Früher konnte man sein Hirn noch an der Garderobe abgeben. Oder Diktatoren zujubeln. Oder das Auto kaufen, das alle Nachbarn kauften. Dann hat man das Fernsehen erfunden und probt bis heute den kollektiven Lemmingegang an der Fernbedienung. Es ist so erschreckend einfach, Menschen zu manipulieren und es funktioniert umso besser, je perverser und verrückter der Manipulator agiert.
Gestern sah ich in 3sat wieder einmal einen der brillantesten Filme über dieses Phänomen, Network - mit einem unvergesslichen Peter Finch und einer ebensolchen Faye Dunawaye in den Hauptrollen. Es ist eine "Komödie", die durch ihre Wahrheiten tief ins Gebein beißt - und wer den Film nicht kennt, sollte das schleunigst nachholen! Als ich ihn irgendwann in den Achtzigern als junge Journalistin zum ersten Mal sah, machte ich mir fieberhaft Notizen aus den Dialogen und wünschte mir, das Drehbuch wäre irgendwo zu lesen. Das war alles so durchgeknallt, so böse, dass es nur die Realität spiegeln konnte. Und wie ich damals vermutete, recht bald von echten Entwicklungen eingeholt würde.
Dreiunddreißig Jahre nach dem Fernsehpropheten Howard Beale alias Peter Finch brauchen wir zur Manipulation der Massen kein Fernsehen mehr. Hundertvierzig Zeichen genügen und eine globale Hammelherde tippt #FF in die Tastatur und vergleicht beim sogenannten "Followerfriday" Gefolgschaften; oft blind dafür, dass die meisten dieser "Anhänger" ihnen eigentlich nur etwas verkaufen wollen oder in Wirklichkeit Maschinen und Programme sind. Harmlos, wenn sich die gleiche Masse brav am Montag wie auf Befehl Musik um die Ohren dödelt? Wenn sie einen mit der Zeit schneidet, weil man Menschen lieber sonntags oder nach Gusto empfiehlt? Wenn man Ungläubigkeit bis Kopfschütteln erntet, weil man für 300 Qualitätsfollower 1000 Werbemüller rausschmeisst?
Die Online-Gemeinde verordnet sich selbst derart starre Rituale, dass sich manche Sekte ein Scheibchen abschneiden könnte. Denn wer sich nicht daran hält, im rechten Moment richtig PR-trächtig Danke zu sagen oder falsch zitiert, wird - übertragen gesprochen - mit Followerbann bis zu einem Jahr belegt. Man stelle sich solche Strafen einmal bei Zitatverstößen gegen das Urheberrecht vor - wie einfach wäre die Welt!
Je chaotischer und scheinbar unbeeinflussbarer die Welt um einen herum wirkt, desto anfälliger wird der verunsicherte Mensch für Ordnungs- und scheinbare Sicherheitsrituale. Gruppen bilden Zusammenhalt, indem sie sich gegen das Außen abgrenzen und eine interne Moral und Regelmäßigkeit einüben und einfordern. Denn der Blick über den Zaun macht Angst, verunsichert. Die Freiheit, das Andere, wird als Bedrohung erlebt, weil es das eigene kleinkarierte Weltbild zum Bröckeln bringen könnte. Diese Erkenntnisse sind uralt, jeder, der sich mit Sozialverbänden oder Religionen beschäftigt, kennt die Mechanismen.
Und jeder, der mit einigermaßen offenen Augen durch die Welt geht, wird erkennen, dass die Rückkehr zu westlichen wie östlichen Fundamentalismen, zu Ordnungsbedürfnis und Sicherheitswahn ein Alarmzeichen für den Vormarsch von menschlicher Rigidität und Ausgrenzung ist. Howard Beale schrie es 1976 ins Publikum, dass sich die Menschheit zu austauschbaren glattgebügelten Humanoiden entwickle. Humanoide deshalb, weil ihnen die Ecken und Kanten, die Eigenheiten und die persönliche Freiheit fehlten, die das Faszinosum Mensch ausmachen. Bequeme manipulierbare Mainstreamer statt vor Leben sprühende Lebewesen.
Wir doch nicht, auch nicht 33 Jahre danach! Aber da gibt Twitter Listen heraus, in die man jetzt Menschen einordnen darf - und alle denken nur an ein wunderschönes kurzweiliges Spiel und spielen mit. Es lebe die PR, es lebe die Einschaltquote, pardon Followerzahl, der Mitmensch wird bald danach beurteilt, in wie vielen Listen man ihn führt. Währenddessen hängt das System öfter und dann kann man im Browser sehen, wie sich Gugl Analytics an all der Datenfülle fast verschluckt. Wie wunderbar. Sie ziehen sich noch nackter aus, die lieben dummen Menschlein. Gib ihnen ein neues Spielzeug und wir lernen, wie sie die Welt einteilen und wer mit wem, kommt, Freunde vom Geheimdienst, vergesst alles, was ihr gelernt habt, hier könnt ihr direkt absaugen, was euch weiterbringt.
Und dann geben wir ihnen noch mehr Spielzeuge, bis sie nicht mehr wissen, wie fest wir sie am Faden haben. "Spooky things will happen when you use trick or treet in your tweet today", hauen sie dir um die Ohren und wie viele Erfüllungsgehilfen werden wohl heute die beiden Wörter wie auf Knopfdruck verwenden? Welche Wörter könnten wir ihnen noch eingeben? Von so viel Manipulationskraft können die Marketender nur träumen, die noch Gewinnspiele ausloben, damit einer endlich ihren Link klickt oder ihnen öffenlich die Füße küsst. Mach dies, mach das und die Lemminge folgen, sofern der Vorschlag eine gewisse Ordnungskraft hat.
Vor Datensammelei haben die Lemminge längst keine Angst mehr, seit sie offen daran beteiligt werden. Nur ein klitzekleines Beispiel von vielen: Im Netz kursieren Anleitungen, wie man in Social Media verdeckte Schwule und Lesben outet. Verdächtig macht sich, wer mindestens einem offen homosexuellen Menschen folgt oder gar dessen Inhalte zitiert. Was ist das für eine Welt? (Vor allem, was ist das für eine Welt, in der Heteros keinen Schwulen mehr folgen?)
Es ist eine Parallelwelt, in der Anderssein bald nicht mehr stattfinden wird. Der Kleinbürger des digitalen Zeitalters schafft sich seine Gartenzwerg-Liste, die Geht-an-Weihnachten-in-die-Kirche-Liste, die Trägt-karierte-Pantoffel-Liste und wenn er mutig ist, vielleicht noch eine Hasst-Gänseblümchen-Liste. Ähnlich wie beim Speed-Dating schafft er sich Freunde durch gegenseitigen Listencheck und kann wahrscheinlich irgendwann Kritereien abwählen: Gänseblümchenliebhaber nur zulassen, wenn sie in der CSU sind.
Wir stehen im Begriff, zumindest digital unsere Erfahrungshorizonte einzuengen und jede Berührung mit Neuem, mit Anderem zu vermeiden. All das Unbequeme, Herausfordernde, Ungewohnte, das für die Evolution des Menschen und seine Bewusstseinsentwicklung immer an erster Stelle stand, wird einfach weggefiltert. Beale's Humanoide sind vorstellbar wie nie zuvor. Denn das einzige Gegenmittel, die Subversivität, hat es schwer: sie ist maschinell nicht vorgesehen.
Dieser Tage habe ich versucht, eine Liste mit dem Namen "Zwiegespräch mit Spiegel" zu gründen. Ich wollte als einziges Mitglied, mit dem ich dort kommuniziere, mich selbst zulassen. Das wäre der Endpunkt der wahlfeinen berührungssterilen Menschenauflisterei gewesen. Aber das System lässt es nicht zu, lässt nicht einmal mehr die Löschung der Listen zu. Auf Dauer bleibt eingebrannt und gespeichert, inzwischen schon vielfach im Internet verteilt, wie wir unsere kleine Welt hinterm Zaun einordnen.
Wie pervers das Ganze ist, sieht man daran, dass selbst meiner absolut leeren subversiven Liste namens "leerundnichtig" ein Mensch folgt. Das heißt, da hat jemand das pure Nichts abonniert; da ist jemand aus meiner "Gefolgschaft" bereit, mir sogar in offensichtlichen Irrsinn zu folgen.
Reaktion statt Aktion, Nachtrotteln und Followen statt Denken. Es war noch nie so einfach, Menschen am Marionettenfaden zu leiten und sich als Otto Normalverbraucher an diesem Wahnsystem zu beteiligen - und es wird immer schwerer, Systeme aufzubrechen und subversiv und eigen, vielleicht sogar anders zu sein. Manchmal, wenn der Mensch plötzlich er selbst ist, wird er nicht einmal mehr verstanden. Es ist so ungewohnt, dass jemand anders sein könnte als seine Kunstfigur im Internet. Anderssein macht Angst, aber diese Angst kann man jetzt wegklicken.
Tipps zum Thema:
Network - Film von Sidney Lumet
Julie Zeh und Ilija Trojanow: Angriff auf die Freiheit, Hanser Verlag
Seiten
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31. Oktober 2009
30. Oktober 2009
Die Lust am Labern
Ich habe eine Freundin ohne Computer. Ich habe übrigens einige Freunde, die nicht ständig im Internet hängen und die ein Handy allenfalls für Notfälle bei sich führen: ausgeschaltet natürlich. Auch ich besitze ein Handy, dessen Nummer keiner kennen muss, weil es nur im Falle einer Panne oder eines Unfalls herhalten soll, also am besten gar nicht. Wenn ich arbeite, lasse ich unerbittlich alle Anrufe auf den Anrufbeantworter auflaufen, Kunden sind erfolgreich an enge Bürozeiten gewöhnt. Während ich arbeite, würde ich auch für den Papst oder Obama keinen Hörer abnehmen. Und wenn mich deshalb jemand anschaut, als sei ich ein Alien, habe ich die beste Ausrede der Welt: Ich bin Autorin. Die dürfen das.
Ich höre neuerdings wieder Wortsendungen im Radio - beim Kochen. Mein Fernseher gibt seit etwa einem Jahr den Geist auf, zeigt nur noch einen schmalen Streifen Bild, ist also eher ein Hörgerät mit Lichteffekten. Parallel zum Zusammenschrumpfen der Bilder fiel mir auf, dass die sowieso immer unwichtiger werden. Die meisten Drehbücher sind längst für Blinde geschrieben, keiner gibt sich mehr Mühe, die wahren Stärken des Mediums auszunutzen. Dialogdreschen, Dauergelaber. Oft erklären sie einem sogar, was ich nicht mehr sehe: "Meinst du, der Mörder ist durch dieses versiffte Gebüsch mit diesem Matsch gestiefelt?" Nur ganz selten herrscht Schweigen und es flackert nicht so wild. Dann habe ich "Neues Kino" oder "Independent Filme" erwischt.
Der Haufen Geld, den ich mühsam für ein neues Gerät sparen müsste, fließt ständig in Bücher. Die sehr viel besseren Nachrichten im Radio, die internationalen Informationen im Internet und die Filme aus der Mediathek lassen mich bereits überlegen, was ich in Sachen Alternativmöblierung mit der Ecke anstellen könnte, die jetzt vom Fernseher verunziert wird. Ich muss nicht haben, was "alle" haben, nicht jedem Medientrend hinterherrennen - und bin auch ohne Handy und Facebook und 1000 Follower ein sehr kommunikativer Mensch.
Mit jener computerlosen Freundin bin ich jedoch kürzlich erschrocken. Weil sie mich so anstarrte, als mir herausrutschte: "Da hat einer getwittert, dass..." - Wie bitte was? - Und wie erklärt man dann Twitter für Leute ohne Computer? Hält der Vergleich mit den sms?
"Warum liest du hundert sms von hundert wildfremden Leuten? Hast du so viel übrige Zeit? Was bringt dir das?"
Gute Frage. Zuerst habe ich mal im Web nachgeschlagen, was es bringt:
Die Wahrheit ahnt Don Alphonso nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen. Ziehen wir nämlich mal all den positiven Kram ab wie : Verlagsinfos, Ticker von Zeitungen und Sendern, Kollegen finden, sich mit Menschen unterhalten etc., bleibt unterm Strich Übles übrig:
Ich höre neuerdings wieder Wortsendungen im Radio - beim Kochen. Mein Fernseher gibt seit etwa einem Jahr den Geist auf, zeigt nur noch einen schmalen Streifen Bild, ist also eher ein Hörgerät mit Lichteffekten. Parallel zum Zusammenschrumpfen der Bilder fiel mir auf, dass die sowieso immer unwichtiger werden. Die meisten Drehbücher sind längst für Blinde geschrieben, keiner gibt sich mehr Mühe, die wahren Stärken des Mediums auszunutzen. Dialogdreschen, Dauergelaber. Oft erklären sie einem sogar, was ich nicht mehr sehe: "Meinst du, der Mörder ist durch dieses versiffte Gebüsch mit diesem Matsch gestiefelt?" Nur ganz selten herrscht Schweigen und es flackert nicht so wild. Dann habe ich "Neues Kino" oder "Independent Filme" erwischt.
Der Haufen Geld, den ich mühsam für ein neues Gerät sparen müsste, fließt ständig in Bücher. Die sehr viel besseren Nachrichten im Radio, die internationalen Informationen im Internet und die Filme aus der Mediathek lassen mich bereits überlegen, was ich in Sachen Alternativmöblierung mit der Ecke anstellen könnte, die jetzt vom Fernseher verunziert wird. Ich muss nicht haben, was "alle" haben, nicht jedem Medientrend hinterherrennen - und bin auch ohne Handy und Facebook und 1000 Follower ein sehr kommunikativer Mensch.
Mit jener computerlosen Freundin bin ich jedoch kürzlich erschrocken. Weil sie mich so anstarrte, als mir herausrutschte: "Da hat einer getwittert, dass..." - Wie bitte was? - Und wie erklärt man dann Twitter für Leute ohne Computer? Hält der Vergleich mit den sms?
"Warum liest du hundert sms von hundert wildfremden Leuten? Hast du so viel übrige Zeit? Was bringt dir das?"
Gute Frage. Zuerst habe ich mal im Web nachgeschlagen, was es bringt:
"Twitter ist ein Werkzeug, das vor allem von jenen gebraucht wird, die selbstverständlich immer online sein wollen, ein Instrument für digitales Grundrauschen, für den Dauertratsch der immer Erreichbaren..."Das schreibt ausgerechnet der Kommunikator Don Alphonso in der Blogbar. Das mit dem Dauertratsch hat mich angekratzt. Ausgerechnet ich, die nichts schlimmer hasst als den Tratsch beim Bäcker, die so gut wie nie sms verschickt, soll deshalb twittern?
Die Wahrheit ahnt Don Alphonso nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen. Ziehen wir nämlich mal all den positiven Kram ab wie : Verlagsinfos, Ticker von Zeitungen und Sendern, Kollegen finden, sich mit Menschen unterhalten etc., bleibt unterm Strich Übles übrig:
- Twitter ist mein Keks zum Kaffee, hält also schlank. Und Twitter kann ich leichter abschalten als meine Freundin.
- Ich habe den Dorftratsch ums neueste Auto satt. Bei Twitter kann ich Leute abonnieren, die von Schweißfüßen oder Klospülungen tratschen.
- Twitter hat was Religiöses. Ich kann jetzt sogar mit Listenfunktion Sekten bilden. Ich kann in die Wüste predigen. Und mich am Follower-Friday zum Guru hocharbeiten. Wozu habe ich Theologie studiert.
- Autoren, die ständig über Literaten, Künstler und Intellektuelle schreiben, weil sie nichts anderes kennen, werden langweilig. Aber nicht immer hat man Lust und Kraft, sich recherchehalber in mafiöse oder sonstwie schlierige Milieus zu begeben. Twitter öffnet einem den Sumpf des Lebens. Voll dran an jammernden Hausfrauen, durchgeknallten Gymnasiallehrern und dauerfrustrierten Schornsteinfegern. Vom Pfeiferauchen im Kleiderschrank über Partnerwahlpartys bis zur digitalen Petze alles abonnierbar, studierbar.
- Hier im Dorf gibt's einen Voyeur, der sich verdammt dämlich anstellt mit seinem Feldstecher und dem glänzenden Glatzkopf, der von weitem durchs Gebüsch spiegelt. Das ist eben einer, der nicht twittert. Ganz typisch. Nachrennen statt followen, wie blöde!
- Es gibt Fototapeten. Es gibt DVDs mit künstlichem Kaminfeuer für den Bildschirm. Und es gibt das künstliche Großraumbüro für Einzelkämpfer. Twitter gibt einem das herrliche Gefühl, dass etwas passiert, dass man gefordert ist und jeden Moment der nicht vorhandene Chef reinkommen könnte.
- Twitter gibt einem das herrliche Gefühl, dass sich die Welt auch ohne einen verdammt schnell weiterdreht. Dass die eigenen Worte gar nicht so schwer wiegen, wie man sich das immer einbildet. Dass es völlig wurscht ist, was man sagt, ob man was sagt oder ob man überhaupt dabei ist. Das gibt einem die Freiheit, wieder das zu sagen, was man zu sagen hat.
- Ich gucke keinen Fußball. Ich putze nur selten Fenster. Ich hocke nicht in Kneipen herum. Ich rauche nicht. Ich lebe nach außen hin ein völlig langweiliges, unspektakuläres Leben (was machst du eigentlich den ganzen Tag, du schreibst doch nur?). Mit Twitter habe ich endlich ein Laster, über das sich andere das Maul zerreissen können. Das gibt mir einen Ruch, wie man so schön sagt.
29. Oktober 2009
Sein statt Verkaufen
Falls Ihre einzige Motivation für Kunst das Verkaufen ist und Ihre intellektuelle Hauptbeschäftigung nicht das Werk selbst, sondern wie man es zu einem verkäuflichen Produkt macht, dann sind Sie kein Künstler. Dann sind Sie einfach ein Kruschtelladen.Zu diesem Schluss kommt die australische Künstlerin Hazel Dooney in ihrem Blog und gibt Tipps, wie sich Künstler "kunstadäquat" im Internet vermarkten können. Dabei spricht sie aus, was andere kaum zu sagen wagen: Tipps für Künstler in Sachen Social Media kommen in den meisten Fällen von Menschen, die selbst keine Kunst schöpfen und ganz andere Interessen haben. Recht hat sie, es sind oft Galeristen, Verkäufer, ja Kunstunternehmer und Kulturmanager, von denen man zwar lernen kann, von denen man sich aber auch gründlich distanzieren muss, um bei sich und der eigenen Kunst zu bleiben.
Was sie einfordert, kann auch Künstler anderer Sparten zum Nachdenken bringen: Rücken wir wieder unsere Inhalte in den Mittelpunkt, nicht ihre Verkäuflichkeit oder das Jagen nach Aufmerksamkeit. Eine nachhaltige Kundenbeziehung endet nicht zwingend mit einem Verkauf. Information und Integrität sind Werte für Hazel Dooney im Dialog mit dem Publikum, aber auch dieses undefinierbare Etwas, das vom Kunstwerk auf den Betrachter überspringt. Wer ein Buch liest, ein Bild betrachtet, erlebt das direkt - aber wie lässt es sich im Internet vermitteln?
Eigendarstellungen von Künstlern und ihren Werken sollten Emotionen vermitteln und vor allem Authentizität, sagt sie. Und das beinhalte eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Kunst, ein Sichtbarmachen der eigenen Reflexionen. Vor allem aber künstlerische Arbeit. Ein äußerst lesenswerter Beitrag!
Ich denke, solches "Marketing" ist nicht einfach. Es findet sich wahrscheinlich nicht deshalb so selten, weil es jede Menge Professionalität verlangt - solche Aufgaben kann man schließlich heute von Profis machen lassen. Nicht auslagern kann ich mich als Künstler selbst; wenn ich authentisch sein will, wenn ich die Emotionen meines Schaffens vermitteln will, muss ich mich zeigen. Muss mich für die Menschen da draußen öffnen. Und das ist auch immer ein Stück weit Entblößen: Man macht sich angreifbar, verletzbar. Denn Kunst ist immer auch Auseinandersetzung mit Schwächen, mit Abgründen, mit all dem, was ein Marketingexperte tunlichst aus der Öffentlichkeit heraushalten würde, weil es jede perfekte Strategie zunichte macht.
Die Hyänen im Internet lauern nur auf solche Schwächen, warten nur darauf, ihre Reißzähne in die Weichteile zu schlagen. Und die allzu Perfekten, die smarten Käufer und Verkäufer, die wollen Superstars und Plastikgötter, nicht Menschen, die vielleicht bescheiden gestehen, dass sie mit ihrer Kunst auch einmal straucheln und versagen. Auch Hazel Dooney spricht davon, dass man bei diesem Weg der persönlichen Authentizität immer wieder auf Ablehnung stößt - da muss man durch. Dafür braucht man Standvermögen und Selbstwertgefühl. Was zurückkommt, ist so unendlich viel reicher als Kundenreaktionen auf Marketing, als reine Klick- und Followerzahlen.
Es braucht einen eigenen Kopf für eine solche Selbstpreisgabe nach außen, einen sehr dicken sogar. Aber manchen, die derart bei sich und ihrer Kunst bleiben, gelingt dann mit der multimedialen Darstellung fast schon ein eigenes "Parallelkunstwerk". Ein kleines Beispiel können Kunst- und Buchliebhaber in einem Video erleben, das einen eintauchen lässt in die Sinnenfreude von Papier und Bildern, in die haptischen und visuellen Genüsse eines Kunstbuchs.
Für beide Links bedanke ich mich bei Tulibri, die mit ihrem Blog noch viel mehr Appetit auf Bücher und Kunst und Buchbindekunst macht.
Ein Kunstbuch entsteht:
28. Oktober 2009
alles controlletti mit dem Konfetti
Früher hat man Text geschrieben, gedruckt, gelesen, ins Regal gestellt, verschenkt, verkauft, verliehen und im Ernstfall nicht mehr wiederbekommen. Es gab wegen dieses unsittlichen Begehrens sogar den Spruch "Frauen und Bücher verleiht man nicht". Vorbei die Zeiten, als alles noch so schön übersichtlich war.
Heute lädt man Bücher auf einen Reader und falls der Akku durchhält, klaut sie diesmal nicht der beste Freund, sondern der Händler, der eben noch das Geld eingesackt hat. Andere klauen noch vor allen Lesern, pardon scannen, und sacken Geld ein, indem sie aus Texten Werbeträger generieren. So ähnlich wie die Suppenwerbung oder diese komischen Wertpapierwerbungen in Taschenbüchern damals, als Wertpapiere noch mehr wert waren als ein makuliertes Taschenbuch. Nur passiert das heute in viel größerem Stil. Also etwa so, wie wenn Scientology, die Mun-Sekte und die russische Mafia mit Schätzing den Mond übernähmen. Oder so ähnlich.
Man kann mit Büchern aber noch anderes machen. Vor allem, wenn man sie nicht mehr braucht oder brauchen darf. Früher hat man welche im Vatikan versteckt, was auf geschichtliche Dauer nicht sehr praktisch war. Verdammt viel Kirchensteuern muss nämlich das Scanprojekt von IBM verschlungen haben, nur um sagen zu können: Ätsch, nix mit geheim! Aber aus irgendeinem verschwörerischen Grund hat die Welt davon kaum etwas mitbekommen, Google könnte in Sachen Diskretion davon nur lernen. Zugegeben, eine Kleinigkeit war anders: Die betroffenen Autoren waren seit weit über 70 Jahren an natürlichen Todesursachen vermodert oder waren sogar effektiv verbrannt worden.
