich habe seit ein paar Jahren einen Traum von weiteren "ganz anderen" Büchern ...
Und wie das so ist, wenn Visionen wahr werden - sie machen sich dann selbstständig. Allein, als Einzelperson, sind sie nicht zu bewältigen. Solch ein Projekt verdankt sein Entstehen selbst beim Alleingang einer Autorin immer einem ganzen Netz von Begeisterten, Anfeurern und Mitmachern. Das fängt beim Blogkommentator hier an und hört bei Fachleuten auf.
Mein ganz besonderer Dank geht heute an meinen bisherigen Agenten, der leider seine Agentur geschlossen hat. Er hat mich immer darin bestärkt, nicht nach Märkten zu schielen, nicht nach dem leicht Machbaren, sondern mich selbst zu entwickeln, meine Sprache und meine Inhalte - und einfach zu entwickeln, woran ich glaube. Ohne sein Motivieren und Anstacheln hätte ich womöglich vor Jahren das Schreiben aufgegeben oder säße heute frustriert über Auftragswerken. Ich darf das mal so sagen: Er ist "schuld" daran, dass ich den Absprung von der vermeintlichen Sicherheit ins faszinierende und glücklich machende Risiko gewagt habe. Wo ich dann andere wichtige Leute traf, die es genauso machen, die sich vernetzen und mir immer wieder zeigen: Ich habe den schönsten Beruf der Welt - neben all den anderen schönsten Berufen der Welt natürlich. Wer diese anderen Leute sind, wird dann im Buch verraten.
Die kurzzeitig einmal angedachte Alternative für den Druck, den Text durch eine Art Werkstattbericht "Von der Idee zum Buch" zu begleiten, ist nach ein paar Meinungen von Buchmachern ganz schnell gestorben, weil sie das Projekt in der Tat fehlgeleitet hätte. In solchen Phasen ist es wichtig, sich mit Menschen auszutauschen, die sich mit Büchern auskennen und die einen hinterfragen. Die nächste Idee, die mir an jenem Abend mit den Petersburgern kam, erschien mir zunächst verwegen und verrückt, weil "man" das in "ordentlichen" Büchern angeblich so nicht macht, weder formal noch inhaltlich. Wer mich etwas näher kennt, weiß aber, dass mir gerade die verrücktesten Ideen als tragfähig erscheinen. Denn alles andere machen ja schon tausend andere.
Nun wird das Buch also tatsächlich auch formal ein Spagat (passt wunderbar zum Thema), der hoffentlich den Layouter zu einer besonderen Lösung anstachelt. Grenzgängerei pur: Literatur meets Journalistenkür, wie es so schön im Zeitungs-Kauderwelsch heißt, Sachbuch trifft auf Erzählung - und ein paar andere Dinge treffen auch noch aufeinander. Auf dass das Faszinosum Nijinsky noch faszinierender werde. Der erste Schritt dazu ist "im Kasten", einen zweiten erträume ich noch. Und währenddessen bekommt die Idee schon fast wieder Junge, denn ich habe seit ein paar Jahren einen Traum von weiteren "ganz anderen" Büchern ...
Und wie das so ist, wenn Visionen wahr werden - sie machen sich dann selbstständig. Allein, als Einzelperson, sind sie nicht zu bewältigen. Solch ein Projekt verdankt sein Entstehen selbst beim Alleingang einer Autorin immer einem ganzen Netz von Begeisterten, Anfeurern und Mitmachern. Das fängt beim Blogkommentator hier an und hört bei Fachleuten auf.
Mein ganz besonderer Dank geht heute an meinen bisherigen Agenten, der leider seine Agentur geschlossen hat. Er hat mich immer darin bestärkt, nicht nach Märkten zu schielen, nicht nach dem leicht Machbaren, sondern mich selbst zu entwickeln, meine Sprache und meine Inhalte - und einfach zu entwickeln, woran ich glaube. Ohne sein Motivieren und Anstacheln hätte ich womöglich vor Jahren das Schreiben aufgegeben oder säße heute frustriert über Auftragswerken. Ich darf das mal so sagen: Er ist "schuld" daran, dass ich den Absprung von der vermeintlichen Sicherheit ins faszinierende und glücklich machende Risiko gewagt habe. Wo ich dann andere wichtige Leute traf, die es genauso machen, die sich vernetzen und mir immer wieder zeigen: Ich habe den schönsten Beruf der Welt - neben all den anderen schönsten Berufen der Welt natürlich. Wer diese anderen Leute sind, wird dann im Buch verraten.
Durchgeknallt bis duftend
Wenn die Medien so weitermachen, verkommen mir hier noch die Schlagzeilen. Aber zwei Fundstücke muss ich unbedingt teilen:
Es gibt jetzt ein Parfum, das nach Bibliothek duften soll. Bei Twitter macht man sich schon Gedanken, wer freiwillig so riechen möchte. Ganz ehrlich - ich möchte auch nicht so riechen wie meine Stadtbibliothek, die müffelt nämlich. Und gerade heute hat mir jemand erzählt, wie er alte gebrauchte Bücher erst mal besprühen musste, um sie auszuhalten. Ich habe da einen Museumskatalog aus Frankreich über Nijinsky, der hat mir schon beim Auspacken die Luft genommen und gast fast zwei Jahre nach der Anschaffung und Lavendelsprayattacken immer noch nach Gauloise ohne Filter. Ich finde das Bibliotheksparfum trotzdem nützlich: Man kann damit jeden Ereader aufpeppen!
Weniger schön ist das, was Rowohlt und Fischer neuerdings treiben. Joachim Leser berichtet im Buchreport darüber, dass beide Verlage auf der Website plötzlich unter "Stimmen zum Buch" keine aktuellen Pressestimmen mehr zu Büchern brächten, sondern stattdessen für die Holtzbrinck-Community lovelybooks werben.
Das ist heftig und seltsam zugleich. Wäre es doch ein Leichtes gewesen, zur Werbung die Pressestimmen trotzdem zu belassen. Stattdessen lieber Rezensionsniveau à la Onlinehändler mit A.
Meine Meinung: Das geht vor allem zu Lasten der Autoren, die noch nicht so etabliert sind und dringend Pressestimmen zu Aufbau ihres Rufs brauchen. Und es erinnert mich fatal an den Ausspruch eines Fernsehproduzenten: "Beim Privatfernsehen kommt es nur noch insofern auf Inhalte an, als sie die ideale Hintergrundtapete für die Werbung abgeben."
Ein Gutes hat jedoch die abstruse Werbeaktion auf Kosten der Pressestimmen: Sie entlastet die Feuilletons. Die haben in Zukunft wieder mehr Platz, über richtig gute Bücher zu schreiben.
Wir Autoren sammeln die niveauvollen Aussagen dann lieber auf der eigenen Website, etwa so.
Eine kleine Vorauswerbung habe ich noch. Gestern bedauerte ich noch das Fehlen von Gender-Studien über den Buchmarkt, heute schon entdecke ich durch die Bücherfrauen ein Buch dazu, das sie herausgegeben haben:
MehrWert. Arbeiten in der Buchbranche heute. Ulrike Helmer Verlag.
Sobald das Buch in meinem Briefkasten liegt und durchgeschaut ist, werde ich es ausführlicher vorstellen.
Ich will natürlich immer alles genau wissen und bin nun auf der Verlagsseite von Rowohlt ein wenig gesurft. "Stimmen zum Buch" (worunter der gemeine Leser eine Vielfalt vermutet) kommen tatsächlich nur noch ausschließlich von lovelybooks, aber offensichtlich hat es nicht alle Bücher "erwischt". Thomas Pynchon und Philip Roth etwa entgehen der Neuerung.
Bei Franzens Freiheit kann ich zwar nun bei Recherche zwei Pressezitate sehen, die stammen aber von einem alten Buch - sogar durch die Titelnennung ersichtlich. Und das, obwohl das Feuilleton bereits breit über "Freiheit" geschrieben hat. Leider kein Zitat daraus.
Über Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt" erfahre ich dafür, dass er mal 3712, mal 178 Eselsohren hat, was auch immer das bedeuten mag (oder haben die Rezensenten Eselsohren?) - und wichtige Hinweise wie:
"...erzählt in einem Roman, in dem sich die beiden wie zwei Parallelen verhalten und am Ende berühren."
Wenn ich das Buch nicht längst gelesen hätte, wäre ich garantiert von dieser Rezension zum Kauf animiert worden:
"Toll, es ist schön zu lesen, wenn man dieses Buch liest, es nur schwierig sich winzige Details zu merken. Humbolt ist zum Vermessen der Welt aufgebrochen nach Amerika aufgebrochen und Gauß blieb in Deutschland, er reiste nicht so gerne. Schwer zusammenzufassen, es gab sehr viele Details in dem Buch." (Quelle: lovelybooks)
Es gibt jetzt ein Parfum, das nach Bibliothek duften soll. Bei Twitter macht man sich schon Gedanken, wer freiwillig so riechen möchte. Ganz ehrlich - ich möchte auch nicht so riechen wie meine Stadtbibliothek, die müffelt nämlich. Und gerade heute hat mir jemand erzählt, wie er alte gebrauchte Bücher erst mal besprühen musste, um sie auszuhalten. Ich habe da einen Museumskatalog aus Frankreich über Nijinsky, der hat mir schon beim Auspacken die Luft genommen und gast fast zwei Jahre nach der Anschaffung und Lavendelsprayattacken immer noch nach Gauloise ohne Filter. Ich finde das Bibliotheksparfum trotzdem nützlich: Man kann damit jeden Ereader aufpeppen!
Weniger schön ist das, was Rowohlt und Fischer neuerdings treiben. Joachim Leser berichtet im Buchreport darüber, dass beide Verlage auf der Website plötzlich unter "Stimmen zum Buch" keine aktuellen Pressestimmen mehr zu Büchern brächten, sondern stattdessen für die Holtzbrinck-Community lovelybooks werben.
Das ist heftig und seltsam zugleich. Wäre es doch ein Leichtes gewesen, zur Werbung die Pressestimmen trotzdem zu belassen. Stattdessen lieber Rezensionsniveau à la Onlinehändler mit A.
Meine Meinung: Das geht vor allem zu Lasten der Autoren, die noch nicht so etabliert sind und dringend Pressestimmen zu Aufbau ihres Rufs brauchen. Und es erinnert mich fatal an den Ausspruch eines Fernsehproduzenten: "Beim Privatfernsehen kommt es nur noch insofern auf Inhalte an, als sie die ideale Hintergrundtapete für die Werbung abgeben."
Ein Gutes hat jedoch die abstruse Werbeaktion auf Kosten der Pressestimmen: Sie entlastet die Feuilletons. Die haben in Zukunft wieder mehr Platz, über richtig gute Bücher zu schreiben.
Wir Autoren sammeln die niveauvollen Aussagen dann lieber auf der eigenen Website, etwa so.
Eine kleine Vorauswerbung habe ich noch. Gestern bedauerte ich noch das Fehlen von Gender-Studien über den Buchmarkt, heute schon entdecke ich durch die Bücherfrauen ein Buch dazu, das sie herausgegeben haben:
MehrWert. Arbeiten in der Buchbranche heute. Ulrike Helmer Verlag.
Sobald das Buch in meinem Briefkasten liegt und durchgeschaut ist, werde ich es ausführlicher vorstellen.
update in Sachen lovelybooks:
Ich will natürlich immer alles genau wissen und bin nun auf der Verlagsseite von Rowohlt ein wenig gesurft. "Stimmen zum Buch" (worunter der gemeine Leser eine Vielfalt vermutet) kommen tatsächlich nur noch ausschließlich von lovelybooks, aber offensichtlich hat es nicht alle Bücher "erwischt". Thomas Pynchon und Philip Roth etwa entgehen der Neuerung.
Bei Franzens Freiheit kann ich zwar nun bei Recherche zwei Pressezitate sehen, die stammen aber von einem alten Buch - sogar durch die Titelnennung ersichtlich. Und das, obwohl das Feuilleton bereits breit über "Freiheit" geschrieben hat. Leider kein Zitat daraus.
Über Daniel Kehlmanns "Vermessung der Welt" erfahre ich dafür, dass er mal 3712, mal 178 Eselsohren hat, was auch immer das bedeuten mag (oder haben die Rezensenten Eselsohren?) - und wichtige Hinweise wie:
"...erzählt in einem Roman, in dem sich die beiden wie zwei Parallelen verhalten und am Ende berühren."
Wenn ich das Buch nicht längst gelesen hätte, wäre ich garantiert von dieser Rezension zum Kauf animiert worden:
"Toll, es ist schön zu lesen, wenn man dieses Buch liest, es nur schwierig sich winzige Details zu merken. Humbolt ist zum Vermessen der Welt aufgebrochen nach Amerika aufgebrochen und Gauß blieb in Deutschland, er reiste nicht so gerne. Schwer zusammenzufassen, es gab sehr viele Details in dem Buch." (Quelle: lovelybooks)
20. September 2010
Lektorenrache, Killerargumente, Franzenfreude
Heute wird mal wieder quergelesen.
Das Blog des Oreilly-Verlags bringt einen Beitrag mit dem Titel "Killerargument: Dafür haben wir keine Zeit", der sich zwar an Verlage richtet, aber durchaus Lesewert für andere Menschen ohne Zeit hat. Und Autoren können so erfahren, dass dieses Argument, wenn es überstrapaziert wird, nicht von gesunder Unternehmenskultur spricht. Meine subversive Idee für die Branche: Warum nicht vor dem Social-Media-Betreuer mal einen Autorenbetreuer einstellen?
