... bin ich. Ich spreche und denke ja den ganzen Tag in wildem Europlais. Das kann und darf aber keine Ausrede für den gestrigen Sprachlapsus sein, der wirklich ein besonders dicker Hund war. Ich sollte Urlaub machen oder mich umschulen lassen.
Aber keiner hat's gemerkt (oder alle haben sich heimlich ins Fäustchen gelacht). Danke dem einen, der mich verbessert hat! So, jetzt kann ich auch drüber lachen.
Seiten
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30. April 2009
29. April 2009
opt-out-Frist verlängert
Die Originalinfo aus Publisher's Weekly: Die opt-out-Frist für das Google-Settlement wurde verlängert auf Anfang September. (Deutschsprachiger Börsenblatt-Link im Artikel unten)
Interessant auch ein Artikel über die Haltung der Europäer zum Google-Vergleich, berichtet von einer Veranstaltung des London Book Fair. Fazit: Sie scheint gekennzeichnet von Verschlafenheit und von Unkenntnis über die Wirkung amerikanischer Gerichtsverfahren (tja, Hollywood-Gerichtsspektakel sind sooo schön einfach).
Und wie gesagt, ich bin dann mal weg, kann also nicht mehr über Weltbewegendes tickern und bin vielleicht auch lahm im Freischalten von Kommentaren. In diesem Sinne - allen einen entspannten, blumenreichen ersten Mai!
Interessant auch ein Artikel über die Haltung der Europäer zum Google-Vergleich, berichtet von einer Veranstaltung des London Book Fair. Fazit: Sie scheint gekennzeichnet von Verschlafenheit und von Unkenntnis über die Wirkung amerikanischer Gerichtsverfahren (tja, Hollywood-Gerichtsspektakel sind sooo schön einfach).
Und wie gesagt, ich bin dann mal weg, kann also nicht mehr über Weltbewegendes tickern und bin vielleicht auch lahm im Freischalten von Kommentaren. In diesem Sinne - allen einen entspannten, blumenreichen ersten Mai!
Als Mäuschen lauschen
Einmal Mäuschen spielen bei einer Hörbuchproduktion - das muss spannend sein! Ursprünglich glaubte ich, ich müsse bis September warten, wenn ich selbst "dran" bin. Nun darf ich aber unverhofft und plötzlich schon ab Montag dabei sein, wenn die Schauspielerin Constanze Weinig (kenne ich dieses Gesicht aus dem Fernsehen oder aus dem Theater?) das neueste Hörbuch des Verlags "Der Diwan" im Studio einliest.
Es handelt sich um die ungekürzte Originalausgabe eines Buches aus dem Knaus Verlag: Kleines Wörterbuch für Liebende von Xiaolu Guo - mit dem der jungen chinesischen Autorin der internationale Durchbruch gelang. Fünf CDs sollen es werden. Sprecherisch sicher eine Herausforderung, denn eines der größten Vergnügen an diesem Roman ist die langsame Veränderung der Sprache einer Lernenden aus China parallel zum Kulturschock.
Ich bin riesig gespannt, auf diese Art auch die "Innereien" eines Hörbuchs erleben zu können - und muss deshalb schleunigst vorarbeiten. Kann meiner Verlegerin ja nicht ohne Fleißarbeit unter die Augen treten. Ich bin dann also mal weg...
Gucktipps:
Es handelt sich um die ungekürzte Originalausgabe eines Buches aus dem Knaus Verlag: Kleines Wörterbuch für Liebende von Xiaolu Guo - mit dem der jungen chinesischen Autorin der internationale Durchbruch gelang. Fünf CDs sollen es werden. Sprecherisch sicher eine Herausforderung, denn eines der größten Vergnügen an diesem Roman ist die langsame Veränderung der Sprache einer Lernenden aus China parallel zum Kulturschock.
Ich bin riesig gespannt, auf diese Art auch die "Innereien" eines Hörbuchs erleben zu können - und muss deshalb schleunigst vorarbeiten. Kann meiner Verlegerin ja nicht ohne Fleißarbeit unter die Augen treten. Ich bin dann also mal weg...
Gucktipps:
Google-Settlement aktuell
Bei mir schlagen derzeit die Mails mit Neuigkeiten schneller auf, als ich lesen kann - kein Wunder, der Termin 5. Mai steht ins Haus. Ich bedanke mich ganz herzlich bei meinen Informanten, ohne die ich in Frankreich abgeschnitten wäre. Und entschuldige mich, wenn ich jetzt das Wichtigste quasi im Sauritt knapp zusammen fasse, denn ich habe Arbeit haufenweise...
VG WORT
Mathias Mala vom bayrischen Schriftstellerverband gab mir die News zur Veranstaltung der VG Wort, die in München gelaufen war, ich zitiere mit freundlicher Genehmigung:
- Die Frist für den Opt out wird voraussichtlich bis zum 6. Juli verlängert (s.u. Perry).
- Die VG Wort wird die Rechte der Autoren und Verleger gegenüber Google im Vergleichsverfahren wahrnehmen. Eine Benachrichtigung zur Satzungsänderung wird verschickt, wer nicht mit dieser Rolle der VG Wort einverstanden ist, muss widersprechen.
- Die VG Wort wird dem Vergleich nicht widersprechen.
"Sie wird jedoch in der gesetzten Frist Namens der von ihr vertretenen Autoren ein Removel der eingescannten Bücher verlangen und Mittler bei den individuellen Rechten sein, die Google danach wahrnehmen möchte. Aus gleichem Grund wird sie das Inkasso der viel zitierten 60 $ für die von ihr vertretenen Verleger und Autoren vornehmen. Wesentlich ist, dass der Vergleich ausschließlich für die USA gilt und - so wollen wir hoffen - nicht präjudizierend auf andere Länder wirkt."
Ich habe dann nachgefragt, ob die Angst begründet sei, der man in einigen Foren und Blogs begegnet, wo AutorInnen befürchten, die VG Wort würde sich grundsätzlich zur Verwalterin oder gar Bestimmerin über die Rechte vergriffener Bücher machen. Diese Angst ist aus einer miss- und unverständlichen Formulierung der VG Wort in ihrem Formbrief entstanden, viele waren verwirrt, weil ja schon die meisten Verlagsverträge eine solche Rechteübertragung gar nicht zuließen.
Dazu noch einmal Mathias Mala:
"Die Fama, die VG Wort wolle sich quasi zum Superagenten für vergriffene Bücher mausern, entbehrt jeder Grundlage. Vielmehr wird sich die VG Wort allein durch ihre Kompetenz, Zweitrechte zu taxieren, zu verwalten, das Inkasso und die Verteilung vorzunehmen, als natürlicher Partner anbieten. So geschehen u. a. durch die Aufforderung von Börsenverein und VS. Zudem arbeitet sie bei der Einschätzung des Vergleichs eng mit den anderen beiden deutschsprachigen Literatur-Verwertungsgesellschaften zusammen (proLiteris und Litera Mechana). In jedem Falle wird sie nur Mittler sein, ähnlich wie sie dies bei der Verwaltung des kleinen Senderechtes oder bei der Schulbuchregelung bereits ist."
HEIDELBERGER APPELL
Noch kommt von der deutschen Politik nur Weichgespültes, deutsche Interessensvertreter hoffen nun auf Impulse aus dem europäischen Ausland.
Infos von Roland Reuss:
- Vorgestern erreichten Amerikaner beim Richter, dass der Opt-out-Termin 5.5.2009 vielleicht verschoben wird. Verschiedene Copyright-Halter haben den Richter um mehr Bedenkzeit gebeten, weil es um einen unumkehrbaren Präzedenzfall geht, in dem AutorInnen und Verlage dringend mehr Bedenkzeit brauchen. Noch steht ein Datum nicht fest, auch das Verschieben ist nicht ganz sicher.
Der amerikanische Schriftsteller Michael W. Perry hat Roland Reuss gemailt und sich hocherfreut über das Engagement europäischer Schriftsteller und Verlagsmitarbeiter gezeigt, von dem auch die amerikanischen Kritiker des Google-Vorhabens Verstärkung erwarten.
Auf seiner Website gibt Perry nicht nur News in der Sache selbst, sondern den Brief an den Richter mit der Bitte um Aufschub. Wer sich an dieser dringenden und extrem eiligen Bitte beteiligen will (man redet von einer Entscheidung "Mitte der Woche"), um den amerikanischen KollegInnen mehr Stimme zu verleihen, kann sich an diesem Text orientieren. Leider ist der Richter nicht per Mail zu erreichen.
Man kann sich aber auch direkt an die Anwaltskanzleien wenden, die Gruppenvertretung machen. Für die Gruppe der Autoren (author subclass) ist das Boni & Zacks LLC (mailto:bookclaims@bonizack.com) und für die Gruppe der Verleger (publisher subclass) Jeffrey P. Cunard, Esq. and Bruce B. Keller, Esq. (mailto:bookclaims@debevoise.com)
Und immer mal wieder in die entsprechenden Webseiten schauen, es kann sein, dass sich mein Beitrag demnächst überholt hat, weil Richter Denny Chin eine Entscheidung bekannt gibt.
Meine privat-subjektive Empfehlung für noch Unsichere und Zaudernde (keine Gewähr für nichts):
Die Vertretung durch die VG-Wort wird natürlich für Autoren sehr viel mehr Gewicht und Durchsetzungskraft haben, als wenn sich jeder einzeln durchschlagen müsste. Allerdings wird dadurch auch der Vergleich der Amerikaner zuerst einmal akzeptiert. Die VG Wort kann dann zusammen mit anderen Organisationen und Verbänden versuchen, bessere Konditionen zu erarbeiten.
Wer mit dem Vergleich grundsätzlich nicht einverstanden ist oder dagegen klagen möchte, muss das allein durchkämpfen. Dabei kann man sich entweder obigen Anwaltskanzleien anschließen oder einen eigenen Anwalt beauftragen, der in den USA tätig werden kann. Was das finanziell und nervlich bedeutet, kann man sich vorstellen.
Tja, und wenn die Politiker außerhalb des selbstbeschaulichen Wahlkampfs auch noch für die zweitstärkste Branche im Land, nämlich die Kultur, etwas übrig hätten, hätten sie schon lang in den USA Dampf gemacht und unmissverständlich klargestellt, dass man Europa nicht einfach überfahren kann. Aber Schriftsteller bauen eben keine Autos (und können vielleicht auch irgendwann keine mehr fahren) ...
Deshalb sammelt der Heidelberger Appell fleißig weiter Unterschriften, vielleicht wachen die Damen und Herren in der Politik ja eines Tages auf, wenn alle Termine abgelaufen sind.
PS: Wenn ich mir übrigens inzwischen die Updates in Sachen Open Access spare, liegt das nicht etwa daran, dass ich zur Gattung der naiven Lemminge gehöre. Doch aus Zeitmangel in meinem Privatblog nur egozentrisch Relevantes, das mich selbst unmittelbar und plötzlich betrifft - und damit auch viele KollegInnen. Für alle weiteren Infos, Open Access betreffend, empfehle ich die entsprechenden Infos auf anderen Webseiten. Endlich mal keine Polemik, sondern den Versuch eines Dialogs gibt es hier und hier.
Edit: Frisch aus dem Börsenblatt: Der Richter hat den Termin für das opt-out vom ursprünglich 5.Mai auf Anfang September verlängert!
VG WORT
Mathias Mala vom bayrischen Schriftstellerverband gab mir die News zur Veranstaltung der VG Wort, die in München gelaufen war, ich zitiere mit freundlicher Genehmigung:
- Die Frist für den Opt out wird voraussichtlich bis zum 6. Juli verlängert (s.u. Perry).
- Die VG Wort wird die Rechte der Autoren und Verleger gegenüber Google im Vergleichsverfahren wahrnehmen. Eine Benachrichtigung zur Satzungsänderung wird verschickt, wer nicht mit dieser Rolle der VG Wort einverstanden ist, muss widersprechen.
- Die VG Wort wird dem Vergleich nicht widersprechen.
"Sie wird jedoch in der gesetzten Frist Namens der von ihr vertretenen Autoren ein Removel der eingescannten Bücher verlangen und Mittler bei den individuellen Rechten sein, die Google danach wahrnehmen möchte. Aus gleichem Grund wird sie das Inkasso der viel zitierten 60 $ für die von ihr vertretenen Verleger und Autoren vornehmen. Wesentlich ist, dass der Vergleich ausschließlich für die USA gilt und - so wollen wir hoffen - nicht präjudizierend auf andere Länder wirkt."
Ich habe dann nachgefragt, ob die Angst begründet sei, der man in einigen Foren und Blogs begegnet, wo AutorInnen befürchten, die VG Wort würde sich grundsätzlich zur Verwalterin oder gar Bestimmerin über die Rechte vergriffener Bücher machen. Diese Angst ist aus einer miss- und unverständlichen Formulierung der VG Wort in ihrem Formbrief entstanden, viele waren verwirrt, weil ja schon die meisten Verlagsverträge eine solche Rechteübertragung gar nicht zuließen.
Dazu noch einmal Mathias Mala:
"Die Fama, die VG Wort wolle sich quasi zum Superagenten für vergriffene Bücher mausern, entbehrt jeder Grundlage. Vielmehr wird sich die VG Wort allein durch ihre Kompetenz, Zweitrechte zu taxieren, zu verwalten, das Inkasso und die Verteilung vorzunehmen, als natürlicher Partner anbieten. So geschehen u. a. durch die Aufforderung von Börsenverein und VS. Zudem arbeitet sie bei der Einschätzung des Vergleichs eng mit den anderen beiden deutschsprachigen Literatur-Verwertungsgesellschaften zusammen (proLiteris und Litera Mechana). In jedem Falle wird sie nur Mittler sein, ähnlich wie sie dies bei der Verwaltung des kleinen Senderechtes oder bei der Schulbuchregelung bereits ist."
HEIDELBERGER APPELL
Noch kommt von der deutschen Politik nur Weichgespültes, deutsche Interessensvertreter hoffen nun auf Impulse aus dem europäischen Ausland.
Infos von Roland Reuss:
- Vorgestern erreichten Amerikaner beim Richter, dass der Opt-out-Termin 5.5.2009 vielleicht verschoben wird. Verschiedene Copyright-Halter haben den Richter um mehr Bedenkzeit gebeten, weil es um einen unumkehrbaren Präzedenzfall geht, in dem AutorInnen und Verlage dringend mehr Bedenkzeit brauchen. Noch steht ein Datum nicht fest, auch das Verschieben ist nicht ganz sicher.
Der amerikanische Schriftsteller Michael W. Perry hat Roland Reuss gemailt und sich hocherfreut über das Engagement europäischer Schriftsteller und Verlagsmitarbeiter gezeigt, von dem auch die amerikanischen Kritiker des Google-Vorhabens Verstärkung erwarten.
Auf seiner Website gibt Perry nicht nur News in der Sache selbst, sondern den Brief an den Richter mit der Bitte um Aufschub. Wer sich an dieser dringenden und extrem eiligen Bitte beteiligen will (man redet von einer Entscheidung "Mitte der Woche"), um den amerikanischen KollegInnen mehr Stimme zu verleihen, kann sich an diesem Text orientieren. Leider ist der Richter nicht per Mail zu erreichen.
Man kann sich aber auch direkt an die Anwaltskanzleien wenden, die Gruppenvertretung machen. Für die Gruppe der Autoren (author subclass) ist das Boni & Zacks LLC (mailto:bookclaims@bonizack.com) und für die Gruppe der Verleger (publisher subclass) Jeffrey P. Cunard, Esq. and Bruce B. Keller, Esq. (mailto:bookclaims@debevoise.com)
Und immer mal wieder in die entsprechenden Webseiten schauen, es kann sein, dass sich mein Beitrag demnächst überholt hat, weil Richter Denny Chin eine Entscheidung bekannt gibt.
Meine privat-subjektive Empfehlung für noch Unsichere und Zaudernde (keine Gewähr für nichts):
Die Vertretung durch die VG-Wort wird natürlich für Autoren sehr viel mehr Gewicht und Durchsetzungskraft haben, als wenn sich jeder einzeln durchschlagen müsste. Allerdings wird dadurch auch der Vergleich der Amerikaner zuerst einmal akzeptiert. Die VG Wort kann dann zusammen mit anderen Organisationen und Verbänden versuchen, bessere Konditionen zu erarbeiten.
Wer mit dem Vergleich grundsätzlich nicht einverstanden ist oder dagegen klagen möchte, muss das allein durchkämpfen. Dabei kann man sich entweder obigen Anwaltskanzleien anschließen oder einen eigenen Anwalt beauftragen, der in den USA tätig werden kann. Was das finanziell und nervlich bedeutet, kann man sich vorstellen.
Tja, und wenn die Politiker außerhalb des selbstbeschaulichen Wahlkampfs auch noch für die zweitstärkste Branche im Land, nämlich die Kultur, etwas übrig hätten, hätten sie schon lang in den USA Dampf gemacht und unmissverständlich klargestellt, dass man Europa nicht einfach überfahren kann. Aber Schriftsteller bauen eben keine Autos (und können vielleicht auch irgendwann keine mehr fahren) ...
Deshalb sammelt der Heidelberger Appell fleißig weiter Unterschriften, vielleicht wachen die Damen und Herren in der Politik ja eines Tages auf, wenn alle Termine abgelaufen sind.
PS: Wenn ich mir übrigens inzwischen die Updates in Sachen Open Access spare, liegt das nicht etwa daran, dass ich zur Gattung der naiven Lemminge gehöre. Doch aus Zeitmangel in meinem Privatblog nur egozentrisch Relevantes, das mich selbst unmittelbar und plötzlich betrifft - und damit auch viele KollegInnen. Für alle weiteren Infos, Open Access betreffend, empfehle ich die entsprechenden Infos auf anderen Webseiten. Endlich mal keine Polemik, sondern den Versuch eines Dialogs gibt es hier und hier.
Edit: Frisch aus dem Börsenblatt: Der Richter hat den Termin für das opt-out vom ursprünglich 5.Mai auf Anfang September verlängert!
28. April 2009
Rätsel Folge 1

Frage: Wie hieß dieses Hotel 1913? Vom Namen brauchen wir den ersten Buchstaben. Da es eine deutsche und eine französische Bezeichnung gab - den ersten Buchstaben der deutschen oder den ersten Buchstaben der französischen ohne das Wort Hotel. (Und nein, es ist nicht der gleiche Name wie der heutige!)
Kleine Hilfe:
Das heute noch berühmte Hotel steht in der Stadt, in der ich am 14. Juli 09 auftreten werde (s. Blog). Um in die Jugendstil-Gartenanlage zu gelangen, in der ich lesen werde, muss man an diesem Hotel vorbeilaufen. Foto ist vergrößerbar (klick) und enthält auch einen Hinweis zur Recherche.
Und keine Angst, falls das Rätsel zu schwer sein sollte - gegen Ende der Rätselei werde ich evtl. weitere Hilfen geben. Jetzt arbeite ich aber erst einmal an einer Grundanleitung für die nächsten Tage. Erst einmal also nichts einsenden, sondern nur den Buchstaben merken! Gefragt ist nachher nur das Lösungswort, das die gesammelten Buchstaben ergeben.
27. April 2009
Vorankündigung zum Geheimprojekt
Noch rede ich ja nur von meinem "Dingens", wenn ich über das Hörprojekt aus Text und Musik rede, an dem ich derzeit schreibe. Voraussichtlich im September wird es im Hörbuchverlag "Der Diwan" erscheinen. Wer aufmerksam dieses Blog liest, wird auch erfahren haben, dass der Erscheinungstermin in diesem Jahr etwas Besonderes wird. Dieser Zu-Fall war ursprünglich nicht geplant, uns holte plötzlich und unverhofft die Weltgeschichte ein. 2009 wird der Gegenstand unseres Projekts, den es ja wirklich gab, in einem großen Jubiläum weltweit gefeiert.
Aus diesem Grund wird das Geheimnis auch recht früh gelüftet werden - die Autorin grübelt bereits über Textmaterial für den Verlagskatalog.
Und wir dachten uns, warum das Geheimnis nicht noch ein wenig spannender machen? Mit einem Ratespiel? Gesagt... getan...
Frisch zum Erscheinen werden fünf "Dingens" vom Hörbuchverlag "Der Diwan" zur Verlosung gestiftet werden. Damit die aber nicht von Gewinnspiel-Robots und sonstigen virtuellen Fantasiefiguren abgegriffen werden und das Ganze nicht zu einfach wird, plant die Autorin ein über längere Zeit angelegtes Ratespiel. Dabei müssen Buchstaben aus den Lösungsantworten gesammelt werden, die zum Schluss ein Lösungwort oder einen Lösungssatz ergeben werden. Raten müssen also auch die, die zu wissen glauben. Die Fragen werden mit der Zeit oder mit interessanten Randthemen zu "Dingens" zu tun haben.