Gezündelt haben dann auch wieder die Nazis, Gasöfen für die Menschen und öffentliche Bücherverbrennungen. Wer konnte, floh und nahm seine subversiven Erzähltraditionen mit. Bis heute kaufen deutsche Verlage aus den USA in Lizenzen zurück, was sie versäumt haben, selbst aufzubauen. Und wer dann zu viel kauft und sich dabei übernimmt, verpartnert sich wiederum mit der neuen Weltmacht Google, um über Suppenwerbung und Pfandbriefobligationen - siehe oben.
Es geht aber auch anders. Weil das mit dem Untergang des Abendlandes trotz aller Terroristenbeschwörungen einfach nicht klappen will, kann man Kulturgüter auch verklappen. Der erste Großversuch düngte Leipziger Boden mit einer immensen Bücherdeponie. Wahrscheinlich hat man das machen müssen, damit später die kleinen Instituts-Literaten dort besser anwachsen können. Immerhin rotten nun unter der Oberfläche nicht nur die DDR, sondern auch Goethe und Schiller, die dieses Pech mit Weimar hatten. Bücher auf der Deponie, das war wohl ein Wiedervereinigungsunfall, eine kleine Verschmutzung im Überschwang einer freundlichen Übernahme.
Jetzt ist das vereinigte Deutschland aber ein geschichtsbewusstes, verantwortliches, ökologisches Land mit Qualitätsbewusstsein geworden. Bücherverbrennung geht nicht mehr, wegen des CO2-Ausstoßes und weil man nicht mit dem Gasbrenner nachhelfen darf. Das Zeug brennt ja leider erst ab Fahrenheit Irgendwas. Der Vatikan ist voll und hat keine Lust auf Pilgerinnen und Päpstinnen im Schmonzetten-Outfit. Leipzig winkt ab, wenn es um Sondermülltransporte in Entwicklungsländer geht. Die russische Mafia hat ihr Projekt "Bücher für Sibirien" kürzlich eingestellt. Google scannt nicht jeden Dreck und die großen Händler lachen sich eins: Was sollen sie noch mit Papier und Pappe, wie soll man da dem Kunden den Text weglöschen und Kundenstatistiken erheben können?
Genau. Richtig geraten. Die Verlage machen das, was große Konzerne mit unseren Kundendaten leider nicht tun: Sie schreddern. Also, sie lassen schreddern. Zwei Millionen Bücher jährlich werden laut FAZ in Eisenbahnwaggons zum Ort des Grauens gefahren, zwei bis drei Züge fahren monatlich dem sicheren Buchexitus entgegen. Industriell organisiert, umweltfreundlich. Damit wir ganz schnell und sauber auch morgen noch mit diesem eigentümlichen deutschen Recyclinggrau unsere Hintern abwischen können. Auch wer keine Bücher auf seinem Örtchen lagert - wir Autoren sind bei den intimsten Geschäften dabei!
Richtig so. Schließlich herrscht Bildungsnotstand in Deutschland und der ist sozial bedingt. Kinder, die sich keine Bücher kaufen können, lesen nicht. Erwachsene, die sich keine Bücher kaufen können, laden sich lieber kostenlos Musik und Filme aus dem Internet. Bibliotheken manövreieren sich ins Aus, weil sie immer weniger Bücher kaufen können. Es würde sich nicht rechnen, sie alle mit Büchern zu beschenken. Bücher-Happenings in Fußgängerzonen, statt Bücherverbrennen fröhliches Selbstbedienen von Lastwagenladungen voller Kurzweil und Wissen - undenkbar. Das alles würde zu viel Logistik bedeuten, zu viele Kosten. Und wer weiß, wie viele Privatleute dann noch Geld aus dem Müll in Internetauktionen verdienen würden, während der Verlag seine Werte einfach wegschmeisst. Zu viel Kultur ist einfach teuer und gefährlich.
Und die Autorinnen und Autoren? Die könnten, würde man die Kosten für den galoppierenden Wahnsinn, an dem hauptsächlich Großverlage beteiligt zu sein scheinen, sparen und auf ihre Honorare... Nein, wage keiner, den Gedanken zu Ende zu denken. Da ist noch ein anderer: Früher, als man Frauen und Bücher noch nicht verlieh, wirtschaftete man bedachtsam. Keiner wäre auf die Idee gekommen, knallbunt und in riesigem medialen Aufwand Lesern eine Ware aufzuschwatzen, die man hintenrum als Müll verschämt entsorgt. Irgendetwas läuft da falsch. Verdammt falsch. War der Vatikan nicht sorgfältiger, indem er nur die Ketzer ausrottete, die Bücher aber für spätere Generationen bewahrte?
Das Abendland als Pappmascheekultur wird nicht untergehen. Eher könnte es eines Tages eiskalt profitorientierte Verlagskonzerne treffen. Denn Autoren brauchen heutzutage keine russische Mafia oder verschwörerischen Sekten, um ihre Texte zu bewahren und zu verbreiten. Irgendwann brauchen sie auch keine Verlage mehr, die ihr Geld lieber in Müllverwertung investieren als in kreative Köpfe und wirklich bewahrenswerte Bücher. Irgendwann braucht man die Handlanger nicht mehr, die Bücher voller Verachtung ihren Inhalten und Schöpfern und Lesern gegenüber unters Volk rotzen und Waren produzieren, hinter denen allenfalls noch der Lektor steht.
Das System ist unwirtschaftlich geworden. Wir schreiben und lesen an einer gewaltigen Müllblase. Aber Ray Bradbury hat uns gezeigt, wie man in einer solch sauber recycleten Soap Opera Untergrund organisieren kann. Wir haben technisch längst alle Fäden selbst in der Hand: Wir können schreiben, veröffentlichen, lesen. Ohne Halbwertszeiten von drei Monaten. Es soll sogar noch Verlage geben, die ihre Backlist pflegen. Die haben aber auch meist noch echte Verleger statt Controller. Wann kontrollieren wir endlich uns selbst?
Lesetipps:
FAZ über Bücherschreddern
Daniel Leisegang über die Informationsgesellschaft von morgen
Fahrenheit 451
Heute lädt man Bücher auf einen Reader und falls der Akku durchhält, klaut sie diesmal nicht der beste Freund, sondern der Händler, der eben noch das Geld eingesackt hat. Andere klauen noch vor allen Lesern, pardon scannen, und sacken Geld ein, indem sie aus Texten Werbeträger generieren. So ähnlich wie die Suppenwerbung oder diese komischen Wertpapierwerbungen in Taschenbüchern damals, als Wertpapiere noch mehr wert waren als ein makuliertes Taschenbuch. Nur passiert das heute in viel größerem Stil. Also etwa so, wie wenn Scientology, die Mun-Sekte und die russische Mafia mit Schätzing den Mond übernähmen. Oder so ähnlich.
Man kann mit Büchern aber noch anderes machen. Vor allem, wenn man sie nicht mehr braucht oder brauchen darf. Früher hat man welche im Vatikan versteckt, was auf geschichtliche Dauer nicht sehr praktisch war. Verdammt viel Kirchensteuern muss nämlich das Scanprojekt von IBM verschlungen haben, nur um sagen zu können: Ätsch, nix mit geheim! Aber aus irgendeinem verschwörerischen Grund hat die Welt davon kaum etwas mitbekommen, Google könnte in Sachen Diskretion davon nur lernen. Zugegeben, eine Kleinigkeit war anders: Die betroffenen Autoren waren seit weit über 70 Jahren an natürlichen Todesursachen vermodert oder waren sogar effektiv verbrannt worden.
Gezündelt haben dann auch wieder die Nazis, Gasöfen für die Menschen und öffentliche Bücherverbrennungen. Wer konnte, floh und nahm seine subversiven Erzähltraditionen mit. Bis heute kaufen deutsche Verlage aus den USA in Lizenzen zurück, was sie versäumt haben, selbst aufzubauen. Und wer dann zu viel kauft und sich dabei übernimmt, verpartnert sich wiederum mit der neuen Weltmacht Google, um über Suppenwerbung und Pfandbriefobligationen - siehe oben.
Es geht aber auch anders. Weil das mit dem Untergang des Abendlandes trotz aller Terroristenbeschwörungen einfach nicht klappen will, kann man Kulturgüter auch verklappen. Der erste Großversuch düngte Leipziger Boden mit einer immensen Bücherdeponie. Wahrscheinlich hat man das machen müssen, damit später die kleinen Instituts-Literaten dort besser anwachsen können. Immerhin rotten nun unter der Oberfläche nicht nur die DDR, sondern auch Goethe und Schiller, die dieses Pech mit Weimar hatten. Bücher auf der Deponie, das war wohl ein Wiedervereinigungsunfall, eine kleine Verschmutzung im Überschwang einer freundlichen Übernahme.
Jetzt ist das vereinigte Deutschland aber ein geschichtsbewusstes, verantwortliches, ökologisches Land mit Qualitätsbewusstsein geworden. Bücherverbrennung geht nicht mehr, wegen des CO2-Ausstoßes und weil man nicht mit dem Gasbrenner nachhelfen darf. Das Zeug brennt ja leider erst ab Fahrenheit Irgendwas. Der Vatikan ist voll und hat keine Lust auf Pilgerinnen und Päpstinnen im Schmonzetten-Outfit. Leipzig winkt ab, wenn es um Sondermülltransporte in Entwicklungsländer geht. Die russische Mafia hat ihr Projekt "Bücher für Sibirien" kürzlich eingestellt. Google scannt nicht jeden Dreck und die großen Händler lachen sich eins: Was sollen sie noch mit Papier und Pappe, wie soll man da dem Kunden den Text weglöschen und Kundenstatistiken erheben können?
Genau. Richtig geraten. Die Verlage machen das, was große Konzerne mit unseren Kundendaten leider nicht tun: Sie schreddern. Also, sie lassen schreddern. Zwei Millionen Bücher jährlich werden laut FAZ in Eisenbahnwaggons zum Ort des Grauens gefahren, zwei bis drei Züge fahren monatlich dem sicheren Buchexitus entgegen. Industriell organisiert, umweltfreundlich. Damit wir ganz schnell und sauber auch morgen noch mit diesem eigentümlichen deutschen Recyclinggrau unsere Hintern abwischen können. Auch wer keine Bücher auf seinem Örtchen lagert - wir Autoren sind bei den intimsten Geschäften dabei!
Richtig so. Schließlich herrscht Bildungsnotstand in Deutschland und der ist sozial bedingt. Kinder, die sich keine Bücher kaufen können, lesen nicht. Erwachsene, die sich keine Bücher kaufen können, laden sich lieber kostenlos Musik und Filme aus dem Internet. Bibliotheken manövreieren sich ins Aus, weil sie immer weniger Bücher kaufen können. Es würde sich nicht rechnen, sie alle mit Büchern zu beschenken. Bücher-Happenings in Fußgängerzonen, statt Bücherverbrennen fröhliches Selbstbedienen von Lastwagenladungen voller Kurzweil und Wissen - undenkbar. Das alles würde zu viel Logistik bedeuten, zu viele Kosten. Und wer weiß, wie viele Privatleute dann noch Geld aus dem Müll in Internetauktionen verdienen würden, während der Verlag seine Werte einfach wegschmeisst. Zu viel Kultur ist einfach teuer und gefährlich.
Und die Autorinnen und Autoren? Die könnten, würde man die Kosten für den galoppierenden Wahnsinn, an dem hauptsächlich Großverlage beteiligt zu sein scheinen, sparen und auf ihre Honorare... Nein, wage keiner, den Gedanken zu Ende zu denken. Da ist noch ein anderer: Früher, als man Frauen und Bücher noch nicht verlieh, wirtschaftete man bedachtsam. Keiner wäre auf die Idee gekommen, knallbunt und in riesigem medialen Aufwand Lesern eine Ware aufzuschwatzen, die man hintenrum als Müll verschämt entsorgt. Irgendetwas läuft da falsch. Verdammt falsch. War der Vatikan nicht sorgfältiger, indem er nur die Ketzer ausrottete, die Bücher aber für spätere Generationen bewahrte?
Das Abendland als Pappmascheekultur wird nicht untergehen. Eher könnte es eines Tages eiskalt profitorientierte Verlagskonzerne treffen. Denn Autoren brauchen heutzutage keine russische Mafia oder verschwörerischen Sekten, um ihre Texte zu bewahren und zu verbreiten. Irgendwann brauchen sie auch keine Verlage mehr, die ihr Geld lieber in Müllverwertung investieren als in kreative Köpfe und wirklich bewahrenswerte Bücher. Irgendwann braucht man die Handlanger nicht mehr, die Bücher voller Verachtung ihren Inhalten und Schöpfern und Lesern gegenüber unters Volk rotzen und Waren produzieren, hinter denen allenfalls noch der Lektor steht.
Das System ist unwirtschaftlich geworden. Wir schreiben und lesen an einer gewaltigen Müllblase. Aber Ray Bradbury hat uns gezeigt, wie man in einer solch sauber recycleten Soap Opera Untergrund organisieren kann. Wir haben technisch längst alle Fäden selbst in der Hand: Wir können schreiben, veröffentlichen, lesen. Ohne Halbwertszeiten von drei Monaten. Es soll sogar noch Verlage geben, die ihre Backlist pflegen. Die haben aber auch meist noch echte Verleger statt Controller. Wann kontrollieren wir endlich uns selbst?
Lesetipps:
FAZ über Bücherschreddern
Daniel Leisegang über die Informationsgesellschaft von morgen
Fahrenheit 451
27. Oktober 2009
Links Links Links
Madame hat endlich ihre Blogroll aufgeräumt (einiges Neue darin), bietet darüber hinaus eine Liste von "alternativem" Feuilleton, besondere Dinge und ganz persönliche Geheimtipps in Sachen Kunst.
Ich verlinke nicht automatisch, sondern gnadenlos subjektiv - es soll ja nicht beliebig werden.
Ich verlinke nicht automatisch, sondern gnadenlos subjektiv - es soll ja nicht beliebig werden.
Alpengrüße
Ich grüße ganz herzlich meine neuen Schweizer Leserinnen und Leser! Bisher waren die Österreicher eindeutig in der Überzahl, das könnte sich jetzt ändern.
Es ist schon seltsam, das Internet. Angeblich worldwide, grenzenlos und dank Weltsprache für große Mehrheiten überall zu erkunden. Früher, als das Internet noch ganz frisch und jung war, habe ich das auch gemacht. Ich erinnere mich gut an den Kick, plötzlich auf einer Seite aus Papua Neuguinea gelandet zu sein und mit dem Webmaster Austausch zu pflegen. Der hockte irgendwo am Rand des Buschs in einer Holzhütte mit Satellitenschüssel. In den ersten Newsgroups wimmelten die spannendsten Leute - und wer Englisch konnte, hatte Anschluss. Ich erinnere mich noch, wie ich für historische Recherchen in so eine Gruppe geriet, in der ich Leute von English Heritage, berühmte Archäologen aus den USA und Hobbyisten aus dem irischen Hinterland gleichzeitig interviewen konnte. Welch ein Reichtum an Menschen!
Als sich jedoch das Angebot in den eigenen Landessprachen erweiterte, schrumpfte die großräumige Internationalität des Webs zusammen auf gemütliche, altvertraute Hütten. Man trieb sich wieder zunehmend in der eigenen kleinen Welt herum. Immerhin gibt es deutschsprachige Menschen auch in Polen oder China, den USA oder in Spanien. Und Google verbindet mit seiner abenteuerlich bis lustig klingenden Übersetzungsmaschine zumindest einfach gestrickte Textwelten seltenerer Sprachen. Die Internetwelt müsste also noch groß und unübersichtlich genug sein, oder?
Im echten Leben bin ich permanent dreisprachig. Hier im Elsass wechselt man wild zwischen Französisch und Elsässisch hin und her, einem Teil des Alemannischen, das etwa 250 verschiedene Färbungen haben soll. Kommt das Deutsche im Grenzverkehr dazu. Und weil ich die Unterschiede der elsässischen Sprachgrenzen nicht genau höre (dazu muss man wohl geboren sein), mische ich hemmungslos alemannisches bis mittleres Badisch unter und werde bestens verstanden. Sprachgrenzen gibt es nicht, "Deutschsprachigkeit" ist eine wabernde gemeinsame Grundlage für wilde Variationen - und weder ein Bodenseeschweizer noch ein Vorarlberger klingen in unseren Ohren fremd.
Wenn wir Bücher in deutschem Deutsch, in Österreichisch oder Schwyzerdytsch (schreibt man das so?) schreiben, dann eigentlich immer mit Blick auf den gesamten Markt, weil einer davon doch eigentlich recht klein ist, wenn man alle haben kann. Wobei es da der größere Markt immer leichter hat, die kleineren zu "beglücken" und die kleineren Märkte sich ungleich mehr abstrampeln müssen. Und doch gibt es im ach so offenen Internet seltsame Grenzen...
Ich habe zwar als Buchautorin schon öfter in der Schweiz gelesen - aber mein Blog wurde bisher eher selten von Eidgenossen angesteuert. Mir kam das vor wie im französischen Weinregal. Es gibt ja nun wirklich genügend Länder mit hervorragendem Wein. Will man aber in Frankreich einen guten Chianti oder badischen Spätburgunder kaufen, sieht man alt aus. Man kann das verstehen, wenn man selbst genug Spitzenweine hat. Aber warum nicht einmal neugierig sein und probieren, wie die Weine der anderen schmecken? Könnte vielleicht bereichernd sein?
Obwohl das Internet keine Dialekte hörbar macht, scheinen geografische Hindernisse auch dort Grenzen zu bilden. Anfangs hatte ich nur LeserInnen aus Deutschland. Dann kamen schüchtern und allmählich die Österreicher und inzwischen wird dieses Blog in Wien genauso gelesen wie in Berlin. So stelle ich mir Internet vor. Ausgerechnet die Schweizer, die mir geografisch viel näher sind, haben etwas länger gebraucht. Im Moment kommen sie in Scharen. Grenzöffnung durch Links. So stelle ich mir Internet vor! Und ich wünsche mir noch viel mehr Links in den Köpfen, die Grenzen durchbrechen und Kommunikation nationenübergreifend gestalten.
Was hindert uns so oft daran? Haben wir unterschiedliche Interessen? Gruppieren wir uns nur mit Leuten, die wir sowieso kennen? Gibt es Vorbehalte? Haben wir Angst - wovor?
Ich freue mich jedenfalls sehr und grüße bei dieser Gelegenheit besonders die fleißigen Leser aus dem Ausland, um nur die häufigsten zu nennen: aus Frankreich (sprachlich gesehen), Österreich, der Schweiz, England, den USA, den Niederlanden, Belgien, Italien, Spanien und stellvertretend für mehr all diejenigen, die auf Servern der EU hierher finden. Und natürlich grüße ich meine größte Leserschicht in Deutschland - die für mich ja nun wirklich auch Ausländer sind. So verrückt kennen Grenzen sein...
update: Dringend Kommentare lesen und mitmachen!
Wir sammeln Urtöne der Leserinnen und Leser - herrlich.
Es ist schon seltsam, das Internet. Angeblich worldwide, grenzenlos und dank Weltsprache für große Mehrheiten überall zu erkunden. Früher, als das Internet noch ganz frisch und jung war, habe ich das auch gemacht. Ich erinnere mich gut an den Kick, plötzlich auf einer Seite aus Papua Neuguinea gelandet zu sein und mit dem Webmaster Austausch zu pflegen. Der hockte irgendwo am Rand des Buschs in einer Holzhütte mit Satellitenschüssel. In den ersten Newsgroups wimmelten die spannendsten Leute - und wer Englisch konnte, hatte Anschluss. Ich erinnere mich noch, wie ich für historische Recherchen in so eine Gruppe geriet, in der ich Leute von English Heritage, berühmte Archäologen aus den USA und Hobbyisten aus dem irischen Hinterland gleichzeitig interviewen konnte. Welch ein Reichtum an Menschen!
Als sich jedoch das Angebot in den eigenen Landessprachen erweiterte, schrumpfte die großräumige Internationalität des Webs zusammen auf gemütliche, altvertraute Hütten. Man trieb sich wieder zunehmend in der eigenen kleinen Welt herum. Immerhin gibt es deutschsprachige Menschen auch in Polen oder China, den USA oder in Spanien. Und Google verbindet mit seiner abenteuerlich bis lustig klingenden Übersetzungsmaschine zumindest einfach gestrickte Textwelten seltenerer Sprachen. Die Internetwelt müsste also noch groß und unübersichtlich genug sein, oder?
Im echten Leben bin ich permanent dreisprachig. Hier im Elsass wechselt man wild zwischen Französisch und Elsässisch hin und her, einem Teil des Alemannischen, das etwa 250 verschiedene Färbungen haben soll. Kommt das Deutsche im Grenzverkehr dazu. Und weil ich die Unterschiede der elsässischen Sprachgrenzen nicht genau höre (dazu muss man wohl geboren sein), mische ich hemmungslos alemannisches bis mittleres Badisch unter und werde bestens verstanden. Sprachgrenzen gibt es nicht, "Deutschsprachigkeit" ist eine wabernde gemeinsame Grundlage für wilde Variationen - und weder ein Bodenseeschweizer noch ein Vorarlberger klingen in unseren Ohren fremd.
Wenn wir Bücher in deutschem Deutsch, in Österreichisch oder Schwyzerdytsch (schreibt man das so?) schreiben, dann eigentlich immer mit Blick auf den gesamten Markt, weil einer davon doch eigentlich recht klein ist, wenn man alle haben kann. Wobei es da der größere Markt immer leichter hat, die kleineren zu "beglücken" und die kleineren Märkte sich ungleich mehr abstrampeln müssen. Und doch gibt es im ach so offenen Internet seltsame Grenzen...
Ich habe zwar als Buchautorin schon öfter in der Schweiz gelesen - aber mein Blog wurde bisher eher selten von Eidgenossen angesteuert. Mir kam das vor wie im französischen Weinregal. Es gibt ja nun wirklich genügend Länder mit hervorragendem Wein. Will man aber in Frankreich einen guten Chianti oder badischen Spätburgunder kaufen, sieht man alt aus. Man kann das verstehen, wenn man selbst genug Spitzenweine hat. Aber warum nicht einmal neugierig sein und probieren, wie die Weine der anderen schmecken? Könnte vielleicht bereichernd sein?
Obwohl das Internet keine Dialekte hörbar macht, scheinen geografische Hindernisse auch dort Grenzen zu bilden. Anfangs hatte ich nur LeserInnen aus Deutschland. Dann kamen schüchtern und allmählich die Österreicher und inzwischen wird dieses Blog in Wien genauso gelesen wie in Berlin. So stelle ich mir Internet vor. Ausgerechnet die Schweizer, die mir geografisch viel näher sind, haben etwas länger gebraucht. Im Moment kommen sie in Scharen. Grenzöffnung durch Links. So stelle ich mir Internet vor! Und ich wünsche mir noch viel mehr Links in den Köpfen, die Grenzen durchbrechen und Kommunikation nationenübergreifend gestalten.