In "A Touch of Franzenfreude" geht Katha Pollitt im Guardian der Frage nach, ob Schriftsteller vom Feuilleton anders behandelt werden als Schriftstellerinnen. Auch wenn Feuilleton in unterschiedlichen Ländern sehr unterschiedlich tickt, darf man hierzulande die Frage ernst nehmen, warum es den Ausdruck "girl genius" nicht gibt. In deutschsprachigen Landen sprach das Feuilleton vor Jahren lieber vom "Fräuleinwunder" und tat so, als eroberten Frauen die bisher männliche Domäne der Hochliteratur hauptsächlich deshalb, weil sie jung und hübsch waren. Was sie danach auch zu sein hatten.
Tatsache ist: Etwa in der New York Times bekommen Autoren mehr Rezensionen als Autorinnen - und das ist nicht nur dort so. Wenn Männer über Familie schreiben, frohlocke das Feuilleton über ein Buch, das sich mit dem Land und großen menschlichen Themen beschäftige, wenn Frauen über große Themen schreiben, werfe man ihnen emotionale Befindlichkeiten vor. Und schließlich spiele es immer noch eine eklatante Rolle, ob der Autorenname oder das Pseudonym als männlich oder weiblich erkannt werde.
Nun ist der amerikanische Buchmarkt ganz und gar nicht mit unserem zu vergleichen. Nachdenken und vielleicht endlich einmal Studien zum Thema lohnen sich jedoch. Im deutschen Buchmarkt stellt das Heer der Frauen vor allem Autorinnen in der Unterhaltungsbranche und Auftragsschreiberinnen, während das, was man gerne als "E" oder Literatur bezeichnet, Frauen noch nicht so lange offensteht. Ein Blick auf die Geschlechterverteilung bei den großen Stipendien und Literaturpreisen des Landes lohnt ebenfalls. Aber genau diese Literatur wird von den Feuilletons bedient, die andere eher ironisch belächelt. In der deutschen Buchbranche findet man männliche Lektoren in nennenswerter Zahl noch in Sachbuchverlagen und Literaturverlagen - das Gros der Unterhaltungsliteratur wird von Lektorinnen ausgewählt und bearbeitet. Genderfragen ließen sich auch beim Betrachten von Verlagshierarchien stellen und beim Heer der Billigarbeiter im Outsourcing.
Ich habe vor vielen Jahren einmal die Frage mit Kolleginnen diskutiert, warum Frauen so selten die Härten auf sich nehmen, "richtig Kunst zu machen", warum viele von ihnen sich als Lohnschreiberinnen verdingen oder "Leichtes" schreiben, obwohl es sie nach eigener Aussage unzufrieden macht. Interessant, dass die meisten der Autorinnen nicht die Branche als Verhinderungsgrund angaben, sondern den Wunsch nach einem "normalen Familienleben". Die Rolle, die man von Partnerinnen vieler großer Künstler kennt, diese bedingungslose Unterstützung der Arbeit und Karriere, das Freihalten vom Alltag und womöglich Zuarbeiten bei der Kunst - ist beim anderen Geschlecht noch nicht überall angelangt. Oder brauchen wir vielleicht völlig neue Rollen? In jener ganz und gar nicht repräsentativen Diskussion klagten einige Autorinnen, sie müssten sich irgendwann zwischen Ehe und Kunst entscheiden, bräuchten jedoch die Ehe, um sich die Kunst leisten zu können. Das kann es irgendwie nicht sein...
Hier würde ich mir eine Studie wünschen, die einmal eruiert, ob Frauen tatsächlich anders schreiben als Männer - und das nur, weil sie Frauen sind - oder ob es womöglich eher an den Lebensbedingungen liegt, wie jemand schreibt. Denn diejenigen, die wirklich wollen, beißen sich auch durch, egal welchen Geschlechts sie sind. Was aber, wenn das Feuilleton als zu einseitiger Filter dann tatsächlich versagt und eine Hälfte der Menschheit übermäßig aussortiert?
Dafür habe ich noch zwei Herren der Schöpfung, die uns zeigen, dass zumindest beim Buch noch nicht alles verloren ist: Umberto Eco und Jean Claude Carrière haben nämlich ein faszinierendes Buch mit dem Titel "Die große Zukunft des Buches" geschrieben, das bei Hanser erschienen ist. Der NDR hat es gelesen.
Bücher wie diese brauchen die Buchschaffenden, um sich ihren Optimismus zu erhalten. Denn wenn man Buchtitel wie diesen auf den Büchertischen sieht, möchte man nur noch stöhnen: "Herr schmeiß Hirn ran!"
PS: Gerade vor Redaktionsschluss hereingeflattert: Publisher's Weekly: "Where Boys are not" über die Folgen einer überwiegend weiblichen Branche. Der Artikel befasst sich mit der guten alten Frage, warum Männer angeblich so wenig lesen - ob es nicht schlicht an Angeboten schon im Jungsalter fehle? Und es geht um die Frage, warum man sich darüber eigentlich einen Kopf mache, während man bei Krankenschwestern hinnehme, dass diesen Beruf mehr Frauen erlernen.
Meine Frage wäre eine ganz andere: Wenn Frauen tatsächlich so viel Macht in Verlagen haben, warum zementieren sie dann derart konsequent überkommene Rollenklischees?
PPS: Ein Blick in meine Empfehlungsliste feiner Verlage rechts im Menu lohnt sich. Da sind auch Verlegerinnen zu finden und ein ganz neuer Verlag, der zum Thema passt: die edition fünf
update
Das Thema "gender" liegt heute irgendwie in der Luft. Absolut druckfrisch will Der Freitag wissen, dass sich in der Musik Gleichberechtigung auch bei verbandelten Paaren breitmacht: 1+1=gleichberechtigt
Vorlaut habe ich bei Twitter nachgefragt, wie das bei Schriftstellern wäre. Aber dann fiel mir die Antwort in Form einer Gegenfrage gleich selbst ein: Vertragen sich denn überhaupt mehr als zwei Schriftsteller in einem Raum?
Das Blog des Oreilly-Verlags bringt einen Beitrag mit dem Titel "Killerargument: Dafür haben wir keine Zeit", der sich zwar an Verlage richtet, aber durchaus Lesewert für andere Menschen ohne Zeit hat. Und Autoren können so erfahren, dass dieses Argument, wenn es überstrapaziert wird, nicht von gesunder Unternehmenskultur spricht. Meine subversive Idee für die Branche: Warum nicht vor dem Social-Media-Betreuer mal einen Autorenbetreuer einstellen?
In "A Touch of Franzenfreude" geht Katha Pollitt im Guardian der Frage nach, ob Schriftsteller vom Feuilleton anders behandelt werden als Schriftstellerinnen. Auch wenn Feuilleton in unterschiedlichen Ländern sehr unterschiedlich tickt, darf man hierzulande die Frage ernst nehmen, warum es den Ausdruck "girl genius" nicht gibt. In deutschsprachigen Landen sprach das Feuilleton vor Jahren lieber vom "Fräuleinwunder" und tat so, als eroberten Frauen die bisher männliche Domäne der Hochliteratur hauptsächlich deshalb, weil sie jung und hübsch waren. Was sie danach auch zu sein hatten.
Tatsache ist: Etwa in der New York Times bekommen Autoren mehr Rezensionen als Autorinnen - und das ist nicht nur dort so. Wenn Männer über Familie schreiben, frohlocke das Feuilleton über ein Buch, das sich mit dem Land und großen menschlichen Themen beschäftige, wenn Frauen über große Themen schreiben, werfe man ihnen emotionale Befindlichkeiten vor. Und schließlich spiele es immer noch eine eklatante Rolle, ob der Autorenname oder das Pseudonym als männlich oder weiblich erkannt werde.
Nun ist der amerikanische Buchmarkt ganz und gar nicht mit unserem zu vergleichen. Nachdenken und vielleicht endlich einmal Studien zum Thema lohnen sich jedoch. Im deutschen Buchmarkt stellt das Heer der Frauen vor allem Autorinnen in der Unterhaltungsbranche und Auftragsschreiberinnen, während das, was man gerne als "E" oder Literatur bezeichnet, Frauen noch nicht so lange offensteht. Ein Blick auf die Geschlechterverteilung bei den großen Stipendien und Literaturpreisen des Landes lohnt ebenfalls. Aber genau diese Literatur wird von den Feuilletons bedient, die andere eher ironisch belächelt. In der deutschen Buchbranche findet man männliche Lektoren in nennenswerter Zahl noch in Sachbuchverlagen und Literaturverlagen - das Gros der Unterhaltungsliteratur wird von Lektorinnen ausgewählt und bearbeitet. Genderfragen ließen sich auch beim Betrachten von Verlagshierarchien stellen und beim Heer der Billigarbeiter im Outsourcing.
Ich habe vor vielen Jahren einmal die Frage mit Kolleginnen diskutiert, warum Frauen so selten die Härten auf sich nehmen, "richtig Kunst zu machen", warum viele von ihnen sich als Lohnschreiberinnen verdingen oder "Leichtes" schreiben, obwohl es sie nach eigener Aussage unzufrieden macht. Interessant, dass die meisten der Autorinnen nicht die Branche als Verhinderungsgrund angaben, sondern den Wunsch nach einem "normalen Familienleben". Die Rolle, die man von Partnerinnen vieler großer Künstler kennt, diese bedingungslose Unterstützung der Arbeit und Karriere, das Freihalten vom Alltag und womöglich Zuarbeiten bei der Kunst - ist beim anderen Geschlecht noch nicht überall angelangt. Oder brauchen wir vielleicht völlig neue Rollen? In jener ganz und gar nicht repräsentativen Diskussion klagten einige Autorinnen, sie müssten sich irgendwann zwischen Ehe und Kunst entscheiden, bräuchten jedoch die Ehe, um sich die Kunst leisten zu können. Das kann es irgendwie nicht sein...
Hier würde ich mir eine Studie wünschen, die einmal eruiert, ob Frauen tatsächlich anders schreiben als Männer - und das nur, weil sie Frauen sind - oder ob es womöglich eher an den Lebensbedingungen liegt, wie jemand schreibt. Denn diejenigen, die wirklich wollen, beißen sich auch durch, egal welchen Geschlechts sie sind. Was aber, wenn das Feuilleton als zu einseitiger Filter dann tatsächlich versagt und eine Hälfte der Menschheit übermäßig aussortiert?
Dafür habe ich noch zwei Herren der Schöpfung, die uns zeigen, dass zumindest beim Buch noch nicht alles verloren ist: Umberto Eco und Jean Claude Carrière haben nämlich ein faszinierendes Buch mit dem Titel "Die große Zukunft des Buches" geschrieben, das bei Hanser erschienen ist. Der NDR hat es gelesen.
Bücher wie diese brauchen die Buchschaffenden, um sich ihren Optimismus zu erhalten. Denn wenn man Buchtitel wie diesen auf den Büchertischen sieht, möchte man nur noch stöhnen: "Herr schmeiß Hirn ran!"
PS: Gerade vor Redaktionsschluss hereingeflattert: Publisher's Weekly: "Where Boys are not" über die Folgen einer überwiegend weiblichen Branche. Der Artikel befasst sich mit der guten alten Frage, warum Männer angeblich so wenig lesen - ob es nicht schlicht an Angeboten schon im Jungsalter fehle? Und es geht um die Frage, warum man sich darüber eigentlich einen Kopf mache, während man bei Krankenschwestern hinnehme, dass diesen Beruf mehr Frauen erlernen.
Meine Frage wäre eine ganz andere: Wenn Frauen tatsächlich so viel Macht in Verlagen haben, warum zementieren sie dann derart konsequent überkommene Rollenklischees?
PPS: Ein Blick in meine Empfehlungsliste feiner Verlage rechts im Menu lohnt sich. Da sind auch Verlegerinnen zu finden und ein ganz neuer Verlag, der zum Thema passt: die edition fünf
update
Das Thema "gender" liegt heute irgendwie in der Luft. Absolut druckfrisch will Der Freitag wissen, dass sich in der Musik Gleichberechtigung auch bei verbandelten Paaren breitmacht: 1+1=gleichberechtigt
Vorlaut habe ich bei Twitter nachgefragt, wie das bei Schriftstellern wäre. Aber dann fiel mir die Antwort in Form einer Gegenfrage gleich selbst ein: Vertragen sich denn überhaupt mehr als zwei Schriftsteller in einem Raum?
19. September 2010
Am Horizont das Ziel
Ich hielt mich immer für einen unsportlichen Typ, weil ich im Sportunterricht eine echte Niete war. Ich hielt mich selbst dann noch für unsportlich, als ich mit einer fünfköpfigen Huskymeute zusammenlebte und mich von ihnen trainieren ließ. Doch heute habe ich das Gefühl, dass selbst das Hirn ein trainierbarer Muskel ist, der durchaus seinen Muskelkater haben kann. Finger, Hände und Schultern jedenfalls sollten auch Menschen der schreibenden Zunft öfter einmal pflegen...
Fast habe ich einen Marathon geschafft. Beschreien will ich es nicht, noch kann alles schiefgehen! Aber seit heute habe ich endlich endlich das Ziel am Horizont sichtbar vor Augen - seit ich mich selbst überholen konnte. Irgendwie habe ich eine Technik gefunden, größere Mengen Rohübersetzung in druckfeinen Text zu verwandeln. Halte ich das Tempo durch, wäre ich in sieben reinen Arbeitstagen am Ziel (die ich natürlich nicht am Stück habe). Ein bald 700 Seiten starkes Buch, das nicht einfach "herunter" zu übersetzen war, sondern intensive Fachrecherchen benötigte, die sich unter anderem in Fußnoten für die deutschsprachigen Leser niedergeschlagen haben. Mein erstes Buch als Übersetzerin, warum auch klein anfangen...