Damit schlagen wir alle Fliegen mit einer Klappe: Wem die Rätsel Spaß machen, dem wird auch der Gewinn Spaß machen!
Wer Lust hat, häppchenweise das Geheimnis zu lüften und mitzuraten: Ich werde demnächst eine Anleitungsseite dazu basteln und hier im Blog die erste Frage stellen. Es lohnt sich also, immer mal wieder vorbeizuschauen!
Aus diesem Grund wird das Geheimnis auch recht früh gelüftet werden - die Autorin grübelt bereits über Textmaterial für den Verlagskatalog.
Und wir dachten uns, warum das Geheimnis nicht noch ein wenig spannender machen? Mit einem Ratespiel? Gesagt... getan...
Frisch zum Erscheinen werden fünf "Dingens" vom Hörbuchverlag "Der Diwan" zur Verlosung gestiftet werden. Damit die aber nicht von Gewinnspiel-Robots und sonstigen virtuellen Fantasiefiguren abgegriffen werden und das Ganze nicht zu einfach wird, plant die Autorin ein über längere Zeit angelegtes Ratespiel. Dabei müssen Buchstaben aus den Lösungsantworten gesammelt werden, die zum Schluss ein Lösungwort oder einen Lösungssatz ergeben werden. Raten müssen also auch die, die zu wissen glauben. Die Fragen werden mit der Zeit oder mit interessanten Randthemen zu "Dingens" zu tun haben.
Damit schlagen wir alle Fliegen mit einer Klappe: Wem die Rätsel Spaß machen, dem wird auch der Gewinn Spaß machen!
Wer Lust hat, häppchenweise das Geheimnis zu lüften und mitzuraten: Ich werde demnächst eine Anleitungsseite dazu basteln und hier im Blog die erste Frage stellen. Es lohnt sich also, immer mal wieder vorbeizuschauen!
Lesererwärmung
Sachbuchautoren nennen die Spezies hinter vorgehaltener Hand "Superstudienräte". Wohl jeder, der einmal ein Sachbuch geschrieben oder einen Vortrag gehalten hat, kennt diese Männer aus der letzten Reihe (ich sage bewusst Männer, weil mir noch nie eine derartige Frau untergekommen ist), die nur darauf warten, dass man an der falschen Stelle hustet oder womöglich einen weltgravierenden Fehler eingebaut hat. Und dann steht dieser Mensch plötzlich auf, mit einem donnernden "ja aber!", reißt die Rede an sich und klärt das Publikum darüber auf, warum eigentlich er das Buch hätte schreiben müssen.
Ich hatte mal ein besonders faszinierendes Exemplar von Superstudienrat in einem Vortrag, wo ich selbst fotografierte Fotos von Newgrange in Irland zeigte und darüber erzählte. Prompt stand ein Männlein in der letzten Reihe senkrecht und holte zum Rundumschlag gegen Frauen aus, die ach so inkompetent und intuitionsgesteuert über Einbildungen faselten. Also, er sei mehrfach und regelmäßig als wichtiger Fachmann in Newgrange gewesen, und was ich da auf Bildern zeigte, existiere so einfach nicht, dafür lege er die Hand ins Feuer. Folgte eine Suada gegen meine an der Vita abzulesende Inkompetenz, rein fachlich, studienhalber. Schließlich sei ich ja nur Journalistin und das ein journalistentypisches Gehabe. Dann natürlich die Aufzählung seiner zweifelhaften Meriten, die darin gipfelten, dass er sich mehrfach bei den bösen Journalisten des SWR beworben habe.
Das graue Mäuschen an seiner Seite erblühte sichtlich und warf ihrem Ehegespons bewundernde Blicke zu. Dadurch wuchs das Männchen - aber Unterbrechungen dieser freundlichen Art kann man schließlich nicht dulden, zumal das Publikum bereits unruhig wurde. Ich kenne heute den Witz nicht mehr, mit dem ich ihm den Wind aus den Segeln nahm, das Publikum zum Lachen brachte und Mäuschen zu funkelbösen Blicken auf ihren Gespons, weil dem die Kraft erstarb. Jedenfalls zeigte ich weiter meine erfundenen Fotos mit Sachen, die es gar nicht gibt. Die meine Kamera da hin gezaubert hatte. Um später zu erfahren, dass der Mann einschlägig bekannt war, vor allem bei den ach so bösen Journalisten, die ihn einfach nicht schreiben lassen wollten...
Journalisten sind immer gut für solche Hahnenkämpfe. Sie lernen in ihrer Ausbildung, über alles schreiben zu können. Sie dürfen mehr als andere, haben Formen für sachliche Nachrichten ebenso wie für emotionalere Features oder Meinungskommentare. Sie vertiefen sich in ihre Fachgebiete, lernen lebenslänglich und haben keine Zeit, für jede Sonderdisziplin einen Doktortitel zu erwerben. Sie schreiben Bücher, weil sie Schreiben gelernt haben. Sie schreiben Bücher, obwohl andere vielleicht mehr Spezialwissen haben - aber eben deshalb, weil sie wirklich allgemeinverständlich - und vor allem unabhängig - schreiben können. Sie sind deshalb angreifbar. Und auch, weil sie ja "nur" Autoren sind.
Ein wirklich köstlich schillerndes Beispiel dessen, was man mit jener Spezies so erleben kann, dokumentieren die Sachbuchautoren Miersch und Maxeiner hier. Sie erhielten nämlich plötzlich Kritik über ein neun Jahre altes Buch ... und bewiesen eine bewundernswerte Engelsgeduld!
Ich hatte mal ein besonders faszinierendes Exemplar von Superstudienrat in einem Vortrag, wo ich selbst fotografierte Fotos von Newgrange in Irland zeigte und darüber erzählte. Prompt stand ein Männlein in der letzten Reihe senkrecht und holte zum Rundumschlag gegen Frauen aus, die ach so inkompetent und intuitionsgesteuert über Einbildungen faselten. Also, er sei mehrfach und regelmäßig als wichtiger Fachmann in Newgrange gewesen, und was ich da auf Bildern zeigte, existiere so einfach nicht, dafür lege er die Hand ins Feuer. Folgte eine Suada gegen meine an der Vita abzulesende Inkompetenz, rein fachlich, studienhalber. Schließlich sei ich ja nur Journalistin und das ein journalistentypisches Gehabe. Dann natürlich die Aufzählung seiner zweifelhaften Meriten, die darin gipfelten, dass er sich mehrfach bei den bösen Journalisten des SWR beworben habe.
Das graue Mäuschen an seiner Seite erblühte sichtlich und warf ihrem Ehegespons bewundernde Blicke zu. Dadurch wuchs das Männchen - aber Unterbrechungen dieser freundlichen Art kann man schließlich nicht dulden, zumal das Publikum bereits unruhig wurde. Ich kenne heute den Witz nicht mehr, mit dem ich ihm den Wind aus den Segeln nahm, das Publikum zum Lachen brachte und Mäuschen zu funkelbösen Blicken auf ihren Gespons, weil dem die Kraft erstarb. Jedenfalls zeigte ich weiter meine erfundenen Fotos mit Sachen, die es gar nicht gibt. Die meine Kamera da hin gezaubert hatte. Um später zu erfahren, dass der Mann einschlägig bekannt war, vor allem bei den ach so bösen Journalisten, die ihn einfach nicht schreiben lassen wollten...
Journalisten sind immer gut für solche Hahnenkämpfe. Sie lernen in ihrer Ausbildung, über alles schreiben zu können. Sie dürfen mehr als andere, haben Formen für sachliche Nachrichten ebenso wie für emotionalere Features oder Meinungskommentare. Sie vertiefen sich in ihre Fachgebiete, lernen lebenslänglich und haben keine Zeit, für jede Sonderdisziplin einen Doktortitel zu erwerben. Sie schreiben Bücher, weil sie Schreiben gelernt haben. Sie schreiben Bücher, obwohl andere vielleicht mehr Spezialwissen haben - aber eben deshalb, weil sie wirklich allgemeinverständlich - und vor allem unabhängig - schreiben können. Sie sind deshalb angreifbar. Und auch, weil sie ja "nur" Autoren sind.
Ein wirklich köstlich schillerndes Beispiel dessen, was man mit jener Spezies so erleben kann, dokumentieren die Sachbuchautoren Miersch und Maxeiner hier. Sie erhielten nämlich plötzlich Kritik über ein neun Jahre altes Buch ... und bewiesen eine bewundernswerte Engelsgeduld!
Das richtige Buch zur richtigen Zeit
Romane schreiben als das Kosten von der Fülle der Welt - dieser Gedanke steht in einem Buch, dass ich schon nach nur 76 Seiten heiß empfehlen will.
Wer mich etwas kennt, weiß, dass ich für Schreibratgeber nicht viel übrig habe, für die der amerikanischen verdammt bestsellerverdächtigen Art schon gar nicht. Ich habe damit zwei Probleme: Entweder bereiten sie auf, was ein grundlegender Deutschunterricht lange vor dem professionellen Schreiben leisten müsste (meiner hat zum Glück noch mehr geleistet) - oder sie haben mit "meinem" Schreiben schlicht überhaupt nichts zu tun. Natürlich habe ich einige von ihnen gelesen (weil man das angeblich muss, wenn man Schriftsteller sein will) und natürlich habe ich versucht, einiges umzusetzen (weil es doch stimmen muss, wenn so viele KollegInnen jubeln). Ich will nicht leugnen, dass ich gar nichts gelernt habe. Ich weiß z.B. jetzt, was ein Dreiaktschema ist, das ich im Theater erahnt hatte - und dass ich mir all das neumodische Gesabbel über mythische Heldenreisen sparen kann, weil ich dazu im Theologiestudium Spannenderes gelernt habe - nicht zuletzt anhand von historischer Literatur.
Trotzdem waren meine Erkenntnisse anderer Art: Warum generiere ich damit Texte, die nicht die meinen sind, aber vielleicht lesbar, verkäuflich? Warum befreien mich diese Methoden garantiert von jeder Schreiblust? Und warum finde ich in diesen Ratgebern keine Antworten, was bei mir anders läuft und damit angeblich "nicht richtig tickt"? Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass im Schreiben alles, wirklich alles erlaubt ist - nur keine besserwisserischen Oberlehrer.
Jetzt halte ich ein völlig anderes Buch in Händen: "Wie Romane entstehen" von Hanns-Josef Ortheil und Klaus Siblewski. Es ist eines dieser Bücher, die genau zum richtigen Zeitpunkt vor einem liegen. Ich habe mich festgelesen wie im spannendsten Krimi, weil ich ständig "heureka" schreien wollte. Trotz der anfangs gewöhnungsbedürftigen Form einer Vorlesungsreihe fühle ich mich nämlich hochgradig betroffen. Da bin ich gemeint. Und wenn ein anderer das liest, ist dieser andere gemeint. In diesem Buch geht es nicht um "Du sollst" und "man nehme". Scheitern wird, wer hier nach Rezepten sucht, nach Baukästen für den Handwerkerkoffer, nach eindeutigen Antworten. Noch lese ich an Ortheils Passagen, in denen er Beispiele aus dem eigenen Schaffen und aus der Literatur bringt. Und ich stelle mit Verblüffen fest, das all das, was sich in mir gegen Ratgeber sträubt, was ich als scheinbare Schrullen ansehe, wo ich "anders" bin als mein Bäcker oder Präsident, all das genau die Berufsvoraussetzung ist, die ich brauche. Die ich nicht mehr verstecken sollte, nur weil alle anderen alles anders machen.
Ortheil geht der Frage nach, was eigentlich in einem Schriftsteller passiert, lange bevor er auch nur die Idee zum Roman hat. Fast wie ein Ethnologe schaut er nach, ob es eine "Romandisposition" gibt, ob Romanautoren anders wahrnehmen - und wenn ja wie. Es geht nicht darum zu zeigen, wie man einen möglichst marktgängigen oder idealen Roman schreibt, sondern darum zu verstehen, wie jemand mit dieser Anlage des Geschichtenerzählens geschlagen wird und dem "Romanvirus" anheimfällt. Und da liegt der Hauptunterschied zu allen Ratgebern über das Schreiben: Der Literat lässt Chaos und Experimentierfreiheit sehr viel länger und intensiver zu, arbeitet mit lebendigen, sich ständig verändernden Strukturen - und schafft doch daraus eine scheinbar geordnete Welt, einen neuen Kosmos.
Weil der Autor selbst schreibt und die Entstehungsgeschichten von Literatur kennt, kann er vortrefflich vom Eingemachten erzählen. Was habe ich schmunzeln müssen, als ich meine schlimmste Marotte, die verschiedenen "Welthefte", in ähnlicher Form bei ihm wiederfand. Ich habe ein Heft der Kuriosen Begebenheiten, ein Beobachtungsbüchlein und ein Sammelheft für Zitate und Gedanken. Ich lege Hefte für Wildes Denken an und jeder Buchkeimling bekommt eine eigene dicke Kladde, in der ich wild alles sammle, konstruiere, male, schreibe, entwerfe. Ich wusste nicht, dass es Menschen gibt, die das auch tun! Ich glaubte fast, die KollegInnen seien viel ordentlicher und zielgerichteter, mit Software zum Plotten oder Millimeterpapier. Doch bei der reinen Beobachtung und Sammlung bleibt Ortheil nicht stehen.
Er analysiert, was da passiert. Wenn er untersucht, wie aus einem Archiv der Notizen ein Archiv der Erinnerungen wird oder welche Wahrnehmungsweise hinter einer "Welt-Mitschrift" steht, dann versucht er einerseits eine moderne Poetologie des Romans. Andererseits gibt er dem Autor Erkenntniswerkzeuge an die Hand, Ansatzpunkte für Fragen. Ich lerne also nicht, wie man einen Roman schreibt, ich lerne durch dieses Buch, wer ich bin, warum ich so und nicht anders funktioniere - und welche Möglichkeiten mir all diese Eigenheiten bieten. Ich lerne bei seinen Vorlesungen, mich genauer zu beobachten und meinem Text gegenüber völlig neue Fragen zu stellen. Fragen, deren Beantwortung nicht an der Oberfläche liegt, sondern in meinem tiefsten Innern.
So habe ich schon nach den ersten Seiten ein großes persönliches Rätsel gelöst. Ich verzweifle gern, weil mir meine Hauptfiguren seltsam blass und leblos erscheinen und Nebenfiguren viel lebendiger zu geraten scheinen. Bisher versuchte ich, das auf herkömmliche Weise zu regeln, Biografie ausdenken, Dialoge führen etc. Es führte nur zu Scheinleben. Bei meinem letzten Exposé sagte mir auch jemand: Ich dachte, die andere sei die Hauptfigur. Jetzt habe ich das Phänomen verstanden. Ich habe genau die falschen Methoden angewandt. Ich habe zu wenig Chaos, Leben und Freiheit zugelassen. Ich habe mir nicht erlaubt, was Ortheil den "offenen Text" nennt. Jetzt weiß ich, Figuren dürfen durchaus andere verdrängen - und tun das häufiger, als ich es mir vorstellen kann. Ich weiß jetzt, warum mir jemand näher steht, dem ich aus angeblich dramaturgischer Vernunft nur eine Nebenrolle zugestehen will...
Wie gesagt, nur 76 Seiten von 283 habe ich bisher gelesen (zu Siblewski kann ich noch nichts sagen) - aber die mit Gewinn. Und diesen Gewinn hat man eher, wenn man aktiv reflektierend liest und keine fertigen Antworten erwartet. "Wie Romane entstehen" scheint mir ein Buch zur Förderung der Selbsterkenntnis zu sein, ein manchmal fast ethnologischer bis philosophischer Einblick ins Schriftstellerdenken. Ideale Lektüre für AutorInnen von Romanen, aber sicher auch interessant für LaiInnen, die einmal wissen wollen, warum unsereins so komisch tickt oder wie diese Wunderwelten auf Papier eigentlich zustande kommen.
Wer mich etwas kennt, weiß, dass ich für Schreibratgeber nicht viel übrig habe, für die der amerikanischen verdammt bestsellerverdächtigen Art schon gar nicht. Ich habe damit zwei Probleme: Entweder bereiten sie auf, was ein grundlegender Deutschunterricht lange vor dem professionellen Schreiben leisten müsste (meiner hat zum Glück noch mehr geleistet) - oder sie haben mit "meinem" Schreiben schlicht überhaupt nichts zu tun. Natürlich habe ich einige von ihnen gelesen (weil man das angeblich muss, wenn man Schriftsteller sein will) und natürlich habe ich versucht, einiges umzusetzen (weil es doch stimmen muss, wenn so viele KollegInnen jubeln). Ich will nicht leugnen, dass ich gar nichts gelernt habe. Ich weiß z.B. jetzt, was ein Dreiaktschema ist, das ich im Theater erahnt hatte - und dass ich mir all das neumodische Gesabbel über mythische Heldenreisen sparen kann, weil ich dazu im Theologiestudium Spannenderes gelernt habe - nicht zuletzt anhand von historischer Literatur.
Trotzdem waren meine Erkenntnisse anderer Art: Warum generiere ich damit Texte, die nicht die meinen sind, aber vielleicht lesbar, verkäuflich? Warum befreien mich diese Methoden garantiert von jeder Schreiblust? Und warum finde ich in diesen Ratgebern keine Antworten, was bei mir anders läuft und damit angeblich "nicht richtig tickt"? Ich habe lange gebraucht, um zu verstehen, dass im Schreiben alles, wirklich alles erlaubt ist - nur keine besserwisserischen Oberlehrer.
Jetzt halte ich ein völlig anderes Buch in Händen: "Wie Romane entstehen" von Hanns-Josef Ortheil und Klaus Siblewski. Es ist eines dieser Bücher, die genau zum richtigen Zeitpunkt vor einem liegen. Ich habe mich festgelesen wie im spannendsten Krimi, weil ich ständig "heureka" schreien wollte. Trotz der anfangs gewöhnungsbedürftigen Form einer Vorlesungsreihe fühle ich mich nämlich hochgradig betroffen. Da bin ich gemeint. Und wenn ein anderer das liest, ist dieser andere gemeint. In diesem Buch geht es nicht um "Du sollst" und "man nehme". Scheitern wird, wer hier nach Rezepten sucht, nach Baukästen für den Handwerkerkoffer, nach eindeutigen Antworten. Noch lese ich an Ortheils Passagen, in denen er Beispiele aus dem eigenen Schaffen und aus der Literatur bringt. Und ich stelle mit Verblüffen fest, das all das, was sich in mir gegen Ratgeber sträubt, was ich als scheinbare Schrullen ansehe, wo ich "anders" bin als mein Bäcker oder Präsident, all das genau die Berufsvoraussetzung ist, die ich brauche. Die ich nicht mehr verstecken sollte, nur weil alle anderen alles anders machen.
Ortheil geht der Frage nach, was eigentlich in einem Schriftsteller passiert, lange bevor er auch nur die Idee zum Roman hat. Fast wie ein Ethnologe schaut er nach, ob es eine "Romandisposition" gibt, ob Romanautoren anders wahrnehmen - und wenn ja wie. Es geht nicht darum zu zeigen, wie man einen möglichst marktgängigen oder idealen Roman schreibt, sondern darum zu verstehen, wie jemand mit dieser Anlage des Geschichtenerzählens geschlagen wird und dem "Romanvirus" anheimfällt. Und da liegt der Hauptunterschied zu allen Ratgebern über das Schreiben: Der Literat lässt Chaos und Experimentierfreiheit sehr viel länger und intensiver zu, arbeitet mit lebendigen, sich ständig verändernden Strukturen - und schafft doch daraus eine scheinbar geordnete Welt, einen neuen Kosmos.
Weil der Autor selbst schreibt und die Entstehungsgeschichten von Literatur kennt, kann er vortrefflich vom Eingemachten erzählen. Was habe ich schmunzeln müssen, als ich meine schlimmste Marotte, die verschiedenen "Welthefte", in ähnlicher Form bei ihm wiederfand. Ich habe ein Heft der Kuriosen Begebenheiten, ein Beobachtungsbüchlein und ein Sammelheft für Zitate und Gedanken. Ich lege Hefte für Wildes Denken an und jeder Buchkeimling bekommt eine eigene dicke Kladde, in der ich wild alles sammle, konstruiere, male, schreibe, entwerfe. Ich wusste nicht, dass es Menschen gibt, die das auch tun! Ich glaubte fast, die KollegInnen seien viel ordentlicher und zielgerichteter, mit Software zum Plotten oder Millimeterpapier. Doch bei der reinen Beobachtung und Sammlung bleibt Ortheil nicht stehen.