Was hindert uns so oft daran? Haben wir unterschiedliche Interessen? Gruppieren wir uns nur mit Leuten, die wir sowieso kennen? Gibt es Vorbehalte? Haben wir Angst - wovor?
Ich freue mich jedenfalls sehr und grüße bei dieser Gelegenheit besonders die fleißigen Leser aus dem Ausland, um nur die häufigsten zu nennen: aus Frankreich (sprachlich gesehen), Österreich, der Schweiz, England, den USA, den Niederlanden, Belgien, Italien, Spanien und stellvertretend für mehr all diejenigen, die auf Servern der EU hierher finden. Und natürlich grüße ich meine größte Leserschicht in Deutschland - die für mich ja nun wirklich auch Ausländer sind. So verrückt kennen Grenzen sein...
update: Dringend Kommentare lesen und mitmachen!
Wir sammeln Urtöne der Leserinnen und Leser - herrlich.
Labels - Ressorts
Ich habe eine einfache Lösung gefunden, der Themenvielfalt Herrin zu werden, ohne mein ganzes Blog mit der Hand nachjustieren zu müssen:
- Für die Label-Freaks gibt's alle auf einen Blick, nach Häufigkeit geordnet - ganz unten auf der Seite, klickbar.
- Für Leute, die mehr Übersichtlichkeit wollen, stehen rechts die "großen Themen" als Ressorts.
- Nachteil: In die Ressorts sind nur alle Artikel ab Umbau einsortiert, ältere nicht.
- Die Funktion, am Ende eines Beitrags auf Themen zu klicken, um alle Artikel dazu zu lesen, bleibt bestehen.
26. Oktober 2009
Brückenschläge
Alles neu und doch so alt! Ich muss erzählen, was das neue Layout dieses Blogs für mich bedeutet. Ich bin ihm nämlich schon einmal begegnet, vor rund fünfundzwanzig Jahren, auf Papier.
Damals bewarb ich mich bei Tageszeitungen für ein Volontariat und schon damals waren die Ausbildungstellen rar, wenn man nicht gerade beim Käsblatt landen wollte. Und ich empfand meine Chancen als Quereinsteigerin über ein nicht journalistisches Studium (fälschlicherweise) als sehr gering. Ich beschloss: Die Bewerbung muss ein gewisses Etwas haben, damit man sie nicht gleich in den Papierkorb wirft.
Beim Anblick der großformatigen Zeitung, die mein Wunscharbeitgeber herausbrachte, kam mir die zündende Idee: Was, wenn die Bewerbung größer war als jeder Papierkorb? Ich produziere eine Zeitung! Noch hatte ich keinen Computer. Selbst bei jener Zeitung arbeitete man mit Klebesatz, das konnte ich auch ... mit ein wenig Leim. Ich schnitt Papier in Originalgröße zurecht und meine Artikel, die ich als freie Mitarbeiterin veröffentlicht hatte, aus. Schob hin und her und entwarf Werbung für die schlimmsten Layout-Löcher. Werbung für mich natürlich, klar. Dann trieb ich den Ego-Auftritt auf die Spitze, schrieb im Stil des hoffentlich baldigen Arbeitgebers ein Interview mit mir selbst, das eigentlich meine Vita umsetzte. Normalen C.V. schreiben, wie langweilig!
Ich hatte bei einer Druckerei noch etwas gut. Die setzten mir das Interview und druckten es aus, alles noch in Handarbeit damals. Ich klebte meine Zeitung mit Papierleim zusammen, kaschierte die Schnittschatten und ließ im Copyshop dann die "Originale" drucken. "Dialog" hieß das Ding, das ich in Papprollen an die schönsten Chefredaktionen verschickte. Und dann war ich baff. Natürlich trudelten Absagen herein. Aber eine vergesse ich bis heute nicht.
Eine nicht unbekannte Zeitung aus dem Rhein-Main-Gebiet schrieb mir in unhöflich barschem Ton, jemanden wie mich könne man nicht einstellen. Ich würde es ja nicht einmal schaffen, ordentlich DIN-A-4-Bewerbungen zum Abheften in Leitzordnern zu schreiben. Ich bekam die Ausbildungsstelle bei meiner Wunschzeitung, deren Typografie ich nachgemacht hatte. Später sagte man mir, gerade wegen des selbstgemachten Blatts, ich hätte ja schon mehr gekonnt als erwartet. Die Leitzordner-Zeitung wurde in meiner Laufbahn zum running gag. Wenn sich heute welche aufregen, Zeitungsjournalismus käme der digitalen Entwicklung nicht hinterher, dann lache ich über Papierzeiten mit Klebesatz und über Chefredakteure, die Journalisten zum sauberen Abheften wünschten.
Als ich das erste hochkomplizierte Desktop-Publishing-Programm auf meinem ersten Computer hatte (die Zeitung arbeitete noch mit Schreibmaschinen ohne Strom), träumte ich wieder vom Zeitungmachen. Wir gründeten damals einen Literaturkreis auf dem platten Land, mit großem Erfolg (er brummt noch immer, habe ich mir sagen lassen). Und ich hatte nichts Besseres zu tun, als diesem eine eigene Zeitschrift zu basteln, mit Buchtipps und Rezensionen - ausgedruckt auf den ersten quietschigen Nadeldruckern (erinnert sich noch jemand an das Geräusch?). Immer noch musste alles gedruckt werden, kostete Papier, Kopierkosten, Extraarbeit. Wenn man sich doch nur einmal eine kleine Zeitung wirklich leisten könnte und so oft kopieren, wie man Lust hat, für viele viele Leser - so träumte ich damals.
Jetzt ist das zwar keine richtige Zeitung und wenn man einigen Zeitungsmachern glauben will, als Blog ja außerdem noch Vermüllung und niveaulos und was noch alles. Aber das Ding hat genau die Typografie und das Layout meiner ersten Bewerbung. Im Titel scheint sogar die Rückseite des Papiers durch. Inzwischen bin ich längst "gestandene" Journalistin und einiges andere noch dazu. Aber diesen Spaß hätte ich mir vor 25 Jahren nicht träumen lassen! Schon gar nicht, dass man den direkten Kontakt mit den Lesern pflegen kann - oder womöglich Applaus oder Buhrufe zu hören bekommt.
Und noch etwas ist anders geworden. Man kann in diese Texte keinen stinkenden Hering mehr einwickeln. Aber die sollen ja auch langsam rar werden, so wie die Leitzordner.
Ich wünsche viel Vergnügen weiterhin und freue mich auch über Hinweise, wo etwas nicht funktioniert!
Demnächst: Einzellabels wird es weiter unter jedem Beitrag geben, sie werden aber zu einer überschaulichen Zahl von "Ressorts" verknüpft, die dann im Menu erscheinen.
Und einige hilfreiche Dinge, die man seltener braucht, sind an den unteren Rand der Seite gewandert.
Damals bewarb ich mich bei Tageszeitungen für ein Volontariat und schon damals waren die Ausbildungstellen rar, wenn man nicht gerade beim Käsblatt landen wollte. Und ich empfand meine Chancen als Quereinsteigerin über ein nicht journalistisches Studium (fälschlicherweise) als sehr gering. Ich beschloss: Die Bewerbung muss ein gewisses Etwas haben, damit man sie nicht gleich in den Papierkorb wirft.
Beim Anblick der großformatigen Zeitung, die mein Wunscharbeitgeber herausbrachte, kam mir die zündende Idee: Was, wenn die Bewerbung größer war als jeder Papierkorb? Ich produziere eine Zeitung! Noch hatte ich keinen Computer. Selbst bei jener Zeitung arbeitete man mit Klebesatz, das konnte ich auch ... mit ein wenig Leim. Ich schnitt Papier in Originalgröße zurecht und meine Artikel, die ich als freie Mitarbeiterin veröffentlicht hatte, aus. Schob hin und her und entwarf Werbung für die schlimmsten Layout-Löcher. Werbung für mich natürlich, klar. Dann trieb ich den Ego-Auftritt auf die Spitze, schrieb im Stil des hoffentlich baldigen Arbeitgebers ein Interview mit mir selbst, das eigentlich meine Vita umsetzte. Normalen C.V. schreiben, wie langweilig!
Ich hatte bei einer Druckerei noch etwas gut. Die setzten mir das Interview und druckten es aus, alles noch in Handarbeit damals. Ich klebte meine Zeitung mit Papierleim zusammen, kaschierte die Schnittschatten und ließ im Copyshop dann die "Originale" drucken. "Dialog" hieß das Ding, das ich in Papprollen an die schönsten Chefredaktionen verschickte. Und dann war ich baff. Natürlich trudelten Absagen herein. Aber eine vergesse ich bis heute nicht.
Eine nicht unbekannte Zeitung aus dem Rhein-Main-Gebiet schrieb mir in unhöflich barschem Ton, jemanden wie mich könne man nicht einstellen. Ich würde es ja nicht einmal schaffen, ordentlich DIN-A-4-Bewerbungen zum Abheften in Leitzordnern zu schreiben. Ich bekam die Ausbildungsstelle bei meiner Wunschzeitung, deren Typografie ich nachgemacht hatte. Später sagte man mir, gerade wegen des selbstgemachten Blatts, ich hätte ja schon mehr gekonnt als erwartet. Die Leitzordner-Zeitung wurde in meiner Laufbahn zum running gag. Wenn sich heute welche aufregen, Zeitungsjournalismus käme der digitalen Entwicklung nicht hinterher, dann lache ich über Papierzeiten mit Klebesatz und über Chefredakteure, die Journalisten zum sauberen Abheften wünschten.
Als ich das erste hochkomplizierte Desktop-Publishing-Programm auf meinem ersten Computer hatte (die Zeitung arbeitete noch mit Schreibmaschinen ohne Strom), träumte ich wieder vom Zeitungmachen. Wir gründeten damals einen Literaturkreis auf dem platten Land, mit großem Erfolg (er brummt noch immer, habe ich mir sagen lassen). Und ich hatte nichts Besseres zu tun, als diesem eine eigene Zeitschrift zu basteln, mit Buchtipps und Rezensionen - ausgedruckt auf den ersten quietschigen Nadeldruckern (erinnert sich noch jemand an das Geräusch?). Immer noch musste alles gedruckt werden, kostete Papier, Kopierkosten, Extraarbeit. Wenn man sich doch nur einmal eine kleine Zeitung wirklich leisten könnte und so oft kopieren, wie man Lust hat, für viele viele Leser - so träumte ich damals.
Jetzt ist das zwar keine richtige Zeitung und wenn man einigen Zeitungsmachern glauben will, als Blog ja außerdem noch Vermüllung und niveaulos und was noch alles. Aber das Ding hat genau die Typografie und das Layout meiner ersten Bewerbung. Im Titel scheint sogar die Rückseite des Papiers durch. Inzwischen bin ich längst "gestandene" Journalistin und einiges andere noch dazu. Aber diesen Spaß hätte ich mir vor 25 Jahren nicht träumen lassen! Schon gar nicht, dass man den direkten Kontakt mit den Lesern pflegen kann - oder womöglich Applaus oder Buhrufe zu hören bekommt.
Und noch etwas ist anders geworden. Man kann in diese Texte keinen stinkenden Hering mehr einwickeln. Aber die sollen ja auch langsam rar werden, so wie die Leitzordner.
Ich wünsche viel Vergnügen weiterhin und freue mich auch über Hinweise, wo etwas nicht funktioniert!
Demnächst: Einzellabels wird es weiter unter jedem Beitrag geben, sie werden aber zu einer überschaulichen Zahl von "Ressorts" verknüpft, die dann im Menu erscheinen.
Und einige hilfreiche Dinge, die man seltener braucht, sind an den unteren Rand der Seite gewandert.
Bauarbeiten
Yeah. Blog funktioniert in neuem Gewand, jetzt kommen die Pfriemelarbeiten im Hintergrund, die das Menu und den Kleinkram hoffentlich ordentlich sortiert bekommen...
Ich würde ja lieber heimlich daran arbeiten, aber leider kann man hier live zusehen, wie sich die Bloggerin mit dem Script herumschlägt.
Ich würde ja lieber heimlich daran arbeiten, aber leider kann man hier live zusehen, wie sich die Bloggerin mit dem Script herumschlägt.
25. Oktober 2009
Ziemlich zugenommen
Wer beim Aufrufen meines Blogs glaubt, einen Knick in der Optik zu haben, den kann ich beruhigen: Nein, ich spiele derzeit am Layout. Es nervt mich nämlich, dass dieser schmale Textkanal so wirkt, als schriebe ich zehnseitige Beiträge. Soll ja manche Menschen abschrecken. Am liebsten wäre mir ein mittiger Text, optisch klar sichtbar zwischen einer Menuleiste links und rechts. Zeitschriftenlook sozusagen. Aber das ist irgendwie nicht vorgesehen. Und ich bin auch eigentlich viel zu doof für solche Vorlagen.
Liebe Leserinnen und Leser, ist das neue Layout lesefreundlicher mit der größeren Breite? Gibt es auf anderen Bildschirmen Probleme? Bei mir braucht z.B. das weiße "Papier" einen kleinen Sprung, um sich an die Textbreite anzupassen - und ich weiß nicht, wie man den abstellen könnte.
Oder sollte ich wieder umstellen auf die schmalere und dafür sehr viel längere Textspalte?
Anregungen, Beobachtungen etc. sehr willkommen!
Sowas könnte ich mir auch vorstellen, dann müsste ich aber mehr Bastelzeit haben... oder wie gefällt dieses Experiment?
update: Ich bin auf den Geschmack gekommen. Dieser Tage wird hier teuflisch umgebaut und etwaige Unfälle bitte ich zu entschuldigen. Es kann auch eine Weile dauern, bis alle Gimmicks im Menu wieder funktionieren, aber das Blog läuft weiter!
Liebe Leserinnen und Leser, ist das neue Layout lesefreundlicher mit der größeren Breite? Gibt es auf anderen Bildschirmen Probleme? Bei mir braucht z.B. das weiße "Papier" einen kleinen Sprung, um sich an die Textbreite anzupassen - und ich weiß nicht, wie man den abstellen könnte.
Oder sollte ich wieder umstellen auf die schmalere und dafür sehr viel längere Textspalte?
Anregungen, Beobachtungen etc. sehr willkommen!
Sowas könnte ich mir auch vorstellen, dann müsste ich aber mehr Bastelzeit haben... oder wie gefällt dieses Experiment?
update: Ich bin auf den Geschmack gekommen. Dieser Tage wird hier teuflisch umgebaut und etwaige Unfälle bitte ich zu entschuldigen. Es kann auch eine Weile dauern, bis alle Gimmicks im Menu wieder funktionieren, aber das Blog läuft weiter!
Rückgratjucken
Ich hatte das als Kind, vornehmlich bei den Hausaufgaben. Wenn mir das Lernen nicht gleich zufiel, weil es sinnvoll erschien und Freude bereitete, fing es in meiner Wirbelsäule an zu jucken. Ich rutschte gelangweilt auf meinem Stuhl herum und sehnte mich danach, mit den Sahnetorten werfen zu können, die ich brav für drei oder fünf oder zwei und zwei Freunde teilen sollte. Meine Freunde mochten keine Sahnetorten. Meine Wirbelsäule wollte sich in Richtung Garten bewegen.
Aber ich musste da durch und Medikamente gegen rotierende Langeweile und Lehrer gab es damals auch noch nicht. Also teilte ich die verdammten Torten, indem ich sie in Gedanken abenteuerliche Geschichten erleben ließ. Und zack, wieder ein Schlag mit dem Messer und jedes Kind bekommt drei Stück und dann wird einem davon schlecht. Wie viel muss Mama aufwischen, wenn fünf Kinder je zehn Stück Torte essen und zwei Brauselimonaden trinken und allen schlecht wird? Hätten sie mich gelassen, ich hätte aus dem Buch mit der Mengenlehre einen Krimi gemacht: "Der Schwarzwälder Kirschtorten-Killer."
So aber musste ich brav meine Hausaufgaben machen, mein Rückgrat verkrümmt halten, obwohl es juckte, und Jahre warten, bis ich endlich nur noch Geschichten schreiben durfte. Hemmungslos. Im Affenzack. Tag und Nacht und mit allen Hirnwindungen, die die kindlichen Sahneattacken überlebt hatten. Das war wie Leben unterm Sauerstoffzelt. Wie viele Wirbel baden in Endorphinen, wenn das Geschichtenerfinderzentrum glüht? Eine einfache Gleichung, die immer zum gleichen Ergebnis führt: alle.
Und dann kam dieser Tag, an dem ich wieder zum ordentlichen Brotberufler mutierte, weil Bücherschreiben kaum noch Sahnetorten wert ist. Wochen habe ich für die Umstellung von Höchstleistung auf Abarbeiten gebraucht. Mein Tag ist in Stundenblöcke aufgeteilt, in denen ich brav Hausaufgaben mache, um mir meine Sahne zu verdienen. Schriftstellern ist zum Garten geworden, in dem die Sonne lockt, während ich im Nebel in der Nase pople, um einen Sinn in den Gleichungen zu finden. Mein Rückgrat juckt wieder. Ich möchte aufspringen. Aber erst werden Hausaufgaben gemacht.
Da ist es wieder, das Geschichtenerfinden für die Teilungsaufgaben. Wie viele Kreativzellen überleben, wenn man fünf Aufzählungen übersetzt und von einem Text über Sauerstoffgewinnung abzieht? Wie viele Minuten braucht ein Schriftsteller, um durchzudrehen, wenn er feststellt, dass er beim Schriftstellern für extrem weniger Geld extrem härter arbeiten soll? Mit wie vielen Torten wirft man nach wem, wenn man aus Langeweile zu müde fürs Buch ist?
Ich gäbe etwas darum, wie als Kind "zack mit dem Messer" träumen zu können. Stattdessen fürchte ich mich. Wenn es zu sehr im Rückgrat juckte, habe ich manchmal etwas angestellt. Irgend so ein archaischer Energieausgleich, man kennt das Prinzip vom Dampfkochtopf. Ich erkenne bereits üble Vorzeichen. Schiebe besonders läppische Arbeiten künstlich auf, um endlich wieder im Affenzack und hochkonzentriert arbeiten zu können. Erfinde Geschichten beim Übersetzen und erzähle dem Autor von Brauselimonade. Denke daran, dass mich diese Hausaufgaben unendlich frei machen: Ich muss nicht mehr in die Schule.
Ich könnte mir massenhaft Sahnetorten kaufen. Ich könnte explodieren. Heutzutage gibt es sogar Medikamente gegen Kinder, die ihre Hausaufgaben nicht machen wollen. Ich könnte noch mehr rechnen. Und ich könnte wieder einmal ein Buch schreiben. Einfach so, diesmal aus Hobby, heimlich in der Nacht, ohne Verlagslesermarktschereimkopfichwillverkaufenwillgelesenwerden-Dingens.
Das macht mir Angst. Zack mit dem Messer, rücksichtslos, dass die Sahne nach allen Seiten spritzt. Ein Hausaufgabenkillerbuch. Durchgeknallte Tortenwerferromane. Hirnwindungen mit Interpunktion, bis die Endorphine fließen. Mein Rückgrat juckt.
Aber ich musste da durch und Medikamente gegen rotierende Langeweile und Lehrer gab es damals auch noch nicht. Also teilte ich die verdammten Torten, indem ich sie in Gedanken abenteuerliche Geschichten erleben ließ. Und zack, wieder ein Schlag mit dem Messer und jedes Kind bekommt drei Stück und dann wird einem davon schlecht. Wie viel muss Mama aufwischen, wenn fünf Kinder je zehn Stück Torte essen und zwei Brauselimonaden trinken und allen schlecht wird? Hätten sie mich gelassen, ich hätte aus dem Buch mit der Mengenlehre einen Krimi gemacht: "Der Schwarzwälder Kirschtorten-Killer."
So aber musste ich brav meine Hausaufgaben machen, mein Rückgrat verkrümmt halten, obwohl es juckte, und Jahre warten, bis ich endlich nur noch Geschichten schreiben durfte. Hemmungslos. Im Affenzack. Tag und Nacht und mit allen Hirnwindungen, die die kindlichen Sahneattacken überlebt hatten. Das war wie Leben unterm Sauerstoffzelt. Wie viele Wirbel baden in Endorphinen, wenn das Geschichtenerfinderzentrum glüht? Eine einfache Gleichung, die immer zum gleichen Ergebnis führt: alle.
Und dann kam dieser Tag, an dem ich wieder zum ordentlichen Brotberufler mutierte, weil Bücherschreiben kaum noch Sahnetorten wert ist. Wochen habe ich für die Umstellung von Höchstleistung auf Abarbeiten gebraucht. Mein Tag ist in Stundenblöcke aufgeteilt, in denen ich brav Hausaufgaben mache, um mir meine Sahne zu verdienen. Schriftstellern ist zum Garten geworden, in dem die Sonne lockt, während ich im Nebel in der Nase pople, um einen Sinn in den Gleichungen zu finden. Mein Rückgrat juckt wieder. Ich möchte aufspringen. Aber erst werden Hausaufgaben gemacht.
Da ist es wieder, das Geschichtenerfinden für die Teilungsaufgaben. Wie viele Kreativzellen überleben, wenn man fünf Aufzählungen übersetzt und von einem Text über Sauerstoffgewinnung abzieht? Wie viele Minuten braucht ein Schriftsteller, um durchzudrehen, wenn er feststellt, dass er beim Schriftstellern für extrem weniger Geld extrem härter arbeiten soll? Mit wie vielen Torten wirft man nach wem, wenn man aus Langeweile zu müde fürs Buch ist?
Ich gäbe etwas darum, wie als Kind "zack mit dem Messer" träumen zu können. Stattdessen fürchte ich mich. Wenn es zu sehr im Rückgrat juckte, habe ich manchmal etwas angestellt. Irgend so ein archaischer Energieausgleich, man kennt das Prinzip vom Dampfkochtopf. Ich erkenne bereits üble Vorzeichen. Schiebe besonders läppische Arbeiten künstlich auf, um endlich wieder im Affenzack und hochkonzentriert arbeiten zu können. Erfinde Geschichten beim Übersetzen und erzähle dem Autor von Brauselimonade. Denke daran, dass mich diese Hausaufgaben unendlich frei machen: Ich muss nicht mehr in die Schule.
Ich könnte mir massenhaft Sahnetorten kaufen. Ich könnte explodieren. Heutzutage gibt es sogar Medikamente gegen Kinder, die ihre Hausaufgaben nicht machen wollen. Ich könnte noch mehr rechnen. Und ich könnte wieder einmal ein Buch schreiben. Einfach so, diesmal aus Hobby, heimlich in der Nacht, ohne Verlagslesermarktschereimkopfichwillverkaufenwillgelesenwerden-Dingens.
Das macht mir Angst. Zack mit dem Messer, rücksichtslos, dass die Sahne nach allen Seiten spritzt. Ein Hausaufgabenkillerbuch. Durchgeknallte Tortenwerferromane. Hirnwindungen mit Interpunktion, bis die Endorphine fließen. Mein Rückgrat juckt.