Hochleistungssport. Danach gehörte ich eigentlich in ein Sportler-Erholungscamp. Stattdessen kann ich es kaum erwarten, mich vollkommen in eine andere Arbeit zu stürzen: das Nijinsky-Projekt. Es brüllt regelrecht in mir. Nachts träume ich davon und tagsüber muss ich mich mit aller Gewalt zwingen, nur kurz Ideen zu notieren und nicht gleich daran zu arbeiten. Und dann ertappe ich mich dabei, dass ich doch wieder abschweife und wie auf Entzug nach Papier und Stift suche. In Kaffeepausen bastle ich kleine Coverentwürfe, einfach so vor mich hingespielt... Manchmal muss ich lachen: Würde man mir Papier und Stift nehmen, ich wäre wahrscheinlich so weit, die Tapeten zu beschriften. Das Übersetzen macht mich dabei nur verrückter: Da tanzen die Ballets Russes nämlich auch öfter durchs Buch, als Randfiguren zwar, aber deutlich genug, um mich abzulenken.Stattdessen recherchiere ich militärische Dienstgrade und Drogensorten, Dreyfus und die Bolschewiken, französische Kosenamen und Flüche.
Es ist wunderschön und bereichernd, wenn man zwischen drei sich so ideal ergänzenden Berufen herumtanzen kann. Aber mir wird jetzt so klar wie nie zuvor, dass das "eigentliche" Schreiben bei mir so gar nichts von "Beruf" hat, weil es derart zwingend Teil des Lebens ist, dass man tatsächlich Entzugserscheinungen bekommen kann, wenn es verhindert wird. Diese Sieben-Tage-Hürde fühlt sich für mich an wie der Adventskalender als kleines Kind. Danach kommt helles Licht, ein riesiges Fest. Dann kann ich nach Lust und Laune spielen.
Was für eine Leistung gutes Übersetzen ist, war mir schon immer klar. Aber jetzt weiß ich auch, unter welchen Umständen, mit welcher Kraft Buchübersetzungen geschaffen werden - kaum ein Vergleich zum Übersetzen in der freien Wirtschaft. Es wird immer wieder diskutiert, Ebooks müssten billiger sein als gedruckte Bücher, weil weniger Herstellungskosten anfielen. Mit dem gleichen Recht könnte man fragen, warum übersetzte Bücher den gleichen Preis haben wie Bücher von heimischen Autoren. Denn hier schafft zusätzlich zum Autor eine zweite Person ein Buch neu - in einer anderen Kultur, Denkweise und Sprache. Wir können nur deshalb so viele Lizenzen lesen, weil sie sich gegenüber dem heimischen Schriftsteller für die Verlage offensichtlich immer noch finanziell lohnen.
Dieser Leistung gegenüber bin ich sehr viel sensibler geworden. Und deshalb macht es mich traurig, wenn Medien und Leser ohne nachzudenken über die Übersetzer herziehen, wie etwa im Fall Franzen geschehen. Hier wurde unter extremem Zeitdruck gearbeitet, fast unmöglich für einen solchen Roman. Immer näher am Erscheinungstermin des Originals sollen die Übersetzungen herauskommen, um Medieneffekte mitzunehmen. Schwächen bei sogenannter "Lesefutter"-Ware wiederum haben oft ein anderes Problem als Ursache: Da wird am falschen Ende gespart - und für lausige Honorare bekommt man eben keine erfahrenen Leute. Aber so paradox das klingt: Übersetzen lohnt sich tatsächlich nur dann, wenn man sehr schnell ist. Es ist ein wunderschöner Beruf, aber es ist ein Knochenjob im Dienste einer der schönsten Beschäftigungen der Welt - dem Lesen.
Fast habe ich einen Marathon geschafft. Beschreien will ich es nicht, noch kann alles schiefgehen! Aber seit heute habe ich endlich endlich das Ziel am Horizont sichtbar vor Augen - seit ich mich selbst überholen konnte. Irgendwie habe ich eine Technik gefunden, größere Mengen Rohübersetzung in druckfeinen Text zu verwandeln. Halte ich das Tempo durch, wäre ich in sieben reinen Arbeitstagen am Ziel (die ich natürlich nicht am Stück habe). Ein bald 700 Seiten starkes Buch, das nicht einfach "herunter" zu übersetzen war, sondern intensive Fachrecherchen benötigte, die sich unter anderem in Fußnoten für die deutschsprachigen Leser niedergeschlagen haben. Mein erstes Buch als Übersetzerin, warum auch klein anfangen...
Hochleistungssport. Danach gehörte ich eigentlich in ein Sportler-Erholungscamp. Stattdessen kann ich es kaum erwarten, mich vollkommen in eine andere Arbeit zu stürzen: das Nijinsky-Projekt. Es brüllt regelrecht in mir. Nachts träume ich davon und tagsüber muss ich mich mit aller Gewalt zwingen, nur kurz Ideen zu notieren und nicht gleich daran zu arbeiten. Und dann ertappe ich mich dabei, dass ich doch wieder abschweife und wie auf Entzug nach Papier und Stift suche. In Kaffeepausen bastle ich kleine Coverentwürfe, einfach so vor mich hingespielt... Manchmal muss ich lachen: Würde man mir Papier und Stift nehmen, ich wäre wahrscheinlich so weit, die Tapeten zu beschriften. Das Übersetzen macht mich dabei nur verrückter: Da tanzen die Ballets Russes nämlich auch öfter durchs Buch, als Randfiguren zwar, aber deutlich genug, um mich abzulenken.Stattdessen recherchiere ich militärische Dienstgrade und Drogensorten, Dreyfus und die Bolschewiken, französische Kosenamen und Flüche.
Es ist wunderschön und bereichernd, wenn man zwischen drei sich so ideal ergänzenden Berufen herumtanzen kann. Aber mir wird jetzt so klar wie nie zuvor, dass das "eigentliche" Schreiben bei mir so gar nichts von "Beruf" hat, weil es derart zwingend Teil des Lebens ist, dass man tatsächlich Entzugserscheinungen bekommen kann, wenn es verhindert wird. Diese Sieben-Tage-Hürde fühlt sich für mich an wie der Adventskalender als kleines Kind. Danach kommt helles Licht, ein riesiges Fest. Dann kann ich nach Lust und Laune spielen.
Was für eine Leistung gutes Übersetzen ist, war mir schon immer klar. Aber jetzt weiß ich auch, unter welchen Umständen, mit welcher Kraft Buchübersetzungen geschaffen werden - kaum ein Vergleich zum Übersetzen in der freien Wirtschaft. Es wird immer wieder diskutiert, Ebooks müssten billiger sein als gedruckte Bücher, weil weniger Herstellungskosten anfielen. Mit dem gleichen Recht könnte man fragen, warum übersetzte Bücher den gleichen Preis haben wie Bücher von heimischen Autoren. Denn hier schafft zusätzlich zum Autor eine zweite Person ein Buch neu - in einer anderen Kultur, Denkweise und Sprache. Wir können nur deshalb so viele Lizenzen lesen, weil sie sich gegenüber dem heimischen Schriftsteller für die Verlage offensichtlich immer noch finanziell lohnen.
Dieser Leistung gegenüber bin ich sehr viel sensibler geworden. Und deshalb macht es mich traurig, wenn Medien und Leser ohne nachzudenken über die Übersetzer herziehen, wie etwa im Fall Franzen geschehen. Hier wurde unter extremem Zeitdruck gearbeitet, fast unmöglich für einen solchen Roman. Immer näher am Erscheinungstermin des Originals sollen die Übersetzungen herauskommen, um Medieneffekte mitzunehmen. Schwächen bei sogenannter "Lesefutter"-Ware wiederum haben oft ein anderes Problem als Ursache: Da wird am falschen Ende gespart - und für lausige Honorare bekommt man eben keine erfahrenen Leute. Aber so paradox das klingt: Übersetzen lohnt sich tatsächlich nur dann, wenn man sehr schnell ist. Es ist ein wunderschöner Beruf, aber es ist ein Knochenjob im Dienste einer der schönsten Beschäftigungen der Welt - dem Lesen.
18. September 2010
Jagdfieber: Foto-Safari
Wenn sich ein Buch inhaltlich so gut entwickelt, dann muss es einfach "aussehen". Sprich - es müssen doch Bilder her. Und so hat sich die Autorin eher beiläufig im Web umgesehen, um Agenturen zu vergleichen. Von der Chicagoer Zeitung gelangte sie in ein New Yorker Archiv und traute ihren Augen kaum: Fotos von Nijinsky, die selbst sie nach all den Recherchen noch nicht kannte. Richtige Pralinen.
Man kann sich festfressen an der Bildersuche rund um den Globus. Hätte ich einen Verlag, wüsste ich, wie ein Prachtband auszusehen hätte. Aber bei jedem noch so schönen Bild kommt die Buchhalterin in mir hoch - bezahlbar muss es nicht nur sein, rechnen soll es sich. Leider machen Bildarchive, Museen und Agenturen keine Unterschiede zwischen herkömmlicher Handelsmassenware und solch einem Buch, die Preise werden grundsätzlich etwa bis 3000 oder 5000 Auflage gerechnet. Die Russen sortieren sich schnell aus, weil das "shopping & buy" noch nicht so ganz international per Mausklick und Kreditkarte funktioniert.
Der Rest ist erst einmal Fachchinesisch für Urheberrechtler und hier heißt es aufgepasst. Die Amerikaner unterscheiden zwischen nationalen und Weltrechten, Schwarzweiß oder Farbe und nehmen Pauschalpreise für die Buchlaufzeit. Die Franzosen berechnen nach Druckgröße, egal in welcher Farbe, geben die Rechte nur für fünf Jahre, dann ist die Summe wieder fällig. Will man sein Buch online präsentieren, werden 30% vom Coverpreis noch einmal abgezockt.
Und natürlich bestehen extreme Preisunterschiede je nach Herkunft, das Vergleichen ist etwa so aufwändig wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Nur potente Verlage können sich Agenturen wie getty-images oder corbis leisten. Die mit unter 200 Euro fürs Coverbild recht günstige VG-Bild-Kunst macht zwar preislich das Rennen, hat aber in Sachen Nijinsky nichts anzubieten. Wird man doch fündig, gerät man an den winzigen Hinweis, dass der Preis des Inhabers gilt - und das ist dann wieder jemand in Frankreich. 337 E nehmen die Museen von Frankreich für Coverrechte für fünf Jahre, in New York sind die Weltrechte dagegen schon für 300 $ plus 25% Aufschlag zu haben. Bringt man ein Foto der Franzosen ganzseitig innerhalb des Textes, sind 139 E fällig - die Amerikaner geben es einem für 55 $. Der Vergleich lohnt sich also, denn mit Kreditkarte und Internet wechseln Geld wie Fotodatei den Besitzer international.
Dabei sollte man allerdings auch aufs Kleingedruckte bei den Lieferfristen achten. Eine Mailanfrage an ein gewisses berühmtes französisches Museum wurde immerhin nach drei Monaten beantwortet und dann rückten sie auch nur endlich mit der Adresse der Agentur heraus, die ihre Rechte handelt. Und manche Agenturen, das ist vor allem eine deutsche Spezialität, lassen die Fotosuche nur für eingetragene Verlage zu oder kassieren ein nicht geringes Sümmchen, damit man überhaupt nur im Katalog blättern darf. Da ist es zwar praktisch, wenn man jemand in einem Verlag kennt, der das erledigt, aber dann muss man sich beim Aussuchen auf eine andere Person verlassen.
Doch die Fotos sollte man dringend mit Fachblick betrachten. Nicht alles, was am Bildschirm und vom Sujet her schön aussieht und beeindruckt, kommt auch im Druck gut. Wie sehen überhaupt die angebotenen Dateien technisch aus? Auch hier gibt es extreme Unterschiede in der Qualität je nach Anbieter, gerade bei historischen Fotos. Innenbilder wären in diesem Fall einfach auszusuchen: Sie müssen zum Text passen. Beim Cover sieht die Sache schon anders aus. Hier kauft man nämlich etwas ein, das der Grafikerin gefallen muss. Hier geht es nicht einfach um ein Foto, sondern um Fragen der Titelgestaltung, der Komposition und Farbflächen. Es geht um Wiedererkennungswert, Fernwirkung, psychologische Wirkung und den berühmten Anreiz zum Hingreifen. Dafür muss man einen feineren Blick haben als für Innenbebilderung.
Natürlich kann man vor Begeisterung ein Vermögen ausgeben. Doch die freundliche Buchhalterin im Hinterkopf stellt ganz andere Fragen:
- Das nur als kleiner Ausschnitt aus der Produktion, um zu zeigen, mit welchen Fragen man sich beschäftigen muss, wenn man ein Buch herausgibt. Natürlich geht die Suche anderswo noch weiter und verhandelt werden muss auch. Momentan liegen die New Yorker ganz vorn im Rennen. Die mit der Praline.
Man kann sich festfressen an der Bildersuche rund um den Globus. Hätte ich einen Verlag, wüsste ich, wie ein Prachtband auszusehen hätte. Aber bei jedem noch so schönen Bild kommt die Buchhalterin in mir hoch - bezahlbar muss es nicht nur sein, rechnen soll es sich. Leider machen Bildarchive, Museen und Agenturen keine Unterschiede zwischen herkömmlicher Handelsmassenware und solch einem Buch, die Preise werden grundsätzlich etwa bis 3000 oder 5000 Auflage gerechnet. Die Russen sortieren sich schnell aus, weil das "shopping & buy" noch nicht so ganz international per Mausklick und Kreditkarte funktioniert.