Er analysiert, was da passiert. Wenn er untersucht, wie aus einem Archiv der Notizen ein Archiv der Erinnerungen wird oder welche Wahrnehmungsweise hinter einer "Welt-Mitschrift" steht, dann versucht er einerseits eine moderne Poetologie des Romans. Andererseits gibt er dem Autor Erkenntniswerkzeuge an die Hand, Ansatzpunkte für Fragen. Ich lerne also nicht, wie man einen Roman schreibt, ich lerne durch dieses Buch, wer ich bin, warum ich so und nicht anders funktioniere - und welche Möglichkeiten mir all diese Eigenheiten bieten. Ich lerne bei seinen Vorlesungen, mich genauer zu beobachten und meinem Text gegenüber völlig neue Fragen zu stellen. Fragen, deren Beantwortung nicht an der Oberfläche liegt, sondern in meinem tiefsten Innern.
So habe ich schon nach den ersten Seiten ein großes persönliches Rätsel gelöst. Ich verzweifle gern, weil mir meine Hauptfiguren seltsam blass und leblos erscheinen und Nebenfiguren viel lebendiger zu geraten scheinen. Bisher versuchte ich, das auf herkömmliche Weise zu regeln, Biografie ausdenken, Dialoge führen etc. Es führte nur zu Scheinleben. Bei meinem letzten Exposé sagte mir auch jemand: Ich dachte, die andere sei die Hauptfigur. Jetzt habe ich das Phänomen verstanden. Ich habe genau die falschen Methoden angewandt. Ich habe zu wenig Chaos, Leben und Freiheit zugelassen. Ich habe mir nicht erlaubt, was Ortheil den "offenen Text" nennt. Jetzt weiß ich, Figuren dürfen durchaus andere verdrängen - und tun das häufiger, als ich es mir vorstellen kann. Ich weiß jetzt, warum mir jemand näher steht, dem ich aus angeblich dramaturgischer Vernunft nur eine Nebenrolle zugestehen will...
Wie gesagt, nur 76 Seiten von 283 habe ich bisher gelesen (zu Siblewski kann ich noch nichts sagen) - aber die mit Gewinn. Und diesen Gewinn hat man eher, wenn man aktiv reflektierend liest und keine fertigen Antworten erwartet. "Wie Romane entstehen" scheint mir ein Buch zur Förderung der Selbsterkenntnis zu sein, ein manchmal fast ethnologischer bis philosophischer Einblick ins Schriftstellerdenken. Ideale Lektüre für AutorInnen von Romanen, aber sicher auch interessant für LaiInnen, die einmal wissen wollen, warum unsereins so komisch tickt oder wie diese Wunderwelten auf Papier eigentlich zustande kommen.
- Hanns-Josef Ortheil, Klaus Siblewski: Wie Romane entstehen, Sammlung Luchterhand
- Rezension in "Glanz und Elend"
- Leseprobe (pdf)
- Gespräch Ortheil / Sibleswski im litradio
26. April 2009
Kundenservice
Aufgeregt kam heute die Bitte, einen Kommentar nachträglich aus meinem Blog zu entfernen, weil jemand sich aus Versehen mit vollem Namen präsentiert hatte, der auch mit Website unter eigenem Namen unterwegs ist. Normalerweise komme ich solchen Bitten gern nach, wenn sie nachvollziehbar begründet und wichtig sind. Dumm nur, dass ich im moderierten Modus einmal genehmigte Kommentare nicht mehr in die Mülltonne treten kann. Da halfen auch keine Screenshots, die Mülltonne ist perdu. Müllen geht nur im unmoderierten Modus.
In diesem einen (!) Fall habe ich zur Radikallösung gegriffen und mein eigenes Posting samt aller Kommentare löschen müssen. Ich hab das gemacht, weil es sich nur um mein Konterfei handelte und um völlig harmlose, nette Komplimente von LeserInnen, die ich bereits genossen habe (einschließlich des gelöschten). Ich entschuldige mich hiermit bei allen, deren Kommentare das automatisch mit getroffen hat! Es war eine Ausnahme und es war das letzte Mal.
Allen anderen Menschen möchte ich raten, sich bitte vorher zu überlegen, ob sie zu ihren Kommentaren stehen. Einfach vor dem Klick noch einmal anschauen. Und bitte sich auch überlegen, ob man es sich leisten kann und will, namentlich als Leser oder Leserin meiner Texte identifiziert zu werden. Mir ist durchaus bewusst, dass man durch eine Identifizierung an falschen Weborten seinen Job, Liebhaberinnen oder ein Geheimnis verlieren kann.
Aber keine Angst, ich trete hier auch unter vollem Namen auf und habe dadurch noch keine Nachteile gehabt. Im Gegenteil. Na gut, die Sache mit den Geheimdiensten...
In diesem einen (!) Fall habe ich zur Radikallösung gegriffen und mein eigenes Posting samt aller Kommentare löschen müssen. Ich hab das gemacht, weil es sich nur um mein Konterfei handelte und um völlig harmlose, nette Komplimente von LeserInnen, die ich bereits genossen habe (einschließlich des gelöschten). Ich entschuldige mich hiermit bei allen, deren Kommentare das automatisch mit getroffen hat! Es war eine Ausnahme und es war das letzte Mal.
Allen anderen Menschen möchte ich raten, sich bitte vorher zu überlegen, ob sie zu ihren Kommentaren stehen. Einfach vor dem Klick noch einmal anschauen. Und bitte sich auch überlegen, ob man es sich leisten kann und will, namentlich als Leser oder Leserin meiner Texte identifiziert zu werden. Mir ist durchaus bewusst, dass man durch eine Identifizierung an falschen Weborten seinen Job, Liebhaberinnen oder ein Geheimnis verlieren kann.
Aber keine Angst, ich trete hier auch unter vollem Namen auf und habe dadurch noch keine Nachteile gehabt. Im Gegenteil. Na gut, die Sache mit den Geheimdiensten...
25. April 2009
Vorfreude, buchstabenschwarz
Endlich, endlich, endlich habe ich mal wieder so richtig in die Vollen greifen können und mir ein Kistchen Bücher geschenkt. An Colum McCann, den ich gleich im Paket eingekauft habe, las ich mich heute Nacht bereits fest. Ich hatte kürzlich von einer Freundin "Der Tänzer"geliehen bekommen und war hin und weg. Von seiner ganz und gar besonderen Art der fiktiven Romanbiografie eines realen Menschen (Nurejev), seiner Erzählgewalt, seiner außergewöhnlichen Sprache. Dieses Buch musste ich unbedingt selbst besitzen (um es mehrfach zu lesen) - und andere gleich dazu.
Dann hat die Zuspätgekommene endlich aus der zweiten Auflage Sibylle Lewitscharoffs "Apostoloff" ergattert. Nein, ich lese es nicht wegen des Buchpreises. Es interessiert mich, weil ich selbst vier Jahre lang in Osteuropa gelebt habe und neugierig bin, wie das andere erleben. Ich lese es, weil ich im Moment ein Faible für "Roadmovies" in Buchform habe. Es heißt immer, Reisen kämen als Buch nicht gut. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Reisen als Romanmotiv seit Jonathan Safran Foers Entdeckungsfahrt in die Ukraine in "Alles ist erleuchtet" (und seinem meisterhaft die Sprache verändernden Reiseführer) diese Art des Schreibens geradezu eine Renaissance erlebt. Auch in Aleksandar Hemons "Lazarus" reisen zwei durch Osteuropa. Eigentlich doch logisch, sich der Fremde und dem Fremdgewordenen mit dem Mittel der Reise anzunähern?
Die Polin Olga Tokarczuk geht in ihrem Buch "Unrast" noch einen Schritt weiter. Auf dieses freue ich mich ganz besonders - es hat übrigens im vergangenen Jahr den wichtigsten polnischen Literaturpreis (Nike) bekommen und liegt dank verschiedener Fördermittel bereits jetzt in deutscher Sprache vor. Für Olga Tokarczuk ist das Getriebensein, das Reisen und Flüchten ein Zustand der Moderne - und beim Blättern in ihrem Roman, der aus verschiedensten Textarten und Abbildungen besteht, kann man erahnen, dass die Moderne endlich auch neue experimentellere Formen des Schreibens hervorbringt. Lange hat man sich gefragt, wie sich Internet und verändertes Kommunikationsverhalten auf das Schreiben alter Formen wie der des Romans auswirken könnten. Ich habe den Eindruck, Olga Tokarczuk beantwortet die Frage bereits und könnte mit der Einbindung von Bildern in Text in ähnlicher Tradition stehen wie Foer und Hemon. Aber das kann ich erst nach dem Lesen beurteilen.
Von jemandem in einem Verlag heiß empfohlen wurde mir Margit Schreiners "Haus, Friedens, Bruch", das mal wieder die ideale Bettlektüre für Schriftsteller abgibt. Der messerscharfe und freche Monolog liest sich höchst vergnüglich an und scheint den Literaturbetrieb gründlich aufs Korn zu nehmen. Das Zitat im Werbetext macht Lust: "Ein Schriftsteller muss sein wie seine Leser. Dann hat er auch Probleme wie seine Leser und muss keine Probleme erfinden, die ja doch niemanden interessieren, weil niemand außer dem Schriftsteller sie hat. Ein Schriftsteller kann gar nicht genug Probleme haben." Beide Bücher erscheinen übrigens bei Schöffling & Co., der mir wieder einmal auffällt, weil er Bücher herstellt, die von Druck, Papier und Buchbindung her einfach ein haptisches und sinnliches Vergnügen sind. Wenn man ein Buch schon vor dem Lesen mit solcher Wonne streichelt und berührt, muss man sich um Bücher aus Papier auch in Zukunft nicht sorgen.
Und für etwas konzentriertere Zeiten habe ich mir ein Buch gekauft, das so klingt, als sei es eine Anleitung, und das doch allen einschlägigen Ratgebern der "amerikanischen" Sorte zeigt, dass ernsthaftes und wahrhaftiges Reden über das Schreiben nicht in klaren Mustern und Instantanleitungen möglich ist. Auch wenn es aus Vorlesungen entstanden ist, gibt es keinerlei Schnellrezepte. Die Paarung verspricht Spannung: Hanns-Josef Ortheil, bekannter Schriftsteller und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Uni Hildesheim, tritt mit seinem eigenen Lektor im Luchterhand Literaturverlag, Klaus Siblewski, in einen öffentlichen Dialog. Das Thema: "Wie Romane entstehen".
Und wenn ich das alles und noch viel mehr gelesen habe und bei einem Buch jubeln sollte, gibt's hier natürlich eine Rezension. Vorher sagt mir nur mein kleiner Finger, dass für mich kein Fehlgriff dabei ist - und dass mir dieses Paket zeigt, wie unterschiedlich, reich und faszinierend Literatur auch heute noch ist, wenn man ein wenig nach den Perlen sucht (oder wie ich einen Buchhändler hat, der Perlen führt und empfiehlt). Bücher sind immer noch Welten.
Literaturtipps:
Dann hat die Zuspätgekommene endlich aus der zweiten Auflage Sibylle Lewitscharoffs "Apostoloff" ergattert. Nein, ich lese es nicht wegen des Buchpreises. Es interessiert mich, weil ich selbst vier Jahre lang in Osteuropa gelebt habe und neugierig bin, wie das andere erleben. Ich lese es, weil ich im Moment ein Faible für "Roadmovies" in Buchform habe. Es heißt immer, Reisen kämen als Buch nicht gut. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Reisen als Romanmotiv seit Jonathan Safran Foers Entdeckungsfahrt in die Ukraine in "Alles ist erleuchtet" (und seinem meisterhaft die Sprache verändernden Reiseführer) diese Art des Schreibens geradezu eine Renaissance erlebt. Auch in Aleksandar Hemons "Lazarus" reisen zwei durch Osteuropa. Eigentlich doch logisch, sich der Fremde und dem Fremdgewordenen mit dem Mittel der Reise anzunähern?
Die Polin Olga Tokarczuk geht in ihrem Buch "Unrast" noch einen Schritt weiter. Auf dieses freue ich mich ganz besonders - es hat übrigens im vergangenen Jahr den wichtigsten polnischen Literaturpreis (Nike) bekommen und liegt dank verschiedener Fördermittel bereits jetzt in deutscher Sprache vor. Für Olga Tokarczuk ist das Getriebensein, das Reisen und Flüchten ein Zustand der Moderne - und beim Blättern in ihrem Roman, der aus verschiedensten Textarten und Abbildungen besteht, kann man erahnen, dass die Moderne endlich auch neue experimentellere Formen des Schreibens hervorbringt. Lange hat man sich gefragt, wie sich Internet und verändertes Kommunikationsverhalten auf das Schreiben alter Formen wie der des Romans auswirken könnten. Ich habe den Eindruck, Olga Tokarczuk beantwortet die Frage bereits und könnte mit der Einbindung von Bildern in Text in ähnlicher Tradition stehen wie Foer und Hemon. Aber das kann ich erst nach dem Lesen beurteilen.
Von jemandem in einem Verlag heiß empfohlen wurde mir Margit Schreiners "Haus, Friedens, Bruch", das mal wieder die ideale Bettlektüre für Schriftsteller abgibt. Der messerscharfe und freche Monolog liest sich höchst vergnüglich an und scheint den Literaturbetrieb gründlich aufs Korn zu nehmen. Das Zitat im Werbetext macht Lust: "Ein Schriftsteller muss sein wie seine Leser. Dann hat er auch Probleme wie seine Leser und muss keine Probleme erfinden, die ja doch niemanden interessieren, weil niemand außer dem Schriftsteller sie hat. Ein Schriftsteller kann gar nicht genug Probleme haben." Beide Bücher erscheinen übrigens bei Schöffling & Co., der mir wieder einmal auffällt, weil er Bücher herstellt, die von Druck, Papier und Buchbindung her einfach ein haptisches und sinnliches Vergnügen sind. Wenn man ein Buch schon vor dem Lesen mit solcher Wonne streichelt und berührt, muss man sich um Bücher aus Papier auch in Zukunft nicht sorgen.
Und für etwas konzentriertere Zeiten habe ich mir ein Buch gekauft, das so klingt, als sei es eine Anleitung, und das doch allen einschlägigen Ratgebern der "amerikanischen" Sorte zeigt, dass ernsthaftes und wahrhaftiges Reden über das Schreiben nicht in klaren Mustern und Instantanleitungen möglich ist. Auch wenn es aus Vorlesungen entstanden ist, gibt es keinerlei Schnellrezepte. Die Paarung verspricht Spannung: Hanns-Josef Ortheil, bekannter Schriftsteller und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Uni Hildesheim, tritt mit seinem eigenen Lektor im Luchterhand Literaturverlag, Klaus Siblewski, in einen öffentlichen Dialog. Das Thema: "Wie Romane entstehen".
Und wenn ich das alles und noch viel mehr gelesen habe und bei einem Buch jubeln sollte, gibt's hier natürlich eine Rezension. Vorher sagt mir nur mein kleiner Finger, dass für mich kein Fehlgriff dabei ist - und dass mir dieses Paket zeigt, wie unterschiedlich, reich und faszinierend Literatur auch heute noch ist, wenn man ein wenig nach den Perlen sucht (oder wie ich einen Buchhändler hat, der Perlen führt und empfiehlt). Bücher sind immer noch Welten.
Literaturtipps:
- Colum McCann: Der Tänzer, rororo
- Sibyll Lewitscharoff: Apostoloff, Suhrkamp
- Olga Tokarczuk: Unrast, Schöffling
- Margit Schreiner: Haus, Friedens, Bruch, Schöffling
- Ortheil / Siblewski: Wie Romane entstehen, Sammlung Luchterhand
24. April 2009
Neues zum Heidelberger Appell
Ich mach mal faul copy& paste:
Justizministerin Zypries hat sich heute zum Heidelberger Appell bekannt.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat den Appell unterzeichnet.
Morgen erscheint ein politischer Leitartikel von Frau Sandra Kegel in der FAZ zum Thema, von Roland Reuss wird ein Artikel zum Stand des Appells im Feuilleton gedruckt.
Außerdem hat gestern El País über die Initiative berichtet.
Zitat Roland Reuss:
"Das ist der erste Schritt zu einer Europäisierung der Initiative. Wenn Unterzeichner uns helfen könnten, auch andere Zeitungen in anderen Ländern zur Berichterstattung zu gewinnen, wäre das sehr hilfreich. Und immer noch sammeln wir Unterschriften."
Und das kann man hier machen.
Justizministerin Zypries hat sich heute zum Heidelberger Appell bekannt.
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat den Appell unterzeichnet.
Morgen erscheint ein politischer Leitartikel von Frau Sandra Kegel in der FAZ zum Thema, von Roland Reuss wird ein Artikel zum Stand des Appells im Feuilleton gedruckt.
Außerdem hat gestern El País über die Initiative berichtet.
Zitat Roland Reuss:
"Das ist der erste Schritt zu einer Europäisierung der Initiative. Wenn Unterzeichner uns helfen könnten, auch andere Zeitungen in anderen Ländern zur Berichterstattung zu gewinnen, wäre das sehr hilfreich. Und immer noch sammeln wir Unterschriften."
Und das kann man hier machen.
dolce vita


Auch ein Feiertag muss mal sein. Ich habe heute gefeiert, dass ich seit Einnahme eines Antiallergicums plötzlich meine geheimnisvolle Lungenkrankheit auf einen Schlag los bin. Ich hustete schon wie auf dem Zauberberg. Natürlich habe ich mir gleich eine Kur ohne Kurtaxe gegönnt - inmitten von Blüten (so viel Unvernunft muss sein). Immer noch kein Husten...
Das Leben kann so schön sein, z.B. in der Parallelwelt Baden-Baden:




Bildbeschreibung (zum Vergrößern anklicken):
Üppig blühen überall die Rhododendren und Azaleen. Das Gebäude mit der pinkfarbenen Pracht ist kein Grandhotel, sondern hortet die gesammelten Schätze von Autoren - es ist der Sitz von Media Control. Grand Hotels und Belle Epoque satt gibt es aber entlang der berühmten Lichtentaler Allee, einer englischen Parkanlage mitten in der Stadt. In einem der weltberühmten Grand Hotels (li.o.) habe ich mal als Zimmermädchen gearbeitet und sein Name wird noch nicht verraten, weil es Gegenstand eines Rätsels sein wird. (Li. u.) im Casino hat sich einst Dostojewskij um Kopf und Kragen gespielt und daraus einen Roman gemacht - und gewohnt haben die berühmten Russen meist (re.u.) im Europäischen Hof (und das tun sie heute noch, nur sind sie weniger illuster).
Mehr Baden-Badener Anekdoten gibt es morgen. Jetzt muss ich erst mein neues Lektürepaket genießen!
23. April 2009
Ohne Wünschelrute
... Themen suchen: wie geht das? Eben staune ich Bauklötzchen im Kulturmanagement Blog, wo es feine technische Anleitungen gibt, wie man via Social Web auf Blogthemen kommen kann (Teil 1+2+3). Ich dachte bisher, als Frau würde man wertvolle Lebenszeit im Bad vertrödeln (Vorsicht Klischee, neueste Umfragen bescheinigen das den Männern) oder zu viel herumtratschen (Vorsicht Klischee, siehe Stammtisch). Nun lerne ich jedoch, dass ich für die Themensuche, die jedem Autor über kurz oder lang droht, eine Menge Schnickschnack und Social Software und Add-ons und Getwittere und Tools und Accounts und Log-Ins, womöglich auch noch in der Betaversion, uff ... und dann?
Ich bin eindeutig nicht mehr up-to-date, aber Schriftstellern unkt man ja nach, dass sie hoffnungslos technikfeindlich und reaktionär seien. Ich gehe einkaufen und habe mindestens drei Themen in der Tasche. Ich muss mir das Getwittere beim Bäcker anhören und schon ist eine Satire geboren. Freunde treffe ich vorwiegend von Angesicht zu Angesicht, also Face, nur ohne Book, manchmal auch mit. Schon platzen wir gemeinsam die Themen heraus. Manchmal finde ich eins auf der Straße. Viele Themen drängeln sich, quaken von einer Warteliste, wann sie endlich in mein Blog dürfen. Woher kommt all das Zeug? Wo ich doch webtechnisch absolut unsocial bin, ja geradezu asozial. Noch macht es in meinem Kopf nämlich Heureka und nicht Xing.