23. Oktober 2009
Grüne Äpfel
Kennt noch jemand diesen Italiener, der diesen Roman geschrieben hatte, den unbedingt alle lesen mussten, weil das gesamte Feuilleton frohlockte, weil der weltbeste Erstling gefeiert wurde und vor allem, weil der Typ so erschreckend jung war? Das war ungefähr in der Zeit, in der auch alle - außer mir - "Am Anfang war die Unterhose" von Rossana Campo gelesen haben, ebenfalls als neue Literatur gefeiert. Heute mutet es im Antiquariat wie ein vergessener Frauenroman an. Jedenfalls kann ich mich an den Italiener nicht mehr erinnern, weil er zumindest in meinem Wahrnehmungsspektrum nichts mehr nachgelegt hat. Ich habe das Buch auch nur einmal lesen können, dann war die Luft raus. Fluch des Erstlingserfolgs in jungen Jahren?
Kürzlich habe ich mir ja Gedanken darüber gemacht, warum einem in meinem Alter keiner mehr Entwicklung zutraut und Frau Zappadong hat treffend ihre Erfahrungen mit dem Förderbetrieb in Hinsicht auf Altersgrenzen beschrieben. Aber jetzt habe ich wieder zwei hochgelobte Erstlinge von garantiert ganz jungen und frischen Autoren daliegen und frage mich: Ist es nicht gefährlich, wenn man als Junger alles von allen Seiten hereingestopft bekommt? Wo bleibt man da selbst zwischen all den selbsternannten Tutoren und Talentmachern, den Hallelujasängern unter den Kritikern und dieser Menschenmasse, die Bücher nur kauft, um mitreden zu können?
Dieser Italiener damals las sich erfrischend anders, spritzig, neu. Aber er klebte offensichtlich so fest an der eigenen Autobiografie, dass mehr als ein Buch in ihm nicht war. Ein absolut verzeihlicher Anfängerfehler, dieses autobiografische Schreiben. Man bedient sich am eigenen Leben, weil man den Schritt in die wahre Freiheit der Fiktion noch nicht wagt. Man hängt ein Buch an einem Thema auf, das einen selbst gerade beschäftigt. Ich habe wie viele andere Autoren diesen Fehler auch gemacht. War irgendwann geschieden und dachte: Hoppla, jetzt weiß ich alles über Scheidungen, jetzt schreibe ich über eine Trennung. Ehrlich - mir ist damals schlicht nichts Besseres eingefallen. Heute bin ich froh, dass diese "Jugend"stümperei nicht mehr zu haben ist.
Früher hat man so etwas für die Schublade geübt und kam dann erst mit den reiferen Werken heraus. Allenfalls berühmten Menschen zogen die Verlage zum Zeitpunkt des Alterswerks womöglich schon verschimmelte Jugendsünden aus der Tasche. Fans lesen schließlich begierig alles, wenn der Tod ihres Lieblingsautors naht und dessen Schreibkraft zu erlahmen droht. Heute jedoch wird wirklich alles gedruckt. Hauptsache jung. Hauptsache als irrer Erstschlag zu bejubeln. Hauptsache schräge Autobiografie, dann kann man den Typen gleich mitvermarkten. Und manchmal gelingt das. Manchmal kann einer wirklich sofort schreiben und legt immer bessere Bücher nach. Manchmal.
Auf meinem Nachttisch türmt es sich wieder: Brillante Debuts, fulminant sind sie sowieso alle, in irrwitzigem Tempo oder voll irrwitziger Komik geschrieben. Da gehen neue leuchtende und strahlende Sterne am Literatenhimmel auf, da ruft es kraftvoll in die Literaturszene und sämtliche großen Vorbilder hätten sich gern eine Scheibe abgeschnitten oder sind jetzt endlich zur Vollendung gereift - in ihm, in ihr, vorzugsweise Geburtsjahr in den Achtzigern oder später. Manche Verlage sind derart dreist, mit hysterischen Blurbs obskurer Zeitungen und Zeitschriften aus dem tiefen Middlewest oder den Notstandsgebieten Irlands zu winken, im Internet nicht zu finden, man druckt da eben noch auf Papier und so hat der Leser alles zu glauben. Was soll man auch machen, ein blutjunger Erstling kann rein theoretisch ja noch nicht besprochen worden sein.
Beim Lesen passiert mir immer wieder das Gleiche. Ja, die Bücher lesen sich oft erfrischend anders. Die Leute sind begabt. Manche haben sogar schon etwas zu sagen. Aber wie sie es schreiben, wirkt oft ungereift. Wirklich witzig und unterhaltsam, dieser neue amerikanische Literat, den mir ein edler Verlag so vollmundig ans Herz legen will, dass sogar Nabokov im Grab rotiert. Aber was ich lese, ist leicht manische Unterhaltung, die haarscharf an Klischees vorbeirammt und sich zuweilen etwas wirr im Handwerklichen verheddert. Speedschreibe.
Sprachlich kann ich nicht alles beurteilen, weil auch die Übersetzung stellenweise zu wünschen übrig lässt. Aber inhaltlich, handwerklich hätte diesem Buch ein gutes Lektorat zum wirklich bleibenden Roman verholfen. So werden die im Ansatz vorhandenen Gedanken in Klamauk und wilder Action in dramaturgisch manchmal nicht stringenter Logik erstickt.
Hier wurde ein Autor um Entwicklung und Verbesserung betrogen. Und eine Leserin um Neugierde auf weiteres. Werde ich in der schnelllebigen Zeit diesem begabten jungen Mann genug Zeit geben wollen? Oder lege ich ihn wie diesen Italiener damals gleich ad acta: Da kommt nichts nach, der wird nie die Literatur schaffen, die man ihm anlobt?
Die Jüngste im Bunde veröffentlicht Erzählungen. Schon ein Wunder an sich, wissen wir doch alle, wie Verlage reihenweise ablehnen, wenn man Kürzeres als einen Roman anbietet. Aber auch sie hat das Glück, in Lizenz übersetzt zu werden, und sie kommt aus einem Land, aus dem man eben auch Erzählungen aufkauft, weil das irgendwie zu diesem Land passt. Irre produktiv ist die junge Frau, im irre dollen Job wie in der Literatur, gehört hat man von ihr hierzulande noch nichts, aber wie immer werden wir uns den irren Shootingstar merken müssen.
Die Frau hat etwas. Die Frau kann etwas. Und im Unterschied zu obigem Amerikaner hat sie sogar etwas zu sagen. Aber nach der zweiten Erzählung habe ich das Schema durchschaut. Ich würde mir zutrauen, Texte dieser Frau "zu fälschen" und bin mir sicher, andere Kollegen könnten das auch. Vielleicht ist es ihre ungeheure Produktivität, die bereits zur Routine erstarrt ist. Vielleicht hat man sie zu früh hochgelobt und auf einen Literatenthron gehoben, von dem sie sich nicht mehr herunterwagt. Ihre Sprache (übersetzt) ist auf den ersten Blick berückend und auf den zweiten manieristisch. Sie wiederholt zwei drei Lieblingformen in jeder Geschichte. Und natürlich darf ein Erzählband um ein Thema kreisen, wenn es aber formal so wiederholbar wird, dass nur noch Personen und Orte ausgetauscht werden, was dann? Schablonenschönheit. Scherenschnittstimmung.
Ich möchte der Autorin zurufen: Brich auf! Hier ist jemand womöglich am eigenen, zu frühen Erfolg versteinert, hat literaturgepreiste Wendungen so verinnerlicht, dass es das Leben im Text erstickt. Was kommt danach? Hat die Frau überhaupt eine Chance, noch anderes auszutesten? Darf sie sich jemals noch von sich selbst befreien?
Solche Bücher sind wie grüne Äpfel - von zuviel davon bekomme ich Bauchweh. Ich wünschte, Verlage würden auch einmal wieder den Mut haben, Texte reifen zu lassen, womöglich mit den Autoren vorher ein wenig zu gärtnern. Schneller früher Erfolg und Literaturpreise für Erstlinge seien jedem von Herzen gegönnt. Aber nicht immer tut man dabei den Autoren wirklich einen Gefallen. So ein Absturz von ganz oben tut verdammt weh.
Kürzlich habe ich mir ja Gedanken darüber gemacht, warum einem in meinem Alter keiner mehr Entwicklung zutraut und Frau Zappadong hat treffend ihre Erfahrungen mit dem Förderbetrieb in Hinsicht auf Altersgrenzen beschrieben. Aber jetzt habe ich wieder zwei hochgelobte Erstlinge von garantiert ganz jungen und frischen Autoren daliegen und frage mich: Ist es nicht gefährlich, wenn man als Junger alles von allen Seiten hereingestopft bekommt? Wo bleibt man da selbst zwischen all den selbsternannten Tutoren und Talentmachern, den Hallelujasängern unter den Kritikern und dieser Menschenmasse, die Bücher nur kauft, um mitreden zu können?
Dieser Italiener damals las sich erfrischend anders, spritzig, neu. Aber er klebte offensichtlich so fest an der eigenen Autobiografie, dass mehr als ein Buch in ihm nicht war. Ein absolut verzeihlicher Anfängerfehler, dieses autobiografische Schreiben. Man bedient sich am eigenen Leben, weil man den Schritt in die wahre Freiheit der Fiktion noch nicht wagt. Man hängt ein Buch an einem Thema auf, das einen selbst gerade beschäftigt. Ich habe wie viele andere Autoren diesen Fehler auch gemacht. War irgendwann geschieden und dachte: Hoppla, jetzt weiß ich alles über Scheidungen, jetzt schreibe ich über eine Trennung. Ehrlich - mir ist damals schlicht nichts Besseres eingefallen. Heute bin ich froh, dass diese "Jugend"stümperei nicht mehr zu haben ist.
Früher hat man so etwas für die Schublade geübt und kam dann erst mit den reiferen Werken heraus. Allenfalls berühmten Menschen zogen die Verlage zum Zeitpunkt des Alterswerks womöglich schon verschimmelte Jugendsünden aus der Tasche. Fans lesen schließlich begierig alles, wenn der Tod ihres Lieblingsautors naht und dessen Schreibkraft zu erlahmen droht. Heute jedoch wird wirklich alles gedruckt. Hauptsache jung. Hauptsache als irrer Erstschlag zu bejubeln. Hauptsache schräge Autobiografie, dann kann man den Typen gleich mitvermarkten. Und manchmal gelingt das. Manchmal kann einer wirklich sofort schreiben und legt immer bessere Bücher nach. Manchmal.
Auf meinem Nachttisch türmt es sich wieder: Brillante Debuts, fulminant sind sie sowieso alle, in irrwitzigem Tempo oder voll irrwitziger Komik geschrieben. Da gehen neue leuchtende und strahlende Sterne am Literatenhimmel auf, da ruft es kraftvoll in die Literaturszene und sämtliche großen Vorbilder hätten sich gern eine Scheibe abgeschnitten oder sind jetzt endlich zur Vollendung gereift - in ihm, in ihr, vorzugsweise Geburtsjahr in den Achtzigern oder später. Manche Verlage sind derart dreist, mit hysterischen Blurbs obskurer Zeitungen und Zeitschriften aus dem tiefen Middlewest oder den Notstandsgebieten Irlands zu winken, im Internet nicht zu finden, man druckt da eben noch auf Papier und so hat der Leser alles zu glauben. Was soll man auch machen, ein blutjunger Erstling kann rein theoretisch ja noch nicht besprochen worden sein.
Beim Lesen passiert mir immer wieder das Gleiche. Ja, die Bücher lesen sich oft erfrischend anders. Die Leute sind begabt. Manche haben sogar schon etwas zu sagen. Aber wie sie es schreiben, wirkt oft ungereift. Wirklich witzig und unterhaltsam, dieser neue amerikanische Literat, den mir ein edler Verlag so vollmundig ans Herz legen will, dass sogar Nabokov im Grab rotiert. Aber was ich lese, ist leicht manische Unterhaltung, die haarscharf an Klischees vorbeirammt und sich zuweilen etwas wirr im Handwerklichen verheddert. Speedschreibe.
Sprachlich kann ich nicht alles beurteilen, weil auch die Übersetzung stellenweise zu wünschen übrig lässt. Aber inhaltlich, handwerklich hätte diesem Buch ein gutes Lektorat zum wirklich bleibenden Roman verholfen. So werden die im Ansatz vorhandenen Gedanken in Klamauk und wilder Action in dramaturgisch manchmal nicht stringenter Logik erstickt.
Hier wurde ein Autor um Entwicklung und Verbesserung betrogen. Und eine Leserin um Neugierde auf weiteres. Werde ich in der schnelllebigen Zeit diesem begabten jungen Mann genug Zeit geben wollen? Oder lege ich ihn wie diesen Italiener damals gleich ad acta: Da kommt nichts nach, der wird nie die Literatur schaffen, die man ihm anlobt?
Die Jüngste im Bunde veröffentlicht Erzählungen. Schon ein Wunder an sich, wissen wir doch alle, wie Verlage reihenweise ablehnen, wenn man Kürzeres als einen Roman anbietet. Aber auch sie hat das Glück, in Lizenz übersetzt zu werden, und sie kommt aus einem Land, aus dem man eben auch Erzählungen aufkauft, weil das irgendwie zu diesem Land passt. Irre produktiv ist die junge Frau, im irre dollen Job wie in der Literatur, gehört hat man von ihr hierzulande noch nichts, aber wie immer werden wir uns den irren Shootingstar merken müssen.
Die Frau hat etwas. Die Frau kann etwas. Und im Unterschied zu obigem Amerikaner hat sie sogar etwas zu sagen. Aber nach der zweiten Erzählung habe ich das Schema durchschaut. Ich würde mir zutrauen, Texte dieser Frau "zu fälschen" und bin mir sicher, andere Kollegen könnten das auch. Vielleicht ist es ihre ungeheure Produktivität, die bereits zur Routine erstarrt ist. Vielleicht hat man sie zu früh hochgelobt und auf einen Literatenthron gehoben, von dem sie sich nicht mehr herunterwagt. Ihre Sprache (übersetzt) ist auf den ersten Blick berückend und auf den zweiten manieristisch. Sie wiederholt zwei drei Lieblingformen in jeder Geschichte. Und natürlich darf ein Erzählband um ein Thema kreisen, wenn es aber formal so wiederholbar wird, dass nur noch Personen und Orte ausgetauscht werden, was dann? Schablonenschönheit. Scherenschnittstimmung.
Ich möchte der Autorin zurufen: Brich auf! Hier ist jemand womöglich am eigenen, zu frühen Erfolg versteinert, hat literaturgepreiste Wendungen so verinnerlicht, dass es das Leben im Text erstickt. Was kommt danach? Hat die Frau überhaupt eine Chance, noch anderes auszutesten? Darf sie sich jemals noch von sich selbst befreien?
Solche Bücher sind wie grüne Äpfel - von zuviel davon bekomme ich Bauchweh. Ich wünschte, Verlage würden auch einmal wieder den Mut haben, Texte reifen zu lassen, womöglich mit den Autoren vorher ein wenig zu gärtnern. Schneller früher Erfolg und Literaturpreise für Erstlinge seien jedem von Herzen gegönnt. Aber nicht immer tut man dabei den Autoren wirklich einen Gefallen. So ein Absturz von ganz oben tut verdammt weh.
22. Oktober 2009
Untergrundarbeit
Wenn jemals die Kultur des Abendlandes untergehen sollte, ist das gestern abend in einem nordelsässischen Städtchen passiert. Der Tag war ideal: Schulfreier Mittwoch, traditionell Ausgehtag, Theaterfestival - diesmal die Aufführung im feinen, vor noch nicht allzu langer Zeit erbauten "Kultur- und Theaterzentrum", das beworben wird, als sei es der Nabel der Welt. Menschen aus der Region zeigen in einer szenischen Lesung mit Multimedia-Einspielungen "Frontières - Grenzen". Sie stehen zum 14. Mal auf der Bühne, hatten sogar schon in Strasbourg einen vollen Saal. Der Eintritt ist frei, soll keiner sagen können, er hätte sich das Theater nicht leisten können.
Ich schaue mich um und weiß, wie schrecklich es ist, vor so einem Haus zu spielen. Steil ansteigende rote Plüschsessel wie im Kino, viel zu viele, viel zu viele leer. Nur mit Mühe gelingt es mir, Menschen zu entdecken, die nicht irgendwie mit der Truppe, dem Haus oder dem Stück in irgendeiner Weise verbandelt sind oder Freunde von Freunden. Die beiden Teenager sitzen im Publikum, die Musik ihrer Band für das Video beigesteuert haben. Allein. Und nach der Aufführung habe ich in dieser Leere das Gefühl, ich hätte meinen eigenen Applaus heraushören können.
Nun kann man natürlich trösten und sagen, der Tag sei wohl ungünstig gewählt gewesen, die Uhrzeit womöglich falsch, die Ankündigungen in der Zeitung zu winzig, die Nacht zu warm und sehr wahrscheinlich lief wieder Fußball im Fernsehen. Der Kulturkiller Nr. 1 (nie wieder Lesungen während einer Weltmeisterschaft). Aber das habe ich von eigenen Auftritten gelernt: Der Zeitpunkt ist nie günstig. Entweder kommen viele Leute oder es kommen keine, man kann das nicht mehr berechnen, nicht einmal mehr die großen Theater können das.
Tant pis, könnte ich sagen, was soll's. Doch leider ist das kein Einzelfall im Nordelsass. "Witzle g'macht" und Mundart füllen die Hallen und wenn man sich dabei auch noch den fettigen Schweinsbraten dazustopfen kann, ist es brechend voll. Kunst und Kultur, "echtes" Theater gar, womöglich mit "echten" Schauspielern, "Ziginer", die aus der Großstadt kommen - dagegen hegt man Ressentiments und zwar nicht wenige. Die gehören nicht her, wer weiß, mit welchen Denkviren und Revolutionbakterien sie das beschauliche, geregelte Leben aufmischen könnten!
Bei Auftritten in Deutschland werde ich oft von Leserinnen und Lesern gefragt, ob mein Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" (Hörbuch) nach mehreren Jahren eigentlich noch aktuell sei. Ja, kann ich beruhigen, da ich keinerlei kurzlebige Trends wie angesagte Restaurants oder Hotels nenne. Ja, es hat sich seither nichts verändert. Dieses Buch wird auch in zehn Jahren noch keinerlei Überarbeitung benötigen, allenfalls wird es für Einheimische zum Geschichtsbuch werden, weil sie die eigenen Rezepte nicht mehr kochen können und die Traditionen von den Touristen oder im Ecomusée rückerlernen. Oder aus solchen Büchern.
Aber ist das Elsass wirklich so paradiesisch und reich, wie Sie das stellenweise beschreiben, fragt manchmal jemand mutig. Oft widersprechen ihm fleißige Elsassurlauber sofort. Nirgendwo sonst würde man so herzlich aufgenommen, könne in so hoher Lebensqualität genießen. Ich werde in solchen Momenten still. Und muss dann zugeben, dass es ein Elsass gibt, das der Tourist kaum wahrnehmen kann, weil die Imageberater und Werbeblätter fürs Land ganze Arbeit leisten. Manchmal nämlich ist es ein wenig wie sein eigenes Disneyland geworden. Eine niedliche Geranienwelt nach außen, hinter deren Fachwerkfassaden sich Nachbarn immer noch erbittert des Nachts die Grenzsteine versetzen und der Religionskrieg tobt.
Die dunkle Seite des Elsass, die vor allem Künstler und Kulturschaffende zu spüren bekommen, die nicht das Glück haben, in der Metropole agieren zu können - die wollte kein Tourist präsentiert bekommen, die würde kein Verlag der Welt kaufen. Es sei denn, man schriebe so etwas mit Humor. So schlimm könne es ja schließlich nicht sein. Nein, ganz so schlimm ist es nicht, sofern es einem gelingt, die anderen Verrückten irgendwie kennenzulernen. Die Menschen auf und hinter den Bühnen, die Menschen mit Bildern, Skulpturen, mit Musik oder Büchern. Dann fallen Worte wie "intellektuell ausgehungert", dann kommen die ganzen Horrorgeschichten hoch. Etwa von der Künstlerin, deren Ausstellung von einem ganzen Ort geschnitten wurde, nur weil sie sich erdreistete, mit einem Kollegen aus Paris zusammenzuarbeiten. Diesem Sündenpfuhl verabscheuungswürdiger Intellektueller. Ziginer.
Und dann muss ich erzählen, warum ich nie eine Lesung meines Buchs auf elsässischer Seite hatte, warum man es immer noch auf der pfälzischen Seite kaufen geht, obwohl der Verlag es dem elsässischen Buchhändler wirklich leicht gemacht hat. Ich erzähle dann von einem Lizenzgespräch, bei dem der Verlag links vom Rhein zum Verlag rechts vom Rhein gesagt haben soll: "Wir lassen uns doch das Elsass nicht von einer Deutschen erklären." Nie nenne ich Namen, aber zielsicher und genau wissen meine elsässischen Bekannten sofort, wer das gewesen ist. Und trösten mich, dass solches, wie ich es schreibe, wohl eher etwas für Paris sei.
Immer wieder verliere ich Bekannte, die diese Kulturfeindlichkeit nicht mehr aushalten, an die großen Städte. Auch die Lesetruppe auf der Bühne ist durch Umzüge geschrumpft. In solchen Momenten träume ich von der Emigration aus der Emigration. Von quirligen, kulturell und künstlerisch umtriebigen Großstädten, in denen ich es doch nicht aushalten würde. Es muss doch irgendwo auf der Welt noch ein Land geben, in dem Künstler nicht wie Feinde angesehen werden? Es muss doch noch irgendwo auf der Welt noch Menschen geben, die Kultur wertschätzen können?
Auf der Heimfahrt sehe ich, wo all die Menschen abgeblieben waren. Hinter Gardinen und Fensterläden flimmern die Flachbildschirme. Das Abendland verröchelt auf dem Sofa. Und ich fahre in die Idylle aus Wäldern mit knackenden Esskastanien, zu den Wiesen, die im Frühjahr voller Orchideen stehen. Wo man zu leben weiß, immer einen guten Wein hat und für die Touristen alte Bräuche mimt, deren Inhalt man selbst längst nicht mehr kennt. Noch einmal verschiebe ich die Flucht und denke an noch stärkeres Vernetzen unter den Verrückten, den Ausgestoßenen. Zum Beispiel in diesem Theaterverein, der sich zum Ziel gesetzt hat, Theater aufs Land zu bringen und Landbewohner auch einmal in die Stadt.
Eigentlich lebt man hier als Kulturschaffender ideale Voraussetzungen. Man ist sich jeden Tag bewusst, wie die Welt ohne Kunst aussehen würde. Man kann sich lebhaft vorstellen, was daraus wird, wenn Menschen nur noch dafür malochen, ein schmuckes Haus, Kinder, ein großes Auto, einen winzigen Baum und einen gefegten Rinnstein in die Welt setzen zu können. Von Materialismus war in dem Stück die Rede. Von engsten Grenzen ums eigene Ich innerhalb der eigenen vier Wände. Fernsehen als Guckloch zur Welt.
Wir machen weiter. Weil wir wissen, dass irgendwo da draußen Menschen sind, die genauso wie wir dürsten. Menschen, die nach dem Reichtum streben, den ihnen Theater und Ausstellungen geben können, Konzerte, Lesungen und Kulturveranstaltungen. Und wenn wir nur drei Leute begeistern können, ist das in solch einem Landstrich wertvoller als zehn dauergelangweilte Zufallsgäste in Paris oder Berlin. Oder mache ich mir da etwas vor?