Der Rest ist erst einmal Fachchinesisch für Urheberrechtler und hier heißt es aufgepasst. Die Amerikaner unterscheiden zwischen nationalen und Weltrechten, Schwarzweiß oder Farbe und nehmen Pauschalpreise für die Buchlaufzeit. Die Franzosen berechnen nach Druckgröße, egal in welcher Farbe, geben die Rechte nur für fünf Jahre, dann ist die Summe wieder fällig. Will man sein Buch online präsentieren, werden 30% vom Coverpreis noch einmal abgezockt.
Und natürlich bestehen extreme Preisunterschiede je nach Herkunft, das Vergleichen ist etwa so aufwändig wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Nur potente Verlage können sich Agenturen wie getty-images oder corbis leisten. Die mit unter 200 Euro fürs Coverbild recht günstige VG-Bild-Kunst macht zwar preislich das Rennen, hat aber in Sachen Nijinsky nichts anzubieten. Wird man doch fündig, gerät man an den winzigen Hinweis, dass der Preis des Inhabers gilt - und das ist dann wieder jemand in Frankreich. 337 E nehmen die Museen von Frankreich für Coverrechte für fünf Jahre, in New York sind die Weltrechte dagegen schon für 300 $ plus 25% Aufschlag zu haben. Bringt man ein Foto der Franzosen ganzseitig innerhalb des Textes, sind 139 E fällig - die Amerikaner geben es einem für 55 $. Der Vergleich lohnt sich also, denn mit Kreditkarte und Internet wechseln Geld wie Fotodatei den Besitzer international.
Dabei sollte man allerdings auch aufs Kleingedruckte bei den Lieferfristen achten. Eine Mailanfrage an ein gewisses berühmtes französisches Museum wurde immerhin nach drei Monaten beantwortet und dann rückten sie auch nur endlich mit der Adresse der Agentur heraus, die ihre Rechte handelt. Und manche Agenturen, das ist vor allem eine deutsche Spezialität, lassen die Fotosuche nur für eingetragene Verlage zu oder kassieren ein nicht geringes Sümmchen, damit man überhaupt nur im Katalog blättern darf. Da ist es zwar praktisch, wenn man jemand in einem Verlag kennt, der das erledigt, aber dann muss man sich beim Aussuchen auf eine andere Person verlassen.
Doch die Fotos sollte man dringend mit Fachblick betrachten. Nicht alles, was am Bildschirm und vom Sujet her schön aussieht und beeindruckt, kommt auch im Druck gut. Wie sehen überhaupt die angebotenen Dateien technisch aus? Auch hier gibt es extreme Unterschiede in der Qualität je nach Anbieter, gerade bei historischen Fotos. Innenbilder wären in diesem Fall einfach auszusuchen: Sie müssen zum Text passen. Beim Cover sieht die Sache schon anders aus. Hier kauft man nämlich etwas ein, das der Grafikerin gefallen muss. Hier geht es nicht einfach um ein Foto, sondern um Fragen der Titelgestaltung, der Komposition und Farbflächen. Es geht um Wiedererkennungswert, Fernwirkung, psychologische Wirkung und den berühmten Anreiz zum Hingreifen. Dafür muss man einen feineren Blick haben als für Innenbebilderung.
Natürlich kann man vor Begeisterung ein Vermögen ausgeben. Doch die freundliche Buchhalterin im Hinterkopf stellt ganz andere Fragen:
- Wie viel "Bild" muss ein Cover haben, um zu wirken?
- Lohnt sich die absolute Preziose und Rarität auf dem Cover?
- Oder macht sich ein Buch besser mit einfachem graphischem Cover, dafür aber wenigstens zu den Buchteilen mit je einem Foto innen?
- Wenn ein ganzseitiges Foto 139 E kostet, lohnt es sich dann, mit einem halbseitigen zu 110 E zu sparen?
- Oder nimmt man das Knaller-Cover und leistet sich innen dafür nur gut layouteten Text?
- Wie viel dürfen die Rechte überhaupt kosten, damit sich die Unkosten über den Verkauf erwirtschaften lassen?
- Wo würde man bei Produktion und Werbung am falschen Ende sparen und wo müsste man unbedingt investieren, was an Leistungen sich zukaufen?
- Das nur als kleiner Ausschnitt aus der Produktion, um zu zeigen, mit welchen Fragen man sich beschäftigen muss, wenn man ein Buch herausgibt. Natürlich geht die Suche anderswo noch weiter und verhandelt werden muss auch. Momentan liegen die New Yorker ganz vorn im Rennen. Die mit der Praline.
17. September 2010
Das feine Netz Begeisterung
Man nehme einen Eimer, rühre leidenschaftliche Begeisterung hinein, dazu eine heftige Vision oder einen Traum - und eine Fokussierung, die von außen womöglich schon als Fachidiotentum belächelt wird. So ähnlich müsste das Rezept für den geheimnisvollen Kuchen beginnen, der Träume in die Realität hinein bäckt. Natürlich sind noch jede Menge anderer Ingredienzien nötig: knallharte Arbeit und Disziplin etwa, Selbstkritik, Beherrschen des Handwerks und was es außer Sauerkraut oder Crème fraiche in der Kreativküche noch so gibt. Das wahre Rezept bleibt jedoch geheim, seit die Höhlenmenschen ihre Wohnzimmerdecken bemalten und seit sich Coachs und Gurus eine goldene Nase mit der Geilheit (und Beschränktheit) ihrer Adepten verdienen, die endlich mit Fingerschnipp und Wochenendeinweihung zum gelebten Traum kommen wollen.
Der Fingerschnipp, das Patenrezept - das alles funktioniert nicht. Denn da ist noch etwas magisch Anmutendes, das sich beim Rühren im Eimer manchmal ergibt. Es scheint an die eigene Begeisterung gekoppelt zu sein und ist doch so spinnwebfein und empfindlich, dass es durch die kleinste falsche Bewegung zerreißen kann. Ein schillerndes Gespinst, farbig wie alle Zufälle eines Lebens - und wenn man genau hinhört, kann man seine Musik vernehmen. Wie es wohl zustande kam? Nicht einmal das lässt sich mehr rekonstruieren...
Es gibt diese Episodenfilme voller Dramatik, in denen sich eine Handlung oder ein Leben als Verkettung von Zufällen entpuppt, die aus irgendeinem undurchdringlichen Grund wildfremde Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammenführen. Wir Autoren wissen: das passiert nicht nur Menschen. Wenn "die Chemie stimmt", "wenn die Zeit reif ist", wenn "Zeit und Ort stimmen" - dann passiert das auch einem Buch. Und weil das alles eben nicht in einem Eimer zur Weltbestsellerformel zusammenzurühren ist, klingt auch Autorengerede über das sehr reale Phänomen eher esoterisch als wissend. Die Worte versagen den Wortarbeitern in solchen Augenblicken.
Als ich vor kurzem mit den Petersburger Musikern am Tisch saß und wir über Nijinsky redeten, wusste ich, dass "etwas passiert", dass das ein Schlüsseltag war für mein Projekt. Das war es auch, so wie einige Tage und Begegnungen zuvor schlüsselhaft gewesen waren. Aber an jenem Abend ahnte ich nicht, worin das eigentliche Geheimnis bestand. Im Rückblick weiß ich, dass da ein Knoten geplatzt ist: Ich bin verwegen geworden. So verwegen, wie es einem im Verlagsgeschäft heutzutage abtrainiert wird, obwohl es jede andere Kunst verlangt.
Das seltsame Netz begann, sich mit einem zufälligen Foto zu entwickeln, das mir jemand ohne irgendwelche Nebengedanken geschickt hatte. Darauf war Himmel zu sehen - und eine Ecke eines Plakats. Zufällig folgten mir dann bei Twitter diejenigen, die dieses Plakat aufgehängt hatten. Ich bedauerte wie schon so oft, dass die virtuelle Welt so viel leichter Entfernungen überbrückt, als ich das im realen Leben könnte.
Ich weiß nicht, was es genau war, jedenfalls konnte ich in dieser Nacht nicht schlafen. In meinem Kopf quirlte all das wild schäumend wie in jenem geheimnisvollen Eimer. Zu einer Zeit, in der brave Dorbewohner längst schlafen, legte ich mir Strawinsky auf und holte Papier und Stift. Kritzelte und malte wie in Trance, strich durch, verband Sätze mit Linien und Blasen und hatte das Gefühl, da ging wieder ein Knopf auf.
Der Idee für mein Nijinsky-Projekt mangelte es nämlich an etwas Grundlegendem. Sie war nicht verwegen genug. Klebte noch viel zu brav an all dem, was einem in Jahren dieses Berufs eingehämmert wird, wie ein Autor zu funktionieren habe, wie ein braves Buch auszusehen habe. Dabei war ich doch frei! In dieser Nacht warf ich mein gesamtes Konzept um und kam auf eine Idee, die ich noch vor einem Jahr als verrückt angesehen hätte.
Plötzlich fügte sich alles zusammen. Das ist der ganz große Traum, den man als Autor träumt: Wenn das Buch selbst die Zügel in die Hand nimmt, wenn man wie ein Werkzeug zurücktritt, staunend über das, was da so spontan entsteht. Wenn man weiß, das hätte man alles vorsätzlich gewollt und geplant und bedacht und abgewogen nie zustande gebracht. Wenn man nicht das Buch tanzt, sondern das Buch einen tanzt...
Plötzlich war für mich Nijinsky in der Jetztzeit angekommen, so etwas wie eine künstlerische Zeitmaschine erfunden. Ich beginne langsam zu begreifen, warum er lebt, immer noch lebt.
Damit ist dann der nächste Knopf aufgegangen, der etwas von einem Point of no Return an sich hat. Ich habe begriffen, wie viel man als einzelner Autor bewegen kann und wie viele Jahre ich mich "verhindern" ließ. Nur weil ich dachte, es müsse so sein, diese massive Bedenkenträgerei, die ständige Demotivation, die enorme Risikoangst, die Entscheidungsscheu von Verlagsseite; monatelange, ja jahrelange Wartereien, brutales Arbeiten auf Zeitdruck - um dann ein "nettes Buch haben Sie geschrieben" zu hören oder womöglich nicht einmal ein Feedback zu bekommen, dass das Manuskript angekommen sei. Ich dachte, das sei normal und müsse so sein, weil alle um mich herum dachten, es gehöre zu unserem Metier wie das stundenlange Üben eines Musikers.
Ich weiß es jetzt besser. Und ich muss ohne zu erröten zugeben, dass ich ein klein wenig Schadenfreude genieße. Denn mit Menschen, die mir sagten: "Nijinsky, das ist zu klein, wen interessiert der schon!" oder "da gibt's in London jetzt einen Ausstellungskatalog zu den Ballets Russes und damit ist der Markt ruiniert" - mit solchen Leuten hätte ich nicht die Hälfte von dem bewegen können, was jetzt ins Rollen kommt. Als ich für die Arbeit am Nijinsky sogar Jobs ausschlug und lieber einen Monat lang fror, sagte mir jemand: "Stell dir vor, Diaghilew hätte auch nur einen Pfifferling darauf gegeben, was "man" gefälligst so macht oder wie Ballett gefälligst zu sein habe - all das wäre nie entstanden." Mich hat das damals statt Heizung gewärmt und vielleicht begann da auch das feine Netz Begeisterung mein Leben umzuweben.
Nein, ich verrate vorab gar nichts. Aber es macht mich froh zu sehen, dass Nijinsky auch noch sechzig Jahre nach seinem Tod viele Menschen so bezaubert, dass sie seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen: "Ich will eine Liebesschlange (vor dem Theater)..." Er wollte als Mensch geliebt, nicht als Weltstar und für Geld bejubelt werden. Kein "kleines" Thema - denn das ist das Thema, das Mythen webt und manche Menschen zu Mythen macht.
Der Fingerschnipp, das Patenrezept - das alles funktioniert nicht. Denn da ist noch etwas magisch Anmutendes, das sich beim Rühren im Eimer manchmal ergibt. Es scheint an die eigene Begeisterung gekoppelt zu sein und ist doch so spinnwebfein und empfindlich, dass es durch die kleinste falsche Bewegung zerreißen kann. Ein schillerndes Gespinst, farbig wie alle Zufälle eines Lebens - und wenn man genau hinhört, kann man seine Musik vernehmen. Wie es wohl zustande kam? Nicht einmal das lässt sich mehr rekonstruieren...
Es gibt diese Episodenfilme voller Dramatik, in denen sich eine Handlung oder ein Leben als Verkettung von Zufällen entpuppt, die aus irgendeinem undurchdringlichen Grund wildfremde Menschen zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammenführen. Wir Autoren wissen: das passiert nicht nur Menschen. Wenn "die Chemie stimmt", "wenn die Zeit reif ist", wenn "Zeit und Ort stimmen" - dann passiert das auch einem Buch. Und weil das alles eben nicht in einem Eimer zur Weltbestsellerformel zusammenzurühren ist, klingt auch Autorengerede über das sehr reale Phänomen eher esoterisch als wissend. Die Worte versagen den Wortarbeitern in solchen Augenblicken.
Als ich vor kurzem mit den Petersburger Musikern am Tisch saß und wir über Nijinsky redeten, wusste ich, dass "etwas passiert", dass das ein Schlüsseltag war für mein Projekt. Das war es auch, so wie einige Tage und Begegnungen zuvor schlüsselhaft gewesen waren. Aber an jenem Abend ahnte ich nicht, worin das eigentliche Geheimnis bestand. Im Rückblick weiß ich, dass da ein Knoten geplatzt ist: Ich bin verwegen geworden. So verwegen, wie es einem im Verlagsgeschäft heutzutage abtrainiert wird, obwohl es jede andere Kunst verlangt.