Früher hatte ich ja mal Angst, mir fiele plötzlich irgendwann kein Buchthema mehr ein. Damals, als blutige Anfängerin, glaubte ich, man müsse Ideendatenbanken für schlechte Zeiten anlegen. Auf meinem Computer lagern lachhafte Ordner à la "Wenn ich groß bin, will ich eine echte Idee für ein Buch werden". Sie sind alle abgeheftet im Superordner "Müll, aber irgendwie zu schad zum Wegwerfen, weil so schön lächerlich". Betabücher statt Betaversionen.
Hach, ich stell mir das entspannend vor, im Social Web Themen zu finden, sie ordentlich zu verwalten und abzuordnen, zu sharen, downzuloaden und im richtigen (!) System bookzumarken. Um dann endlich Bücher zu schreiben, die ordentlich nach markigem Book aussehen, creativ gewritet sind, in e-version, guglgehupft und unter dem Schutz fetter Flugzeugträger gegen Onlinepiraterie stehen.
Ich Depperl habe mit meinen Themen nämlich nur Stress. Die suchen mich! Steht plötzlich im Traum so eine Tussi da und ruft: Nimm mich, ich will deine Hauptfigur sein! Steckt plötzlich eine Idee in der Hirnwindung fest, rückt nicht vor und nicht zurück - kurzum, ich armer Tropf bin dazu verdammt, sie da rauszuschreiben. Von wegen Themen suchen. Wie viele KollegInnen werden heimtückisch von ihren Themen gefunden und eiskalt überwältigt!
Und hat sich schon mal einer Gedanken gemacht, was man mit diesem Rattenschwanz an Möchtegernthemen macht, die einen ständig verfolgen und keine Sekunde aus den Augen lassen? Ach so, Follower nennt man das? Den Vorgang kann man umkehren? Followst du mir, follow ich dir und steck dich in mein Note-Book? Na, da mach ich doch sofort eine Playlist draus und beam die zu meinem Agenten, diesem menschlichen ... jetzt fehlt mir doch tatsächlich das Neusprech für diesen Knotenpunkt zwischen Providerzentrale und User ... ach Sie wissen doch, wo man die Papers für die Books verkauft, damit sie einer druckt und viele lesen. Unsocial habitude. Die Kathedralen dieser asozialen Religion nennt man Bibliotheken. Dort darf man beim Lesen zwar einen zwitschern, aber nicht zu laut twittern. Aber welch ein Traum, mal einen Tag lang faul und genüsslich ein Buch zu lesen und net working!
Ich bin eindeutig nicht mehr up-to-date, aber Schriftstellern unkt man ja nach, dass sie hoffnungslos technikfeindlich und reaktionär seien. Ich gehe einkaufen und habe mindestens drei Themen in der Tasche. Ich muss mir das Getwittere beim Bäcker anhören und schon ist eine Satire geboren. Freunde treffe ich vorwiegend von Angesicht zu Angesicht, also Face, nur ohne Book, manchmal auch mit. Schon platzen wir gemeinsam die Themen heraus. Manchmal finde ich eins auf der Straße. Viele Themen drängeln sich, quaken von einer Warteliste, wann sie endlich in mein Blog dürfen. Woher kommt all das Zeug? Wo ich doch webtechnisch absolut unsocial bin, ja geradezu asozial. Noch macht es in meinem Kopf nämlich Heureka und nicht Xing.
Früher hatte ich ja mal Angst, mir fiele plötzlich irgendwann kein Buchthema mehr ein. Damals, als blutige Anfängerin, glaubte ich, man müsse Ideendatenbanken für schlechte Zeiten anlegen. Auf meinem Computer lagern lachhafte Ordner à la "Wenn ich groß bin, will ich eine echte Idee für ein Buch werden". Sie sind alle abgeheftet im Superordner "Müll, aber irgendwie zu schad zum Wegwerfen, weil so schön lächerlich". Betabücher statt Betaversionen.
Hach, ich stell mir das entspannend vor, im Social Web Themen zu finden, sie ordentlich zu verwalten und abzuordnen, zu sharen, downzuloaden und im richtigen (!) System bookzumarken. Um dann endlich Bücher zu schreiben, die ordentlich nach markigem Book aussehen, creativ gewritet sind, in e-version, guglgehupft und unter dem Schutz fetter Flugzeugträger gegen Onlinepiraterie stehen.
Ich Depperl habe mit meinen Themen nämlich nur Stress. Die suchen mich! Steht plötzlich im Traum so eine Tussi da und ruft: Nimm mich, ich will deine Hauptfigur sein! Steckt plötzlich eine Idee in der Hirnwindung fest, rückt nicht vor und nicht zurück - kurzum, ich armer Tropf bin dazu verdammt, sie da rauszuschreiben. Von wegen Themen suchen. Wie viele KollegInnen werden heimtückisch von ihren Themen gefunden und eiskalt überwältigt!
Und hat sich schon mal einer Gedanken gemacht, was man mit diesem Rattenschwanz an Möchtegernthemen macht, die einen ständig verfolgen und keine Sekunde aus den Augen lassen? Ach so, Follower nennt man das? Den Vorgang kann man umkehren? Followst du mir, follow ich dir und steck dich in mein Note-Book? Na, da mach ich doch sofort eine Playlist draus und beam die zu meinem Agenten, diesem menschlichen ... jetzt fehlt mir doch tatsächlich das Neusprech für diesen Knotenpunkt zwischen Providerzentrale und User ... ach Sie wissen doch, wo man die Papers für die Books verkauft, damit sie einer druckt und viele lesen. Unsocial habitude. Die Kathedralen dieser asozialen Religion nennt man Bibliotheken. Dort darf man beim Lesen zwar einen zwitschern, aber nicht zu laut twittern. Aber welch ein Traum, mal einen Tag lang faul und genüsslich ein Buch zu lesen und net working!
Welttag des Buches
Da ist er also, der Welttag des Buches. Warum gibt es eigentlich keinen Welttag der Autoren? Sie könnten immerhin das Buch überleben? Der Welttag des Buches fing sonnig an wie die anderen Tage zuvor auch - jetzt zieht ein Tief auf. Wie denke ich an diesem Tag über Bücher?
Vergangene Woche stellte ich fest, dass ich mir in Frankreich kaum noch Bücher kaufen kann. Sachbücher erscheinen im seltenen Hardcover und kosten um die 80 Euro aufwärts. Das ist unerschwinglich für Menschen, die vom Bücherschreiben leben. Was für Bücher werden Autoren schreiben, wenn sie nicht mehr nach Inhalt, sondern Preis wählen - und für die wirklich interessanten Bände die Schwelle in die Mediatheken überwinden müssen? Sammeln, Besitzen - diese Eigenschaften des Buches lösen sich auf, das Buch wird zum volatilen Wesen, ständig im Umlauf, immer woanders ... verwandt mit den Tauschbüchern, mit Büchern, die man irgendwo liegen lässt.
Also kaufe ich meine Bücher im sehr viel billigeren Deutschland, wo man Texte regelrecht zu Ramschware macht (Stichwort Buchpreisbindung). Im Land der Dichter und Denker gibt es Hardcover für zwei, drei Euro im Discounter zwischen Damenbinden und Dessertwein. Aber man überzieht das Land auch in dichten Ketten mit Buchpalästen. Manchmal setze ich mich in so einen, vor allem im Winter. Es ist kuschlig warm, der Springbrunnen klingt wie eine zu reparierende Wasserleitung, und der Kaffee aus dem Automaten schmeckt abscheulich. Aber man kann dasitzen und lesen. Das kann man im Café nebenan zwar sehr viel leckerer, aber hier gibt's die reichere Auswahl an Lesestoff. Kaffeebefleckte Bestseller von der Stange, pardon, vom Stapel. Und wenn man die ehemaligen Schuhverkäuferinnen nicht anspricht, stören sie einen auch nicht mit unzureichenden Auskünften. Ich finde nie etwas in diesen Tempeln. Deshalb gehe ich anschließend zu meinem Buchhändler, der wirklich hat, was ich lese.
Was ich lesen mag, finde ich immer weniger auf den ersten Blick. Nicht, dass es nicht wunderbare Bücher gibt, die mich stimulieren könnten. Aber irgendeine Geheimorganisation scheint daran zu arbeiten, dass sie sich unsichtbar machen oder in irgendwelche Parallelwelten abdriften. Mit der Mundpropaganda ist das so eine Sache. Ich kenne nur drei Leute, deren Geschmack dem meinen ähnelt. Früher habe ich Feuilleton gelesen, um auserlesene Bücher zu entdecken. Im Zeitalter des Internet kann ich das sogar in Form einer Presseschau tun oder nach Autoren suchen. Aber anders als früher lesen sie im Feuilleton heute alle nur noch ein Buch. Oder zwei oder drei. Und dann arbeiten sich die Kritiker gegenseitig ab, ob ihre Zeitung die wahre Entdeckerin eines künftigen Genies sein wird oder völlig daneben lag. All die ungelesenen Perlen neben den gemachten Hypes - das weiß ich aus meinen eigenen Zeiten beim Feuilleton - schenkt man stillschweigend Tante Erna zu Weihnachten. Unsere Redaktion war sehr überzeugt von dem Schriftsteller, sie haben mir das Buch zuerst kaum anvertrauen wollen. Tante Erna muss man fragen.
Ich finde auch immer weniger gute Bücher, weil plötzlich alle gleich aussehen, gleich heißen und die Klappentexte klingen, als seien sie vom Hypertext-Simulator geschrieben. Und weil dieses Konzept scheinbar irgendwie funktioniert, kippt man noch ein wenig Müll dazu, wird schon nicht auffallen, Kleinvieh macht auch Mist. Nachdem ich aus Versehen immer häufiger Mist gekauft hatte, gab ich die Perlensuche auf. Zuerst las ich keine Bücher mehr mit abgehackten Frauenköpfen oder Faltenwurf in Sammet und Seide. Seit kurzem lese ich auch keine Krimis mehr, weil die jetzt plötzlich alle Thriller heißen und noch müder dahinplätschern als ein Who-is-Who aus der Schlaftablettenfabrik.
Letzte Woche hatte ich die subversive Idee, einfach kein Genre mehr zu lesen, weil Verlage Genres missbrauchen können. An "Roman" trauen sie sich nicht ran, bildete ich mir ein. Aber dann finde ich gleich drei "Nur-Romane", auf denen in schrillem Weiß Tulpen oder ähnliche Gewächse glühen. Merke: Die Blüte ist der abgehackte Frauenkopf der literarischen Welt. Ein ehemaliger Literaturverlag feiert Weihnachten mit Karl May und allerhand Katzengetier und streut Tucholsky neben Engeln unters Volk. Ein bekannter Philosoph wird nach Manier von dümmlichen Psychoratgebern vertitelt. Und Suhrkamp macht in Fantasy. Nicht mal Longlist-Schmökern macht mehr schlau: Hammwer nich, wollte keiner lesen, aber kaufense doch den Gewinner. Ich lese Gewinner, wenn sie mich interessieren. Also her mit der Lewitscharoff. Hammwer nich, is vergriffen, lesen grad alle. Mitleid mit den Zuspätgekommenen dieser Erde ernte ich in einem Blick. Immerhin kann ich warten. Bis mir all die Frühgekommenen so viel über das Buch erzählt haben, dass ich es nicht mehr lesen mag, sondern mir einbilde, es längst zu kennen. Muss man heute denn noch selbst lesen?
Aber ich gehöre ja eh nicht mehr dazu. Du bist ja jetzt keine Buchautorin mehr, gell? Werde ich häufiger gefragt, weil das, was ich derzeit schreibe, auf CD gepresst werden wird. Ja, schon, es ist ein Unterschied, für welches Medium man textet. Ein Text fürs Hören muss linear erfassbar sein, soll innere Bilder malen und klingen. Den Unterschied bemerkt man, wenn man Bücher vorgelesen bekommt, die dafür nicht geschaffen sind. Aber bin ich keine Buchautorin mehr, nur weil der Pappedeckel fehlt? Die Bewerbungen bei zwei Stipendien konnte ich gleich in den Kamin schreiben. Meine CDs und die DVD, bei der ich vor Jahren mitgearbeitet habe, hätten perfekt gepasst. Waren aber nicht aus Pappe und Papier. Falsches Material.
Derweil schmeißen Großverlage auch schon Hörbücher zwischen Damenbinden und Dessertwein. Alles redet über e-books und nirgends will es funktionieren. Oder man redet viel und weiß wenig. Oder man geht noch eine Stufe unter die Damenbinden und verschenkt gleich alles im Internet. Kostenlos, hat ja keinen Körper, kann man nicht anfassen, ist ja kein Text. Ist eigentlich auch kein richtiger Autor, denn richtige Autoren schaffen es zwischen Pappe. Das Buch, der Garant des Abendlandes. Ohne Buch keine Kultur. Was freuen wir Autoren uns dann, wenn wir es zur halben geköpften Dame geschafft haben oder mit einer glühenden Nelke geadelt werden! Das mache mal einer ohne Pappedeckel nach.
Ich jammere? Nein. Ich freue mich. Auf das Buchpaket mit den Perlen, das ich bei meinem Buchhändler abholen werde, obwohl es wirklich nicht leicht war, diese Perlen zu finden. Eine sprang mir sogar aus dem Feuilleton entgegen.
Ich freue mich aber auch darüber, dass so viele ums Buch streiten, jammern, sich Sorgen machen. Ich freue mich darüber, dass so viele das Buch über haben, dass manche Bücher Überdruss bereiten und Abscheu und Langeweile. Ich freue mich darüber, dass Onkel Ernst sein Kaffeebuch drucken kann und Schriftsteller spielt - und dass Literaten Spargel stechen gehen, um trotzdem schreiben zu können. Manchmal kann ich sogar darüber grinsen, dass in unserer Branche vieles nicht mehr funktioniert und sich so mancher Hai aus Versehen ins eigene Fleisch beißt.
Es ist wie auf einem riesigen Flohmarkt. Auch im Ramsch noch Preziosen. Und eigentlich kommen die Leute ja gar nicht, um nur zu handeln. Sie wollen Geschichten hören, die das Zeug zu erzählen hat, ihnen fallen eigene Geschichten dazu ein, der Kaffeelöffel und das löchrige Bettuch erzählen vom Leben, von unbekannten Welten. Und deshalb bin ich zuversichtlich. Der Hunger nach Erzählen, nach Geschichten ist immens. Schaffen wir ruhig die Bücher ab, schaffen wir Buchautoren ab - die Erzähler und die Geschichten werden überleben.
Vergangene Woche stellte ich fest, dass ich mir in Frankreich kaum noch Bücher kaufen kann. Sachbücher erscheinen im seltenen Hardcover und kosten um die 80 Euro aufwärts. Das ist unerschwinglich für Menschen, die vom Bücherschreiben leben. Was für Bücher werden Autoren schreiben, wenn sie nicht mehr nach Inhalt, sondern Preis wählen - und für die wirklich interessanten Bände die Schwelle in die Mediatheken überwinden müssen? Sammeln, Besitzen - diese Eigenschaften des Buches lösen sich auf, das Buch wird zum volatilen Wesen, ständig im Umlauf, immer woanders ... verwandt mit den Tauschbüchern, mit Büchern, die man irgendwo liegen lässt.
Also kaufe ich meine Bücher im sehr viel billigeren Deutschland, wo man Texte regelrecht zu Ramschware macht (Stichwort Buchpreisbindung). Im Land der Dichter und Denker gibt es Hardcover für zwei, drei Euro im Discounter zwischen Damenbinden und Dessertwein. Aber man überzieht das Land auch in dichten Ketten mit Buchpalästen. Manchmal setze ich mich in so einen, vor allem im Winter. Es ist kuschlig warm, der Springbrunnen klingt wie eine zu reparierende Wasserleitung, und der Kaffee aus dem Automaten schmeckt abscheulich. Aber man kann dasitzen und lesen. Das kann man im Café nebenan zwar sehr viel leckerer, aber hier gibt's die reichere Auswahl an Lesestoff. Kaffeebefleckte Bestseller von der Stange, pardon, vom Stapel. Und wenn man die ehemaligen Schuhverkäuferinnen nicht anspricht, stören sie einen auch nicht mit unzureichenden Auskünften. Ich finde nie etwas in diesen Tempeln. Deshalb gehe ich anschließend zu meinem Buchhändler, der wirklich hat, was ich lese.
Was ich lesen mag, finde ich immer weniger auf den ersten Blick. Nicht, dass es nicht wunderbare Bücher gibt, die mich stimulieren könnten. Aber irgendeine Geheimorganisation scheint daran zu arbeiten, dass sie sich unsichtbar machen oder in irgendwelche Parallelwelten abdriften. Mit der Mundpropaganda ist das so eine Sache. Ich kenne nur drei Leute, deren Geschmack dem meinen ähnelt. Früher habe ich Feuilleton gelesen, um auserlesene Bücher zu entdecken. Im Zeitalter des Internet kann ich das sogar in Form einer Presseschau tun oder nach Autoren suchen. Aber anders als früher lesen sie im Feuilleton heute alle nur noch ein Buch. Oder zwei oder drei. Und dann arbeiten sich die Kritiker gegenseitig ab, ob ihre Zeitung die wahre Entdeckerin eines künftigen Genies sein wird oder völlig daneben lag. All die ungelesenen Perlen neben den gemachten Hypes - das weiß ich aus meinen eigenen Zeiten beim Feuilleton - schenkt man stillschweigend Tante Erna zu Weihnachten. Unsere Redaktion war sehr überzeugt von dem Schriftsteller, sie haben mir das Buch zuerst kaum anvertrauen wollen. Tante Erna muss man fragen.
Ich finde auch immer weniger gute Bücher, weil plötzlich alle gleich aussehen, gleich heißen und die Klappentexte klingen, als seien sie vom Hypertext-Simulator geschrieben. Und weil dieses Konzept scheinbar irgendwie funktioniert, kippt man noch ein wenig Müll dazu, wird schon nicht auffallen, Kleinvieh macht auch Mist. Nachdem ich aus Versehen immer häufiger Mist gekauft hatte, gab ich die Perlensuche auf. Zuerst las ich keine Bücher mehr mit abgehackten Frauenköpfen oder Faltenwurf in Sammet und Seide. Seit kurzem lese ich auch keine Krimis mehr, weil die jetzt plötzlich alle Thriller heißen und noch müder dahinplätschern als ein Who-is-Who aus der Schlaftablettenfabrik.
Letzte Woche hatte ich die subversive Idee, einfach kein Genre mehr zu lesen, weil Verlage Genres missbrauchen können. An "Roman" trauen sie sich nicht ran, bildete ich mir ein. Aber dann finde ich gleich drei "Nur-Romane", auf denen in schrillem Weiß Tulpen oder ähnliche Gewächse glühen. Merke: Die Blüte ist der abgehackte Frauenkopf der literarischen Welt. Ein ehemaliger Literaturverlag feiert Weihnachten mit Karl May und allerhand Katzengetier und streut Tucholsky neben Engeln unters Volk. Ein bekannter Philosoph wird nach Manier von dümmlichen Psychoratgebern vertitelt. Und Suhrkamp macht in Fantasy. Nicht mal Longlist-Schmökern macht mehr schlau: Hammwer nich, wollte keiner lesen, aber kaufense doch den Gewinner. Ich lese Gewinner, wenn sie mich interessieren. Also her mit der Lewitscharoff. Hammwer nich, is vergriffen, lesen grad alle. Mitleid mit den Zuspätgekommenen dieser Erde ernte ich in einem Blick. Immerhin kann ich warten. Bis mir all die Frühgekommenen so viel über das Buch erzählt haben, dass ich es nicht mehr lesen mag, sondern mir einbilde, es längst zu kennen. Muss man heute denn noch selbst lesen?
Aber ich gehöre ja eh nicht mehr dazu. Du bist ja jetzt keine Buchautorin mehr, gell? Werde ich häufiger gefragt, weil das, was ich derzeit schreibe, auf CD gepresst werden wird. Ja, schon, es ist ein Unterschied, für welches Medium man textet. Ein Text fürs Hören muss linear erfassbar sein, soll innere Bilder malen und klingen. Den Unterschied bemerkt man, wenn man Bücher vorgelesen bekommt, die dafür nicht geschaffen sind. Aber bin ich keine Buchautorin mehr, nur weil der Pappedeckel fehlt? Die Bewerbungen bei zwei Stipendien konnte ich gleich in den Kamin schreiben. Meine CDs und die DVD, bei der ich vor Jahren mitgearbeitet habe, hätten perfekt gepasst. Waren aber nicht aus Pappe und Papier. Falsches Material.