Schleichwerbung:
Der Verein Sur les sentiers du théâtre bietet auch genug Theater-Programm für Deutschsprachige, die des Französischen nicht so mächtig sind - einfach mal reinschnuppern! Und die szenische Lesung, von der ich hier erzähle, kommt im nächsten Jahr wieder nach Deutschland. In diesem Jahr gibt es das dreisprachige "Frontières - Grenzen" noch einmal am 7. Nov. im der Mehrzweckhalle von Schaffhouse, 20 Uhr, und am 6. Dezember um 18 Uhr in der Salle Communale von Hoffen.
Ich schaue mich um und weiß, wie schrecklich es ist, vor so einem Haus zu spielen. Steil ansteigende rote Plüschsessel wie im Kino, viel zu viele, viel zu viele leer. Nur mit Mühe gelingt es mir, Menschen zu entdecken, die nicht irgendwie mit der Truppe, dem Haus oder dem Stück in irgendeiner Weise verbandelt sind oder Freunde von Freunden. Die beiden Teenager sitzen im Publikum, die Musik ihrer Band für das Video beigesteuert haben. Allein. Und nach der Aufführung habe ich in dieser Leere das Gefühl, ich hätte meinen eigenen Applaus heraushören können.
Nun kann man natürlich trösten und sagen, der Tag sei wohl ungünstig gewählt gewesen, die Uhrzeit womöglich falsch, die Ankündigungen in der Zeitung zu winzig, die Nacht zu warm und sehr wahrscheinlich lief wieder Fußball im Fernsehen. Der Kulturkiller Nr. 1 (nie wieder Lesungen während einer Weltmeisterschaft). Aber das habe ich von eigenen Auftritten gelernt: Der Zeitpunkt ist nie günstig. Entweder kommen viele Leute oder es kommen keine, man kann das nicht mehr berechnen, nicht einmal mehr die großen Theater können das.
Tant pis, könnte ich sagen, was soll's. Doch leider ist das kein Einzelfall im Nordelsass. "Witzle g'macht" und Mundart füllen die Hallen und wenn man sich dabei auch noch den fettigen Schweinsbraten dazustopfen kann, ist es brechend voll. Kunst und Kultur, "echtes" Theater gar, womöglich mit "echten" Schauspielern, "Ziginer", die aus der Großstadt kommen - dagegen hegt man Ressentiments und zwar nicht wenige. Die gehören nicht her, wer weiß, mit welchen Denkviren und Revolutionbakterien sie das beschauliche, geregelte Leben aufmischen könnten!
Bei Auftritten in Deutschland werde ich oft von Leserinnen und Lesern gefragt, ob mein Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" (Hörbuch) nach mehreren Jahren eigentlich noch aktuell sei. Ja, kann ich beruhigen, da ich keinerlei kurzlebige Trends wie angesagte Restaurants oder Hotels nenne. Ja, es hat sich seither nichts verändert. Dieses Buch wird auch in zehn Jahren noch keinerlei Überarbeitung benötigen, allenfalls wird es für Einheimische zum Geschichtsbuch werden, weil sie die eigenen Rezepte nicht mehr kochen können und die Traditionen von den Touristen oder im Ecomusée rückerlernen. Oder aus solchen Büchern.
Aber ist das Elsass wirklich so paradiesisch und reich, wie Sie das stellenweise beschreiben, fragt manchmal jemand mutig. Oft widersprechen ihm fleißige Elsassurlauber sofort. Nirgendwo sonst würde man so herzlich aufgenommen, könne in so hoher Lebensqualität genießen. Ich werde in solchen Momenten still. Und muss dann zugeben, dass es ein Elsass gibt, das der Tourist kaum wahrnehmen kann, weil die Imageberater und Werbeblätter fürs Land ganze Arbeit leisten. Manchmal nämlich ist es ein wenig wie sein eigenes Disneyland geworden. Eine niedliche Geranienwelt nach außen, hinter deren Fachwerkfassaden sich Nachbarn immer noch erbittert des Nachts die Grenzsteine versetzen und der Religionskrieg tobt.
Die dunkle Seite des Elsass, die vor allem Künstler und Kulturschaffende zu spüren bekommen, die nicht das Glück haben, in der Metropole agieren zu können - die wollte kein Tourist präsentiert bekommen, die würde kein Verlag der Welt kaufen. Es sei denn, man schriebe so etwas mit Humor. So schlimm könne es ja schließlich nicht sein. Nein, ganz so schlimm ist es nicht, sofern es einem gelingt, die anderen Verrückten irgendwie kennenzulernen. Die Menschen auf und hinter den Bühnen, die Menschen mit Bildern, Skulpturen, mit Musik oder Büchern. Dann fallen Worte wie "intellektuell ausgehungert", dann kommen die ganzen Horrorgeschichten hoch. Etwa von der Künstlerin, deren Ausstellung von einem ganzen Ort geschnitten wurde, nur weil sie sich erdreistete, mit einem Kollegen aus Paris zusammenzuarbeiten. Diesem Sündenpfuhl verabscheuungswürdiger Intellektueller. Ziginer.
Und dann muss ich erzählen, warum ich nie eine Lesung meines Buchs auf elsässischer Seite hatte, warum man es immer noch auf der pfälzischen Seite kaufen geht, obwohl der Verlag es dem elsässischen Buchhändler wirklich leicht gemacht hat. Ich erzähle dann von einem Lizenzgespräch, bei dem der Verlag links vom Rhein zum Verlag rechts vom Rhein gesagt haben soll: "Wir lassen uns doch das Elsass nicht von einer Deutschen erklären." Nie nenne ich Namen, aber zielsicher und genau wissen meine elsässischen Bekannten sofort, wer das gewesen ist. Und trösten mich, dass solches, wie ich es schreibe, wohl eher etwas für Paris sei.
Immer wieder verliere ich Bekannte, die diese Kulturfeindlichkeit nicht mehr aushalten, an die großen Städte. Auch die Lesetruppe auf der Bühne ist durch Umzüge geschrumpft. In solchen Momenten träume ich von der Emigration aus der Emigration. Von quirligen, kulturell und künstlerisch umtriebigen Großstädten, in denen ich es doch nicht aushalten würde. Es muss doch irgendwo auf der Welt noch ein Land geben, in dem Künstler nicht wie Feinde angesehen werden? Es muss doch noch irgendwo auf der Welt noch Menschen geben, die Kultur wertschätzen können?
Auf der Heimfahrt sehe ich, wo all die Menschen abgeblieben waren. Hinter Gardinen und Fensterläden flimmern die Flachbildschirme. Das Abendland verröchelt auf dem Sofa. Und ich fahre in die Idylle aus Wäldern mit knackenden Esskastanien, zu den Wiesen, die im Frühjahr voller Orchideen stehen. Wo man zu leben weiß, immer einen guten Wein hat und für die Touristen alte Bräuche mimt, deren Inhalt man selbst längst nicht mehr kennt. Noch einmal verschiebe ich die Flucht und denke an noch stärkeres Vernetzen unter den Verrückten, den Ausgestoßenen. Zum Beispiel in diesem Theaterverein, der sich zum Ziel gesetzt hat, Theater aufs Land zu bringen und Landbewohner auch einmal in die Stadt.
Eigentlich lebt man hier als Kulturschaffender ideale Voraussetzungen. Man ist sich jeden Tag bewusst, wie die Welt ohne Kunst aussehen würde. Man kann sich lebhaft vorstellen, was daraus wird, wenn Menschen nur noch dafür malochen, ein schmuckes Haus, Kinder, ein großes Auto, einen winzigen Baum und einen gefegten Rinnstein in die Welt setzen zu können. Von Materialismus war in dem Stück die Rede. Von engsten Grenzen ums eigene Ich innerhalb der eigenen vier Wände. Fernsehen als Guckloch zur Welt.
Wir machen weiter. Weil wir wissen, dass irgendwo da draußen Menschen sind, die genauso wie wir dürsten. Menschen, die nach dem Reichtum streben, den ihnen Theater und Ausstellungen geben können, Konzerte, Lesungen und Kulturveranstaltungen. Und wenn wir nur drei Leute begeistern können, ist das in solch einem Landstrich wertvoller als zehn dauergelangweilte Zufallsgäste in Paris oder Berlin. Oder mache ich mir da etwas vor?
Schleichwerbung:
Der Verein Sur les sentiers du théâtre bietet auch genug Theater-Programm für Deutschsprachige, die des Französischen nicht so mächtig sind - einfach mal reinschnuppern! Und die szenische Lesung, von der ich hier erzähle, kommt im nächsten Jahr wieder nach Deutschland. In diesem Jahr gibt es das dreisprachige "Frontières - Grenzen" noch einmal am 7. Nov. im der Mehrzweckhalle von Schaffhouse, 20 Uhr, und am 6. Dezember um 18 Uhr in der Salle Communale von Hoffen.
21. Oktober 2009
Blogperlen finden
Was ist noch lesenswert?
Kassandrarufe beschreien bereits das Ende des Internet. Angeblich sei berechenbar, wann die Datenmengen so groß seien, dass nichts mehr geht: Dauerstau auf der Datenautobahn. Nun sind diese Datenmengen ja bereits für den durchschnittlichen Surfer viel zu groß. Nur eine Minderheit kann Suchmaschinen wirklich so bedienen, dass sie für echte Recherche taugen. Und wie filtert man dann das Relevante aus all dem ausgespuckten Müll? Was ist noch lesenswert, was überlesenwichtig?
Selbst ich habe meine Lektüreprobleme mit der Menge und ich bin schon hauptberuflich ein Lesejunkie. Inzwischen habe ich die wichtigsten Zeitungen per Twitter abonniert, um im Affenzack zu entscheiden, welche Artikel mich wirklich noch interessieren könnten. Und ich lese gern Blogs, weil sie in der Regel mehr Tiefe bieten als all das Kurzphrasengewäsch, weil sie persönlicher sind und eine eigene Sicht auf die Welt bieten. Doch selbst da bekomme ich das Heulen, wenn mal wieder drei von meinen Lieblingsblogs nicht darauf achten, dass man sie regelmäßig bestücken sollte; wenn zwei andere in selbstreferentielle Egotherapie abtauchen und plötzlich nichts zu Lesen bleibt. Wie finde ich dann neue Perlen?
Wie findet man interessante Blogs?
Möglichkeiten gibt es viele. Das Internet lebt von Links. Aber zu lange Linklisten erscheinen beliebig und Links zu Blogs, die kaum bestückt werden, entmutigen. Man kann in der Suchmaschine nach Themen in Blogs suchen - und ertrinkt in der Fülle. Ich persönlich entdecke Blogautoren oft über Kommentare - wenn mir jemand irgendwie auffällt oder imponiert, suche ich nach seinem Blog und bleibe im Idealfall hängen. Was aber, wenn kaum noch jemand kommentiert und jeder nur noch konsumiert? Oft finde ich Lektüre durch Empfehlung von Gleichgesinnten. Das ist wie mit den Büchern. Und da versuchen Händler und Communities ja auch, Menschen mit gleichen Interessen zu verbinden. Aber weil das Datenbankverknüpfungen sind, die ausspucken "wer X gelesen hat, liest auch Y" oder "D popelt wie du in grünen Nasen, ihr könntet Freunde werden", ist der Erfolg ungefähr so dürftig wie der für einen Heiratsantrag beim Speed-Dating.
Blogbibliothek: Ein Hort der Blogperlen
Deshalb möchte ich wärmstens die Blogbibliothek empfehlen (im Menu dauerhaft verlinkt). Das Projekt von Kurt Steuble alias Thinkabout (Twitter: @thinkabout) und Roman Hanhart alias Yoda (ubuntu-blog) sowie Caro Nadler fürs Layout ist aus reiner Liebhaberei fürs Lesen und Schreiben entstanden, nicht kommerziell und daher auch völlig unabhängig. Hier kann man sich durch Blogperlen schmökern, die von anderen empfohlen wurden - oder selbst Texte und Autoren empfehlen, die Niveau und Inhalt gleichermaßen bieten - und anderen etwas zu sagen haben.
Wie das funktioniert? Man stelle sich eine Bibliothek vor, die nur mit ausgewählten Blogtexten gefüllt ist. Vier Abteilungen gibt es: Meinung, Erzählung, Reflexion, Humor - und eine Übersicht über die neuesten Zugänge. Alle Autoren haben ihr Einverständnis zum einmaligen "Abdruck" gegeben, da wird ganz genau auf Rechte geachtet. Was mir besonders gefällt: Die Macher lesen wirklich hin. Nehmen nicht alles und wählen ganz subjektiv aus, sagen auch mal Nein. Nur so wird eine solche Empfehlungsbibliothek nicht beliebig. Da steckt Mensch dahinter, nicht Maschine. Und damit immer neuer Stoff von außen nachkommt, gibt es die Möglichkeit, Scout zu werden, Texte zu empfehlen. So erhält die Blogbibliothek ein breites Spektrum von Lesestoff.
Auch "echte" Schriftsteller
Ja, ich gebe zu, einer meiner Beiträge wurde auch schon empfohlen. Ich aber empfehle die Blogbibliothek nicht deshalb, sondern weil ich mich selbst regelmäßig dort festlese. Ich muss nicht mehr blogtextlos ins Bett gehen. Mir gefällt die Mischung zwischen Schreibprofis und Schreiblaien, die beide etwas zu sagen haben. Vom Minister bis zum Arbeitslosen, vom Jugendlichen bis zum Rentner sollen alle möglichen Blogger vereint sein. Für Büchermenschen gibt es einige Schriftsteller zu entdecken, deren Blogs ich ohne die Blogbibliothek nie gefunden hätte. Das reicht von A wie Alice Gabathuler oder Astrid Paprotta über den Herrn Paulsen alias Stevan Paul oder Peter Stamm bis zu Z wie Zoe Beck.
Lesen lohnt sich. Und vielleicht geht's dann einigen wie mir - sie bekommen Lust aufs Mitmachen, sprich Perlensuchen. Und vielleicht spornt das ja wiederum die Blogger an, echte Perlen zu produzieren?
Kassandrarufe beschreien bereits das Ende des Internet. Angeblich sei berechenbar, wann die Datenmengen so groß seien, dass nichts mehr geht: Dauerstau auf der Datenautobahn. Nun sind diese Datenmengen ja bereits für den durchschnittlichen Surfer viel zu groß. Nur eine Minderheit kann Suchmaschinen wirklich so bedienen, dass sie für echte Recherche taugen. Und wie filtert man dann das Relevante aus all dem ausgespuckten Müll? Was ist noch lesenswert, was überlesenwichtig?
Selbst ich habe meine Lektüreprobleme mit der Menge und ich bin schon hauptberuflich ein Lesejunkie. Inzwischen habe ich die wichtigsten Zeitungen per Twitter abonniert, um im Affenzack zu entscheiden, welche Artikel mich wirklich noch interessieren könnten. Und ich lese gern Blogs, weil sie in der Regel mehr Tiefe bieten als all das Kurzphrasengewäsch, weil sie persönlicher sind und eine eigene Sicht auf die Welt bieten. Doch selbst da bekomme ich das Heulen, wenn mal wieder drei von meinen Lieblingsblogs nicht darauf achten, dass man sie regelmäßig bestücken sollte; wenn zwei andere in selbstreferentielle Egotherapie abtauchen und plötzlich nichts zu Lesen bleibt. Wie finde ich dann neue Perlen?
Wie findet man interessante Blogs?
Möglichkeiten gibt es viele. Das Internet lebt von Links. Aber zu lange Linklisten erscheinen beliebig und Links zu Blogs, die kaum bestückt werden, entmutigen. Man kann in der Suchmaschine nach Themen in Blogs suchen - und ertrinkt in der Fülle. Ich persönlich entdecke Blogautoren oft über Kommentare - wenn mir jemand irgendwie auffällt oder imponiert, suche ich nach seinem Blog und bleibe im Idealfall hängen. Was aber, wenn kaum noch jemand kommentiert und jeder nur noch konsumiert? Oft finde ich Lektüre durch Empfehlung von Gleichgesinnten. Das ist wie mit den Büchern. Und da versuchen Händler und Communities ja auch, Menschen mit gleichen Interessen zu verbinden. Aber weil das Datenbankverknüpfungen sind, die ausspucken "wer X gelesen hat, liest auch Y" oder "D popelt wie du in grünen Nasen, ihr könntet Freunde werden", ist der Erfolg ungefähr so dürftig wie der für einen Heiratsantrag beim Speed-Dating.
Blogbibliothek: Ein Hort der Blogperlen
Deshalb möchte ich wärmstens die Blogbibliothek empfehlen (im Menu dauerhaft verlinkt). Das Projekt von Kurt Steuble alias Thinkabout (Twitter: @thinkabout) und Roman Hanhart alias Yoda (ubuntu-blog) sowie Caro Nadler fürs Layout ist aus reiner Liebhaberei fürs Lesen und Schreiben entstanden, nicht kommerziell und daher auch völlig unabhängig. Hier kann man sich durch Blogperlen schmökern, die von anderen empfohlen wurden - oder selbst Texte und Autoren empfehlen, die Niveau und Inhalt gleichermaßen bieten - und anderen etwas zu sagen haben.
Wie das funktioniert? Man stelle sich eine Bibliothek vor, die nur mit ausgewählten Blogtexten gefüllt ist. Vier Abteilungen gibt es: Meinung, Erzählung, Reflexion, Humor - und eine Übersicht über die neuesten Zugänge. Alle Autoren haben ihr Einverständnis zum einmaligen "Abdruck" gegeben, da wird ganz genau auf Rechte geachtet. Was mir besonders gefällt: Die Macher lesen wirklich hin. Nehmen nicht alles und wählen ganz subjektiv aus, sagen auch mal Nein. Nur so wird eine solche Empfehlungsbibliothek nicht beliebig. Da steckt Mensch dahinter, nicht Maschine. Und damit immer neuer Stoff von außen nachkommt, gibt es die Möglichkeit, Scout zu werden, Texte zu empfehlen. So erhält die Blogbibliothek ein breites Spektrum von Lesestoff.
Auch "echte" Schriftsteller
Ja, ich gebe zu, einer meiner Beiträge wurde auch schon empfohlen. Ich aber empfehle die Blogbibliothek nicht deshalb, sondern weil ich mich selbst regelmäßig dort festlese. Ich muss nicht mehr blogtextlos ins Bett gehen. Mir gefällt die Mischung zwischen Schreibprofis und Schreiblaien, die beide etwas zu sagen haben. Vom Minister bis zum Arbeitslosen, vom Jugendlichen bis zum Rentner sollen alle möglichen Blogger vereint sein. Für Büchermenschen gibt es einige Schriftsteller zu entdecken, deren Blogs ich ohne die Blogbibliothek nie gefunden hätte. Das reicht von A wie Alice Gabathuler oder Astrid Paprotta über den Herrn Paulsen alias Stevan Paul oder Peter Stamm bis zu Z wie Zoe Beck.
Lesen lohnt sich. Und vielleicht geht's dann einigen wie mir - sie bekommen Lust aufs Mitmachen, sprich Perlensuchen. Und vielleicht spornt das ja wiederum die Blogger an, echte Perlen zu produzieren?
19. Oktober 2009
Vom Unsichtbarmachen
Völlig off-topic, ich weiß. Aber statt stehendem Applaus möchte ich folgenden Artikel von Stefan Niggemeier unbedingt empfehlen: "Die Schwulen sollen wieder verschwinden" - eine Replik auf Philipp Gut, Ressortchef bei der Schweizer "Weltwoche". Solange Menschen wie Gut ihre Ressentiments derart in Medien streuen können, dass sogar die WELT kritiklos mitzieht und ihm eine wohlfeile Bühne bietet, solange hinkt unsere Gesellschaft in erschreckender Weise Errungenschaften und einer Toleranz nach, die zu Anfang des 20. Jahrhunderts bereits einmal erreicht war (siehe Nijinsky und viele Frauen und Männer der europäischen Avantgarde). Von journalistischer Ethik ganz zu schweigen...
Ich sag's mal mit Heidenreichs Worten: Lesen!!!
Ich sag's mal mit Heidenreichs Worten: Lesen!!!
18. Oktober 2009
Haarschnitt, Herrenslip, Hilfe!
Damit AutorInnen weniger leiden müssen, zehn absolut subjektive Tipps aus meiner gespaltenen Existenz als Journalistin und Autorin für den Umgang mit den Medien:
Hat jemand vielleicht noch mehr Tipps? Oder kann den meinen aus eigener Erfahrung widersprechen?
- Ständige Verfügbarkeit macht billig, Anbiedern an die Presse verdächtig.
- Suchen Sie sich die Medien, für die Sie Interviews geben wollen, genau aus. Deren Image fällt leicht auf Sie zurück.
- Rezensionen in den Medien steigern Buchverkäufe signifikant nur dann, wenn sie in mehreren bedeutenden Medien gleichzeitig und über einen längeren Zeitraum hinweg erscheinen.
- Üben Sie das charmante Wörtchen Nein vor dem Spiegel, auf Band und im Schlaf.
- Wenn Sie sich unbedingt entblößen müssen, dann ganz und gekonnt. Nehmen Sie notfalls Herrn Schätzing als Coach.
- Überlegen Sie sich lange vorher, was in der Öffentlichkeit absolut nichts zu suchen hat. Man wird genau das aus Ihnen herauskitzeln wollen. Haben Sie Ablenkerthemen parat: Human Touch kommt immer gut, Haustiere gehen ans Herz. Oder sagen Sie einfach nein.
- Spielen Sie keine aufgesetzten Rollen. Bleiben Sie authentisch. Entwickeln Sie eine PR-Seite von sich, mit der sie sich wohlfühlen, weil das noch Sie sind. Die Medien verhackstücken diesen Selbstentwurf noch genug.
- Ein direkter Auftritt vor LeserInnen bringt mehr als drei Filterungen durch die Medien. Es sei denn, Sie sind Unsympath.
- Der erste Eindruck ist tatsächlich entscheidend. Kommen Sie nur verrottet zum Interview, wenn es zum Buch passt. Ansonsten wirkt die saubere Wohlfühljeans besser als eine Verkleidung, in der man sich nicht gut fühlt. Stehen Sie zu Ihrer Lieblingsfrisur.
- Verblüffen Sie. Mit Relevanz Relevanz Relevanz.
- Lernen Sie, dass dieses Etwas von Schriftsteller in den Medien eine Ausgeburt von Journalistenfantasien ist. Sollten Sie sich dennoch 1:1 in einem Artikel wiedererkennen, sind Sie entweder ein durchsichtiger Langweiler oder der Journalist beherrschte sein Metier vorzüglich.
Hat jemand vielleicht noch mehr Tipps? Oder kann den meinen aus eigener Erfahrung widersprechen?
Gleichberechtigung bis unten
Vito von Eichborn bringt es auf den Punkt: Autorinnen und Autoren leiden. Immer schlimmer würden sie sich im medialen Betrieb vorführen lassen müssen. Vito von Eichborn irrt gewaltig. "Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, kommt darin um", lehrte mich schon meine Oma und die hatte die Zeitungen von zwei Weltkriegen überlebt inklusive aller Blätter, die je verboten worden waren. Und einer meiner Journalistenausbilder sagte Anfang der Achtziger: "Es gibt die Guten und es gibt Boulevard. Ihr müsst euch entscheiden." Damals war die Welt noch in Ordnung. Und es traf alle Personen der Öffentlichkeit.