Das seltsame Netz begann, sich mit einem zufälligen Foto zu entwickeln, das mir jemand ohne irgendwelche Nebengedanken geschickt hatte. Darauf war Himmel zu sehen - und eine Ecke eines Plakats. Zufällig folgten mir dann bei Twitter diejenigen, die dieses Plakat aufgehängt hatten. Ich bedauerte wie schon so oft, dass die virtuelle Welt so viel leichter Entfernungen überbrückt, als ich das im realen Leben könnte.
Ich weiß nicht, was es genau war, jedenfalls konnte ich in dieser Nacht nicht schlafen. In meinem Kopf quirlte all das wild schäumend wie in jenem geheimnisvollen Eimer. Zu einer Zeit, in der brave Dorbewohner längst schlafen, legte ich mir Strawinsky auf und holte Papier und Stift. Kritzelte und malte wie in Trance, strich durch, verband Sätze mit Linien und Blasen und hatte das Gefühl, da ging wieder ein Knopf auf.
Der Idee für mein Nijinsky-Projekt mangelte es nämlich an etwas Grundlegendem. Sie war nicht verwegen genug. Klebte noch viel zu brav an all dem, was einem in Jahren dieses Berufs eingehämmert wird, wie ein Autor zu funktionieren habe, wie ein braves Buch auszusehen habe. Dabei war ich doch frei! In dieser Nacht warf ich mein gesamtes Konzept um und kam auf eine Idee, die ich noch vor einem Jahr als verrückt angesehen hätte.
Plötzlich fügte sich alles zusammen. Das ist der ganz große Traum, den man als Autor träumt: Wenn das Buch selbst die Zügel in die Hand nimmt, wenn man wie ein Werkzeug zurücktritt, staunend über das, was da so spontan entsteht. Wenn man weiß, das hätte man alles vorsätzlich gewollt und geplant und bedacht und abgewogen nie zustande gebracht. Wenn man nicht das Buch tanzt, sondern das Buch einen tanzt...
Plötzlich war für mich Nijinsky in der Jetztzeit angekommen, so etwas wie eine künstlerische Zeitmaschine erfunden. Ich beginne langsam zu begreifen, warum er lebt, immer noch lebt.
Damit ist dann der nächste Knopf aufgegangen, der etwas von einem Point of no Return an sich hat. Ich habe begriffen, wie viel man als einzelner Autor bewegen kann und wie viele Jahre ich mich "verhindern" ließ. Nur weil ich dachte, es müsse so sein, diese massive Bedenkenträgerei, die ständige Demotivation, die enorme Risikoangst, die Entscheidungsscheu von Verlagsseite; monatelange, ja jahrelange Wartereien, brutales Arbeiten auf Zeitdruck - um dann ein "nettes Buch haben Sie geschrieben" zu hören oder womöglich nicht einmal ein Feedback zu bekommen, dass das Manuskript angekommen sei. Ich dachte, das sei normal und müsse so sein, weil alle um mich herum dachten, es gehöre zu unserem Metier wie das stundenlange Üben eines Musikers.
Ich weiß es jetzt besser. Und ich muss ohne zu erröten zugeben, dass ich ein klein wenig Schadenfreude genieße. Denn mit Menschen, die mir sagten: "Nijinsky, das ist zu klein, wen interessiert der schon!" oder "da gibt's in London jetzt einen Ausstellungskatalog zu den Ballets Russes und damit ist der Markt ruiniert" - mit solchen Leuten hätte ich nicht die Hälfte von dem bewegen können, was jetzt ins Rollen kommt. Als ich für die Arbeit am Nijinsky sogar Jobs ausschlug und lieber einen Monat lang fror, sagte mir jemand: "Stell dir vor, Diaghilew hätte auch nur einen Pfifferling darauf gegeben, was "man" gefälligst so macht oder wie Ballett gefälligst zu sein habe - all das wäre nie entstanden." Mich hat das damals statt Heizung gewärmt und vielleicht begann da auch das feine Netz Begeisterung mein Leben umzuweben.
Nein, ich verrate vorab gar nichts. Aber es macht mich froh zu sehen, dass Nijinsky auch noch sechzig Jahre nach seinem Tod viele Menschen so bezaubert, dass sie seinen sehnlichsten Wunsch erfüllen: "Ich will eine Liebesschlange (vor dem Theater)..." Er wollte als Mensch geliebt, nicht als Weltstar und für Geld bejubelt werden. Kein "kleines" Thema - denn das ist das Thema, das Mythen webt und manche Menschen zu Mythen macht.
16. September 2010
Grenzgängerweg: die Broschüre
Der waldreiche Grenzgängerweg verbindet die Orte Wingen im Elsass (F) und Nothweiler in der Pfalz (D). Künstlerisch gestaltete Informationsschilder erzählen von der wechselvollen Geschichte und den Besonderheiten der Natur im idyllischen Grenzgebiet. Der Rundwanderweg führt durch abwechslungsreiche Waldgebiete über den Kappelstein, der einen herrlichen Rundblick bis zu den Burgruinen auf den umliegenden Gipfeln bietet.So heißt es im Flyer zum grenzüberschreitenden deutsch-französischen Grenzgängerweg, der auf Französisch sentier à saute frontières heißt. Nun gibt es nicht nur den Weg mit seinen Tafeln und den Flyer, sondern auch eine zweisprachige, reichhaltig bebilderte Broschüre mit 26 Seiten, davon 6 Seiten für Kinder.
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Foto mit freundl. Genehmigung von Andreas Mischke, zum Vergrößern anklicken |
Das Thema reicht von der historischen Grenzziehung bis zu den Grenzen im Kopf. Die Broschüre erzählt, wozu ein Biophärenreservat gut ist und welche Besonderheiten die Natur hier zwischen Nordvogesen und Pfälzer Wald bietet - von geheimnisvollen Röderflächen über leckere Beeren für den Schnaps bis hin zu den letzten Wacholderheiden. Die Grenze ist aber auch Geschichte, von der Römerzeit über die Zeit der zahlreichen Burgen bis zum Wahnsinn der beiden Weltkriege. Es fehlt nicht an kuriosen Gegebenheiten: Simplizius Simplizissimus, von Grimmelshausen verewigt, schmuggelt Wundermedizin und wird auf der Wegelnburg gefangengesetzt. Mal wird die Südpfalz französisch, mal bayrisch - dann muss Graf Zeppelin als Kriegsspion fliehen und tränkt sein französisches Pferd am deutschen Brunnen.
Am Kappelstein setzt der Irrsinn des Zweiten Weltkriegs dem Ganzen die Krone auf: Die Franzosen bauen einen Holzturm, um ins Deutsche Reich zu spähen, die Deutschen ziehen zur Abwehr der Blicke mitten im Wald eine Bretterwand hoch. Das "Brett vor dem Kopf" brennt sich ein bei einst befreundeten Familien - ein weiter Weg ist noch zu gehen, bis das Abkommen von Schengen den Grenzverkehr erheblich erleichtert. Und natürlich erfährt man von den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der beiden Dörfer Wingen und Nothweiler, in denen es doch tatsächlich von keltischen Funden bis hin zur Agentenkamera eines James Bond einiges zu besichtigen gibt.
Dabei ist die Broschüre als Ergänzung zu den Tafeln am Weg gedacht, dort findet man nämlich noch mehr Themen wie z.B. über den Bergbau der Region.
Die Aufgabe war, für die beiden Gemeinden auf vorhandenen Wegen ein Konzept für einen Rundweg einschließlich der Kommunikationsmittel zu erarbeiten, das nicht nur der besonderen Grenzsituation völkerverbindend gerecht wurde, sondern gleichzeitig nachhaltigen, umweltverträglichen Tourismus in einem Gebiet fördert, das nicht nur zwei Naturparks verbindet, sondern auch als Biosphärenreservat der UNESCO klassifiziert ist. Und vor allem sollten natürlich auch die Bewohner der Region etwas von ihrer Natur haben - und nicht nur die Reisenden.
Keine reine Schreibtischarbeit. Die Arbeit beinhaltete außerdem solche Dinge wie zahlreiche Waldläufe in unterschiedlichen Jahreszeiten, Gremiensitzungen, Formulare, abenteuerliche Bergpistenfahrten im Schnee, Begegnungen mit Rehen und Menschen, den Umgang mit unterschiedlichen Materialien, Fachrecherchen, Simultanübersetzen und Zweisprachigkeit, Stöbern in Archiven, Gespräche mit Dorfbewohnern und Zeitzeugen in drei Sprachen, den Umgang mit Software... und und und. Unsere Künstlerin hat außerdem auch bei Eis und Schnee unermüdlich an den Installationen gearbeitet.
Das deutsch-französische Team:
Texte und Übersetzungen: Josiane Podsiadlo, Petra van Cronenburg
Design + Fotos: Andreas Mischke, amides
Künstlerische Installationen: MATO Martine Thomas-Suss
Konzeption: alle zusammen in Abstimmung mit den Gemeinden Wingen und Nothweiler
Kofinanziert wurde das Projekt von der Europäischen Union (INTERREG + Pamina 21), unterstützt vom Conseil Général Bas-Rhin, der Verbandsgemeinde Dahner Felsenland, dem Naturpark Pfälzerwald und dem Parc naturel régional des Vosges du Nord.
Die Broschüre gibt es in den Verkehrsämtern und Restaurants der Gegend oder bei:
Tourist-Information Dahner Felsenland
Schulstr. 29 in Dahn (D)
Syndicat d'initiative de Lembach et environs
23, route de Bitche in Lembach (F)
15. September 2010
Wortschlangen
Seit etwa einer Stunde sitzt die Übersetzerin in mir bei Wikipedia herum und versucht, französisch verballhornte Russen zu recherchieren. Das kommt davon, wenn man sich spezialisiert.
Dabei ist mir eine Dame begegnet, die ich niemandem vorenthalten will, weil sie einfach einen wundervollen Namen hat:
"Marewna" alias Maria Bronislawowna Worobjowa-Stebelskaja.
So heißen zu können, ist an sich schon eine Kunst.
Dabei ist mir eine Dame begegnet, die ich niemandem vorenthalten will, weil sie einfach einen wundervollen Namen hat:
"Marewna" alias Maria Bronislawowna Worobjowa-Stebelskaja.
So heißen zu können, ist an sich schon eine Kunst.
Falscher Finger
Falls sich jemand wundert, dass hier einige Beiträge verschwunden sind (u.a. der von gestern) - ich habe gedacht, ich könnte in drei Minuten meine Datenbank von Entwürfen befreien, die in einer Reihe mit veröffentlichten Artikeln stehen. Leider hat mein Finger in der Eile zwei, dreimal daneben getippt. Und nein, was jetzt fehlt, ist nicht rekonstruierbar.
Dafür müsste das Blog aber 0,0002 Millisekunden schneller laden.
Dafür müsste das Blog aber 0,0002 Millisekunden schneller laden.
Zwischen Werbung und Wahrheit
Klappern gehört zum Handwerk - und es ist heutzutage nun einmal so: Ohne Werbung wird auch Kunst nur noch bedingt wahrgenommen. Nur ist dann gerade in diesen Kreisen das Heulen und Zähneklappern groß: Werbung sei doch etwas Dreckiges, habe mit Kommerz zu tun; nein, das könne man seinem genialen Werk nicht antun; nur nicht sich selbst die Finger schmutzig machen. Der Klischees gibt es viele, aber Selbstverhinderung führt nicht unbedingt zum besseren Wahrgenommenwerden.
In der Realität kommen die wenigsten Autoren zu Werbung. Um teure Anzeigen zu schalten oder gar zu entwerfen, muss das Buch potentiell genug abwerfen. Fernsehspots für Bücher gibt es nur im Ausland. Und es ist durchaus verständlich, dass sich nicht gern jeder Autor als Unterhosen-Model verkauft, obwohl das Geschäft lohnender als jeder Buchabverkauf sein könnte. Dafür gibt es die "freundlichere" Variante von Werbung, die wir als unaufdringlicher und informativer wahrnehmen: die PR. Public Relations bedeutet vom Wort her schlicht, dass da jemand öffentliche Beziehungen knüpft - für ein Produkt oder eine Person: Öffentlichkeitsarbeit. Erfolgreiche PR muss man zwar gelernt haben und Erfahrungen schaden ganz bestimmt nicht, aber moderne technische Hilfsmittel geben auch Autoren die Möglichkeit in die Hand, etwas Werbung zu machen, ohne aufdringlich in die Welt zu brüllen: "Seht das Werk meiner Genialität! Kauft sofort!" (Übrigens tödlich in Social Media).
Kürzlich bin ich über einige Autorenwebsites gesurft und habe festgestellt: Bei den meisten werden nicht einmal die Chancen des Web 2.0 genutzt. Die Fans, die Leser, sind da oft schon weiter. Sicher muss man nicht alles selbst programmieren können, wenn man schreiben kann. Aber es gibt doch sehr viele Hilfsmittel.
Ich fasse mich an die eigene Nase: Meine Website gehört längst neu überarbeitet (wenn ich nicht so überarbeitet wäre). Im Idealfall schwebt mir Folgendes vor - vielleicht eine Anregung für andere:
Die Website als Portal zu beruflichen Tätigkeiten, Internettätigkeiten und Büchern
Was mir nicht behagt: Starre, sich nicht verändernde Websites schaut man einmal an, das war's. Man könnte aber Feeds einbauen, etwa von Twitter oder aus dem Blog, der ja gerade durch seine Aktualität mehr Menschen anzieht. So eine Art vollkommen klares, übersichtliches, aber eben lebendes Eingangstor.
Was mir nicht behagt: Längst ist die Welt multimedial. Meine Arbeit ist das Schreiben, aber muss ich deshalb wie eine Schreibmaschine wirken? Zuerst einmal müssen neue, professionelle Fotos her - und zwar auch gleich zum bequemen Download für die Presse. Aber es gibt mehr Sinne als nur das Auge.