Derweil schmeißen Großverlage auch schon Hörbücher zwischen Damenbinden und Dessertwein. Alles redet über e-books und nirgends will es funktionieren. Oder man redet viel und weiß wenig. Oder man geht noch eine Stufe unter die Damenbinden und verschenkt gleich alles im Internet. Kostenlos, hat ja keinen Körper, kann man nicht anfassen, ist ja kein Text. Ist eigentlich auch kein richtiger Autor, denn richtige Autoren schaffen es zwischen Pappe. Das Buch, der Garant des Abendlandes. Ohne Buch keine Kultur. Was freuen wir Autoren uns dann, wenn wir es zur halben geköpften Dame geschafft haben oder mit einer glühenden Nelke geadelt werden! Das mache mal einer ohne Pappedeckel nach.
Ich jammere? Nein. Ich freue mich. Auf das Buchpaket mit den Perlen, das ich bei meinem Buchhändler abholen werde, obwohl es wirklich nicht leicht war, diese Perlen zu finden. Eine sprang mir sogar aus dem Feuilleton entgegen.
Ich freue mich aber auch darüber, dass so viele ums Buch streiten, jammern, sich Sorgen machen. Ich freue mich darüber, dass so viele das Buch über haben, dass manche Bücher Überdruss bereiten und Abscheu und Langeweile. Ich freue mich darüber, dass Onkel Ernst sein Kaffeebuch drucken kann und Schriftsteller spielt - und dass Literaten Spargel stechen gehen, um trotzdem schreiben zu können. Manchmal kann ich sogar darüber grinsen, dass in unserer Branche vieles nicht mehr funktioniert und sich so mancher Hai aus Versehen ins eigene Fleisch beißt.
Es ist wie auf einem riesigen Flohmarkt. Auch im Ramsch noch Preziosen. Und eigentlich kommen die Leute ja gar nicht, um nur zu handeln. Sie wollen Geschichten hören, die das Zeug zu erzählen hat, ihnen fallen eigene Geschichten dazu ein, der Kaffeelöffel und das löchrige Bettuch erzählen vom Leben, von unbekannten Welten. Und deshalb bin ich zuversichtlich. Der Hunger nach Erzählen, nach Geschichten ist immens. Schaffen wir ruhig die Bücher ab, schaffen wir Buchautoren ab - die Erzähler und die Geschichten werden überleben.
22. April 2009
Noch mehr Durchhaltesprüche
Man könnte fast meinen, in deutschen Firmen herrsche eine ernsthafte Krise in Sachen Mitarbeitermotivation. Oder die Chefs selbst wissen nicht mehr, wie sie morgen noch können wollen. Jedenfalls ist es wirklich erschütternd, wie viele Menschen aus Firmen-Intranets hier derzeit nach Durchhaltesprüchen suchen (während der Arbeitszeit, tztztz...). Fast lassen sich Abhängigkeitskurven zwischen ausgezahlten Abwrackprämien und Durchhaltegesuchen in meinem Blog zeichnen.
Bisher empfahl ich als erste Hilfe Tante Viola Beers Zitatesammlung "Voller Elan in den neuen Tag", weil da Sprüche drin stehen, die ich selbst ernst nehme. Weil der Bedarf an Durchhaltesprüchen zur Zeit aber womöglich größer ist als die Auflage eines Buchs, empfehle ich heute die Radikalkur: Keine Sprüche mehr klopfen! Weitermachen. Und wenn gar nichts mehr stimmt, hilft auch Durchhalten nichts mehr. Wracken Sie doch mal Ihren Chef ab oder Ihren Arbeitsplatz - vielleicht gibt's 'ne nette Prämie?
Vorsicht, dieser Beitrag vernetzlinkt sich nicht ganz jugend- und mütterfrei mit einem multimedialen Durchhalte-Sinnmach-Hyperraum, wie ihn kein Buch dieser Welt filmsurfen kann. Oder so ähnlich. Guten Tach.
Bisher empfahl ich als erste Hilfe Tante Viola Beers Zitatesammlung "Voller Elan in den neuen Tag", weil da Sprüche drin stehen, die ich selbst ernst nehme. Weil der Bedarf an Durchhaltesprüchen zur Zeit aber womöglich größer ist als die Auflage eines Buchs, empfehle ich heute die Radikalkur: Keine Sprüche mehr klopfen! Weitermachen. Und wenn gar nichts mehr stimmt, hilft auch Durchhalten nichts mehr. Wracken Sie doch mal Ihren Chef ab oder Ihren Arbeitsplatz - vielleicht gibt's 'ne nette Prämie?
Vorsicht, dieser Beitrag vernetzlinkt sich nicht ganz jugend- und mütterfrei mit einem multimedialen Durchhalte-Sinnmach-Hyperraum, wie ihn kein Buch dieser Welt filmsurfen kann. Oder so ähnlich. Guten Tach.
Rosensehnen
Nach der hemmungslosen Eigenwerbung gestern (dafür schalte ich keine Anzeigen, gell!) heute werbefreies Rosensehnen, nicht ganz eigenfrei. Schon bilden die Rosen kleine Knöpfchen - und das ist bei mir immer die Zeit, wo ich es nicht erwarten kann, dass sie sich zu duftenden Blüten öffnen. Zwei, drei Wochen der Ungeduld, je nach Wetter. Was tun in der rosenblütenfreien Zeit?
Man könnte die Knospen intensiv beobachten, vielleicht beschleunigt das den Wachstumsprozess?

Man könnte die Wartezeit genüsslich verdösen...

Die Menschin hält es derweil mit "Pseudoblüten". Ich bin keine große Freundin von Monokultur, allein schon, weil die richtige Unterpflanzung viele Krankheiten und Ungeziefer von den Rosen hält und das Spritzen verringert. Außerdem kann man mit den Farben und Strukturen anderer Pflanzen die Schönheit der Rosen noch stärker hervorheben.
Im unteren Beet sieht man meine Lili Marleen, kleine scharlachrot blühende Beetrosen, aus denen sich links außerhalb des Fotos eine dunkelsamtrote, stark duftende Red Parfum an einem Rosenbogen emporrankt. Noch ist das alles nur grün. Also habe ich Island-Mohn dazwischen gepflanzt, der seine weißen Blüten ins Rosenlaub streckt, jetzt im Frühjahr unterstützt durch blaue Polster von Vergissmeinnicht. Beide Trockenheit liebende Pflanzen sind ideal, weil diese Rose in der Verlängerung eines trockenen Steingartens wächst, wo es zwar Wurzelbeschattung, aber nicht allzu viel Wasser gibt. Die Rose muss ich in heißen Sommern gießen.
Sollte der Mohn die Rosenblüten noch erleben, wird sein Weiß deren Rot noch betonen. Das Mohnweiß setzt sich fort in den zarten Blüten des Salomonsiegels im Vordergrund. Und so wie sich jetzt das große Mohnrund und die kleinen Spitzen der Blüten des Salomonsiegels formal gegenüberstehen, bilden auch die unterschiedlichen Formen und Texturen der Blätter schöne Kontraste in völlig blütenfreien Zeiten.
Übrigens kann man auch mit türkischem Mohn im Rosengarten experimentieren. Vor allem deshalb, weil er sich zur Blütezeit der Rosen zurückbildet. Bei dieser Variante sollte man allerdings dringend Größe und Platzverhältnisse überprüfen, denn Türkenmohn wird höher als manche Rosenbüsche und ist mit seinen Pfahlwurzeln kaum zu versetzen. Sehr bedacht sein wollen auch die Farbkombinationen - nicht jedes Rot passt zu jedem. Hier fährt man am besten, wenn man warme (gelbstichige) Rottöne untereinander kombiniert oder kalte (blaustichige). Mohn jeder Farbe passt natürlich am besten zu reinweißen Rosen.

Und wenn alles Warten und Sehnen nichts hilft, können Rosen sogar in feinen Lichtspitzen blühen... (Rosen und Äpfel gefunden bei den Gartenausstellungen im Galand)

(Bilder zum Vergrößern anklicken)
Man könnte die Knospen intensiv beobachten, vielleicht beschleunigt das den Wachstumsprozess?

Man könnte die Wartezeit genüsslich verdösen...

Die Menschin hält es derweil mit "Pseudoblüten". Ich bin keine große Freundin von Monokultur, allein schon, weil die richtige Unterpflanzung viele Krankheiten und Ungeziefer von den Rosen hält und das Spritzen verringert. Außerdem kann man mit den Farben und Strukturen anderer Pflanzen die Schönheit der Rosen noch stärker hervorheben.
Im unteren Beet sieht man meine Lili Marleen, kleine scharlachrot blühende Beetrosen, aus denen sich links außerhalb des Fotos eine dunkelsamtrote, stark duftende Red Parfum an einem Rosenbogen emporrankt. Noch ist das alles nur grün. Also habe ich Island-Mohn dazwischen gepflanzt, der seine weißen Blüten ins Rosenlaub streckt, jetzt im Frühjahr unterstützt durch blaue Polster von Vergissmeinnicht. Beide Trockenheit liebende Pflanzen sind ideal, weil diese Rose in der Verlängerung eines trockenen Steingartens wächst, wo es zwar Wurzelbeschattung, aber nicht allzu viel Wasser gibt. Die Rose muss ich in heißen Sommern gießen.
Sollte der Mohn die Rosenblüten noch erleben, wird sein Weiß deren Rot noch betonen. Das Mohnweiß setzt sich fort in den zarten Blüten des Salomonsiegels im Vordergrund. Und so wie sich jetzt das große Mohnrund und die kleinen Spitzen der Blüten des Salomonsiegels formal gegenüberstehen, bilden auch die unterschiedlichen Formen und Texturen der Blätter schöne Kontraste in völlig blütenfreien Zeiten.
Übrigens kann man auch mit türkischem Mohn im Rosengarten experimentieren. Vor allem deshalb, weil er sich zur Blütezeit der Rosen zurückbildet. Bei dieser Variante sollte man allerdings dringend Größe und Platzverhältnisse überprüfen, denn Türkenmohn wird höher als manche Rosenbüsche und ist mit seinen Pfahlwurzeln kaum zu versetzen. Sehr bedacht sein wollen auch die Farbkombinationen - nicht jedes Rot passt zu jedem. Hier fährt man am besten, wenn man warme (gelbstichige) Rottöne untereinander kombiniert oder kalte (blaustichige). Mohn jeder Farbe passt natürlich am besten zu reinweißen Rosen.

Und wenn alles Warten und Sehnen nichts hilft, können Rosen sogar in feinen Lichtspitzen blühen... (Rosen und Äpfel gefunden bei den Gartenausstellungen im Galand)

(Bilder zum Vergrößern anklicken)
21. April 2009
Gekontert
Im Newsletter des Literaturcafés heißt es:
"...am Donnerstag ist Welttag des Buches. Verschenken Sie doch mal ein Buch und eine Rose an einen geliebten Menschen."
Na da kontere ich mit Vergnügen: "Verschenken Sie doch mal Das Buch der Rose an einen geliebten Menschen."
Lesetipp für die Rosenzeit:
Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose, Parthas Verlag Berlin, HC mit zahlreichen farbigen Kunstdrucken
Und wer nicht selbst lesen mag, kann mich am 14. Juli live erleben. Es gibt Lesung und Musik in einem der berühmtesten Jugendstilgärten Europas, der Gönneranlage in Baden-Baden - natürlich mit Rosen bepflanzt. Bei schlechtem Wetter in der Otto-Flake-Villa.
"...am Donnerstag ist Welttag des Buches. Verschenken Sie doch mal ein Buch und eine Rose an einen geliebten Menschen."
Na da kontere ich mit Vergnügen: "Verschenken Sie doch mal Das Buch der Rose an einen geliebten Menschen."
Lesetipp für die Rosenzeit:
Petra van Cronenburg: Das Buch der Rose, Parthas Verlag Berlin, HC mit zahlreichen farbigen Kunstdrucken
Und wer nicht selbst lesen mag, kann mich am 14. Juli live erleben. Es gibt Lesung und Musik in einem der berühmtesten Jugendstilgärten Europas, der Gönneranlage in Baden-Baden - natürlich mit Rosen bepflanzt. Bei schlechtem Wetter in der Otto-Flake-Villa.
Gemälde trifft Text
Man stelle sich vor, in einem Text kommt ein reales Gemälde vor. Nichts Neues. Nun geht aber dieses Gemälde auf Wanderschaft, reist durch die Lande und trifft seinen Text wieder. Bis zu dieser ungewöhnlichen Lesung ist es zwar noch etwas Zeit, aber das Kartenkontingent ist einigermaßen begrenzt.
Die Rede ist von Thomas Bernhards Komödie "Alte Meister", in der er herrlich mit dem Kritikergewerbe abrechnet. Seine Hauptfigur Reger, der Zeitungskritiken schreibt und sich selbst als Künstler wähnt, sitzt jeden zweiten Tag im Wiener Kunsthistorischen Museum vor Tintorettos Gemälde "Der weißbärtige Mann" - natürlich nur, um immer mehr Unvollkommenheiten darin zu finden - und weil die Raumtemperatur im Museum ideal sei.
Derzeit hängt Tintorettos Gemälde allerdings nicht in Wien, sondern in Baden-Baden, genauer gesagt in der Ausstellung "Die Künstler der Kaiser" in der Sammlung Frieder Burda. Und dorthin bringt man im Mai und Juni den Text von Thomas Bernhard, anscheinend auf die Figur des Reger konzentriert (im Buch sind es drei Protagonisten), als Lesung konzipiert.
Vortragen wird Edgar M. Marcus vom Theater Baden-Baden - und das ist das einzige Problem, das ich persönlich mit der Veranstaltung habe: Wie den Serienspieler zwischen Fallers und Schwarzwaldklinik im Kopf ausblenden, um zu Thomas Bernhard zu kommen? Aber da ist ja noch Tintorettos berühmt geschriebenes Bild...
An allen anderen Tagen ist natürlich genügend Zeit, Thomas Bernhard selbst zu lesen.
Kulturtipps:
Ausstellung "Die Künstler der Kaiser" im Museum Frieder Burda, Baden-Baden, bis 14. Juni:
Gezeigt werden Meisterwerke aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien von Dürer bis Tizian und Rubens bis Velasquez.
Lesung aus "Alte Meister" von Thomas Bernhard vor Tintorettos Gemälde "Der weißbärtige Mann" mit Edgar M. Marcus. Museum Frieder Burda, Baden-Baden, am 28. Mai und 11. Juni, Einlass zum Ausstellungsbesuch um 19 Uhr, die Lesung beginnt dann um 19.30 Uhr. Reservierung über das Theater Baden-Baden.
Thomas Bernhard: Alte Meister. Hörbuch gelesen von Thomas Holtzmann, Der Hörverlag, München 2005
Die Rede ist von Thomas Bernhards Komödie "Alte Meister", in der er herrlich mit dem Kritikergewerbe abrechnet. Seine Hauptfigur Reger, der Zeitungskritiken schreibt und sich selbst als Künstler wähnt, sitzt jeden zweiten Tag im Wiener Kunsthistorischen Museum vor Tintorettos Gemälde "Der weißbärtige Mann" - natürlich nur, um immer mehr Unvollkommenheiten darin zu finden - und weil die Raumtemperatur im Museum ideal sei.
Derzeit hängt Tintorettos Gemälde allerdings nicht in Wien, sondern in Baden-Baden, genauer gesagt in der Ausstellung "Die Künstler der Kaiser" in der Sammlung Frieder Burda. Und dorthin bringt man im Mai und Juni den Text von Thomas Bernhard, anscheinend auf die Figur des Reger konzentriert (im Buch sind es drei Protagonisten), als Lesung konzipiert.
Vortragen wird Edgar M. Marcus vom Theater Baden-Baden - und das ist das einzige Problem, das ich persönlich mit der Veranstaltung habe: Wie den Serienspieler zwischen Fallers und Schwarzwaldklinik im Kopf ausblenden, um zu Thomas Bernhard zu kommen? Aber da ist ja noch Tintorettos berühmt geschriebenes Bild...
An allen anderen Tagen ist natürlich genügend Zeit, Thomas Bernhard selbst zu lesen.
Kulturtipps:
Ausstellung "Die Künstler der Kaiser" im Museum Frieder Burda, Baden-Baden, bis 14. Juni:
Gezeigt werden Meisterwerke aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien von Dürer bis Tizian und Rubens bis Velasquez.
Lesung aus "Alte Meister" von Thomas Bernhard vor Tintorettos Gemälde "Der weißbärtige Mann" mit Edgar M. Marcus. Museum Frieder Burda, Baden-Baden, am 28. Mai und 11. Juni, Einlass zum Ausstellungsbesuch um 19 Uhr, die Lesung beginnt dann um 19.30 Uhr. Reservierung über das Theater Baden-Baden.
Thomas Bernhard: Alte Meister. Hörbuch gelesen von Thomas Holtzmann, Der Hörverlag, München 2005
20. April 2009
Erste Liebe
Mir ist so weh ums Herz. Schreibteufelchen denkt gerade gemeinsam mit einem anderen Blog darüber nach, was aus den Romanfiguren wird, wenn man sie in die Welt entlassen hat. Ich dachte, darauf hätte ich eine einfache Antwort. Doch dem ist nicht so. Ich habe das Gefühl, als sei ich inzwischen auf einen anderen Planeten emigriert. Karen aus dem ersten Roman ist wie eine alte Schulfreundin, mit der man einmal viel geteilt hat. Man verlor sich aus den Augen und ist zu faul geworden, die Uraltbekanntschaft wieder aufzufrischen. Zu viel Handwerk, zu viel auch Verlagswünsche in meinem Kopf, als dass die Leute aus meinen beiden ersten Romanen meine ganz speziellen Lebensfreunde geworden wären. Irgendwie habe ich sie ziehen lassen und den LeserInnen geschenkt. Diejenigen, die ich wirklich liebte, durften im Frauenroman nicht so richtig, wie sie gewollt hätten... Hätte mir das ein Zeichen sein sollen?
Und dann gibt es Figuren, die nicht tot zu bekommen sind, wahre Wandler an Gestalt und Geschlecht. Keine von ihnen ist je veröffentlicht worden. Eine durfte damals nicht. Dann konnte sie nicht, weil die Romanidee von der Aktualität überholt wurde. Irgendwann wollte sie nicht, weil die Rolle ihr zu konventionell erschien. Und jetzt lebt sie sich bis zum Äußersten in meinem "Polenroman" aus. Irgendwie ist sie immer noch diesselbe, nur das Geschlecht hat sie gewechselt. Ich fürchte, ich habe noch keine Erfahrung damit, was aus meinen Figuren nachträglich wird!
Aber etwas anderes fiel mir ein, meine erste große Liebe. Ich war neun, er war knapp achtzehn, Ägypter. Bildschön, wunderbar. Aber wir konnten zueinander nicht kommen, denn Tut-ank-amon (so hieß der Knabe), war leider eine Mumie. Davon ließ ich mich natürlich nicht abhalten. Ich träumte davon, wie ich ihn auswickelte und durch einen Zauberspruch belebte, Boris Karloff lässt grüßen. Und da saß ich jeden Tag in Gedanken stundenlang in seinem Grab und quasselte mit ihm, auf Kinder-Esperanto natürlich. Irre, was mir Tuti alles erzählte! Was der erlebte! Und ich fand, das müsse man alles irgendwie festhalten können, jede einzelne Geschichte. Ich Depperl schrieb aber nichts davon auf, aus Geheimhaltungsgründen. Die Erwachsenen sollten nämlich nicht erfahren, dass wir uns unterhalten konnten. Sonst hätten sie mich womöglich zum Arzt geschleppt.
Da war ich nämlich vorbelastet. Ich war noch nicht in der Schule, da lauschte ich allem und jedem Geschichten ab. Ganz besonders gefiel mir, was Blumen und Schmetterlinge erzählten. Warum schreibt das keiner auf, fragte ich mich? Kam die intelligente Antwort, dass Blumen und Schmetterlinge keine Geschichten erzählen können. So blieb die ganze Arbeit an mir hängen. Ich erfand eine Schrift, um endlich schreiben zu können und schrieb. In allen Farben. Ich sollte brav Bilder malen, aber ich schrieb. Wieso sollte ich Schmetterlinge malen? Die konnte man doch fotografieren! Aber keiner sammlte, was der Schmetterling erzählte. Das war so viel wichtiger.