Den Guten wurde Achtung vor der menschlichen Würde eingeimpft und wurden Vorträge über Persönlichkeitsrechte gehalten. Die Bösen wälzten sich in Promibetten und folgten offensichtlich jedem bis auf die Toilette. Die Fronten waren klar. Leute mit beschränkter Hirnhaftung und Hang zum Silikon lasen BLÖD. Die aufgeklärte Intelligenzia lachte sich schief über Genschman und Birne. Nie hat ein Kanzlerkörper so viel Kabarett provoziert. Nie wurden Frauen so spärlich von halbmeterhohen Schlagzeilen bekleidet. Wir, die Guten, wollten nie so schlecht werden wie die Bösen. Und die Bösen wollten nie so mies verdienen wie wir Guten.
Journalisten und Spracharbeiter machten sich Gedanken um Benachteiligung. Von Frauen. Von Minderheiten. Von Schwulen. Von Gärtnern. Von Bayern. Von Opfern. Von Dreieinhalbjährigen. Wir lernten, wie man sie alle an- und über keinen schlecht redet.
Irgendwann ist es passiert. Wahrscheinlich lag es wieder mal am Geld. Angeblich waren es jedoch die Leserinnen und Leser. Abgestumpft. Medial überfressen. Geil. Die wollten das doch. Knaller, Kracher, Katastrophen - nur damit ließ sich noch um ihre Aufmerksamkeit buhlen, während sie übersättigt die fettigen Finger in Chipstüten tauchten und jede Meldung mit einem Schluck Bier hinunterspülten. Schau, ob du was aus dem herauskitzelst, was er nicht sagen will, sagte der Chef.
Ich hatte damals einen Politikerlippenstift in der Tasche und ein eigenes Lächeln Marke Naiv, das schweigsame Herren im Interview zu viel erzählen ließ. Die erfolgreichen Damen bearbeitete der junge Volontär mit wallendem Künstlerhaar, ein knochenharter Typ. Wir waren die Guten. Die Öffentlichkeit hatte ein Recht auf Informationen. Wer in der Öffentlichkeit stand, hatte kein Recht, Informationen vorzuenthalten. Noch ging es nur um Giftmüll und Falschaussagen, um Mauscheleien und Korruption. Aber irgendwann muss jemand herausgefunden haben, dass auch Interviewopfer Lippenstift und Wallehaar gegen uns verwenden konnten.
Sie schlugen uns mit unseren eigenen Waffen. Birne trug plötzlich Maßanzug, Genschman machte Diät. Silikon kam in Verruf. Und allüberall sprossen kleine PR-Beraterinnen und PR-Berater aus dem Boden, paarten sich mit Castingspezialisten und Briefingtypen für den perfekten Beinschlag in der Talkshow. Beim Bäcker und Metzger fransten den Tratschtanten schier die Lippen aus, wenn sie am nächsten Tag über "die da oben" und "die denken, sie sind was Besseres" herzogen - bei den Männern nannte man das Stammtisch und Fußballplatz und Friseur. Wer nicht durchgehechelt werden konnte, war langweilig; an wem man sich nicht abarbeiten durfte, der erschien einem winzig.
Es traf nie die Schriftsteller. Wer konnte sich nach der Lektüre eines Buchs schon noch erinnern, wie dessen Autor hieß? Wer wusste wirklich, wie Agatha Christie mit sechzig aussah oder Ray Bradbury mit dreißig? Schriftsteller waren langweilig. Die meisten konnten nicht einmal telegen reden oder schienen fast autistisch. Und wenn sie dann mal den Mund aufmachten - wer sollte das alles verstehen mit Bierpulle in der Hand?
Als Deutschland seine erste weibliche Kanzlerin zustande gebracht hatte, machte sich das Kollektivhirn Presse zuallererst Gedanken um Kostümchen und Carréfrisur. Woanders hätte man zuerst eine Veuve Cliquot entblättert und auf den historischen Moment angestoßen. Es gab die Guten und die Bösen schon lange nicht mehr. Es gab nur noch Brüller und Schweiger. Mitmacher und Verweigerer. Billige Jakobs und Nachdenker. Aber trifft die Häme, der Spott, das Vorführen wirklich nur Frauen, Schwule und Rollstuhlfahrer - ein Eindruck, den man aus deutschen Gazetten bekommen könnte? Ist es wirklich eine Männerwelt, eine Mächtigenwelt, die sich da fest auf die feisten Schenkel klatscht?
Wir leben doch die totale Emanzipation. Die Tratschtanten vom Bäcker und die Suffköppe vom Stammtisch keifen heute gemeinsam in den Kommentarspalten der Medien im Internet. Und diese ersetzen sich demnächst ohnehin selbst. Aus Guten und Bösen wurden Angestellte und Outgesourcte, aus denen Vogelfreie und Generation Praktikum und dann schrie alles: Bürgerjournalismus! Bald lasen wir Blödes im Edelblatt und Intellektuelle gaben Interviews für BLÖD. Hauptsache saftig. Keiner merkt, dass sich die Rollen vertauschen.
Wenn die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller heute öffentlich wegen einer angeblich schlimmen Frisur vorgeführt wird, um davon abzulenken, wie viel die Frau im Kopf hat, dann kommt das weder vom Stammtisch noch aus platten Schlagzeilen. Diejenige, die sich da lustig macht, ist eine von den ehemals Guten, eine Journalistin, eine die es gelernt haben müsste, eine Frau noch dazu, nach eigenen Angaben Feministin. Wenn sie nicht längst auf der anderen Seite stünde, wo man um Quoten kämpft, um Zuschauer. Und als Buchautorin um Leserinnen und Preise dazu.
Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, kommt darin um. Warum soll es Schriftstellerinnen und Schriftstellern anders gehen? Schwarz-weiß gibt es nicht mehr. Wie viele Feuilletonisten haben mit eigenen Manuskripten schon Bruchlandungen erlebt? Wie viele Journalisten müssen sich den Verlagswitz anhören: "Journalisten können vielleicht schreiben, aber keine Romane." Vom miesen Honorar für den Gang nach Frankfurt, vom gesichtslosen Verweilen hinter der Kamera ganz zu schweigen. Da darf man schon mal ausrasten, wenn das Gegenüber den teureren Friseur hat oder den lustigeren Slip trägt. Und das Beispiel vom Slip zeigt es: Auch Männer trifft die Häme.
Gleichberechtigung total: Potenz im Kopf oder in der Hose. Wenn so jemand dann auch schreiben und lesen kann, ist das einfach verdammt verdächtig.
Lesetipp: Zehn Tipps für Autoren im Umgang mit den Medien
Den Guten wurde Achtung vor der menschlichen Würde eingeimpft und wurden Vorträge über Persönlichkeitsrechte gehalten. Die Bösen wälzten sich in Promibetten und folgten offensichtlich jedem bis auf die Toilette. Die Fronten waren klar. Leute mit beschränkter Hirnhaftung und Hang zum Silikon lasen BLÖD. Die aufgeklärte Intelligenzia lachte sich schief über Genschman und Birne. Nie hat ein Kanzlerkörper so viel Kabarett provoziert. Nie wurden Frauen so spärlich von halbmeterhohen Schlagzeilen bekleidet. Wir, die Guten, wollten nie so schlecht werden wie die Bösen. Und die Bösen wollten nie so mies verdienen wie wir Guten.
Journalisten und Spracharbeiter machten sich Gedanken um Benachteiligung. Von Frauen. Von Minderheiten. Von Schwulen. Von Gärtnern. Von Bayern. Von Opfern. Von Dreieinhalbjährigen. Wir lernten, wie man sie alle an- und über keinen schlecht redet.
Irgendwann ist es passiert. Wahrscheinlich lag es wieder mal am Geld. Angeblich waren es jedoch die Leserinnen und Leser. Abgestumpft. Medial überfressen. Geil. Die wollten das doch. Knaller, Kracher, Katastrophen - nur damit ließ sich noch um ihre Aufmerksamkeit buhlen, während sie übersättigt die fettigen Finger in Chipstüten tauchten und jede Meldung mit einem Schluck Bier hinunterspülten. Schau, ob du was aus dem herauskitzelst, was er nicht sagen will, sagte der Chef.
Ich hatte damals einen Politikerlippenstift in der Tasche und ein eigenes Lächeln Marke Naiv, das schweigsame Herren im Interview zu viel erzählen ließ. Die erfolgreichen Damen bearbeitete der junge Volontär mit wallendem Künstlerhaar, ein knochenharter Typ. Wir waren die Guten. Die Öffentlichkeit hatte ein Recht auf Informationen. Wer in der Öffentlichkeit stand, hatte kein Recht, Informationen vorzuenthalten. Noch ging es nur um Giftmüll und Falschaussagen, um Mauscheleien und Korruption. Aber irgendwann muss jemand herausgefunden haben, dass auch Interviewopfer Lippenstift und Wallehaar gegen uns verwenden konnten.
Sie schlugen uns mit unseren eigenen Waffen. Birne trug plötzlich Maßanzug, Genschman machte Diät. Silikon kam in Verruf. Und allüberall sprossen kleine PR-Beraterinnen und PR-Berater aus dem Boden, paarten sich mit Castingspezialisten und Briefingtypen für den perfekten Beinschlag in der Talkshow. Beim Bäcker und Metzger fransten den Tratschtanten schier die Lippen aus, wenn sie am nächsten Tag über "die da oben" und "die denken, sie sind was Besseres" herzogen - bei den Männern nannte man das Stammtisch und Fußballplatz und Friseur. Wer nicht durchgehechelt werden konnte, war langweilig; an wem man sich nicht abarbeiten durfte, der erschien einem winzig.
Es traf nie die Schriftsteller. Wer konnte sich nach der Lektüre eines Buchs schon noch erinnern, wie dessen Autor hieß? Wer wusste wirklich, wie Agatha Christie mit sechzig aussah oder Ray Bradbury mit dreißig? Schriftsteller waren langweilig. Die meisten konnten nicht einmal telegen reden oder schienen fast autistisch. Und wenn sie dann mal den Mund aufmachten - wer sollte das alles verstehen mit Bierpulle in der Hand?
Als Deutschland seine erste weibliche Kanzlerin zustande gebracht hatte, machte sich das Kollektivhirn Presse zuallererst Gedanken um Kostümchen und Carréfrisur. Woanders hätte man zuerst eine Veuve Cliquot entblättert und auf den historischen Moment angestoßen. Es gab die Guten und die Bösen schon lange nicht mehr. Es gab nur noch Brüller und Schweiger. Mitmacher und Verweigerer. Billige Jakobs und Nachdenker. Aber trifft die Häme, der Spott, das Vorführen wirklich nur Frauen, Schwule und Rollstuhlfahrer - ein Eindruck, den man aus deutschen Gazetten bekommen könnte? Ist es wirklich eine Männerwelt, eine Mächtigenwelt, die sich da fest auf die feisten Schenkel klatscht?
Wir leben doch die totale Emanzipation. Die Tratschtanten vom Bäcker und die Suffköppe vom Stammtisch keifen heute gemeinsam in den Kommentarspalten der Medien im Internet. Und diese ersetzen sich demnächst ohnehin selbst. Aus Guten und Bösen wurden Angestellte und Outgesourcte, aus denen Vogelfreie und Generation Praktikum und dann schrie alles: Bürgerjournalismus! Bald lasen wir Blödes im Edelblatt und Intellektuelle gaben Interviews für BLÖD. Hauptsache saftig. Keiner merkt, dass sich die Rollen vertauschen.
Wenn die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller heute öffentlich wegen einer angeblich schlimmen Frisur vorgeführt wird, um davon abzulenken, wie viel die Frau im Kopf hat, dann kommt das weder vom Stammtisch noch aus platten Schlagzeilen. Diejenige, die sich da lustig macht, ist eine von den ehemals Guten, eine Journalistin, eine die es gelernt haben müsste, eine Frau noch dazu, nach eigenen Angaben Feministin. Wenn sie nicht längst auf der anderen Seite stünde, wo man um Quoten kämpft, um Zuschauer. Und als Buchautorin um Leserinnen und Preise dazu.
Wer sich in die Öffentlichkeit begibt, kommt darin um. Warum soll es Schriftstellerinnen und Schriftstellern anders gehen? Schwarz-weiß gibt es nicht mehr. Wie viele Feuilletonisten haben mit eigenen Manuskripten schon Bruchlandungen erlebt? Wie viele Journalisten müssen sich den Verlagswitz anhören: "Journalisten können vielleicht schreiben, aber keine Romane." Vom miesen Honorar für den Gang nach Frankfurt, vom gesichtslosen Verweilen hinter der Kamera ganz zu schweigen. Da darf man schon mal ausrasten, wenn das Gegenüber den teureren Friseur hat oder den lustigeren Slip trägt. Und das Beispiel vom Slip zeigt es: Auch Männer trifft die Häme.
Gleichberechtigung total: Potenz im Kopf oder in der Hose. Wenn so jemand dann auch schreiben und lesen kann, ist das einfach verdammt verdächtig.
Lesetipp: Zehn Tipps für Autoren im Umgang mit den Medien
17. Oktober 2009
Häutungen
Das muss ich jetzt noch erzählen. Eine gute Bekannte fragte mich nach der Bloglektüre, wie ich das denn aushielte mit der unsicheren Zukunft von Büchern. Schließlich sei das jetzt schon so ungefähr mein dritter Beruf, wenn sie recht mitgezählt habe. Also zuerst dieses komische Studium, das zu nichts geführt habe als zu einer journalistischen Ausbildung - und dann hätte ich Kurztexte gegen Ellenlangtexte getauscht. Ob ich in meinem Alter nicht langsam an ruhigeres Fahrwasser denken wolle. Mein erster spontaner Gedanke war, ich sollte wohl meine Antifaltencreme wechseln. Also endlich mal eine kaufen.
Was willst du morgen machen, wenn keiner mehr lesen mag oder kann, fragte sie. Ich überlegte nicht lange: Als fahrender Erzähler übers Land ziehen? Mich als Schreiber für Analphabeten verdingen? Aber ist nicht das Internet hauptsächlich ein Schriftmedium? Ist es nicht so, dass historisch gesehen noch nie so viele Menschen in Europa lesen und schreiben konnten wie heute? Haben die Leute nicht unendlichen Hunger nach guten Geschichten, egal in welcher Form?
Aber du kannst doch nicht ständig deinen Beruf anpassen wollen, sagte sie entsetzt. Willst du nicht irgendwann ankommen?
Ankommen? Wo? Warum eigentlich nicht flexibel bleiben? Ich kenne einen, der hat sich in den 1920ern vom Eintänzer, wie man damals die Gigolos nannte, zum Hoteldirektor hochgearbeitet. Als das Hotel enteignet wurde, fälschte er seine Zeugnisse und wurde Chemiker, schließlich Chefchemiker. Und irgendwann, in den Zeiten größter Arbeitslosigkeit, hat er für die Armen billige Seidenkrawatten genäht und für die Reichen Bilder gefälscht. So wollte ich als Kind auch immer werden. Nicht unbedingt Kunstfälscher, aber jemand, der immer wieder auf die Beine fällt und ein reiches, weil abwechslungsreiches Leben führt.
Später, während des Studiums, durfte ich noch so einen faszinierenden Menschen kennenlernen, der das Prinzip Häutung fest in sein Leben integriert hatte. Es war unser Jiddischlehrer, reich an Wissen und Kulturen und noch reicher an Leben und Menschsein. Statt an seine Rente zu denken, wie es die meisten in seinem Alter taten, erklärte er uns, dass wir bald auf ihn verzichten müssten. Es sei wieder an der Zeit, einen neuen Beruf zu lernen. Alle sieben Jahre häute sich der Mensch, sagte er. Und alle sieben Jahre, das war sein Lebensplan, wollte er etwas völlig Neues lernen. Dann setzte er sich mit Studenten oder Auszubildenden oder Umschülern wieder auf die Schulbank. Wie lange er das durchhalten wolle?
Auf diese Frage hatte er ein strahlendes Lächeln parat und meinte: Wenn ich mit dem Häuten aufhöre, ist die Zeit gekommen, dass ihr mir ein Steinchen aufs Grab legt. Und irgendwie waren wir uns sicher, dass er sich dann jeden Kiesel einzeln anschauen würde, wo er herkomme, welche Geschichten er erzähle und was man daraus wieder Neues lernen könnte.
(Der Mann erfreut sich übrigens bester Gesundheit und hat wieder die Tätigkeit gewechselt).
Was willst du morgen machen, wenn keiner mehr lesen mag oder kann, fragte sie. Ich überlegte nicht lange: Als fahrender Erzähler übers Land ziehen? Mich als Schreiber für Analphabeten verdingen? Aber ist nicht das Internet hauptsächlich ein Schriftmedium? Ist es nicht so, dass historisch gesehen noch nie so viele Menschen in Europa lesen und schreiben konnten wie heute? Haben die Leute nicht unendlichen Hunger nach guten Geschichten, egal in welcher Form?
Aber du kannst doch nicht ständig deinen Beruf anpassen wollen, sagte sie entsetzt. Willst du nicht irgendwann ankommen?
Ankommen? Wo? Warum eigentlich nicht flexibel bleiben? Ich kenne einen, der hat sich in den 1920ern vom Eintänzer, wie man damals die Gigolos nannte, zum Hoteldirektor hochgearbeitet. Als das Hotel enteignet wurde, fälschte er seine Zeugnisse und wurde Chemiker, schließlich Chefchemiker. Und irgendwann, in den Zeiten größter Arbeitslosigkeit, hat er für die Armen billige Seidenkrawatten genäht und für die Reichen Bilder gefälscht. So wollte ich als Kind auch immer werden. Nicht unbedingt Kunstfälscher, aber jemand, der immer wieder auf die Beine fällt und ein reiches, weil abwechslungsreiches Leben führt.
Später, während des Studiums, durfte ich noch so einen faszinierenden Menschen kennenlernen, der das Prinzip Häutung fest in sein Leben integriert hatte. Es war unser Jiddischlehrer, reich an Wissen und Kulturen und noch reicher an Leben und Menschsein. Statt an seine Rente zu denken, wie es die meisten in seinem Alter taten, erklärte er uns, dass wir bald auf ihn verzichten müssten. Es sei wieder an der Zeit, einen neuen Beruf zu lernen. Alle sieben Jahre häute sich der Mensch, sagte er. Und alle sieben Jahre, das war sein Lebensplan, wollte er etwas völlig Neues lernen. Dann setzte er sich mit Studenten oder Auszubildenden oder Umschülern wieder auf die Schulbank. Wie lange er das durchhalten wolle?
Auf diese Frage hatte er ein strahlendes Lächeln parat und meinte: Wenn ich mit dem Häuten aufhöre, ist die Zeit gekommen, dass ihr mir ein Steinchen aufs Grab legt. Und irgendwie waren wir uns sicher, dass er sich dann jeden Kiesel einzeln anschauen würde, wo er herkomme, welche Geschichten er erzähle und was man daraus wieder Neues lernen könnte.
(Der Mann erfreut sich übrigens bester Gesundheit und hat wieder die Tätigkeit gewechselt).
Buch oder nicht Buch
Zum Ausklang der Frankfurter Buchmesse und gemütlichen Wochenende habe ich drei nachdenkenswerte Lesetipps zum Thema "Buch oder nicht Buch" - wie sieht die Zukunft des Lesens aus?
Da wäre einmal das zuweilen humorvolle Essay "Von der Zukunft des Buches" von Michael Krüger, dem bekannten Verleger, der den Hanser Verlag zu einem der feinsten Literaturverlage in Deutschland gemacht hat. Bei kaum einem anderen tummeln sich so viele preisgekrönte Autoren bis hin zum Literaturnobelpreis. Umso mehr war das Essay für mich ein Schlag in den Magen. Wenn schon ein solcher Verleger einen derart tiefen Abgrund sieht, wie schwarz sollte ich dann als Autorin erst sehen? Zum Glück relativieren die Zitate aus ferner Vergangenheit die modernen Ängste.
Und dann macht das Essay klar, was wir in der Branche schon von Anfang an wussten: Nur völlig Verrückte glauben daran, dass da draußen in der Kälte auch nur einer freiwillig lesen mag...
In der FAZ heißt es zur Lage des Buchmarks "Ein Buch ist immer drin". Hier wird ein wenig vom Grusel der letzten Feuilletontage wiederholt und es ist lobenswert, dass sich das Wissen um den Wahnsinn der Branche endlich im Lesevolk verteilt; dass König Kunde erfährt, wie er mit gedoptem Billigparfum, bezahlten Hypes und der schönen neuen Welt eines hemmungslosen Marktes zum Lesenarren gehalten wird. Er hat es aber nicht anders gewollt und so prophezeie ich, dass er auch den "Trend" der E-Reader schlucken wird, der - wie man in der FAZ nachlesen kann, nur in den Medien stattfindet. Schön, dass trotzdem immer wieder Bücher verkauft werden - fragt sich eben nur, ob man die richtigen schreibt oder lesen möchte. Der Artikel macht sich da einige Gedanken, wohin die Reise gehen könnte.
Und auch hier bleibt ein seltsames Fazit: Nur völlig Verrückte glauben daran, dass da draußen in der Kälte auch nur einer freiwillig ein Buch lesen mag, mit dem man nicht bis zum Erbrechen erschlagen wird. Die FAZ nennt das elegant "Sättigungsgrad".
In der ZEIT geht es dann vollmundig zum neuen Trend, der sich nur im Promillbereich abspielt, weil die Lesegeräte schlicht überteuer und mit Macken behaftet sind, das Angebot lausig ist. Aber weil jeder seine E-Reader in den Markt drücken will, ist das Papierbuch einfach mal "out" und die ZEIT frohlockt "Die Zukunft des Buches ist digital". Trotzdem ganz lesenswert, weil eben auch nachgedacht wird, woran es noch hakt, welche Fragestellungen auf uns zukommen. Die spannendste und bisher zu sehr vernachlässigte Frage: Wird sich mit dem neuen Medium nicht auch das Schreiben, die literarische Form ändern? Reicht es wirklich, gedruckten Text einfach nur digital aufzubereiten? Noch rammt meiner Meinung nach das Ebook voll an seinen Möglichkeiten vorbei - und in dieser Form verröchelte es als angeblicher Hype schon einmal zu Zeiten von Rocketbooks & Co. Gedruckte Autoren sind da formal bereits innovativer.
Mein Fazit: Wer jedem angesagten Trend ohne Nachdenken nachrennt, kann ganz böse auf die Nase fallen, wenn's anders kommt. Die derzeitige Hysterie wird sich wieder legen. Die richtig Verrückten wissen um die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Medien und ordnen nicht sich und ihre Inhalte dem Medium unter, sondern entwickeln das Medium der eigenen Arbeit und den Inhalten gemäß. So war das in Zeiten von Schellackplatten, beschriebenen Tierhäuten und Keilschrifttafeln. Und deshalb werden wir Digitales und Papier und Pergament und mündliches Erzählen und Vorlesen und all das weiter haben.
Was die E-Reader betrifft, habe ich ja einen bösartigen Verdacht: Wie viele Journalisten mögen einen geschenkt bekommen haben, um den Verkauf mit der Lobeshymne aufs digitale Zeitalter anzukurbeln? Ich leiste mir für die Kaufsummen jedenfalls lieber erst einmal richtig dolle Papierbücher, die auch einmal in die Badewanne fallen können und bei Stromausfall noch zu lesen sind. Und in der Zeit sollen die Firmen diese Dinger erst mal von all den Kinderkrankheiten befreien, dann sehen wir weiter. Wenn digitale Autoren künftig mit ihren Büchern nichts mehr verdienen sollten, warum sind dann die Lesegeräte eigentlich so teuer? (Für 200 Euronen bekomme ich einen Computer, der sehr viel mehr kann...)