Auf meiner Wunschliste stehen mp3-Downloads mit unterschiedlichen Möglichkeiten: Ich kann aus meinen Büchern lesen, ich kann aber auch über Themen wie im Blog plaudern. Ich könnte mich sogar interviewen lassen. Warum ich's noch nicht getan habe? Bitte nicht lachen: Ein Freund hat mir eine Software geschenkt, die ein Hörbuchstudio ersetzt, superfein! Aber ich fürchte, ich muss eine Woche Urlaub nehmen, um mich als Tontechniker einlernen zu lassen...
Weiter auf der Wunschliste: Videos. Youtube ist ein feines, einfaches und kostenfreies Werbemedium, wenn man es richtig vernetzt. Aber so ein Video steht und fällt mit der Kreativität. Buch-Trailer haben sich bisher nur in bestimmten Genres durchgesetzt und wie einfallslos lesende oder sprechende Autoren vor Bücherwänden wirken, kann man sich in der ZEIT anschauen. Videos sind etwas aufwändiger als Tonaufnahmen: Man braucht einen Filmer oder wenigstens ein Stativ und eine Kamera. Vor allem aber braucht man gut Ideen, die einen unterscheiden, die Lust machen - und die kann man sich bei youtube aus anderen Sparten reichlich holen.
Und da bin ich schon bei einer ganz anderen Werbung als der für Bücher. Ich organisiere nämlich meine Veranstaltungen und Auftritte meist selbst. Der häufigste Hemmschuh bei Veranstaltern ist eine Frage, die sie nur ungern aussprechen, aber man fühlt das, wenn man wieder gebucht wird, weil man professionell ist: Kann die was? Wer hochberühmt ist, kann nuscheln und sich beim Lesen ständig in der Backe bohren, der Veranstalter wird es stöhnend ertragen. Aber die Konkurrenz ist groß. Wie kann ich potentiellen Veranstaltern - und auch dem Publikum - zeigen, was ich kann und nicht kann? Mit einem Video. Solche Vorab-Einblicke in ein Programm machen bestimmt auch die Honorarverhandlungen einfacher.
Und da haben wir das zweite Manko der Website: Ich spreche ja nicht nur Leser an, sondern eben auch Veranstalter, andere Kunden und - die Presse. Die wird immer sträflich vernachlässigt, obwohl Autoren von den Medien gern am meisten hätten. Auch das muss her: Ein Servicebereich für die Presse, mit allem, was dazu gehört. Nützlich: Sich einmal mit Medienmenschen beraten, was sie wirklich brauchen. Denn es nützt das schönste Foto nichts, wenn es vom Format her nicht zum Abdruck taugt oder nur hochkompliziert zu besorgen ist. Und Achtung bei den Rezensionen: Die stehen auch unter Urheberrecht - wer mehr als Zitate übernehmen will, muss um Erlaubnis fragen. Aber wer macht sich schon die Mühe, elend lang ladende, unleserliche Scans zu Gemüte zu führen, wenn er stattdessen die knackigsten Sätze haben könnte.
Bleiben die Social Media, die beim Blog anfangen und bei Facebook, Xing & Co. aufhören. Hier kann man eine Menge Zeit investieren und Kilometer labern - ohne jeden Effekt, wenn das ganze zum Wohnzimmertalk verkommt oder in Nabelschau endet. Mehr noch als in jedem Buch muss ich überlegen: Was könnte mein Publikum interessieren - und was interessiert das Publikum, das ich noch nicht habe?
Diese Überlegung führt noch einen Schritt weiter, weil Social Media im Idealfall Netzwerken bedeutet: Mit wem will ich mich eigentlich vernetzen? Wen will ich ansprechen, womöglich näher kennenlernen? Die eigenen Kollegen? Leute aus Verlagen, aus der Branche? Potentielle Leser? Oder brauche ich vielleicht für ein abseitiges Thema Fachleute für die Recherche?
Genau deshalb sollte man sich vor Beginn der Internettätigkeiten ein Konzept machen und die unterschiedlichen Plattformaktivitäten darauf abstimmen. Nur allzu schnell arbeitet man hier ins Blaue hinein und das endet im schlimmsten Fall in Blogs, die ich für mich "Couch-Blogs" nenne, weil sich der Betreffende vor aller Öffentlichkeit erschreckend bis in kleinste psychische Details auszieht und Partner oder Kinder gleich einlädt. Viele merken gar nicht mehr, wenn sie nackt auf dem Marktplatz über Eingemachtes reden, weltweit sichtbar und auf viele Jahrzehnte, wenn nicht länger, in den Caches der Suchmaschinen und Archivdienste konserviert.
Denn auch das ist PR: Die Spaltung zwischen meiner Privatperson und der öffentlichen Person. Letztere wirkt zwar dann am besten, wenn sie authentisch und ansprechbar ist, das heißt aber noch lange nicht, dass sie dadurch den Vorhang zur Intimität lüften muss. Man hält dies nur dann konsequent durch, wenn auch hier ein Konzept besteht, das klare Grenzen zieht: Was darf die Öffentlichkeit von mir wissen und was möchte ich als Privatbereich schützen? Dazu gehören niedliche Gartenfotos genauso wie die schnelle Notiz, der Ehemann sei gerade mit einer Schachtel Pralinen zur Tür hereingekommen. Gehört der Ehemann unbedingt zur öffentlichen Selbstdarstellung, darf er in mehr Anekdoten auftauchen - andernfalls geht er die Öffentlichkeit eigentlich nichts an. Einmal mit Pralinen ins Netz gestellt, ist er auch nach der Scheidung nicht mehr aus dem Web zu löschen.
Zwei Gedanken noch. Die Versuchung bei Social media ist groß, Menschen auf immer mehr Fremdserver zu verteilen. Dadurch sinkt natürlich der Besucherstrom auf der eigenen Website und womöglich deren Platzierung. Hier sollte man immer wieder die eigene Website vernetzen. Einen kleinen Tipp nicht nur für Buchwerbung, sondern auch für die Rückleitung von Facebook auf die eigene Seite habe ich im Upload Magazin gefunden.
Das "Authentisch-Sein" in der PR hat manchmal einen seltsamen Preis, den ich gerade hier im Blog feststelle. Je authentischer man sich gibt, je freundlicher und offener man auf Menschen zugeht, desto eher verwechseln die Leser die öffentliche Figur mit einem Bild, das sie sich selbst vom Privatmenschen machen. Das ist so ähnlich, wie wenn Leser in Romane unbedingt autobiografische Züge des Autors hineinlesen wollen. Vor allem, wenn man über Gefühle oder Psychologisches schreibt, ist die Versuchung beim Leser groß, einem ein passendes Daueretikett auf die Stirn zu kleben. Selten wird abstrahiert, dass ein Autor ein Gefühl "aufblasen" kann, um exemplarisch darüber zu schreiben, dass er dramatisiert und inszeniert, um Aussagen zu transportieren.
Da ist die Gratwanderung im Internet schwierig. Ich beobachte, dass es nur zwei Alternativen gibt: Entweder wird man zum Rührmichnichtan und bleibt auf Distanz, womöglich eine reine Werbefigur - oder man lernt, mit solchen Verwechslungen und Projektionen zu leben. Letzteres ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber Menschen und Beziehungen zu Menschen sind ja eigentlich auch in unserem Beruf faszinierend und bereichernd?
Das waren also lückenhafte, oft viel zu pauschal und verkürzt wiedergegebene Beispiele, was mir an meinem Webauftritt nicht passt und wie er idealerweise aussehen würde. Zur Anstiftung oder Anregung. Aber Vorsicht, falls jemand jetzt jammervolle Selbstzweifel oder nagende Unzufriedenheit bei der Autorin vermuten will: Auch dies ist eine perspektivische Technik, die rein dramaturgische Gründe hat. Indem ich mich selbst kritisiere, spare ich es mir, besonders schauerliche Beispiele im Web zu suchen und kritisieren zu müssen. Und indem ich Identifikation schaffe, fällt mein schulmeisterlicher Zeigefinger weniger auf. Kurzum: So wie man im Buch Handwerk anwendet, sollte man auch im Web das Handwerk nicht scheuen.
In der Realität kommen die wenigsten Autoren zu Werbung. Um teure Anzeigen zu schalten oder gar zu entwerfen, muss das Buch potentiell genug abwerfen. Fernsehspots für Bücher gibt es nur im Ausland. Und es ist durchaus verständlich, dass sich nicht gern jeder Autor als Unterhosen-Model verkauft, obwohl das Geschäft lohnender als jeder Buchabverkauf sein könnte. Dafür gibt es die "freundlichere" Variante von Werbung, die wir als unaufdringlicher und informativer wahrnehmen: die PR. Public Relations bedeutet vom Wort her schlicht, dass da jemand öffentliche Beziehungen knüpft - für ein Produkt oder eine Person: Öffentlichkeitsarbeit. Erfolgreiche PR muss man zwar gelernt haben und Erfahrungen schaden ganz bestimmt nicht, aber moderne technische Hilfsmittel geben auch Autoren die Möglichkeit in die Hand, etwas Werbung zu machen, ohne aufdringlich in die Welt zu brüllen: "Seht das Werk meiner Genialität! Kauft sofort!" (Übrigens tödlich in Social Media).
Kürzlich bin ich über einige Autorenwebsites gesurft und habe festgestellt: Bei den meisten werden nicht einmal die Chancen des Web 2.0 genutzt. Die Fans, die Leser, sind da oft schon weiter. Sicher muss man nicht alles selbst programmieren können, wenn man schreiben kann. Aber es gibt doch sehr viele Hilfsmittel.
Ich fasse mich an die eigene Nase: Meine Website gehört längst neu überarbeitet (wenn ich nicht so überarbeitet wäre). Im Idealfall schwebt mir Folgendes vor - vielleicht eine Anregung für andere:
Die Website als Portal zu beruflichen Tätigkeiten, Internettätigkeiten und Büchern
Was mir nicht behagt: Starre, sich nicht verändernde Websites schaut man einmal an, das war's. Man könnte aber Feeds einbauen, etwa von Twitter oder aus dem Blog, der ja gerade durch seine Aktualität mehr Menschen anzieht. So eine Art vollkommen klares, übersichtliches, aber eben lebendes Eingangstor.
Was mir nicht behagt: Längst ist die Welt multimedial. Meine Arbeit ist das Schreiben, aber muss ich deshalb wie eine Schreibmaschine wirken? Zuerst einmal müssen neue, professionelle Fotos her - und zwar auch gleich zum bequemen Download für die Presse. Aber es gibt mehr Sinne als nur das Auge.
Auf meiner Wunschliste stehen mp3-Downloads mit unterschiedlichen Möglichkeiten: Ich kann aus meinen Büchern lesen, ich kann aber auch über Themen wie im Blog plaudern. Ich könnte mich sogar interviewen lassen. Warum ich's noch nicht getan habe? Bitte nicht lachen: Ein Freund hat mir eine Software geschenkt, die ein Hörbuchstudio ersetzt, superfein! Aber ich fürchte, ich muss eine Woche Urlaub nehmen, um mich als Tontechniker einlernen zu lassen...
Weiter auf der Wunschliste: Videos. Youtube ist ein feines, einfaches und kostenfreies Werbemedium, wenn man es richtig vernetzt. Aber so ein Video steht und fällt mit der Kreativität. Buch-Trailer haben sich bisher nur in bestimmten Genres durchgesetzt und wie einfallslos lesende oder sprechende Autoren vor Bücherwänden wirken, kann man sich in der ZEIT anschauen. Videos sind etwas aufwändiger als Tonaufnahmen: Man braucht einen Filmer oder wenigstens ein Stativ und eine Kamera. Vor allem aber braucht man gut Ideen, die einen unterscheiden, die Lust machen - und die kann man sich bei youtube aus anderen Sparten reichlich holen.
Und da bin ich schon bei einer ganz anderen Werbung als der für Bücher. Ich organisiere nämlich meine Veranstaltungen und Auftritte meist selbst. Der häufigste Hemmschuh bei Veranstaltern ist eine Frage, die sie nur ungern aussprechen, aber man fühlt das, wenn man wieder gebucht wird, weil man professionell ist: Kann die was? Wer hochberühmt ist, kann nuscheln und sich beim Lesen ständig in der Backe bohren, der Veranstalter wird es stöhnend ertragen. Aber die Konkurrenz ist groß. Wie kann ich potentiellen Veranstaltern - und auch dem Publikum - zeigen, was ich kann und nicht kann? Mit einem Video. Solche Vorab-Einblicke in ein Programm machen bestimmt auch die Honorarverhandlungen einfacher.
Und da haben wir das zweite Manko der Website: Ich spreche ja nicht nur Leser an, sondern eben auch Veranstalter, andere Kunden und - die Presse. Die wird immer sträflich vernachlässigt, obwohl Autoren von den Medien gern am meisten hätten. Auch das muss her: Ein Servicebereich für die Presse, mit allem, was dazu gehört. Nützlich: Sich einmal mit Medienmenschen beraten, was sie wirklich brauchen. Denn es nützt das schönste Foto nichts, wenn es vom Format her nicht zum Abdruck taugt oder nur hochkompliziert zu besorgen ist. Und Achtung bei den Rezensionen: Die stehen auch unter Urheberrecht - wer mehr als Zitate übernehmen will, muss um Erlaubnis fragen. Aber wer macht sich schon die Mühe, elend lang ladende, unleserliche Scans zu Gemüte zu führen, wenn er stattdessen die knackigsten Sätze haben könnte.