Und das hat mir dann einen hochnotpeinlichen Arztbesuch eingebracht, weil irgendetwas in meinem Kopf vielleicht nicht richtig sein könnte. Ich liebe diesen Arzt heute noch! Der verschrieb mir nämlich Tapetenrollen und Schreiben in Geheimschrift ohne Beschränkung. Und so musste es meine Mutter ertragen, dass ich meterweise Schriftrollen anfertigte, die natürlich nur ich lesen konnte. Die Erwachsenen waren dazu zu doof. Dass ich "Tuti" später nicht auf Papyrusrollen bannte, lag wahrscheinlich an einer Art inneren Emigration. Keiner sollte von uns wissen. Mir war nämlich elend weh ums Herz. Ich hätte ihn gern wirklich besucht - in seiner Zeit, als er noch lebendig war. Ich wünschte mir sehnlichst eine Zeitmaschine und fand es entsetzlich, dass ich ausgerechnet im langweiligen 20. Jahrhundert geboren war. Hätte ich doch nur die Zeit irgendwie überbrücken können!
Ich glaube, dieser Wunsch hat mein Studium, meinen Beruf und das Bücherschreiben immer begleitet. Schreiben ist meine Zeitmaschine geworden. Ich versetze mich in andere Menschen, erfundene und echte - und überwinde Raum und Zeit. Und endlich habe ich auch im Gegensatz zu meiner Kinderzeit die Möglichkeit, dass diejenigen, die das lesen, mich nicht besorgt zum Arzt schleppen, sondern selbst reisen...
Tja. Und da stehe ich nun mit meinem Dingens, der ja wirklich gelebt hat und in dessen Leben ich mich entsprechend mit real existentem Material einfühlen kann. Allein die Tatsache, dass es einige Fotos von ihm gibt, ist gigantisch - ich bin schlimmer als ein Groupie, kenne jeden Zentimeter, jede Falte, jedes Haar von ihm. Sehe ihn sogar in Bewegung vor mir, ganz ohne Film. Ich habe beim Recherchieren und Mich-Nähern geheult und gelacht, hatte sogar fast Mordabsichten gegen jemanden aus seinem Leben. Ein Leben, das fasziniert und schmerzt zugleich. Und ich frage mich oft, was es ist, dass man in jedem Moment tausend Entscheidungsmöglichkeiten hat - und dann nimmt etwas seinen Lauf. Diesen Lauf und keinen anderen. Was, wenn man sich anders entschieden hätte?
Und da ist dieses Weh aus Kinderzeiten wieder. Ich hätte gern eine echte Zeitmaschine. Ich empfinde die späte Geburt nicht unbedingt als Gnade. Ich wäre so gern wenigstens für einen Tag in dieser faszinierenden Zeit dabei. Was hätte ich für tolle Leute kennenlernen können! Mein Verstand sagt mir, dass das nicht so witzig wäre wie in Hollywoodfilmen mit Zeitmaschine. Wahrscheinlich käme man als bitterarmes Dienstmädchen am anderen Ende heraus und würde im Krieg umkommen, ohne je eine von den Figuren gesehen zu haben. So bin ich verdammt zum Weiterschreiben. Meine einzige Möglichkeit, irgendwie "dabei" zu sein. Ein winziges Vorspiegeln einer Innigkeit über Zeit und Raum hinweg, immer im Gewahrsein der Selbsttäuschung - denn ich projiziere ja meine Sicht, meine Recherchen, meine Kultur und Zeit...
Wie wird das sein, wenn ich ihn gehen lasse? Ich weiß es jetzt schon. Andere kennen ihn ja auch. Jeder kennt einen anderen. Dingens hat sich nach seinem Tod in viele Figuren geteilt. Und jede dieser Figuren spiegelt eine andere Zeit, eine andere Kultur, einen anderen "Erträumer" einer Geschichte. Selbst die Forscher, Fachleute und Gelehrten sind nicht besser dran als unsereins. Sie geben sich zwar alle Mühe, hirnschwer und vernünftig aufzutreten, aber auch sie machen sich Bilder, verraten mehr über sich als über ihn. Meinen Dingens wird mir keiner nehmen können.
Manchmal spürt man in dieser Figurenfülle hinter einem wahren Leben einen Zauber. Da ist irgendwo auf der Welt jemand anders, der sich mit Dingens beschäftigt. Und wenn ich dann auf die mir am schrägsten erscheinenden Schlussfolgerungen komme und vielleicht eine kühne Idee entwickle, entdecke ich, dass dieser andere etwas geschaffen hat, das ähnlich atmet ... Man glaubt, einem Dialog über die Zeiten zu lauschen. Manchmal, da gibt es Augenblicke, wo man das Gefühl hat, etwas Wirkliches zu ahnen - von dieser Figur, dieser Zeit. Ob man es festhalten kann? Weitergeben? Lebendig machen? Das ist wohl die Kunst ... die Kunst der Mumien- und Leichenfledderer, die sich Schriftsteller nennen...
Und dann gibt es Figuren, die nicht tot zu bekommen sind, wahre Wandler an Gestalt und Geschlecht. Keine von ihnen ist je veröffentlicht worden. Eine durfte damals nicht. Dann konnte sie nicht, weil die Romanidee von der Aktualität überholt wurde. Irgendwann wollte sie nicht, weil die Rolle ihr zu konventionell erschien. Und jetzt lebt sie sich bis zum Äußersten in meinem "Polenroman" aus. Irgendwie ist sie immer noch diesselbe, nur das Geschlecht hat sie gewechselt. Ich fürchte, ich habe noch keine Erfahrung damit, was aus meinen Figuren nachträglich wird!
Aber etwas anderes fiel mir ein, meine erste große Liebe. Ich war neun, er war knapp achtzehn, Ägypter. Bildschön, wunderbar. Aber wir konnten zueinander nicht kommen, denn Tut-ank-amon (so hieß der Knabe), war leider eine Mumie. Davon ließ ich mich natürlich nicht abhalten. Ich träumte davon, wie ich ihn auswickelte und durch einen Zauberspruch belebte, Boris Karloff lässt grüßen. Und da saß ich jeden Tag in Gedanken stundenlang in seinem Grab und quasselte mit ihm, auf Kinder-Esperanto natürlich. Irre, was mir Tuti alles erzählte! Was der erlebte! Und ich fand, das müsse man alles irgendwie festhalten können, jede einzelne Geschichte. Ich Depperl schrieb aber nichts davon auf, aus Geheimhaltungsgründen. Die Erwachsenen sollten nämlich nicht erfahren, dass wir uns unterhalten konnten. Sonst hätten sie mich womöglich zum Arzt geschleppt.
Da war ich nämlich vorbelastet. Ich war noch nicht in der Schule, da lauschte ich allem und jedem Geschichten ab. Ganz besonders gefiel mir, was Blumen und Schmetterlinge erzählten. Warum schreibt das keiner auf, fragte ich mich? Kam die intelligente Antwort, dass Blumen und Schmetterlinge keine Geschichten erzählen können. So blieb die ganze Arbeit an mir hängen. Ich erfand eine Schrift, um endlich schreiben zu können und schrieb. In allen Farben. Ich sollte brav Bilder malen, aber ich schrieb. Wieso sollte ich Schmetterlinge malen? Die konnte man doch fotografieren! Aber keiner sammlte, was der Schmetterling erzählte. Das war so viel wichtiger.
Und das hat mir dann einen hochnotpeinlichen Arztbesuch eingebracht, weil irgendetwas in meinem Kopf vielleicht nicht richtig sein könnte. Ich liebe diesen Arzt heute noch! Der verschrieb mir nämlich Tapetenrollen und Schreiben in Geheimschrift ohne Beschränkung. Und so musste es meine Mutter ertragen, dass ich meterweise Schriftrollen anfertigte, die natürlich nur ich lesen konnte. Die Erwachsenen waren dazu zu doof. Dass ich "Tuti" später nicht auf Papyrusrollen bannte, lag wahrscheinlich an einer Art inneren Emigration. Keiner sollte von uns wissen. Mir war nämlich elend weh ums Herz. Ich hätte ihn gern wirklich besucht - in seiner Zeit, als er noch lebendig war. Ich wünschte mir sehnlichst eine Zeitmaschine und fand es entsetzlich, dass ich ausgerechnet im langweiligen 20. Jahrhundert geboren war. Hätte ich doch nur die Zeit irgendwie überbrücken können!
Ich glaube, dieser Wunsch hat mein Studium, meinen Beruf und das Bücherschreiben immer begleitet. Schreiben ist meine Zeitmaschine geworden. Ich versetze mich in andere Menschen, erfundene und echte - und überwinde Raum und Zeit. Und endlich habe ich auch im Gegensatz zu meiner Kinderzeit die Möglichkeit, dass diejenigen, die das lesen, mich nicht besorgt zum Arzt schleppen, sondern selbst reisen...
Tja. Und da stehe ich nun mit meinem Dingens, der ja wirklich gelebt hat und in dessen Leben ich mich entsprechend mit real existentem Material einfühlen kann. Allein die Tatsache, dass es einige Fotos von ihm gibt, ist gigantisch - ich bin schlimmer als ein Groupie, kenne jeden Zentimeter, jede Falte, jedes Haar von ihm. Sehe ihn sogar in Bewegung vor mir, ganz ohne Film. Ich habe beim Recherchieren und Mich-Nähern geheult und gelacht, hatte sogar fast Mordabsichten gegen jemanden aus seinem Leben. Ein Leben, das fasziniert und schmerzt zugleich. Und ich frage mich oft, was es ist, dass man in jedem Moment tausend Entscheidungsmöglichkeiten hat - und dann nimmt etwas seinen Lauf. Diesen Lauf und keinen anderen. Was, wenn man sich anders entschieden hätte?
Und da ist dieses Weh aus Kinderzeiten wieder. Ich hätte gern eine echte Zeitmaschine. Ich empfinde die späte Geburt nicht unbedingt als Gnade. Ich wäre so gern wenigstens für einen Tag in dieser faszinierenden Zeit dabei. Was hätte ich für tolle Leute kennenlernen können! Mein Verstand sagt mir, dass das nicht so witzig wäre wie in Hollywoodfilmen mit Zeitmaschine. Wahrscheinlich käme man als bitterarmes Dienstmädchen am anderen Ende heraus und würde im Krieg umkommen, ohne je eine von den Figuren gesehen zu haben. So bin ich verdammt zum Weiterschreiben. Meine einzige Möglichkeit, irgendwie "dabei" zu sein. Ein winziges Vorspiegeln einer Innigkeit über Zeit und Raum hinweg, immer im Gewahrsein der Selbsttäuschung - denn ich projiziere ja meine Sicht, meine Recherchen, meine Kultur und Zeit...
Wie wird das sein, wenn ich ihn gehen lasse? Ich weiß es jetzt schon. Andere kennen ihn ja auch. Jeder kennt einen anderen. Dingens hat sich nach seinem Tod in viele Figuren geteilt. Und jede dieser Figuren spiegelt eine andere Zeit, eine andere Kultur, einen anderen "Erträumer" einer Geschichte. Selbst die Forscher, Fachleute und Gelehrten sind nicht besser dran als unsereins. Sie geben sich zwar alle Mühe, hirnschwer und vernünftig aufzutreten, aber auch sie machen sich Bilder, verraten mehr über sich als über ihn. Meinen Dingens wird mir keiner nehmen können.
Manchmal spürt man in dieser Figurenfülle hinter einem wahren Leben einen Zauber. Da ist irgendwo auf der Welt jemand anders, der sich mit Dingens beschäftigt. Und wenn ich dann auf die mir am schrägsten erscheinenden Schlussfolgerungen komme und vielleicht eine kühne Idee entwickle, entdecke ich, dass dieser andere etwas geschaffen hat, das ähnlich atmet ... Man glaubt, einem Dialog über die Zeiten zu lauschen. Manchmal, da gibt es Augenblicke, wo man das Gefühl hat, etwas Wirkliches zu ahnen - von dieser Figur, dieser Zeit. Ob man es festhalten kann? Weitergeben? Lebendig machen? Das ist wohl die Kunst ... die Kunst der Mumien- und Leichenfledderer, die sich Schriftsteller nennen...
19. April 2009
Zitternd, frierend, taub
Bis eben habe ich geackert und korrigiert - und nun liegt sie vor mir, frisch ausgedruckt: Die Bewerbung für ein Stipendium, damit ich es mir leisten kann, meinen geliebten Polenroman zu schreiben. Natürlich werde ich ihn trotzdem irgendwie schreiben, wenn es nicht klappt; frei nach dem Zitat Kaminers von vorhin. Aber irgendwie ist dieses Nach-Außen-Gehen ein besonderer Schritt, wenn man Probetext in so frühem Stadium den kritischen Augen einer Jury übergibt. Es fühlt sich schlimmer an als Verlagsbewerbungen. Und es fühlt sich auch gut an, weil es mir zeigt: Ich glaube selbst daran.
Ich sitze da, glücklich, dass mich die Druckerpatrone nicht wie sonst in dringenden Fällen im Stich gelassen hat. Ich sehe die Sonne vor dem Fenster. Aber als die letzte Seite heraus lief, zitterte ich wie in einem Schüttelfrostanfall. Ich friere und klappere. Meine Ohren sind zugefallen. Zeit für einen doppelten Espresso. Dann das Eintüten in aller Ruhe.
Und morgen fahre ich in die Stadt, in der dieser Roman beginnt, und gebe das Ganze auf der Post auf. Eine Straße weiter werde ich mich belohnen, denn dort sitzt mein Leib- und Magenbuchhändler. Dann noch ein wenig in den Straßen Russisch lauschen und auf den Spuren der russischen Schriftsteller wandeln, allerdings nicht spielen wie Dostojewskij ... sondern endlich umschalten auf das Projekt, dem die Zeit davon rennt. Mein wunderbarer, inzwischen heiß geliebter russischer Dingens wartet! Die nächsten Monate wird sich alles nur noch um ihn drehen...
Ich sitze da, glücklich, dass mich die Druckerpatrone nicht wie sonst in dringenden Fällen im Stich gelassen hat. Ich sehe die Sonne vor dem Fenster. Aber als die letzte Seite heraus lief, zitterte ich wie in einem Schüttelfrostanfall. Ich friere und klappere. Meine Ohren sind zugefallen. Zeit für einen doppelten Espresso. Dann das Eintüten in aller Ruhe.
Und morgen fahre ich in die Stadt, in der dieser Roman beginnt, und gebe das Ganze auf der Post auf. Eine Straße weiter werde ich mich belohnen, denn dort sitzt mein Leib- und Magenbuchhändler. Dann noch ein wenig in den Straßen Russisch lauschen und auf den Spuren der russischen Schriftsteller wandeln, allerdings nicht spielen wie Dostojewskij ... sondern endlich umschalten auf das Projekt, dem die Zeit davon rennt. Mein wunderbarer, inzwischen heiß geliebter russischer Dingens wartet! Die nächsten Monate wird sich alles nur noch um ihn drehen...
Wort zum Sonntag
Ich muss noch einmal einen Satz aus dem Interview mit Wladimir Kaminer zitieren, weil er mir so gefallen hat:
"Aber wenn man etwas aufzuschreiben hat, dann findet man immer Zeit, egal, auch wenn man zwanzig Kinder hat und keinen Schreibtisch. Dann schreibt man eben auf dem Knie oder auf dem Fensterbrett."
"Aber wenn man etwas aufzuschreiben hat, dann findet man immer Zeit, egal, auch wenn man zwanzig Kinder hat und keinen Schreibtisch. Dann schreibt man eben auf dem Knie oder auf dem Fensterbrett."
18. April 2009
Missbrauch
Eben habe ich noch von den immer neuen Tricks sogenannter "Verlage" berichtet, die AutorInnen oder Beteiligten das Geld aus der Tasche ziehen.
Immer neue, immer dreistere Tricks sind inzwischen nötig, denn das Internet enthält nicht nur Dummfug, sondert funktioniert inzwischen auch als Informations- und Aufklärungsinstrument. Potentielle AutorInnen sind heutzutage weit weniger naiv als in offline-Zeiten.
Wer heute ein Buch veröffentlichen will und vom Verlagsgeschäft nichts versteht, kann sich im Internet an sachlicher Stelle kundig machen, auf welche Fallstricke zu achten ist - etwa beim Aktionsbündnis Fairlag. Und wer trotzdem keinen seriösen Verlag findet, der seine Autoren bezahlt, und seinen Text dennoch gedruckt sehen will, der findet ebenfalls im Internet die viel billigeren Möglichkeiten der Print on Demand Verfahren (die bekannteste Firma, BoD, bietet sogar einen Preiskalkulator auf der Website) bis hin zu Geschenkbüchern aus der Kaffeeröstermaschine. Zudem genügt heute eine Mail an die örtlichen Druckereien, um sich private Vergleichsangebote machen zu lassen - und man wird erstaunt sein, wie viele Tausender man dort weniger löhnt als bei sogenannten DKZV-Verlagen.
Einen neuen dreisten Fall nennt nun das Literaturcafé beim Namen. Hier werden nicht nur Nazi-Opfer für Werbematerial gefleddert, sondern auch noch Elke Heidenreich missbraucht.
Die Warnung, als Autor oder Mitwirkender an einem Buch niemals für eine Veröffentlichung zu bezahlen, sollte man also erweitern: Suchen Sie sich zur Not per Internet Leute beim Verlagssitz, die nachschauen, ob das Büro überhaupt existiert!
Immer neue, immer dreistere Tricks sind inzwischen nötig, denn das Internet enthält nicht nur Dummfug, sondert funktioniert inzwischen auch als Informations- und Aufklärungsinstrument. Potentielle AutorInnen sind heutzutage weit weniger naiv als in offline-Zeiten.
Wer heute ein Buch veröffentlichen will und vom Verlagsgeschäft nichts versteht, kann sich im Internet an sachlicher Stelle kundig machen, auf welche Fallstricke zu achten ist - etwa beim Aktionsbündnis Fairlag. Und wer trotzdem keinen seriösen Verlag findet, der seine Autoren bezahlt, und seinen Text dennoch gedruckt sehen will, der findet ebenfalls im Internet die viel billigeren Möglichkeiten der Print on Demand Verfahren (die bekannteste Firma, BoD, bietet sogar einen Preiskalkulator auf der Website) bis hin zu Geschenkbüchern aus der Kaffeeröstermaschine. Zudem genügt heute eine Mail an die örtlichen Druckereien, um sich private Vergleichsangebote machen zu lassen - und man wird erstaunt sein, wie viele Tausender man dort weniger löhnt als bei sogenannten DKZV-Verlagen.
Einen neuen dreisten Fall nennt nun das Literaturcafé beim Namen. Hier werden nicht nur Nazi-Opfer für Werbematerial gefleddert, sondern auch noch Elke Heidenreich missbraucht.
Die Warnung, als Autor oder Mitwirkender an einem Buch niemals für eine Veröffentlichung zu bezahlen, sollte man also erweitern: Suchen Sie sich zur Not per Internet Leute beim Verlagssitz, die nachschauen, ob das Büro überhaupt existiert!
Nicht schreiben, erzählen!
"Wie kann ich einen Roman schreiben", befragt jemand Gugl und landet in diesem Blog. Dabei habe ich darauf gar keine Antwort. Vielleicht würde ich eine andere Frage empfehlen: "Kann ich denn einen Roman schreiben?" Aber auch diese Frage wäre zu kurz gegriffen.
Wie wäre es damit:
Das Schreiben scheint bei ihm ein erfrischend selbstherrlicher Akt zu sein, geboren aus der mündlichen Tradition des Erzählens und Vorlesens.
"Wie kann ich einen Roman schreiben?" - Man kann sich nicht hinsetzen und von Null auf Hundert zum Romancier beschleunigen. Jemand, der Romane schreiben will, muss schon zuvor Freude am Erzählen und an Geschichten gehabt haben. Und muss jemand, der erzählen kann, denn überhaupt wissen, wie "man" einen Roman schreibt?