Ach und dann schlage ich auch gleich zur Finanzierung des digitalen Erzählers, der seine Arbeit wohlfeil verschenken soll, die gute alte Bezahlmethode aus der Steinzeit vor: Schweinehälften, genügend Alkohol und den Zehnten vom Feld. Freie Schamanenwahl und ein Reittier von der Fangemeinde. Damit Ihnen Ihr Geschichtenerzähler auch morgen noch Geschichten erzählen kann!
Da wäre einmal das zuweilen humorvolle Essay "Von der Zukunft des Buches" von Michael Krüger, dem bekannten Verleger, der den Hanser Verlag zu einem der feinsten Literaturverlage in Deutschland gemacht hat. Bei kaum einem anderen tummeln sich so viele preisgekrönte Autoren bis hin zum Literaturnobelpreis. Umso mehr war das Essay für mich ein Schlag in den Magen. Wenn schon ein solcher Verleger einen derart tiefen Abgrund sieht, wie schwarz sollte ich dann als Autorin erst sehen? Zum Glück relativieren die Zitate aus ferner Vergangenheit die modernen Ängste.
Und dann macht das Essay klar, was wir in der Branche schon von Anfang an wussten: Nur völlig Verrückte glauben daran, dass da draußen in der Kälte auch nur einer freiwillig lesen mag...
In der FAZ heißt es zur Lage des Buchmarks "Ein Buch ist immer drin". Hier wird ein wenig vom Grusel der letzten Feuilletontage wiederholt und es ist lobenswert, dass sich das Wissen um den Wahnsinn der Branche endlich im Lesevolk verteilt; dass König Kunde erfährt, wie er mit gedoptem Billigparfum, bezahlten Hypes und der schönen neuen Welt eines hemmungslosen Marktes zum Lesenarren gehalten wird. Er hat es aber nicht anders gewollt und so prophezeie ich, dass er auch den "Trend" der E-Reader schlucken wird, der - wie man in der FAZ nachlesen kann, nur in den Medien stattfindet. Schön, dass trotzdem immer wieder Bücher verkauft werden - fragt sich eben nur, ob man die richtigen schreibt oder lesen möchte. Der Artikel macht sich da einige Gedanken, wohin die Reise gehen könnte.
Und auch hier bleibt ein seltsames Fazit: Nur völlig Verrückte glauben daran, dass da draußen in der Kälte auch nur einer freiwillig ein Buch lesen mag, mit dem man nicht bis zum Erbrechen erschlagen wird. Die FAZ nennt das elegant "Sättigungsgrad".
In der ZEIT geht es dann vollmundig zum neuen Trend, der sich nur im Promillbereich abspielt, weil die Lesegeräte schlicht überteuer und mit Macken behaftet sind, das Angebot lausig ist. Aber weil jeder seine E-Reader in den Markt drücken will, ist das Papierbuch einfach mal "out" und die ZEIT frohlockt "Die Zukunft des Buches ist digital". Trotzdem ganz lesenswert, weil eben auch nachgedacht wird, woran es noch hakt, welche Fragestellungen auf uns zukommen. Die spannendste und bisher zu sehr vernachlässigte Frage: Wird sich mit dem neuen Medium nicht auch das Schreiben, die literarische Form ändern? Reicht es wirklich, gedruckten Text einfach nur digital aufzubereiten? Noch rammt meiner Meinung nach das Ebook voll an seinen Möglichkeiten vorbei - und in dieser Form verröchelte es als angeblicher Hype schon einmal zu Zeiten von Rocketbooks & Co. Gedruckte Autoren sind da formal bereits innovativer.
Mein Fazit: Wer jedem angesagten Trend ohne Nachdenken nachrennt, kann ganz böse auf die Nase fallen, wenn's anders kommt. Die derzeitige Hysterie wird sich wieder legen. Die richtig Verrückten wissen um die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Medien und ordnen nicht sich und ihre Inhalte dem Medium unter, sondern entwickeln das Medium der eigenen Arbeit und den Inhalten gemäß. So war das in Zeiten von Schellackplatten, beschriebenen Tierhäuten und Keilschrifttafeln. Und deshalb werden wir Digitales und Papier und Pergament und mündliches Erzählen und Vorlesen und all das weiter haben.
Was die E-Reader betrifft, habe ich ja einen bösartigen Verdacht: Wie viele Journalisten mögen einen geschenkt bekommen haben, um den Verkauf mit der Lobeshymne aufs digitale Zeitalter anzukurbeln? Ich leiste mir für die Kaufsummen jedenfalls lieber erst einmal richtig dolle Papierbücher, die auch einmal in die Badewanne fallen können und bei Stromausfall noch zu lesen sind. Und in der Zeit sollen die Firmen diese Dinger erst mal von all den Kinderkrankheiten befreien, dann sehen wir weiter. Wenn digitale Autoren künftig mit ihren Büchern nichts mehr verdienen sollten, warum sind dann die Lesegeräte eigentlich so teuer? (Für 200 Euronen bekomme ich einen Computer, der sehr viel mehr kann...)
Ach und dann schlage ich auch gleich zur Finanzierung des digitalen Erzählers, der seine Arbeit wohlfeil verschenken soll, die gute alte Bezahlmethode aus der Steinzeit vor: Schweinehälften, genügend Alkohol und den Zehnten vom Feld. Freie Schamanenwahl und ein Reittier von der Fangemeinde. Damit Ihnen Ihr Geschichtenerzähler auch morgen noch Geschichten erzählen kann!
15. Oktober 2009
Hirn sortieren
Im Moment beneide ich wieder einmal Menschen, die einen (einzigen) "ordentlichen" Beruf gelernt haben, den sie womöglich auch noch außer Haus ausüben. Wie schön, umschalten und abschalten zu können. Ich selbst habe im Moment nämlich leicht den Überblick verloren, wie viele Schreibberufe ich derzeit ausübe und wann am besten. Aber so langsam bildet sich ein Rhythmus heraus, der mit dem Terminkalender Schritt hält.
Morgens schreibe ich mich im Internet warm und trinke genüsslich Kaffee. Nebenher wird Unliebsames, aber Notwendiges erledigt, Buchhaltung, Post, Rechnungen bezahlen... Dann ist eiserne Disziplin angesagt: Buch übersetzen. Schnell habe ich bemerkt, dass man Disziplin auch übertreiben kann, denn nach sechs Seiten Rohübersetzung setzt derzeit noch das Hirn aus. Würde mich in solch einem Moment jemand ansprechen, würde ich wahrscheinlich in wildem Europlais antworten. Also wieder eine Pause. Das wird nach dem Vorwort besser werden, zehn Seiten sind mein Ziel.
Die beste Zäsur fürs Freiwerden des Kopfes ist die tägliche Stunde mit dem Hund durch den Wald, und je nach Lust, Denksportaufgaben und Wetter werden daraus auch mal mehr als zwei Stunden. Habe ich Kurztexte zusätzlich zu übersetzen, müssen die weit in den Abend geschoben werden, in Sicherheitsabstand von der stilistischen Arbeit an der Buchübersetzung. Aber da sind auch Texte zu schreiben... Es ist zu recherchieren. Neuerdings wird das nach Aufgabengebieten fein in stundenweise Blöcke eingeteilt. Bei der Europaarbeit kann man manchmal sogar nebenher Musik hören.
Überhaupt ist das erstaunlich, wie unterschiedlich einen eine Seite Text je nach Art und Inhalt beanspruchen kann. Ich lerne jetzt erst, was für eine ungeheure Anstrengung hinter meinen für ein gedrucktes Buch lächerlichen 80 Seiten Hörbuch stecken. Und finde es lustig, wie ich mich heute bei Texten langweile, die ich vor zwanzig Jahren noch anspruchsvoll fand. Zum Glück gibt es diesen Mix!
Ach - und dann wollte ich noch X mit Y vernetzen und bei der Veranstaltung von Z das Projekt einer möglichen Zukunft mit Möglichkeiten zwischen U und V kreuzen, damit sich A und B befruchten. Zeit für wilde Kritzeleien im papierenen Terminplaner, denn digital hält mein Chaos kein Programm aus. Zum Glück hat sich U noch nicht gemeldet, sonst müsste ich jetzt schnell noch einen Artikel schreiben. Demnächst sollte ich ein Buch querlesen und eigentlich längst die verlängerten Bettlektüren in die Bücherei zurückbringen. Mir ist der Lesestoff ausgegangen. Zum Glück ist Buchmesse, alle Verleger beschäftigt, das gibt mehr Zeit. Irgendwann sollte ich ein wenig Isolierarbeiten vornehmen, es ist kalt geworden und irgendwo pfeift es durch.
Im Handstand dann noch etwas Eigenwerbung in die Welt gestreut und eine Strategie der Nichtstrategie entworfen. Und war da nicht gerade eine Idee? Flüchtig grüßte sie und ich weiß nicht, zu welcher Arbeit sie sich genau melden wollte. Zum Glück ist mein Hund ein echter Franzose und toleriert es, wenn ich neuerdings besonders schräge Redewendungen vor mich hinplappere, fasziniert vom Lernen.
Gestern dann beim Kochen ist mir etwas ganz Komisches passiert: Mir fiel auf, dass ich schon seit mindestens zwei Wochen an keinem Buch mehr schreibe. Ist es gesund, wenn ich das nicht einmal merke? Im Moment wüsste ich aber auch nicht, wie ich noch eine Art des Textens unterbrächte. Noch ist das Übersetzen zu frisch, ich muss für den französischen Autor einen eigenen Stil, einen Sprachatem entwickeln und habe Angst, dass das auf meinen eigenen abfärbt. Denn seine Art, Französisch zu schreiben, liegt mir sehr nah. Vom Nijinsky habe ich allerdings ein Ausruhen verdient, jemand fiel aus allen Wolken, als er hörte, in welcher Zeit ich das recherchiert und geschrieben habe. Solche Bücher produziert man nicht in Fließbandarbeit.
Und der Roman? Seit er keine Chance auf ein Stipendium hat, flattert er vogelfrei herum und verlockt mich, jetzt ganz schräg mit der Idee zu spielen. Ich schreibe gerade kein Buch, aber spiele und spinne in jeder freien Minute daran herum. Vielleicht hätte ich einfach besser Hühner züchten sollen. Oder eine Banklehre gemacht.
Ach - und da war noch die verletzte Hand. Gymnastik soll ich mit der machen, meinte die Ärztin, viel Gymnastik.Wenn es doch die meine auf Krankenschein gäbe: Powertastaturtraining. Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zuhacken können.
Morgens schreibe ich mich im Internet warm und trinke genüsslich Kaffee. Nebenher wird Unliebsames, aber Notwendiges erledigt, Buchhaltung, Post, Rechnungen bezahlen... Dann ist eiserne Disziplin angesagt: Buch übersetzen. Schnell habe ich bemerkt, dass man Disziplin auch übertreiben kann, denn nach sechs Seiten Rohübersetzung setzt derzeit noch das Hirn aus. Würde mich in solch einem Moment jemand ansprechen, würde ich wahrscheinlich in wildem Europlais antworten. Also wieder eine Pause. Das wird nach dem Vorwort besser werden, zehn Seiten sind mein Ziel.
Die beste Zäsur fürs Freiwerden des Kopfes ist die tägliche Stunde mit dem Hund durch den Wald, und je nach Lust, Denksportaufgaben und Wetter werden daraus auch mal mehr als zwei Stunden. Habe ich Kurztexte zusätzlich zu übersetzen, müssen die weit in den Abend geschoben werden, in Sicherheitsabstand von der stilistischen Arbeit an der Buchübersetzung. Aber da sind auch Texte zu schreiben... Es ist zu recherchieren. Neuerdings wird das nach Aufgabengebieten fein in stundenweise Blöcke eingeteilt. Bei der Europaarbeit kann man manchmal sogar nebenher Musik hören.
Überhaupt ist das erstaunlich, wie unterschiedlich einen eine Seite Text je nach Art und Inhalt beanspruchen kann. Ich lerne jetzt erst, was für eine ungeheure Anstrengung hinter meinen für ein gedrucktes Buch lächerlichen 80 Seiten Hörbuch stecken. Und finde es lustig, wie ich mich heute bei Texten langweile, die ich vor zwanzig Jahren noch anspruchsvoll fand. Zum Glück gibt es diesen Mix!
Ach - und dann wollte ich noch X mit Y vernetzen und bei der Veranstaltung von Z das Projekt einer möglichen Zukunft mit Möglichkeiten zwischen U und V kreuzen, damit sich A und B befruchten. Zeit für wilde Kritzeleien im papierenen Terminplaner, denn digital hält mein Chaos kein Programm aus. Zum Glück hat sich U noch nicht gemeldet, sonst müsste ich jetzt schnell noch einen Artikel schreiben. Demnächst sollte ich ein Buch querlesen und eigentlich längst die verlängerten Bettlektüren in die Bücherei zurückbringen. Mir ist der Lesestoff ausgegangen. Zum Glück ist Buchmesse, alle Verleger beschäftigt, das gibt mehr Zeit. Irgendwann sollte ich ein wenig Isolierarbeiten vornehmen, es ist kalt geworden und irgendwo pfeift es durch.
Im Handstand dann noch etwas Eigenwerbung in die Welt gestreut und eine Strategie der Nichtstrategie entworfen. Und war da nicht gerade eine Idee? Flüchtig grüßte sie und ich weiß nicht, zu welcher Arbeit sie sich genau melden wollte. Zum Glück ist mein Hund ein echter Franzose und toleriert es, wenn ich neuerdings besonders schräge Redewendungen vor mich hinplappere, fasziniert vom Lernen.
Gestern dann beim Kochen ist mir etwas ganz Komisches passiert: Mir fiel auf, dass ich schon seit mindestens zwei Wochen an keinem Buch mehr schreibe. Ist es gesund, wenn ich das nicht einmal merke? Im Moment wüsste ich aber auch nicht, wie ich noch eine Art des Textens unterbrächte. Noch ist das Übersetzen zu frisch, ich muss für den französischen Autor einen eigenen Stil, einen Sprachatem entwickeln und habe Angst, dass das auf meinen eigenen abfärbt. Denn seine Art, Französisch zu schreiben, liegt mir sehr nah. Vom Nijinsky habe ich allerdings ein Ausruhen verdient, jemand fiel aus allen Wolken, als er hörte, in welcher Zeit ich das recherchiert und geschrieben habe. Solche Bücher produziert man nicht in Fließbandarbeit.
Und der Roman? Seit er keine Chance auf ein Stipendium hat, flattert er vogelfrei herum und verlockt mich, jetzt ganz schräg mit der Idee zu spielen. Ich schreibe gerade kein Buch, aber spiele und spinne in jeder freien Minute daran herum. Vielleicht hätte ich einfach besser Hühner züchten sollen. Oder eine Banklehre gemacht.
Ach - und da war noch die verletzte Hand. Gymnastik soll ich mit der machen, meinte die Ärztin, viel Gymnastik.Wenn es doch die meine auf Krankenschein gäbe: Powertastaturtraining. Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zuhacken können.
14. Oktober 2009
Überleben im Haifischbecken
Buchmacher-Grusel in den Schlagzeilen
Ich dachte, mit dem Beitrag "Buchmacher" wäre es erledigt gewesen: Ein ZEIT-Artikel gibt Einblick in die "Bestsellermacherei", pardon, das Glücksspiel, ein Buch an die Leser zu bekommen. Weil ich dieses Nadelöhr-Roulette selbst bereits seit über zehn Jahren spiele, hielt ich das Beschriebene für realistisch - und eher positiv. So kann man sich gewöhnen.
Nun empfiehlt mir in einem Kommentar Manuel ein Transkript von SWR 2 (rtf), das zufällig den gleichen Namen trägt - der Gedanke an gedopte Pferde liegt aber auch allzu augenfällig in der Luft. Der Schriftsteller Martin Ahrends erzählt mit rechtem Galgenhumor von seiner Leidensgeschichte im Mahlwerk von Warenverkehr und Profitzwang. Pech hat er gehabt, könnte man meinen, aber seine Erlebnisse sind genau die Geschichten, wegen der "alte Hasen" Newcomer immer wieder ermahnen, sich Hartnäckigkeit, Leidensfähigkeit und schier unmenschliches Durchhaltevermögen anzutrainieren.
Die Süddeutsche setzte gestern noch einmal einen drauf auf den Grusel ums Buchmachen. "An der Kette" berichtet schonunglos von den Geschäftspraktiken einer Buchhandelskette und macht die Angst und das Ausgeliefertsein von Verlagen deutlich, die ruiniert wären, würden ihre Aussagen unter echtem Namen erscheinen. Leserinnen und Leser ahnen gar nicht, was im Hintergrund ihrer Bettlektüre abläuft - und welche guten Bücher ihnen warum vorenthalten werden. Dabei haben ausgerechnet sie die Zukunft des Geschäfts in der Hand, sie sind die Konsumenten. Autorinnen und Autoren ahnen das alles auch oft nicht - und nur wenigen gelingt die Rechnung bis hin zum eigenen Honorar, an dem all diese Gelder eingespart werden. An unserer Arbeit verdienen längst andere eine goldene Nase.
Der Druck auf Autoren wächst
Nun ist Jammern und Klagen wohlfeil, die Lage ist seit Jahren so, Bücher werden verkauft wie Haarspray, keiner hat sich bisher dafür groß interessiert oder dagegen stark gemacht. Alle haben geschwiegen, Verlage wie Autoren - im großen Glücksroulette und effektiven Angstsystem. Am Ende der Nahrungskette, bei den Autoren, spürt man den Druck von oben seit ein, zwei Jahren jedoch deutlich. Selbst große Verlage sind beim Einkauf von Manuskripten extrem zögerlich geworden, Risiko-Entscheidungen werden kaum noch getroffen. Man drückt zusehends Vorschüsse und Tantiemen, vor allem bei Trendware, die eigentlich doch den Profit bringen sollte. Man hält Autoren klein, vermittelt ihnen, dass sie austauschbar und ohnehin nicht so gut seien. Selbst etablierte Autoren werden hingehalten. Man produziert offen und zynisch "Altpapier" als Tapete für wenige Superbestseller; Bücher, die von vornherein als Untergang eingeplant sind. Und wer Pech hat, wer beim engagierten kleineren Verleger landet, dem bleiben Handelsketten und Feuilleton verschlossen.
Hoppla, warum Pech?! Ist ein "richtiger Verleger", der noch nicht zum Controller verkommen ist, nicht eigentlich ein Glücksfall? Das ist die Krux, hier liegt der Denkfehler im konsumverrotteten System: Kulturgut wird an Absatzzahlen gemessen, die zu den Inhalten in keiner Relation mehr stehen und deren Erfolg oder Misserfolg schon gar nicht durch Logik erklärbar wäre. Der Buchmarkt ist durchgeknallt. Der alte Tröstesatz, ein gutes Manuskript, ein guter Autor werde sich irgendwann durchsetzen, gilt schon lange nicht mehr. Plätze für den Erfolg werden teuer verhökert - und dazu braucht man Milchkühe, die stoisch und still immer wieder geben und geben. Wie die SZ schreibt: Bauern hätten ihre Milch längst aus Protest auf die Straße gekippt!
Trotzdem
Wie hält das eine wie ich aus, die vor zehn Jahren in eine Verlagsidylle einstieg, wo noch Autoren und Bücher, vor allem Inhalte, gepflegt und gehegt wurden; wo einem Verlag und Buchhandel das Gefühl gaben, man erschaffe etwas für Menschen Wichtiges? Und die zehn Jahre später, die Finger auf der Tastatur manchmal blutig getanzt, eigentlich immer noch als Noname, aber als hartnäckiger, in einem Haifischbecken schwimmt? Darauf habe ich eine ganz einfache Antwort: Ich glaube an das BUCH. Großbuchstaben: Buch ungleich Modeparfum. Buch als Kulturgut. Buch als ein Medium, Geschichten zu erzählen. Buch als Dialog zwischen Autor und Leser. Buch als Welt in der Welt.
Allerdings, auch das muss ich zugeben: Ich versuche inzwischen weitgehend den schlimmsten Haifischen zu entgehen, in ruhigeren Gewässern zu schwimmen. Dazu brauche ich zunächst wirtschaftliche und innere Freiheit. Einen Beruf, mit dem ich so viel Geld verdiene, dass ich Nein sagen kann. Nicht dass ich das schön finde, dass Autorsein in der Buchwelt kein "ordentlicher", nämlich ernährender Beruf mehr ist, während die gleiche Autorin in der freien Wirtschaft für einfachere Texte ein Mehrfaches verdient. Aber das Neinsagen wird immer wichtiger heute. Mit leerem Kühlschrank wird man erpressbar. Ich könnte allein vom Bücherschreiben leben, wenn ich wie viele Kollegen zur Schreibmaschine würde, Auftragsarbeiten und geldwerte Projekte für Buchverlage verfassen würde. Ich habe das auch schon gemacht. Aber wertvolle Entwicklungszeit verloren. Mein eigenes Schreiben blieb zeitweise auf der Strecke.
Neinsagen bedeutet: Sich die Verleger aussuchen zu können (natürlich manchmal um den Preis, gar nicht zu veröffentlichen). Es gibt sie nämlich noch, diese wunderbaren, unabhängigen, intelligenten, bibliomanen Verleger, die zwar auch Profit erwirtschaften müssen, aber noch einen Bezug zu Kunst und Kultur haben. Die man nicht von heute auf morgen zum Produktmanager für Zahnpasta machen könnte. Es gibt noch Verleger, die Visionen haben, sich für ihre Leser und Autoren interessieren und engagieren. Für solche Verlage schreibe ich inzwischen, will ich schreiben. Und siehe da, die Arbeit macht wieder Spaß, man wird als Mensch behandelt und nicht als Nummer. Bücherliebe und Kreativität stecken an, stacheln an. Da holt man gern das Letzte aus sich heraus.
Die Utopie vom Underground
Ich glaube an eine extreme Polarisierung des Buchmarkts in den nächsten Jahren. Es wird weiter erfolgreiche Ramschkaufhäuser mit bezahlten Stapelplätzen geben, in denen man sich billiger und billiger schnelldrehende Ware für die Einmal-Lektüre besorgt, bevor sie verramscht wird. Irgendwann wird es dort ein Autorensterben geben, wenn man konsequent aussortiert, was heute als "Altpapier" bestellt wird. Ebook, Verschenkaktionen und Preisdruck werden an diesen Einkaufstempeln nicht spurlos vorbeigehen. Vielleicht überleben einige dieser Beta-Autoren, indem sie das Kuscheltier zum Buch entwerfen oder nebenbei Klorollen mit Kurzkrimis beschriften. Konzerne jedenfalls werden bleiben, zum Ersticken sind sie schon zu groß - auch Banken fallen schließlich immer wieder auf die Beine.