Bleiben die Social Media, die beim Blog anfangen und bei Facebook, Xing & Co. aufhören. Hier kann man eine Menge Zeit investieren und Kilometer labern - ohne jeden Effekt, wenn das ganze zum Wohnzimmertalk verkommt oder in Nabelschau endet. Mehr noch als in jedem Buch muss ich überlegen: Was könnte mein Publikum interessieren - und was interessiert das Publikum, das ich noch nicht habe?
Diese Überlegung führt noch einen Schritt weiter, weil Social Media im Idealfall Netzwerken bedeutet: Mit wem will ich mich eigentlich vernetzen? Wen will ich ansprechen, womöglich näher kennenlernen? Die eigenen Kollegen? Leute aus Verlagen, aus der Branche? Potentielle Leser? Oder brauche ich vielleicht für ein abseitiges Thema Fachleute für die Recherche?
Genau deshalb sollte man sich vor Beginn der Internettätigkeiten ein Konzept machen und die unterschiedlichen Plattformaktivitäten darauf abstimmen. Nur allzu schnell arbeitet man hier ins Blaue hinein und das endet im schlimmsten Fall in Blogs, die ich für mich "Couch-Blogs" nenne, weil sich der Betreffende vor aller Öffentlichkeit erschreckend bis in kleinste psychische Details auszieht und Partner oder Kinder gleich einlädt. Viele merken gar nicht mehr, wenn sie nackt auf dem Marktplatz über Eingemachtes reden, weltweit sichtbar und auf viele Jahrzehnte, wenn nicht länger, in den Caches der Suchmaschinen und Archivdienste konserviert.
Denn auch das ist PR: Die Spaltung zwischen meiner Privatperson und der öffentlichen Person. Letztere wirkt zwar dann am besten, wenn sie authentisch und ansprechbar ist, das heißt aber noch lange nicht, dass sie dadurch den Vorhang zur Intimität lüften muss. Man hält dies nur dann konsequent durch, wenn auch hier ein Konzept besteht, das klare Grenzen zieht: Was darf die Öffentlichkeit von mir wissen und was möchte ich als Privatbereich schützen? Dazu gehören niedliche Gartenfotos genauso wie die schnelle Notiz, der Ehemann sei gerade mit einer Schachtel Pralinen zur Tür hereingekommen. Gehört der Ehemann unbedingt zur öffentlichen Selbstdarstellung, darf er in mehr Anekdoten auftauchen - andernfalls geht er die Öffentlichkeit eigentlich nichts an. Einmal mit Pralinen ins Netz gestellt, ist er auch nach der Scheidung nicht mehr aus dem Web zu löschen.
Zwei Gedanken noch. Die Versuchung bei Social media ist groß, Menschen auf immer mehr Fremdserver zu verteilen. Dadurch sinkt natürlich der Besucherstrom auf der eigenen Website und womöglich deren Platzierung. Hier sollte man immer wieder die eigene Website vernetzen. Einen kleinen Tipp nicht nur für Buchwerbung, sondern auch für die Rückleitung von Facebook auf die eigene Seite habe ich im Upload Magazin gefunden.
Das "Authentisch-Sein" in der PR hat manchmal einen seltsamen Preis, den ich gerade hier im Blog feststelle. Je authentischer man sich gibt, je freundlicher und offener man auf Menschen zugeht, desto eher verwechseln die Leser die öffentliche Figur mit einem Bild, das sie sich selbst vom Privatmenschen machen. Das ist so ähnlich, wie wenn Leser in Romane unbedingt autobiografische Züge des Autors hineinlesen wollen. Vor allem, wenn man über Gefühle oder Psychologisches schreibt, ist die Versuchung beim Leser groß, einem ein passendes Daueretikett auf die Stirn zu kleben. Selten wird abstrahiert, dass ein Autor ein Gefühl "aufblasen" kann, um exemplarisch darüber zu schreiben, dass er dramatisiert und inszeniert, um Aussagen zu transportieren.
Da ist die Gratwanderung im Internet schwierig. Ich beobachte, dass es nur zwei Alternativen gibt: Entweder wird man zum Rührmichnichtan und bleibt auf Distanz, womöglich eine reine Werbefigur - oder man lernt, mit solchen Verwechslungen und Projektionen zu leben. Letzteres ist vielleicht nicht jedermanns Sache, aber Menschen und Beziehungen zu Menschen sind ja eigentlich auch in unserem Beruf faszinierend und bereichernd?
Das waren also lückenhafte, oft viel zu pauschal und verkürzt wiedergegebene Beispiele, was mir an meinem Webauftritt nicht passt und wie er idealerweise aussehen würde. Zur Anstiftung oder Anregung. Aber Vorsicht, falls jemand jetzt jammervolle Selbstzweifel oder nagende Unzufriedenheit bei der Autorin vermuten will: Auch dies ist eine perspektivische Technik, die rein dramaturgische Gründe hat. Indem ich mich selbst kritisiere, spare ich es mir, besonders schauerliche Beispiele im Web zu suchen und kritisieren zu müssen. Und indem ich Identifikation schaffe, fällt mein schulmeisterlicher Zeigefinger weniger auf. Kurzum: So wie man im Buch Handwerk anwendet, sollte man auch im Web das Handwerk nicht scheuen.
13. September 2010
Frau des Jahres
Eben entdeckt und schon ein Glas auf sie getrunken: Die Frau meiner Kinderträume, mein absolutes Idol, meine Identifikationsfigur aus der Literatur wird heute 65 Jahre alt! Ich wollte immer so werden wie sie, steckte mir Nägel verkehrt herum in die Zöpfe, damit ich ihr ähnlicher wurde - und ging Sachensuchen.
Hoch lebe Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminza Efraimstochter Langstrumpf!!!
Hoch lebe Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminza Efraimstochter Langstrumpf!!!
Im Bett bei Schriftstellers
Heute morgen habe ich einen höchst interessanten Artikel der Krimiautorin Val McDermid im Independent gelesen: "Niche off the leash: Val McDermid on progress in lesbian fiction". Wenn man den differenzierten und facettenreichen Artikel überhaupt auf ein paar Kernaussagen herunterbrechen kann, so geht es um die Frage, ob lesbische oder schwule Literatur immer noch "kommerzieller Selbstmord" für AutorInnen sei und wie es kommt, dass immer mehr es aus der Nische in den überall wahrgenommenen Mainstream und damit zum Erfolg schaffen. Der Artikel ist übrigens auch deshalb besonders empfehlenswert, weil man aus seinen Aussagen viel für andere Nischen lernen kann. Eine der Schlussfolgerungen klingt in der Verkürzung platt, trifft aber genau das, wie ich selbst Val McDermid entdeckte: Die Frau schreibt einfach gute Krimis. Und mir als Leserin ist es herzlich egal, welche Vorlieben Autorinnen oder Autoren haben - und ob sich diese mit ihren Protagonisten decken oder nicht. Anderen ist das offensichtlich so egal nicht...
Ich erinnere mich an eine Szene aus dem Griechischunterricht, als wir diesen schönen Text mit den von Zeus getrennten Halbkugeln lasen, die sich zu idealen Paaren zusammensehnten. Damals stand ein Mädchen auf und fragte den Lehrer vorwitzig, warum das mit den Männern und Frauen denn unbedingt so wichtig sei. Schließlich werde es ursprünglich wohl kaum "gemischte" Kugeln gegeben haben, sondern auch männliche und weibliche. Jener Lehrer blieb mir leider die Antwort bis heute schuldig. Ich kapierte damals nicht warum, spürte aber, dass ich in ein Wespennest gestochen hatte.
Viele Jahrzehnte später erlebte ich bei meiner Arbeit am Nijinsky-Projekt auch einige unschöne Dialoge, die immer nach ähnlichem Schema abliefen:
"Warum schreibst du über einen Schwulen?"
"Warum nicht?"
"Das wird dir kommerziell den Hals brechen." (s.o.!)
"Och, sehr wahrscheinlich war Nijinsky sogar bi."
"Das ist ja noch schlimmer! Dann bist du ganz unten durch."
Natürlich muss ich mich über solche LeserInnen nicht lang ärgern - sie werden mit einer solchen Einstellung sowieso nie meine Bücher kaufen. Nicht Menschen, die nicht einmal in einer winzigen Hirnwindung auf die Idee kommen, dass ich vor allem über einen Tänzer und Künstler schreibe. Normalerweise müsste mich seine sexuelle Orientierung nicht einmal interessieren. Aber in seinem Fall muss sie mich interessieren. Nicht allein wegen seiner lebensbestimmenden Partnerschaft mit Diaghilew, sondern weil Nijinskys sexuelle Orientierung essentiell wichtig in seinem Kunstschaffen war - und weil er und die Ballets Russes damit einen unwahrscheinlich großen Einfluss auf das Rollenverständnis von Mann und Frau in jener Zeit hatten.
Ich nenne eine solche Wahl das "Primat der Geschichte". Weder meine eigenen Gelüste noch die meiner Leser haben eine Rolle zu spielen, wenn ich einen Text entwerfe. Nur die Geschichte allein und ihre Protagonisten verlangen, worauf es dringlichst ankommt. Und je nach Geschichte geht es dann eben auch mal ins Bett oder auch nicht. Je nach Figur sind die Orientierungen unterschiedlich. Ich muss mich dem unterordnen und vor allem: Ich muss allem gewachsen sein, offen sein.
Deshalb kamen mir bei der Lektüre des Independent umgekehrte Gedanken. Warum regt sich eigentlich niemand über die ultrareaktionären Frauenbilder auf, die sich heutzutage unter dem Etikett "starke Frau als Hauptfigur" verbergen? Warum ereifern sich Männer nicht, wenn sie in Frauenromanen kollektiv verballhornt werden? Warum werden mittelalterliche Hetero-Vergewaltigungen im bunten Marketenderinnenkostüm Mainstream in einer Welt, in der Lesben und Schwule auch in zurückgebliebenen Dörfern leben? Warum ereifert sich Tante Erna, weil ein Protagonist bisexuell ist - und verschlingt dann viel lieber im Morgenmantel, während Männe auf Schicht ist, die perversen und brutalen Lustmörder gleich in Serie? Da hört man kaum Diskussionen, die im Duktus manchmal fast pseudoreligiös klingen...
Ich werde mal noch polemischer: Ich bin nämlich der Meinung, dass sich die Emanzipation in der Buchbranche leider inzwischen mit einer gefährlichen (weil verdummenden) Fehlentwicklung rächt. So sehr ich selbst früher darum gekämpft habe, dass Frauen in Literatur, Kunst und Geschichte endlich wahrgenommen und aktiv werden, so sehr erfüllt mich der Mainstream heute - zum Großteil von Frauen gemacht - mit Grusel. "Starke Frauen" allüberall - und wenn frau genau hinschaut, sind die Klischees so rückständig, dass wir selbst in den 1970ern weiter waren. Und daneben: nicht viel. Ich selbst kann ein Lied davon singen, was manche Verlage von Frauen erwarten und diesen zutrauen. Manche, zum Glück nicht alle.
Das Problem an diesen Klischees: Sie konfrontieren uns nicht mehr mit der Reichhaltigkeit der Welt. Sie machen uns zu scheuklappenbewehrten Fachidioten. Sie vereinfachen wunderbare Überfülle zu Brei.
Sicher war es in meiner Jugend nicht immer schön, dass damals meist Männer nur über Männer schrieben. Aber genau in der Reibung daran, im eigenen Aufregen fing das Nachdenken um eigene Positionen an. Völlig selbstverständlich haben wir uns außerdem mit den Helden identifiziert und deren Geschlecht war zuerst einmal egal. Als Kind war ich Robin Hood und nicht Mariann, nicht wegen des Geschlechts, sondern wegen der Rolle. Damals schien es mir einfacher, die Rollen zu wechseln als heute. Heute fehlt mir die Buntheit und Abwechslung in der Unterhaltungsliteratur - ich reibe mich allenfalls noch an gnadenloser Rückständigkeit. Da ist kaum noch etwas, an dem ich mich hinterfragen oder entwickeln könnte.
Kommerz macht feige. Und so erfüllt mich ein vielgehörter Verhinderungspruch aus Autorenmund mit Traurigkeit, der da lautet: Man sollte nur über das schreiben, was man aus eigener Anschauung kennt. Also schreiben Heteros brav Heterobücher und Lesben und Schwule bleiben bitte in der eigenen Nische. Was für ein kompletter Unsinn! Zugegeben - es ist bequem. Man spart sich jede Menge Arbeit in Sachen Recherche und an sich selbst.
Aber muss man alles in seinen Büchern erst selbst leben, damit man darüber schreiben kann? Wie viele Morde begeht so ein Krimiautor durchschnittlich in seiner Nachbarschaft? Kommt der Autor, dessen Protagonist an Krebs stirbt, etwa gerade von einer Vorsorgeuntersuchung? Macht es die Autorin, die zwei sich im Wasser lieben lässt, am liebsten in der Badewanne?
Wer glaubt, man dürfe nur über das schreiben, was man kennt, verwechselt sträflich Fiktion mit der Autobiografie der Autoren. Wer nach dem Wahlspruch schreibt, schafft eine tieflangweilige Nabelschau-Literatur, die sich in einer künstlichen Welt der Schreibenden und Kreativen selbst befriedigt.
Eine gute Autorin, ein guter Autor muss alles können. Und darf nicht davor zurückscheuen, sich empathisch auch in unbekannte Welten zu begeben oder zumindest verdammt gute Berater anzuheuern. Uns muss das kleine kranke Kind genauso glaubhaft und authentisch gelingen wie der lüsterne Greis. Wenn wir gut sind, können wir uns in Prinzessinnen, Frösche, Massenmörder, Kriminalkommissare, Fensterputzer oder Lehrerinnen einfühlen. Wenn wir unser Metier beherrschen, können wir es unsere Figuren unter oder über dem Bett treiben lassen, mit Fröschen, Prinzessinnen, Männern, Frauen, allen zusammen oder keinem von allen.