Tiefe Einsichten in dieses künstlerische Denken im Gegensatz zum reinen Kunsthandwerk bietet ein Landsmann Kaminers, den ich gerade abgestaubt habe: Nikolaj Gogol. Nicht, weil er heuer 200 Jahre alt geworden wäre, habe ich ihn wiederentdeckt - ich habe mir seine Bücher freiwillig schon in der Schulzeit vom Taschengeld gekauft. Eines fehlte mir, ich bekam es kürzlich als "alten Krempel" geschenkt - und frohlockte. Eine Sammlung seiner "Petersburger Geschichten" in einer alten DDR-Ausgabe des Aufbau Verlags. Eine dieser Erzählungen mit phantastischem Einschlag hat es mir besonders angetan. Im Original heißt sie "Portret" und stammt aus der kleinen Geschichtensammlung "Arabeski" - "das Portrait" (1835). Leider kann ich im Moment keine moderne Erzählungssammlung von Nikolaj Gogol ausmachen, in der sie enthalten ist - angeblich habe man diese ausgelassen, weil sie nicht so gelungen sei. Man sollte auf das Inhaltsverzeichnis achten, zahlreiche Neuübersetzungen sind im Jubiläumsjahr erschienen.
In "Das Portrait" geht es um einen armen begabten Maler, der für sein letztes Geld ein seltsam lebendig wirkendes Portrait ersteht. Er ackert schwer an seinem Talent, lebt nur für die Kunst und kämpft schwer. Eines Tages jedoch fällt aus dem Rahmen des Portraits eine Rolle mit Goldstücken. Der Maler hat die Wahl. Er kann von dem Gold drei Jahre sorgenfrei arbeiten und sein Talent vervollkommnen, um darauf zu hoffen, bis dahin einen Durchbruch zu schaffen. Oder - und dafür entscheidet er sich - er gibt sich mit dem Geld den Anschein, dazu zu gehören, biedert sich an, malt viel Geld bringende Auftragsarbeiten und lernt, den modischen Publikumsgeschmack zu bedienen. Um es mit Kaminers Worten zu sagen: Er malt "Fernsehserie".
Eines Tages muss der inzwischen immens begüterte alternde Maler angesichts eines jungen Nachwuchskünstlers feststellen, dass er zwar mit Gold gewuchert hat, aber nicht mit seinen Talenten. Er versucht nachzuholen, worum er sich nie gekümmert hat; versucht, aufs Alter die freie Kunst doch noch zu lernen. Die Katastrophe kündigt sich auf phantastischer wie intellektueller Ebene an: Auf dem geheimnisvollen Bild ist ein Wucherer dargestellt, der zu absolut menschenfreundlichen Konditionen Gold verlieh - aber seine Kreditnehmer von sich selbst entfernte...
Ich verschlinge diese Geschichte nicht nur wegen der zauberhaften wunderlichen Atmosphäre - die ein wenig an Poe erinnert - und wegen der großen Erzählkunst Gogols. Ich lese sie vor allem zwischen den Zeilen. Gogol denkt intensiv darüber nach, wie das mit dem Talent ist. Welche Verantwortung man dafür haben könnte und ob man es auch im Keim ersticken kann. Was muss zuerst da sein, damit der Maler ein wirkliches, ein zutiefst berührendes Bild schaffen kann? (Was muss in mir alles geschehen, bis ich einen Roman schreiben kann?) Wenn es aber wie in Gogols Erzählung kein Zurück mehr gibt, kein Zurückdrehen der vergeudeten Zeit, des vertanen Lebens, der missachteten Talente - kann es dann je eine nach Rezeptbuch vorsätzliche Entscheidung hin zum Kunstwerk geben?
Nikolaj Gogol beantwortet die Fragen nicht explizit, diese Spannung seiner Hauptfigur muss jeder Kunstschaffende ein Leben lang aushalten und sich immer wieder neu entscheiden. Keiner hilft einem dabei - und viele verführen.
Lesetipp aus der Ecke "vergessene Literatur":
Nikolaj Gogol, Das Portrait
- in der Ausgabe "Petersburger Geschichten" der Reihe "Russland lesen" von fischer 2003 oder in der Ausgabe "Petersburger Geschichten" der Gogol-Gesamtausgabe von Aufbau z. Zt. der DDR enthalten - nur noch antiquarisch, vielleicht auch in neuen Sammlungen? Im englischen und französischen Sprachraum ist die Novelle sehr viel bekannter und beliebter!
Existiert auch als Hörspiel.
Falls jemand die Erzählung in einem aktuellen Band findet, würde ich mich über einen Hinweis freuen!
Wie wäre es damit:
- Habe ich etwas zu erzählen?
- Kann ich erzählen?
- Habe ich Freude am Erzählen?
Das Schreiben scheint bei ihm ein erfrischend selbstherrlicher Akt zu sein, geboren aus der mündlichen Tradition des Erzählens und Vorlesens.
"Wie kann ich einen Roman schreiben?" - Man kann sich nicht hinsetzen und von Null auf Hundert zum Romancier beschleunigen. Jemand, der Romane schreiben will, muss schon zuvor Freude am Erzählen und an Geschichten gehabt haben. Und muss jemand, der erzählen kann, denn überhaupt wissen, wie "man" einen Roman schreibt?
Tiefe Einsichten in dieses künstlerische Denken im Gegensatz zum reinen Kunsthandwerk bietet ein Landsmann Kaminers, den ich gerade abgestaubt habe: Nikolaj Gogol. Nicht, weil er heuer 200 Jahre alt geworden wäre, habe ich ihn wiederentdeckt - ich habe mir seine Bücher freiwillig schon in der Schulzeit vom Taschengeld gekauft. Eines fehlte mir, ich bekam es kürzlich als "alten Krempel" geschenkt - und frohlockte. Eine Sammlung seiner "Petersburger Geschichten" in einer alten DDR-Ausgabe des Aufbau Verlags. Eine dieser Erzählungen mit phantastischem Einschlag hat es mir besonders angetan. Im Original heißt sie "Portret" und stammt aus der kleinen Geschichtensammlung "Arabeski" - "das Portrait" (1835). Leider kann ich im Moment keine moderne Erzählungssammlung von Nikolaj Gogol ausmachen, in der sie enthalten ist - angeblich habe man diese ausgelassen, weil sie nicht so gelungen sei. Man sollte auf das Inhaltsverzeichnis achten, zahlreiche Neuübersetzungen sind im Jubiläumsjahr erschienen.
In "Das Portrait" geht es um einen armen begabten Maler, der für sein letztes Geld ein seltsam lebendig wirkendes Portrait ersteht. Er ackert schwer an seinem Talent, lebt nur für die Kunst und kämpft schwer. Eines Tages jedoch fällt aus dem Rahmen des Portraits eine Rolle mit Goldstücken. Der Maler hat die Wahl. Er kann von dem Gold drei Jahre sorgenfrei arbeiten und sein Talent vervollkommnen, um darauf zu hoffen, bis dahin einen Durchbruch zu schaffen. Oder - und dafür entscheidet er sich - er gibt sich mit dem Geld den Anschein, dazu zu gehören, biedert sich an, malt viel Geld bringende Auftragsarbeiten und lernt, den modischen Publikumsgeschmack zu bedienen. Um es mit Kaminers Worten zu sagen: Er malt "Fernsehserie".
Eines Tages muss der inzwischen immens begüterte alternde Maler angesichts eines jungen Nachwuchskünstlers feststellen, dass er zwar mit Gold gewuchert hat, aber nicht mit seinen Talenten. Er versucht nachzuholen, worum er sich nie gekümmert hat; versucht, aufs Alter die freie Kunst doch noch zu lernen. Die Katastrophe kündigt sich auf phantastischer wie intellektueller Ebene an: Auf dem geheimnisvollen Bild ist ein Wucherer dargestellt, der zu absolut menschenfreundlichen Konditionen Gold verlieh - aber seine Kreditnehmer von sich selbst entfernte...
Ich verschlinge diese Geschichte nicht nur wegen der zauberhaften wunderlichen Atmosphäre - die ein wenig an Poe erinnert - und wegen der großen Erzählkunst Gogols. Ich lese sie vor allem zwischen den Zeilen. Gogol denkt intensiv darüber nach, wie das mit dem Talent ist. Welche Verantwortung man dafür haben könnte und ob man es auch im Keim ersticken kann. Was muss zuerst da sein, damit der Maler ein wirkliches, ein zutiefst berührendes Bild schaffen kann? (Was muss in mir alles geschehen, bis ich einen Roman schreiben kann?) Wenn es aber wie in Gogols Erzählung kein Zurück mehr gibt, kein Zurückdrehen der vergeudeten Zeit, des vertanen Lebens, der missachteten Talente - kann es dann je eine nach Rezeptbuch vorsätzliche Entscheidung hin zum Kunstwerk geben?
Nikolaj Gogol beantwortet die Fragen nicht explizit, diese Spannung seiner Hauptfigur muss jeder Kunstschaffende ein Leben lang aushalten und sich immer wieder neu entscheiden. Keiner hilft einem dabei - und viele verführen.
Lesetipp aus der Ecke "vergessene Literatur":
Nikolaj Gogol, Das Portrait
- in der Ausgabe "Petersburger Geschichten" der Reihe "Russland lesen" von fischer 2003 oder in der Ausgabe "Petersburger Geschichten" der Gogol-Gesamtausgabe von Aufbau z. Zt. der DDR enthalten - nur noch antiquarisch, vielleicht auch in neuen Sammlungen? Im englischen und französischen Sprachraum ist die Novelle sehr viel bekannter und beliebter!
Existiert auch als Hörspiel.
Falls jemand die Erzählung in einem aktuellen Band findet, würde ich mich über einen Hinweis freuen!
17. April 2009
Von fliegenden Fischen und vom Landen
Im vergangenen Monat habe ich fast bis zum sprichwörtlichen Umfallen gearbeitet. Da war das normale Pensum mit unvorhergesehenen Terminsachen. Und dann kam meine Spinnerei dazu: mein "Heimlichschreiben". Ich wollte endlich einmal in meinem Leben einen Roman schreiben, weil ich unbedingt diesen Roman schreiben MUSS. Meinen ganz eigenen Roman, der weder Erwartungen von anderen noch Verlagswünsche zu erfüllen braucht. Blöd wie ich bin, hatte ich dann im vergangenen Jahr noch einen anderen Roman angefangen, einen "verkäuflichen". Also diese Dinger, die Publikumsverlage vielleicht lieber kaufen. Ich habe lange gebraucht, mich dem eigenen Mut zu stellen. Aber irgendwann zog ich diesen fast 200 Seiten umfassenden Roman zurück. Und entschied mich für den heimlichen, für das volle Risiko. Dank zweier intelligenter Kritiker steht jetzt nach zig Anläufen endlich ein vorzeigbares Exposé mit genügend Probetext, so dass ich morgen in bald letzter Minute die Bewerbung für ein Stipendium eintüten kann. Wenn ich schon kein Lotto spiele...
Nach einer solchen Phase muss man irgendwie abschalten und wieder herunterkommen (es wartet ja das Projekt, das bis August geschrieben sein will). Wie aber lande ich, wenn ich sogar zu platt zum Wandern bin? Am Mittwoch gönnte ich mir einen sommerlichen Ausflug zu lieben Leuten, genoss die Hitze und deren Garten - und staunte nicht schlecht. In jenem Heimlichroman, der hauptsächlich in Polen spielt, kommen als Motiv künstliche Fische vor, die jemand "fliegen" lässt. Die haben sich so hineingeschrieben. Zuerst dachte ich, ich hätte das unbewusst von Emir Kusturica und seinem herrlichen fliegenden Fisch in dem Film "Arizona Dream" geklaut. Der Film war 1994, als ich mich gerade in Warschau eingelebt hatte, absoluter Kult, Kusturica erhielt dort den internationalen Filmpreis. Komisch, mein Roman spielt 1994 in Warschau. Aber das war es nicht - mein Fisch ist anders, bedeutet etwas anderes.
Am Mittwoch, als ich gerade mein Exposé fertig hatte, ging ich also in diesem Garten herum. Und da flog er! Vor genau diesem Fisch hatte ich mich im vergangenen Jahr radebrechend mit einem georgischen Künstler unterhalten und ihm von meinem letzten Geld ein Bild abgekauft. Ich nenne es wegen der Farben (geografisch völlig daneben) "meine kleine orangene Revolution", weil mir dieser Maler Mut gemacht hat, auch gegen die übelsten Widerstände im Leben die Kunst nicht aufzugeben. Und auch wenn man scheinbar zappelt wie ein Fisch auf dem Trockenen, weiter und weiter an sich zu arbeiten. Ich schaute damals auf den fliegenden Fisch und sagte mir: Das wirst du nie vergessen. Später surfte ich durch Zufall auf die Website eines ganz anderen Georgiers und fand eine kleine Anekdote darüber, dass sich Fische nicht erinnern könnten. Prompt war mein fliegender Erinnerungsfisch geboren.
Der muss sich dann aber übel in meinen Hirnwindungen eingenistet haben, so dass ich mich nachts im badischen Ried bei einer Umleitung "granademäßig" verfranste. Peinlich, weil ich eigentlich gebürtige Riederin bin. Es kam mir auch alles irgendwie sehr bekannt und urtümlich vertraut vor, aber im Licht der Scheinwerfer doch auch unwirklich. Eine kleine unbeschilderte Piste, die sich in Sümpfe hineinwand, an idyllischen Altrheinarmen vorbei, hohen Pappeln und Schilfland, um sich immer wieder mit anderen verlassenen Pisten zu vereinigen. Manchmal zweigte etwas Schmales ab, kippte sichtlich nach unten, ins Dunkel. Zugänge ins Wasser, hier hatten früher die Einheimischen alte Autos bequem entsorgt. Ich wusste wieder, man darf diesen dunklen Schlünden nicht auf den Leim gehen. Aber wenn sie sich häufen, liegt dahinter der Rhein - und die Orientierung kommt zurück. Kaum hatte ich mich an die nachfolgende schlafende Zivilisation gewöhnt, fuhr ich an mehr als taghellen Leuchtfeuern vorbei. Da geht es mit dem Flieger direkt nach Sankt Petersburg. Und dort beginnt die Geschichte meines Hörprojekts. Im Ried spielt mein zurückgezogener Roman.
Manchmal, an solchen verzauberten Tagen, sind sich die Kopfwelten und die Realität sehr nah. Manchmal, in der Dämmerung und zwischen den Sümpfen, würde es einen nicht wundern, Fische fliegen zu sehen. Ich lande dann zwar auf einer realen Straße durch eine wirkliche Landschaft - aber ich habe auch das Gefühl, auf einem noch ganz anderen richtigen Weg zu sein. Zeiten und Orte neigen sich wie Pappeln am Wegesrand.
Was ist das kitschig. Eine Pappelallee eröffnet meinen ersten Roman. Dort bleibt die Protagonistin aus Versehen am Leben, weil sie im falschen Moment Gustav Mahler hört und ein Schemen aus einem Visconti-Film zu sehen glaubt. Weg damit! Den Lido in Venedig brauche ich nämlich auch noch für mein Hörprojekt.
Ich warne hiermit eindringlich vor Pappeln im badischen Ried! Biegsame Katastrophen zwischen Kitsch und Heuschnupfen. Schnitt, Schniiiitttt!!! Wir sind im falschen Film! Die Welt ist tief, he? Welcher Wahnsinnige hat nur dieses Drehbuch geschrieben??? Demnächst fliegen wohl noch die Fische bei voller Landebahnbefeuerung?? Schickt mal einer die Autorin heim!
Nach einer solchen Phase muss man irgendwie abschalten und wieder herunterkommen (es wartet ja das Projekt, das bis August geschrieben sein will). Wie aber lande ich, wenn ich sogar zu platt zum Wandern bin? Am Mittwoch gönnte ich mir einen sommerlichen Ausflug zu lieben Leuten, genoss die Hitze und deren Garten - und staunte nicht schlecht. In jenem Heimlichroman, der hauptsächlich in Polen spielt, kommen als Motiv künstliche Fische vor, die jemand "fliegen" lässt. Die haben sich so hineingeschrieben. Zuerst dachte ich, ich hätte das unbewusst von Emir Kusturica und seinem herrlichen fliegenden Fisch in dem Film "Arizona Dream" geklaut. Der Film war 1994, als ich mich gerade in Warschau eingelebt hatte, absoluter Kult, Kusturica erhielt dort den internationalen Filmpreis. Komisch, mein Roman spielt 1994 in Warschau. Aber das war es nicht - mein Fisch ist anders, bedeutet etwas anderes.
Am Mittwoch, als ich gerade mein Exposé fertig hatte, ging ich also in diesem Garten herum. Und da flog er! Vor genau diesem Fisch hatte ich mich im vergangenen Jahr radebrechend mit einem georgischen Künstler unterhalten und ihm von meinem letzten Geld ein Bild abgekauft. Ich nenne es wegen der Farben (geografisch völlig daneben) "meine kleine orangene Revolution", weil mir dieser Maler Mut gemacht hat, auch gegen die übelsten Widerstände im Leben die Kunst nicht aufzugeben. Und auch wenn man scheinbar zappelt wie ein Fisch auf dem Trockenen, weiter und weiter an sich zu arbeiten. Ich schaute damals auf den fliegenden Fisch und sagte mir: Das wirst du nie vergessen. Später surfte ich durch Zufall auf die Website eines ganz anderen Georgiers und fand eine kleine Anekdote darüber, dass sich Fische nicht erinnern könnten. Prompt war mein fliegender Erinnerungsfisch geboren.
Der muss sich dann aber übel in meinen Hirnwindungen eingenistet haben, so dass ich mich nachts im badischen Ried bei einer Umleitung "granademäßig" verfranste. Peinlich, weil ich eigentlich gebürtige Riederin bin. Es kam mir auch alles irgendwie sehr bekannt und urtümlich vertraut vor, aber im Licht der Scheinwerfer doch auch unwirklich. Eine kleine unbeschilderte Piste, die sich in Sümpfe hineinwand, an idyllischen Altrheinarmen vorbei, hohen Pappeln und Schilfland, um sich immer wieder mit anderen verlassenen Pisten zu vereinigen. Manchmal zweigte etwas Schmales ab, kippte sichtlich nach unten, ins Dunkel. Zugänge ins Wasser, hier hatten früher die Einheimischen alte Autos bequem entsorgt. Ich wusste wieder, man darf diesen dunklen Schlünden nicht auf den Leim gehen. Aber wenn sie sich häufen, liegt dahinter der Rhein - und die Orientierung kommt zurück. Kaum hatte ich mich an die nachfolgende schlafende Zivilisation gewöhnt, fuhr ich an mehr als taghellen Leuchtfeuern vorbei. Da geht es mit dem Flieger direkt nach Sankt Petersburg. Und dort beginnt die Geschichte meines Hörprojekts. Im Ried spielt mein zurückgezogener Roman.
Manchmal, an solchen verzauberten Tagen, sind sich die Kopfwelten und die Realität sehr nah. Manchmal, in der Dämmerung und zwischen den Sümpfen, würde es einen nicht wundern, Fische fliegen zu sehen. Ich lande dann zwar auf einer realen Straße durch eine wirkliche Landschaft - aber ich habe auch das Gefühl, auf einem noch ganz anderen richtigen Weg zu sein. Zeiten und Orte neigen sich wie Pappeln am Wegesrand.
Was ist das kitschig. Eine Pappelallee eröffnet meinen ersten Roman. Dort bleibt die Protagonistin aus Versehen am Leben, weil sie im falschen Moment Gustav Mahler hört und ein Schemen aus einem Visconti-Film zu sehen glaubt. Weg damit! Den Lido in Venedig brauche ich nämlich auch noch für mein Hörprojekt.
Ich warne hiermit eindringlich vor Pappeln im badischen Ried! Biegsame Katastrophen zwischen Kitsch und Heuschnupfen. Schnitt, Schniiiitttt!!! Wir sind im falschen Film! Die Welt ist tief, he? Welcher Wahnsinnige hat nur dieses Drehbuch geschrieben??? Demnächst fliegen wohl noch die Fische bei voller Landebahnbefeuerung?? Schickt mal einer die Autorin heim!
16. April 2009
Feine Bücher kaufen
Liebhaber besonderer Bücher kennen das Dilemma: Die kleinen feinen Verlage werden von den großen Buchketten ausgesondert und viel Lesbares verschwindet hinter den von potenten Großverlagen bezahlten Stapelplätzen. Wohl dem, der noch einen kleinen feinen unabhängigen Buchhändler um die Ecke hat. Aber auch die werden dank Marktkonzentration langsam Mangelware. Wie sollen kleine und unabhängige Verlage gegen dieses Massengeschäft existieren?