Kulturelle Vielfalt, künstlerische Tiefe, Bücher, die Risiko bedeuten, weil sie eigen sind, anders oder sogar unbequem - das alles könnte zu einem sehr starken Underground werden. Und warum sollte nicht mal wieder der Underground hip sein? Die Independent Verlage sind nicht untätig, besetzen mediale Nischen in den Social Media und machen mit Aktionen wie der Hotlist der Independents von sich reden. Vielleicht wird es eines Tages wie in Frankreich Überlegungen geben, den unabhängigen Buchhandel durch ein gemeinsames Qualitätslabel und gemeinsame Aktionen zu stärken. Elfriede Jelinek, die der SZ-Artikel zitiert, veröffentlicht selbst im Netz. Qualitätsverlage bieten noch all das, warum sich ein Autor einen Verlag sucht: Professionelle Arbeit in Lektorat, Graphik, Layout, Herstellung, Pressearbeit und Werbung, Autorenbetreuung, Marketing und Vertrieb.
Selbstverlag und Print on Demand sind im Profibereich - noch - verpönt. Was aber, wenn das Werk des Autors unter Outsourcing im Lektorat leidet, wenn selbst Leser schlampige Aufbereitungen in Großverlagen anmahnen? Was, wenn außer dem Spitzentitel ohnehin keiner mehr Werbung bekommt und der Vertrieb abläuft, wie es die SZ beschreibt? Ich sage das bewusst als Provokation: Dann brauche ich als ohnehin schlecht bezahlter Autor eigentlich auch keinen Verlag mehr. Denn als etablierter Profi kann man durchaus auch lektorieren. Mindestens so gut wie schlecht bezahlte und ungelernte Stundenkräfte. Ich glaube nicht dran, dass neue Techniken und Medien das Buch als solches ersetzen werden. Ich glaube aber fest daran, dass Autoren in bestimmten Bereichen lohnend abwandern werden. Sofern ihnen eine Vorfinanzierung gelingt: Brotjob.
Machen sich Verlage überflüssig?
Visionen entwickeln - ich spiele gern mit Utopien. Eines Tages werde ich vielleicht das besondere Buch von Qualitätsautor X auf dem i-phone lesen können, von ihm selbst herausgegeben. Ein Buch, das über ein Jahr oder länger von allen Verlagen abgelehnt wurde, weil es zu viel Geschäftsrisiko gewesen wäre, weil Buchhandelsketten sich dem Titel versperrt hätten. Unser Qualitätsautor hätte in dieser Zeit längst ein Netzwerk für schreibfremde Arbeiten gebildet, wahrscheinlich über Social Media, in dem man Tauschhandel betreibt. Man lektoriert sich gegenseitig, Graphiker und Pressemenschen profitieren voneinander - und auch der Autor gibt sein Können in diesen Topf. Was für einen Schriftsteller unbezahlbar scheint, wäre machbar. Und warum eigentlich nicht solche fleißigen Helferlein dann direkt am Erfolg beteiligen, wenn er denn kommt?
Noch ist das Utopie. Noch gibt es keine ausreichenden und vor allem bezahlbaren Applikationen für Einzelautoren, die mit Verlagsleistungen wirklich konkurrieren können. Noch ginge der Qualitätsautor unter den Möchtegernschreibern im Internet oder Selbstdruck unter. Noch ist mit Ebooks & Co. nichts zu verdienen, so dass diese Alternative ein schönes Hobby bleibt. Aber wenn mehr und mehr Autoren die Marktmechanismen durchschauen, von denen sie abhängen, wenn sie frei wären zur eigenen Entscheidung - dann entstünde bald ein sehr wilder, bunter und kreativer Buchmarkt.
Wild sein
Jammern ist wohlfeil. Unsere Zukunft gestalten sowohl wir Autoren am Ende der Nahrungskette als auch die zahlenden Leser und Konsumenten. Wir können dafür arbeiten, dass Bücher wieder mehr werden als Zahnpasta. An uns ist es, dass wir uns mit den richtigen Menschen / Verlagen / Buchhändlern vernetzen und als Leser und Käufer diejenigen unterstützen, die noch eine unabhängige Kulturvielfalt garantieren. Was haben wir eigentlich zu verlieren?
Ich dachte, mit dem Beitrag "Buchmacher" wäre es erledigt gewesen: Ein ZEIT-Artikel gibt Einblick in die "Bestsellermacherei", pardon, das Glücksspiel, ein Buch an die Leser zu bekommen. Weil ich dieses Nadelöhr-Roulette selbst bereits seit über zehn Jahren spiele, hielt ich das Beschriebene für realistisch - und eher positiv. So kann man sich gewöhnen.
Nun empfiehlt mir in einem Kommentar Manuel ein Transkript von SWR 2 (rtf), das zufällig den gleichen Namen trägt - der Gedanke an gedopte Pferde liegt aber auch allzu augenfällig in der Luft. Der Schriftsteller Martin Ahrends erzählt mit rechtem Galgenhumor von seiner Leidensgeschichte im Mahlwerk von Warenverkehr und Profitzwang. Pech hat er gehabt, könnte man meinen, aber seine Erlebnisse sind genau die Geschichten, wegen der "alte Hasen" Newcomer immer wieder ermahnen, sich Hartnäckigkeit, Leidensfähigkeit und schier unmenschliches Durchhaltevermögen anzutrainieren.
Die Süddeutsche setzte gestern noch einmal einen drauf auf den Grusel ums Buchmachen. "An der Kette" berichtet schonunglos von den Geschäftspraktiken einer Buchhandelskette und macht die Angst und das Ausgeliefertsein von Verlagen deutlich, die ruiniert wären, würden ihre Aussagen unter echtem Namen erscheinen. Leserinnen und Leser ahnen gar nicht, was im Hintergrund ihrer Bettlektüre abläuft - und welche guten Bücher ihnen warum vorenthalten werden. Dabei haben ausgerechnet sie die Zukunft des Geschäfts in der Hand, sie sind die Konsumenten. Autorinnen und Autoren ahnen das alles auch oft nicht - und nur wenigen gelingt die Rechnung bis hin zum eigenen Honorar, an dem all diese Gelder eingespart werden. An unserer Arbeit verdienen längst andere eine goldene Nase.
Der Druck auf Autoren wächst
Nun ist Jammern und Klagen wohlfeil, die Lage ist seit Jahren so, Bücher werden verkauft wie Haarspray, keiner hat sich bisher dafür groß interessiert oder dagegen stark gemacht. Alle haben geschwiegen, Verlage wie Autoren - im großen Glücksroulette und effektiven Angstsystem. Am Ende der Nahrungskette, bei den Autoren, spürt man den Druck von oben seit ein, zwei Jahren jedoch deutlich. Selbst große Verlage sind beim Einkauf von Manuskripten extrem zögerlich geworden, Risiko-Entscheidungen werden kaum noch getroffen. Man drückt zusehends Vorschüsse und Tantiemen, vor allem bei Trendware, die eigentlich doch den Profit bringen sollte. Man hält Autoren klein, vermittelt ihnen, dass sie austauschbar und ohnehin nicht so gut seien. Selbst etablierte Autoren werden hingehalten. Man produziert offen und zynisch "Altpapier" als Tapete für wenige Superbestseller; Bücher, die von vornherein als Untergang eingeplant sind. Und wer Pech hat, wer beim engagierten kleineren Verleger landet, dem bleiben Handelsketten und Feuilleton verschlossen.
Hoppla, warum Pech?! Ist ein "richtiger Verleger", der noch nicht zum Controller verkommen ist, nicht eigentlich ein Glücksfall? Das ist die Krux, hier liegt der Denkfehler im konsumverrotteten System: Kulturgut wird an Absatzzahlen gemessen, die zu den Inhalten in keiner Relation mehr stehen und deren Erfolg oder Misserfolg schon gar nicht durch Logik erklärbar wäre. Der Buchmarkt ist durchgeknallt. Der alte Tröstesatz, ein gutes Manuskript, ein guter Autor werde sich irgendwann durchsetzen, gilt schon lange nicht mehr. Plätze für den Erfolg werden teuer verhökert - und dazu braucht man Milchkühe, die stoisch und still immer wieder geben und geben. Wie die SZ schreibt: Bauern hätten ihre Milch längst aus Protest auf die Straße gekippt!
Trotzdem
Wie hält das eine wie ich aus, die vor zehn Jahren in eine Verlagsidylle einstieg, wo noch Autoren und Bücher, vor allem Inhalte, gepflegt und gehegt wurden; wo einem Verlag und Buchhandel das Gefühl gaben, man erschaffe etwas für Menschen Wichtiges? Und die zehn Jahre später, die Finger auf der Tastatur manchmal blutig getanzt, eigentlich immer noch als Noname, aber als hartnäckiger, in einem Haifischbecken schwimmt? Darauf habe ich eine ganz einfache Antwort: Ich glaube an das BUCH. Großbuchstaben: Buch ungleich Modeparfum. Buch als Kulturgut. Buch als ein Medium, Geschichten zu erzählen. Buch als Dialog zwischen Autor und Leser. Buch als Welt in der Welt.
Allerdings, auch das muss ich zugeben: Ich versuche inzwischen weitgehend den schlimmsten Haifischen zu entgehen, in ruhigeren Gewässern zu schwimmen. Dazu brauche ich zunächst wirtschaftliche und innere Freiheit. Einen Beruf, mit dem ich so viel Geld verdiene, dass ich Nein sagen kann. Nicht dass ich das schön finde, dass Autorsein in der Buchwelt kein "ordentlicher", nämlich ernährender Beruf mehr ist, während die gleiche Autorin in der freien Wirtschaft für einfachere Texte ein Mehrfaches verdient. Aber das Neinsagen wird immer wichtiger heute. Mit leerem Kühlschrank wird man erpressbar. Ich könnte allein vom Bücherschreiben leben, wenn ich wie viele Kollegen zur Schreibmaschine würde, Auftragsarbeiten und geldwerte Projekte für Buchverlage verfassen würde. Ich habe das auch schon gemacht. Aber wertvolle Entwicklungszeit verloren. Mein eigenes Schreiben blieb zeitweise auf der Strecke.
Neinsagen bedeutet: Sich die Verleger aussuchen zu können (natürlich manchmal um den Preis, gar nicht zu veröffentlichen). Es gibt sie nämlich noch, diese wunderbaren, unabhängigen, intelligenten, bibliomanen Verleger, die zwar auch Profit erwirtschaften müssen, aber noch einen Bezug zu Kunst und Kultur haben. Die man nicht von heute auf morgen zum Produktmanager für Zahnpasta machen könnte. Es gibt noch Verleger, die Visionen haben, sich für ihre Leser und Autoren interessieren und engagieren. Für solche Verlage schreibe ich inzwischen, will ich schreiben. Und siehe da, die Arbeit macht wieder Spaß, man wird als Mensch behandelt und nicht als Nummer. Bücherliebe und Kreativität stecken an, stacheln an. Da holt man gern das Letzte aus sich heraus.
Die Utopie vom Underground
Ich glaube an eine extreme Polarisierung des Buchmarkts in den nächsten Jahren. Es wird weiter erfolgreiche Ramschkaufhäuser mit bezahlten Stapelplätzen geben, in denen man sich billiger und billiger schnelldrehende Ware für die Einmal-Lektüre besorgt, bevor sie verramscht wird. Irgendwann wird es dort ein Autorensterben geben, wenn man konsequent aussortiert, was heute als "Altpapier" bestellt wird. Ebook, Verschenkaktionen und Preisdruck werden an diesen Einkaufstempeln nicht spurlos vorbeigehen. Vielleicht überleben einige dieser Beta-Autoren, indem sie das Kuscheltier zum Buch entwerfen oder nebenbei Klorollen mit Kurzkrimis beschriften. Konzerne jedenfalls werden bleiben, zum Ersticken sind sie schon zu groß - auch Banken fallen schließlich immer wieder auf die Beine.
Kulturelle Vielfalt, künstlerische Tiefe, Bücher, die Risiko bedeuten, weil sie eigen sind, anders oder sogar unbequem - das alles könnte zu einem sehr starken Underground werden. Und warum sollte nicht mal wieder der Underground hip sein? Die Independent Verlage sind nicht untätig, besetzen mediale Nischen in den Social Media und machen mit Aktionen wie der Hotlist der Independents von sich reden. Vielleicht wird es eines Tages wie in Frankreich Überlegungen geben, den unabhängigen Buchhandel durch ein gemeinsames Qualitätslabel und gemeinsame Aktionen zu stärken. Elfriede Jelinek, die der SZ-Artikel zitiert, veröffentlicht selbst im Netz. Qualitätsverlage bieten noch all das, warum sich ein Autor einen Verlag sucht: Professionelle Arbeit in Lektorat, Graphik, Layout, Herstellung, Pressearbeit und Werbung, Autorenbetreuung, Marketing und Vertrieb.
Selbstverlag und Print on Demand sind im Profibereich - noch - verpönt. Was aber, wenn das Werk des Autors unter Outsourcing im Lektorat leidet, wenn selbst Leser schlampige Aufbereitungen in Großverlagen anmahnen? Was, wenn außer dem Spitzentitel ohnehin keiner mehr Werbung bekommt und der Vertrieb abläuft, wie es die SZ beschreibt? Ich sage das bewusst als Provokation: Dann brauche ich als ohnehin schlecht bezahlter Autor eigentlich auch keinen Verlag mehr. Denn als etablierter Profi kann man durchaus auch lektorieren. Mindestens so gut wie schlecht bezahlte und ungelernte Stundenkräfte. Ich glaube nicht dran, dass neue Techniken und Medien das Buch als solches ersetzen werden. Ich glaube aber fest daran, dass Autoren in bestimmten Bereichen lohnend abwandern werden. Sofern ihnen eine Vorfinanzierung gelingt: Brotjob.
Machen sich Verlage überflüssig?
Visionen entwickeln - ich spiele gern mit Utopien. Eines Tages werde ich vielleicht das besondere Buch von Qualitätsautor X auf dem i-phone lesen können, von ihm selbst herausgegeben. Ein Buch, das über ein Jahr oder länger von allen Verlagen abgelehnt wurde, weil es zu viel Geschäftsrisiko gewesen wäre, weil Buchhandelsketten sich dem Titel versperrt hätten. Unser Qualitätsautor hätte in dieser Zeit längst ein Netzwerk für schreibfremde Arbeiten gebildet, wahrscheinlich über Social Media, in dem man Tauschhandel betreibt. Man lektoriert sich gegenseitig, Graphiker und Pressemenschen profitieren voneinander - und auch der Autor gibt sein Können in diesen Topf. Was für einen Schriftsteller unbezahlbar scheint, wäre machbar. Und warum eigentlich nicht solche fleißigen Helferlein dann direkt am Erfolg beteiligen, wenn er denn kommt?
Noch ist das Utopie. Noch gibt es keine ausreichenden und vor allem bezahlbaren Applikationen für Einzelautoren, die mit Verlagsleistungen wirklich konkurrieren können. Noch ginge der Qualitätsautor unter den Möchtegernschreibern im Internet oder Selbstdruck unter. Noch ist mit Ebooks & Co. nichts zu verdienen, so dass diese Alternative ein schönes Hobby bleibt. Aber wenn mehr und mehr Autoren die Marktmechanismen durchschauen, von denen sie abhängen, wenn sie frei wären zur eigenen Entscheidung - dann entstünde bald ein sehr wilder, bunter und kreativer Buchmarkt.
Wild sein
Jammern ist wohlfeil. Unsere Zukunft gestalten sowohl wir Autoren am Ende der Nahrungskette als auch die zahlenden Leser und Konsumenten. Wir können dafür arbeiten, dass Bücher wieder mehr werden als Zahnpasta. An uns ist es, dass wir uns mit den richtigen Menschen / Verlagen / Buchhändlern vernetzen und als Leser und Käufer diejenigen unterstützen, die noch eine unabhängige Kulturvielfalt garantieren. Was haben wir eigentlich zu verlieren?
12. Oktober 2009
Deutscher Buchpreis live
Wer einmal Lust hat auf ein anderes Medium und Live-Berichterstattung "von unten": Jürgen Harth vom Hanser Verlag twittert live zur Verleihung des Buchpreises aus Frankfurt.
Twitter läuft wie sms in Echtzeit - siehe die kleinen Meldungen, die hier im Blog rechts mitlaufen.
Wie man das empfangen kann?
Als Twitter-Mitglied einfach @hanserliteratur folgen.
Als Nicht-Mitglied die Tweets von Hanser hier aufrufen. Indem man ganz oben rechts im Menu auf "home" klickt, kann man die Seite aktualisieren, dann erscheinen neuere Meldungen.
Für ein breiter gestreutes Angebot tippt man in Twitters Suchmaschine #buchpreis oder #dbp ein und bekommt die neuesten, unter diesem Suchbegriff abgelegten Beiträge. Da gibt es schon einiges im Vorfeld zu lesen, in der heißen Twitterphase muss man ebenfalls die Seite aktualisieren.
update: es geht los, sogar mit Foto! ("hanserliteratur Grüße aus Frankfurt. Ankunft Hauptwache - auf dem Fußweg zum #dbp im Römer")
Twitter läuft wie sms in Echtzeit - siehe die kleinen Meldungen, die hier im Blog rechts mitlaufen.
Wie man das empfangen kann?
Als Twitter-Mitglied einfach @hanserliteratur folgen.
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Für ein breiter gestreutes Angebot tippt man in Twitters Suchmaschine #buchpreis oder #dbp ein und bekommt die neuesten, unter diesem Suchbegriff abgelegten Beiträge. Da gibt es schon einiges im Vorfeld zu lesen, in der heißen Twitterphase muss man ebenfalls die Seite aktualisieren.
update: es geht los, sogar mit Foto! ("hanserliteratur Grüße aus Frankfurt. Ankunft Hauptwache - auf dem Fußweg zum #dbp im Römer")
Buchmacher
In den Medien sucht man immer wieder nach einer Bestsellerformel. In Autorenforen machen sich Anfänger viel zu viele Gedanken darüber, wie man angeblich schreiben müsse, um vom Fleck weg berühmt zu werden. Gerüchte besagen, Aufmerksamkeit sei vom Verlagsnamen abhängig. Eine ganze Branche verdient lustig Geld mit Schreibratgebern und Schreibschulungen für erfolgsgierige Jungschreiber und allzu lang erfolglose Altschreiber.
Dem setzt die ZEIT einen hochspannenden, erstaunlich offenen Artikel über das Making of eines Sachbuchs entgegen. Hier können auch ältere Hasen noch vielsagende Einblicke erfahren. Reicht es wirklich, ein Buch zu schreiben und zu drucken? Was passiert mit der Ware Buch, wenn der Autor seine Pflicht und Schuldigkeit getan hat? Wie viel Glück, wie viel Politik, wie viel Willkür stecken hinter einem Erfolg?
Der Fall um den unbekannten Autor Friedrich Schorb ist nicht ganz typisch. Denn das Märchen beginnt schon damit, dass er über einen Zeitungsartikel entdeckt wird und Verlage gleich reihenweise nach einem - noch ungeschriebenen - Buch fragen. Der arttypische unbekannte Autor rackert sich dagegen oft Jahre in einem brutalen Bewerbungsmarathon ab; muss lernen, mit Rückschlägen, Formbriefen und manchmal sogar unhöflichen Absagen zurechtzukommen. Um vielleicht eines Tages in einem kleineren Verlag zu starten, mit weitaus geringeren Honoraren. Wie weit die auseinanderklaffen können, zeigt die ZEIT dankenswerterweise anhand von Zahlen.
Schorb hat verdammt viel Gück gehabt am Anfang. Umso deutlicher wird an seinem Beispiel die Allmacht der Marktkonzentration im Buchhandel augenfällig, die Willkür der Profitgier und die Abhängigkeit von den Medien, die fast an ein Ausgeliefertsein zu grenzen scheint. Ein bißchen hat das alles wirklich von der Arbeit von Buchmachern. Vielleicht musste ich deshalb an das Doping von Pferden denken, als ich las, dass Kettenbuchhandlungen Bücher in Regalen nur als Tapete für ihre Tische einkaufen. Wir Autoren wissen das ja längst. Aber wissen es die Kunden?
Wer den absolut empfehlenswerten Artikel gelesen hat, wird womöglich hochrechnen können, welche Nerven Autoren haben müssen, wenn die weniger glücklichen Alltäglichkeiten des Buchgeschäfts zuschlagen: Vielleicht einigt sich die Programmkonferenz auf ein Killer-Cover, vielleicht bekommt man keine Vorstellungsseite bei den Vertretern, vielleicht bespricht keiner das Buch, weil Literaturnobelpreis und Buchpreis schon alle Seiten füllen, vielleicht wird der Verlag kurz nach Erscheinen verkauft, vielleicht erscheint gleichzeitig bei der potenteren Konkurrenz das gleiche Thema, vielleicht wird der feine Verlag bei den Ketten ausgemustert, vielleicht bekommt man gar keine Werbung...
Roulette ist schöner, sicherer.
Dem setzt die ZEIT einen hochspannenden, erstaunlich offenen Artikel über das Making of eines Sachbuchs entgegen. Hier können auch ältere Hasen noch vielsagende Einblicke erfahren. Reicht es wirklich, ein Buch zu schreiben und zu drucken? Was passiert mit der Ware Buch, wenn der Autor seine Pflicht und Schuldigkeit getan hat? Wie viel Glück, wie viel Politik, wie viel Willkür stecken hinter einem Erfolg?
Der Fall um den unbekannten Autor Friedrich Schorb ist nicht ganz typisch. Denn das Märchen beginnt schon damit, dass er über einen Zeitungsartikel entdeckt wird und Verlage gleich reihenweise nach einem - noch ungeschriebenen - Buch fragen. Der arttypische unbekannte Autor rackert sich dagegen oft Jahre in einem brutalen Bewerbungsmarathon ab; muss lernen, mit Rückschlägen, Formbriefen und manchmal sogar unhöflichen Absagen zurechtzukommen. Um vielleicht eines Tages in einem kleineren Verlag zu starten, mit weitaus geringeren Honoraren. Wie weit die auseinanderklaffen können, zeigt die ZEIT dankenswerterweise anhand von Zahlen.
Schorb hat verdammt viel Gück gehabt am Anfang. Umso deutlicher wird an seinem Beispiel die Allmacht der Marktkonzentration im Buchhandel augenfällig, die Willkür der Profitgier und die Abhängigkeit von den Medien, die fast an ein Ausgeliefertsein zu grenzen scheint. Ein bißchen hat das alles wirklich von der Arbeit von Buchmachern. Vielleicht musste ich deshalb an das Doping von Pferden denken, als ich las, dass Kettenbuchhandlungen Bücher in Regalen nur als Tapete für ihre Tische einkaufen. Wir Autoren wissen das ja längst. Aber wissen es die Kunden?
Wer den absolut empfehlenswerten Artikel gelesen hat, wird womöglich hochrechnen können, welche Nerven Autoren haben müssen, wenn die weniger glücklichen Alltäglichkeiten des Buchgeschäfts zuschlagen: Vielleicht einigt sich die Programmkonferenz auf ein Killer-Cover, vielleicht bekommt man keine Vorstellungsseite bei den Vertretern, vielleicht bespricht keiner das Buch, weil Literaturnobelpreis und Buchpreis schon alle Seiten füllen, vielleicht wird der Verlag kurz nach Erscheinen verkauft, vielleicht erscheint gleichzeitig bei der potenteren Konkurrenz das gleiche Thema, vielleicht wird der feine Verlag bei den Ketten ausgemustert, vielleicht bekommt man gar keine Werbung...
Roulette ist schöner, sicherer.