Wenn wir unseren Beruf sehr ernst nehmen, gibt es Grenzen im Kopf nicht mehr, dann gibt es nicht mehr Schubladen wie lesbisch, schwul oder hetero, sondern nur noch eine: Literatur. Eine Literatur, in der all das vorkommen muss, weil Literatur Leben ist. Und in der sich keine Autorin, kein Autor mehr entschuldigen muss für das eigene Leben oder die Wahl der Protagonisten.
Hörtipp:
Podcast mit Val McDermid (40 min.) vom Melbourne Writer's Festival
Ich erinnere mich an eine Szene aus dem Griechischunterricht, als wir diesen schönen Text mit den von Zeus getrennten Halbkugeln lasen, die sich zu idealen Paaren zusammensehnten. Damals stand ein Mädchen auf und fragte den Lehrer vorwitzig, warum das mit den Männern und Frauen denn unbedingt so wichtig sei. Schließlich werde es ursprünglich wohl kaum "gemischte" Kugeln gegeben haben, sondern auch männliche und weibliche. Jener Lehrer blieb mir leider die Antwort bis heute schuldig. Ich kapierte damals nicht warum, spürte aber, dass ich in ein Wespennest gestochen hatte.
Viele Jahrzehnte später erlebte ich bei meiner Arbeit am Nijinsky-Projekt auch einige unschöne Dialoge, die immer nach ähnlichem Schema abliefen:
"Warum schreibst du über einen Schwulen?"
"Warum nicht?"
"Das wird dir kommerziell den Hals brechen." (s.o.!)
"Och, sehr wahrscheinlich war Nijinsky sogar bi."
"Das ist ja noch schlimmer! Dann bist du ganz unten durch."
Natürlich muss ich mich über solche LeserInnen nicht lang ärgern - sie werden mit einer solchen Einstellung sowieso nie meine Bücher kaufen. Nicht Menschen, die nicht einmal in einer winzigen Hirnwindung auf die Idee kommen, dass ich vor allem über einen Tänzer und Künstler schreibe. Normalerweise müsste mich seine sexuelle Orientierung nicht einmal interessieren. Aber in seinem Fall muss sie mich interessieren. Nicht allein wegen seiner lebensbestimmenden Partnerschaft mit Diaghilew, sondern weil Nijinskys sexuelle Orientierung essentiell wichtig in seinem Kunstschaffen war - und weil er und die Ballets Russes damit einen unwahrscheinlich großen Einfluss auf das Rollenverständnis von Mann und Frau in jener Zeit hatten.
Ich nenne eine solche Wahl das "Primat der Geschichte". Weder meine eigenen Gelüste noch die meiner Leser haben eine Rolle zu spielen, wenn ich einen Text entwerfe. Nur die Geschichte allein und ihre Protagonisten verlangen, worauf es dringlichst ankommt. Und je nach Geschichte geht es dann eben auch mal ins Bett oder auch nicht. Je nach Figur sind die Orientierungen unterschiedlich. Ich muss mich dem unterordnen und vor allem: Ich muss allem gewachsen sein, offen sein.
Deshalb kamen mir bei der Lektüre des Independent umgekehrte Gedanken. Warum regt sich eigentlich niemand über die ultrareaktionären Frauenbilder auf, die sich heutzutage unter dem Etikett "starke Frau als Hauptfigur" verbergen? Warum ereifern sich Männer nicht, wenn sie in Frauenromanen kollektiv verballhornt werden? Warum werden mittelalterliche Hetero-Vergewaltigungen im bunten Marketenderinnenkostüm Mainstream in einer Welt, in der Lesben und Schwule auch in zurückgebliebenen Dörfern leben? Warum ereifert sich Tante Erna, weil ein Protagonist bisexuell ist - und verschlingt dann viel lieber im Morgenmantel, während Männe auf Schicht ist, die perversen und brutalen Lustmörder gleich in Serie? Da hört man kaum Diskussionen, die im Duktus manchmal fast pseudoreligiös klingen...
Ich werde mal noch polemischer: Ich bin nämlich der Meinung, dass sich die Emanzipation in der Buchbranche leider inzwischen mit einer gefährlichen (weil verdummenden) Fehlentwicklung rächt. So sehr ich selbst früher darum gekämpft habe, dass Frauen in Literatur, Kunst und Geschichte endlich wahrgenommen und aktiv werden, so sehr erfüllt mich der Mainstream heute - zum Großteil von Frauen gemacht - mit Grusel. "Starke Frauen" allüberall - und wenn frau genau hinschaut, sind die Klischees so rückständig, dass wir selbst in den 1970ern weiter waren. Und daneben: nicht viel. Ich selbst kann ein Lied davon singen, was manche Verlage von Frauen erwarten und diesen zutrauen. Manche, zum Glück nicht alle.
Das Problem an diesen Klischees: Sie konfrontieren uns nicht mehr mit der Reichhaltigkeit der Welt. Sie machen uns zu scheuklappenbewehrten Fachidioten. Sie vereinfachen wunderbare Überfülle zu Brei.
Sicher war es in meiner Jugend nicht immer schön, dass damals meist Männer nur über Männer schrieben. Aber genau in der Reibung daran, im eigenen Aufregen fing das Nachdenken um eigene Positionen an. Völlig selbstverständlich haben wir uns außerdem mit den Helden identifiziert und deren Geschlecht war zuerst einmal egal. Als Kind war ich Robin Hood und nicht Mariann, nicht wegen des Geschlechts, sondern wegen der Rolle. Damals schien es mir einfacher, die Rollen zu wechseln als heute. Heute fehlt mir die Buntheit und Abwechslung in der Unterhaltungsliteratur - ich reibe mich allenfalls noch an gnadenloser Rückständigkeit. Da ist kaum noch etwas, an dem ich mich hinterfragen oder entwickeln könnte.
Kommerz macht feige. Und so erfüllt mich ein vielgehörter Verhinderungspruch aus Autorenmund mit Traurigkeit, der da lautet: Man sollte nur über das schreiben, was man aus eigener Anschauung kennt. Also schreiben Heteros brav Heterobücher und Lesben und Schwule bleiben bitte in der eigenen Nische. Was für ein kompletter Unsinn! Zugegeben - es ist bequem. Man spart sich jede Menge Arbeit in Sachen Recherche und an sich selbst.
Aber muss man alles in seinen Büchern erst selbst leben, damit man darüber schreiben kann? Wie viele Morde begeht so ein Krimiautor durchschnittlich in seiner Nachbarschaft? Kommt der Autor, dessen Protagonist an Krebs stirbt, etwa gerade von einer Vorsorgeuntersuchung? Macht es die Autorin, die zwei sich im Wasser lieben lässt, am liebsten in der Badewanne?
Wer glaubt, man dürfe nur über das schreiben, was man kennt, verwechselt sträflich Fiktion mit der Autobiografie der Autoren. Wer nach dem Wahlspruch schreibt, schafft eine tieflangweilige Nabelschau-Literatur, die sich in einer künstlichen Welt der Schreibenden und Kreativen selbst befriedigt.
Eine gute Autorin, ein guter Autor muss alles können. Und darf nicht davor zurückscheuen, sich empathisch auch in unbekannte Welten zu begeben oder zumindest verdammt gute Berater anzuheuern. Uns muss das kleine kranke Kind genauso glaubhaft und authentisch gelingen wie der lüsterne Greis. Wenn wir gut sind, können wir uns in Prinzessinnen, Frösche, Massenmörder, Kriminalkommissare, Fensterputzer oder Lehrerinnen einfühlen. Wenn wir unser Metier beherrschen, können wir es unsere Figuren unter oder über dem Bett treiben lassen, mit Fröschen, Prinzessinnen, Männern, Frauen, allen zusammen oder keinem von allen.
Wenn wir unseren Beruf sehr ernst nehmen, gibt es Grenzen im Kopf nicht mehr, dann gibt es nicht mehr Schubladen wie lesbisch, schwul oder hetero, sondern nur noch eine: Literatur. Eine Literatur, in der all das vorkommen muss, weil Literatur Leben ist. Und in der sich keine Autorin, kein Autor mehr entschuldigen muss für das eigene Leben oder die Wahl der Protagonisten.
Hörtipp:
Podcast mit Val McDermid (40 min.) vom Melbourne Writer's Festival
12. September 2010
... es braucht noch Riesling
Wahrscheinlich hat es inzwischen auch der Letzte mitbekommen: Mein Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" ist bis auf wenige Exemplare, die noch im Buchhandel herumschwirren mögen, restlos vergriffen. Hanser stellt außerdem leider die gesamte Reihe dieser Reisebücher als solche ein.
Ursprünglich hatte ich laut getönt, ich würde für einen schnellen Nachdruck sorgen, weil doch immer noch erstaunlich viele Fans sehnsüchtig nachfragen.
Nun möchte ich bitten, diese Sehnsucht noch etwas zu zügeln! Wie man meinem Blog vielleicht anmerken kann, habe ich in letzter Zeit die üblichen Denkweisen um Manuskripte und Veröffentlichungen genauso hinter mir gelassen wie das schriftstellerische Denken in Landesgrenzen. Deshalb kann ich jetzt so viel verraten, dass ich gemeinsam mit einer französischen Freundin überprüfe, wie man den "Zander im Riesling" endlich völlig zweisprachig - und das auf sehr professioneller Ebene - hüben und drüben vom Rhein zum Schwimmen bringen kann - und vor allem mit welchen Partnern und Finanzierungen.
Sollte unsere Idee Hand und Fuß haben und sich als tragfähig erweisen, wird es nicht nur eine binationale Neuauflage geben, sondern womöglich mehr Bücher dieser Art. Aber bis es soweit ist, braucht der Zander noch einige Löffel Sahne an die Sauce, sprich, zwei Frauen aus zwei Ländern müssen noch hart am Bücherherd arbeiten. Als nächstes schaue ich mir erst einmal eine Probeübersetzung an.
Ich selbst bin natürlich schon ganz aufgeregt, weil es für mich eine ganz besondere Premiere wäre, in meiner anderssprachigen Wahlheimat ein Buch - auch für Deutschland - produzieren zu können. So würden meine Europaarbeit und meine Arbeit als Autorin sich wundervoll ergänzen. Spannend ist es vor allem für mich, die Gegebenheiten und Mechanismen des deutschen Buchmarkts völlig neu zu denken. Nicht mehr zu fragen: Wie macht man das üblicherweise? Sondern zu fragen: Was muss ich machen, um meine Idee zu verwirklichen? Nicht mehr zu warten, ob ein Verlag Lizenzen verkauft oder meist nicht. Sondern ein Buch gleich binational und bikulturell zu entwickeln.
Natürlich steht und fällt eine solche Idee wie jede andere mit dem Geld. Deshalb steht vor dem Übersetzen und Produzieren zuerst einmal die Aufgabe, ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten und Partner anzusprechen.
Falls das dann nicht klappen sollte - was ich, toitoitoi, nicht hoffe oder beschreien mag - ist der "Zander" immer noch ratzfatz auf Deutsch nachgedruckt. Er kommt also wieder, egal wie.
Ursprünglich hatte ich laut getönt, ich würde für einen schnellen Nachdruck sorgen, weil doch immer noch erstaunlich viele Fans sehnsüchtig nachfragen.
Nun möchte ich bitten, diese Sehnsucht noch etwas zu zügeln! Wie man meinem Blog vielleicht anmerken kann, habe ich in letzter Zeit die üblichen Denkweisen um Manuskripte und Veröffentlichungen genauso hinter mir gelassen wie das schriftstellerische Denken in Landesgrenzen. Deshalb kann ich jetzt so viel verraten, dass ich gemeinsam mit einer französischen Freundin überprüfe, wie man den "Zander im Riesling" endlich völlig zweisprachig - und das auf sehr professioneller Ebene - hüben und drüben vom Rhein zum Schwimmen bringen kann - und vor allem mit welchen Partnern und Finanzierungen.
Sollte unsere Idee Hand und Fuß haben und sich als tragfähig erweisen, wird es nicht nur eine binationale Neuauflage geben, sondern womöglich mehr Bücher dieser Art. Aber bis es soweit ist, braucht der Zander noch einige Löffel Sahne an die Sauce, sprich, zwei Frauen aus zwei Ländern müssen noch hart am Bücherherd arbeiten. Als nächstes schaue ich mir erst einmal eine Probeübersetzung an.
Ich selbst bin natürlich schon ganz aufgeregt, weil es für mich eine ganz besondere Premiere wäre, in meiner anderssprachigen Wahlheimat ein Buch - auch für Deutschland - produzieren zu können. So würden meine Europaarbeit und meine Arbeit als Autorin sich wundervoll ergänzen. Spannend ist es vor allem für mich, die Gegebenheiten und Mechanismen des deutschen Buchmarkts völlig neu zu denken. Nicht mehr zu fragen: Wie macht man das üblicherweise? Sondern zu fragen: Was muss ich machen, um meine Idee zu verwirklichen? Nicht mehr zu warten, ob ein Verlag Lizenzen verkauft oder meist nicht. Sondern ein Buch gleich binational und bikulturell zu entwickeln.
Natürlich steht und fällt eine solche Idee wie jede andere mit dem Geld. Deshalb steht vor dem Übersetzen und Produzieren zuerst einmal die Aufgabe, ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten und Partner anzusprechen.
Falls das dann nicht klappen sollte - was ich, toitoitoi, nicht hoffe oder beschreien mag - ist der "Zander" immer noch ratzfatz auf Deutsch nachgedruckt. Er kommt also wieder, egal wie.