Der Verleger Andreas Freitag vom Berliner Schwarzerfreitag-Verlag hatte eine Idee. Die ist so einfach und überzeugend, dass man sich wundert, warum da vorher noch niemand darauf gekommen ist (und warum ich das jetzt erst entdecke). Zusammen mit einigen Mitarbeitern gründete er einen Onlinebuchhandel speziell für "junge, innovative Bücher abseits des Massenbetriebs, abseits der gehypten Bestsellerlisten. Bücher mit Anspruch an inhaltliche und ästhetische Qualität. Bücher, die es schwer haben, in die Thalia-, Weltbild- und Hugendubel-Filialen zu gelangen, die aber trotzdem ihren Weg zum Leser finden sollten. Weil sie intelligent sind, weil sie schön sind und weil sie begeistern."
Die Liste der handverlesenen teilnehmenden Verlage kann sich sehen lassen: Blumenbar, Kookbooks, Edition Nautilus, Tropen, Verbrecher Verlag oder Liebeskind sind einige von den dreißig Verlagen mit derzeit 600 Titeln. Und noch einen Vorteil hat dieser Verbund: Es wird von solchen Verlagen auch die Backlist angeboten und gepflegt. Für Autoren heißt das: Es droht nicht gleich die Verramschung nach immer kürzer werdenden Haltbarkeitsdaten für Bücher. Solche Bücher darf man auch nach fünf Jahren noch getrost lesen.
Der Online-Laden heißt TUBUK und verspricht: "Nicht jedes Buch". Einen ausführlichen Artikel dazu gibt es beim Goethe-Institut. Berliner können sogar in einem Real-Life-Laden in Berlin Mitte, Brunnenstraße 195 / Rosenthaler Platz, einkaufen. Dessen Ambiente hat unterschiedliche Kritiken bekommen, der Tagesspiegel etwa findet es zu elitär, nicht jedes Buch anbieten zu wollen. Hätte er das mal nur den Buchketten vorgeworfen, bevor sie alles niederbügelten.
Ich finde, es ist höchste Zeit, dass sich Literatur und Independents selbstbewusst geben und dem allgegenwärtigen Brei ihre Vielfalt entgegensetzen. Gemeinsam. Denn gemeinsam werden auch Kleine stark.
Was mir besonders gefallen hat: Die Verlagsprofile. Endlich kann ich mir auch als Autorin vorstellen, worauf ein Verlag Wert legt, ohne dass ich aus zig Buchhändlerprospekten Kaffeesatz lesen muss. Darunter die Neuerscheinungen, Lesungstermine und die Backlist - sehr übersichtlich! Profile, Blogfunktion und Kommentare gibt's auch für die vertretenen Autoren, wodurch sich Fanclubs bilden lassen und Leser direkt mit den Autoren kommunizieren können. Schaut man sich obendrein den Altersdurchschnitt der registrierten Leser an, darf das Abendland außerdem wieder aufatmen: Junge Leute lesen Literatur! Kurzum: Verführerisch, hier Bücher jenseits des Mainstreams kennen zu lernen!
Der Verleger Andreas Freitag vom Berliner Schwarzerfreitag-Verlag hatte eine Idee. Die ist so einfach und überzeugend, dass man sich wundert, warum da vorher noch niemand darauf gekommen ist (und warum ich das jetzt erst entdecke). Zusammen mit einigen Mitarbeitern gründete er einen Onlinebuchhandel speziell für "junge, innovative Bücher abseits des Massenbetriebs, abseits der gehypten Bestsellerlisten. Bücher mit Anspruch an inhaltliche und ästhetische Qualität. Bücher, die es schwer haben, in die Thalia-, Weltbild- und Hugendubel-Filialen zu gelangen, die aber trotzdem ihren Weg zum Leser finden sollten. Weil sie intelligent sind, weil sie schön sind und weil sie begeistern."
Die Liste der handverlesenen teilnehmenden Verlage kann sich sehen lassen: Blumenbar, Kookbooks, Edition Nautilus, Tropen, Verbrecher Verlag oder Liebeskind sind einige von den dreißig Verlagen mit derzeit 600 Titeln. Und noch einen Vorteil hat dieser Verbund: Es wird von solchen Verlagen auch die Backlist angeboten und gepflegt. Für Autoren heißt das: Es droht nicht gleich die Verramschung nach immer kürzer werdenden Haltbarkeitsdaten für Bücher. Solche Bücher darf man auch nach fünf Jahren noch getrost lesen.
Der Online-Laden heißt TUBUK und verspricht: "Nicht jedes Buch". Einen ausführlichen Artikel dazu gibt es beim Goethe-Institut. Berliner können sogar in einem Real-Life-Laden in Berlin Mitte, Brunnenstraße 195 / Rosenthaler Platz, einkaufen. Dessen Ambiente hat unterschiedliche Kritiken bekommen, der Tagesspiegel etwa findet es zu elitär, nicht jedes Buch anbieten zu wollen. Hätte er das mal nur den Buchketten vorgeworfen, bevor sie alles niederbügelten.
Ich finde, es ist höchste Zeit, dass sich Literatur und Independents selbstbewusst geben und dem allgegenwärtigen Brei ihre Vielfalt entgegensetzen. Gemeinsam. Denn gemeinsam werden auch Kleine stark.
Was mir besonders gefallen hat: Die Verlagsprofile. Endlich kann ich mir auch als Autorin vorstellen, worauf ein Verlag Wert legt, ohne dass ich aus zig Buchhändlerprospekten Kaffeesatz lesen muss. Darunter die Neuerscheinungen, Lesungstermine und die Backlist - sehr übersichtlich! Profile, Blogfunktion und Kommentare gibt's auch für die vertretenen Autoren, wodurch sich Fanclubs bilden lassen und Leser direkt mit den Autoren kommunizieren können. Schaut man sich obendrein den Altersdurchschnitt der registrierten Leser an, darf das Abendland außerdem wieder aufatmen: Junge Leute lesen Literatur! Kurzum: Verführerisch, hier Bücher jenseits des Mainstreams kennen zu lernen!
Money money money
Kürzlich wurde ich unfreiwillig mit einer gigantischen Geschäftsidee konfrontiert. Man lässt nicht mehr Autoren für den Druck der Vanity Press bezahlen, sondern lässt Menschen löhnen, die im "Buch" vorkommen.
Die Kundschaft kann für den findigen Sachbuchautor immens sein. Von sogenannten Gastro-Führern, die lediglich aus bezahlten PR-Texten bestehen, kennt man die Idee bereits. Der Mindestabsatz ist garantiert, der Vertrieb sowie Buchhandel gespart - denn jeder darin vorkommende Koch oder Wirt wird stolz das Produkt an der eigenen Theke auslegen. Vielleicht greift auch der ein oder andere Tourist gern zu, dem das Mahl geschmeckt hat. Aber Freunde echter Bücher bevorzugen dann doch lieber unabhängige Ware von echten Kritikern. Es spricht sich schnell herum, wenn die nicht mehr selbst schreiben und sich bezahlen lassen. Ja, auch das hat es schon gegeben. Ist aber alles Schnee von gestern. Hier meine Anleitung zum Gelddrucken:
Liebe ärmliche KollegInnen, Ihr wisst nicht, wie ihr das anpacken könnt? Sucht große, noch unbearbeitete Themen, die nicht im Branchenbuch auf der ersten Seite zu finden sind. Möglichst große!
"Der absolute Schornsteinfeger-Führer Deutschlands" wäre zwar ein exotisches Nischenprodukt mit guten Verkaufchancen in der Häuslesbauerszene - aber überlegt euch die Aquise! So schnell werdet ihr Deutschlands Schornsteinfeger nicht überzeugen können, das irre dolle hochfeine Hochglanzprodukt beim nächsten Kontrollgang zu vertickern.
Eher schon etwas auch für Tante Ernas Geburtstag und den Besuch an Onkel Ernstens Krankenbett wäre ein "Gartenzwergführer für Ganzhinterbrandenburg". Hier ließen sich Verkaufsveranstaltungen ähnlich der Tupper-Parties erfinden, eine kulturelle Bereicherung für das platte Landleben.
Auch gut: Dahin gehen, wo Menschen Geld verdienen wollen und es folglich ausgeben könnten. "Der irreste Führer aller Unterwäscheläden einschließlich der Krämermarktstände von Castrop-Rauxel" wäre so ein Projekt. Wer in Unterwäsche investiert, die man sowieso nicht sieht, hat Knete. Und das Projekt lässt sich unendlich ausbauen: Nach Castrop Rauxel wollen sicher auch Hannover, Hintertupfingen und Hengersberg ihre eigene Ausgabe!
Die Dinger brummen. Also versprecht euren Kunden Auflagen bis so um die 7000. So gut gehen zwar nicht mal alle Taschenbücher von Großverlagen, aber wer weiß das schon. Nicht mal die Presse, die begeistert eure Idee aufnimmt und schon morgen eine Gartenzwergkolumne startet. ISBN gibt's natürlich umsonst. Geschenkt. Man hat ja all die feinen Seitenfinanzierungen schon in den Geldbeutel gezählt und lacht sich krümelig über die tatsächlichen Druckkosten.
Tja. Und dann die Ernüchterung. Vor allem bei Amazon und anderen Händlern, die sonst jeden Schund vorrätig haben, jedes winzige Selbstverlegerbüchlein. All die wunderbaren Riesenauflagen der wunderbaren Führer gar nicht käuflich. Schon ausverkauft? Vor Begeisterung vergriffen? Die Verkaufsränge sprechen eine deutlich andere Sprache. Vielleicht hat Tante Erna ein Probeexemplar für Onkel Ernst bestellt.
Ich haue mir immer wieder an die Stirn, wie bekloppt ich bin, dass ich beim Schreiben so darbe. Wenn ich mir vorstelle, was ich hätte verdienen können, wenn ich jeden abgezockt hätte, der in meinem Elsassbuch vorkommt! Lydie, ich beschreib deine Küche extra auf ein paar Zeilen, wenn du mir 100 E für die Seite zahlst. Nee, sagen wir lieber 200 E, deine Küche ist ja ein halbes Restaurant. Was hätten mir Rosenzüchter zahlen können, wenn ich ihre Namen im Rosenbuch nur gegen Geld genannt hätte! Oder jetzt, dieses eine Theater in Paris, das kurz vorkommt. Ich ruf sofort da an: Was zahlen Sie mir, dass ich den Namen des Theaters nicht schwärze?
Ach, da bleibt man dumm integer und moralisch, geistig unabhängig und kritisch - da wird nie eine Verkaufsparty draus.
Spaß beiseite. Leider, leider ist den meisten Menschen immer noch nicht bewusst, was man unter Verlegen und echten Büchern wirklich versteht. Verlegen kommt von Vorlegen. Ein Verleger investiert in Bücher und Autoren, weil er kalkulieren kann, dass sich ein Projekt auch verkauft und selbst trägt. Und ein Buch ist kein Advertorial zwischen Pappedeckeln.
Drum: Trau, schau, wem! Hier bei Fairlag gibt es wichtige Infos darüber, wie seriöse Verleger arbeiten.
Die Kundschaft kann für den findigen Sachbuchautor immens sein. Von sogenannten Gastro-Führern, die lediglich aus bezahlten PR-Texten bestehen, kennt man die Idee bereits. Der Mindestabsatz ist garantiert, der Vertrieb sowie Buchhandel gespart - denn jeder darin vorkommende Koch oder Wirt wird stolz das Produkt an der eigenen Theke auslegen. Vielleicht greift auch der ein oder andere Tourist gern zu, dem das Mahl geschmeckt hat. Aber Freunde echter Bücher bevorzugen dann doch lieber unabhängige Ware von echten Kritikern. Es spricht sich schnell herum, wenn die nicht mehr selbst schreiben und sich bezahlen lassen. Ja, auch das hat es schon gegeben. Ist aber alles Schnee von gestern. Hier meine Anleitung zum Gelddrucken:
- Man gründe einen Verlag.
- Man suche sich ein möglichst breitgefächertes Themenpublikum. Möglichst eines, das entweder wissbegierig ist oder noch besser neidisch auf Konkurrenten.
- Man bastle zum Thema einen "Führer".
Liebe ärmliche KollegInnen, Ihr wisst nicht, wie ihr das anpacken könnt? Sucht große, noch unbearbeitete Themen, die nicht im Branchenbuch auf der ersten Seite zu finden sind. Möglichst große!
"Der absolute Schornsteinfeger-Führer Deutschlands" wäre zwar ein exotisches Nischenprodukt mit guten Verkaufchancen in der Häuslesbauerszene - aber überlegt euch die Aquise! So schnell werdet ihr Deutschlands Schornsteinfeger nicht überzeugen können, das irre dolle hochfeine Hochglanzprodukt beim nächsten Kontrollgang zu vertickern.
Eher schon etwas auch für Tante Ernas Geburtstag und den Besuch an Onkel Ernstens Krankenbett wäre ein "Gartenzwergführer für Ganzhinterbrandenburg". Hier ließen sich Verkaufsveranstaltungen ähnlich der Tupper-Parties erfinden, eine kulturelle Bereicherung für das platte Landleben.
Auch gut: Dahin gehen, wo Menschen Geld verdienen wollen und es folglich ausgeben könnten. "Der irreste Führer aller Unterwäscheläden einschließlich der Krämermarktstände von Castrop-Rauxel" wäre so ein Projekt. Wer in Unterwäsche investiert, die man sowieso nicht sieht, hat Knete. Und das Projekt lässt sich unendlich ausbauen: Nach Castrop Rauxel wollen sicher auch Hannover, Hintertupfingen und Hengersberg ihre eigene Ausgabe!
Die Dinger brummen. Also versprecht euren Kunden Auflagen bis so um die 7000. So gut gehen zwar nicht mal alle Taschenbücher von Großverlagen, aber wer weiß das schon. Nicht mal die Presse, die begeistert eure Idee aufnimmt und schon morgen eine Gartenzwergkolumne startet. ISBN gibt's natürlich umsonst. Geschenkt. Man hat ja all die feinen Seitenfinanzierungen schon in den Geldbeutel gezählt und lacht sich krümelig über die tatsächlichen Druckkosten.
Tja. Und dann die Ernüchterung. Vor allem bei Amazon und anderen Händlern, die sonst jeden Schund vorrätig haben, jedes winzige Selbstverlegerbüchlein. All die wunderbaren Riesenauflagen der wunderbaren Führer gar nicht käuflich. Schon ausverkauft? Vor Begeisterung vergriffen? Die Verkaufsränge sprechen eine deutlich andere Sprache. Vielleicht hat Tante Erna ein Probeexemplar für Onkel Ernst bestellt.
Ich haue mir immer wieder an die Stirn, wie bekloppt ich bin, dass ich beim Schreiben so darbe. Wenn ich mir vorstelle, was ich hätte verdienen können, wenn ich jeden abgezockt hätte, der in meinem Elsassbuch vorkommt! Lydie, ich beschreib deine Küche extra auf ein paar Zeilen, wenn du mir 100 E für die Seite zahlst. Nee, sagen wir lieber 200 E, deine Küche ist ja ein halbes Restaurant. Was hätten mir Rosenzüchter zahlen können, wenn ich ihre Namen im Rosenbuch nur gegen Geld genannt hätte! Oder jetzt, dieses eine Theater in Paris, das kurz vorkommt. Ich ruf sofort da an: Was zahlen Sie mir, dass ich den Namen des Theaters nicht schwärze?
Ach, da bleibt man dumm integer und moralisch, geistig unabhängig und kritisch - da wird nie eine Verkaufsparty draus.
Spaß beiseite. Leider, leider ist den meisten Menschen immer noch nicht bewusst, was man unter Verlegen und echten Büchern wirklich versteht. Verlegen kommt von Vorlegen. Ein Verleger investiert in Bücher und Autoren, weil er kalkulieren kann, dass sich ein Projekt auch verkauft und selbst trägt. Und ein Buch ist kein Advertorial zwischen Pappedeckeln.
Drum: Trau, schau, wem! Hier bei Fairlag gibt es wichtige Infos darüber, wie seriöse Verleger arbeiten.
15. April 2009
Macht Schreiben einsam?
Immer wieder liest man davon, dass Schreiben ein einsames Geschäft sei. Berühmte Schriftsteller behaupten es, Nachwuchsautoren haben Angst davor, Leserinnen verstehen es nicht. Macht Schreiben wirklich einsam? Ich frage mich das doppelt, denn mein Brotberuf ist ebenfalls ein Schreibberuf. Ich müsste ein doppelt vereinsamtes armes Häufchen sein.
Provokativ möchte ich behaupten, nicht der Schriftsteller ist einsam. Es reibt sich an ihm nur eine Welt, die dem Welpenstadium noch nicht entwachsen ist. Immer schön kuscheln, sich umtuddeln lassen und Nestwärme fühlen. Dauerparty am Fressnapf mit Standleitung zum Tierarzt für mögliche Wehwehchen. Und ständig Angst vorm großen "lonely wolf", der selbstbewusst irgendwelchen Fährten nachschleicht, eins mit sich, dem Wald und den Gerüchen. Wie sonst könnte es passieren, dass man ständig fürs Einsamsein bedauert wird?
Man kann sich ja auch ein Büro teilen. Früher, im Redaktionsbüro mit fünf Mann Belegschaft, habe ich mich nach Einsam... nein, nach Alleinsein gesehnt. Zählte man Interviewpartner, bettelnde Veranstalter und tratschende Kollegen aus anderen Redaktionen dazu, war die Bude ständig überfüllt. Es klingelten fremde Telefone, es dauerklappten Türen, ein anderer brüllte sein Gespräch und der Nebenmann zog sich erst mal das halbe Wasserglas Whiskey rein, um seinen Aufmacher gegen die schnöde Welt anschreiben zu können. Damals klapperten sogar noch die Schreibmaschinen. Und war der Artikel fertig, musste man ihn schützen, damit nicht irgendein dussliger Besucher seinen Kaffee darauf auskippte. Man arbeitete noch auf Papier.
Einsamkeitsvernichter Nr.1: Wenn du dir selbst zu still bist, lern singen oder nimm dir mit anderen Menschen ein Gemeinschaftsbüro.
Es ist schon eklig. Als Schriftsteller hat man so verdammt erwachsen zu sein. Kein Papa, keine Mama mehr, die einem sagen, wann Geschichten Lügen sind. Kein Lehrer, der einem Hausaufgaben aufgibt, weil der Plot missraten ist. Kein Chef, der brüllt, wann endlich die zehn Seiten auf seinem Tisch liegen. Und selbst Ehefrau oder Ehemann bleiben oft draußen vor der Tür. Nicht einmal mehr die Verlage wollen Ersatzeltern spielen, der Kleine hat gefälligst schon zu wissen, wie man allein aufs Töpfchen geht. Und der Agent lässt seine Autoren sich entwickeln - welch horror vacui, die freie Selbstentfaltung!
Ich muss da irgendetwas falsch machen. Außer Agenten, Verlegern, Lektorinnen lerne ich ständig interessante Leute kennen. Kolleginnen und Kollegen sind dabei besonders anstrengend, weil die Gespräche immer dann spannend werden, wenn man längst wieder im Kämmerlein sitzen oder schlafen müsste. Manchmal absorbiert einen dieses Gruppenleben sogar so, dass für nicht schreibende Freunde zu wenig Zeit bleibt. Oder für die einsame Aufgabe des Fensterputzens. Aber es stimmt schon: Ich bin dazu verurteilt, trotz all dieser Leute meine Entscheidungen allein zu treffen, mir kein X für ein U vormachen zu lassen, genau zu wissen, was ich will und wo ich hin will. Ich darf alleine scheitern, ich muss alleine mit meinen Abgründen ringen, ich mache Dinge, die außer meiner Hauptfigur keiner versteht. Kein Patschhändchen weit und breit, dass mich für diese Arbeit betuddelt.
Einsamkeitsvernichter Nr. 2: Die Umschulung auf Kindergärtner oder Politiker lässt Patschhändchen nie ausgehen.
Es soll Kolleginnen und Kollegen geben, die recherchieren ihre Romane allein mit Wikipedia und Google, warten auf die elektronische Bibliothek von Alexandria und fragen abends: "Liebling, wie war dein Tag da draußen?" Und dann erfinden sie wieder, drinnen. Kopfwelten. Ich habe diese Technik noch nie beherrscht. Mein Kopf ist für meine Texte zu klein. Zum Glück habe ich bereits als kleines Kind gelernt, ein anderes Organ zum Ausgleich dieser Behinderung zu vergrößern: meinen Schwamm. Ich bin nämlich süchtig nach Leben, nach Leuten. Manchmal nervt es mich, dass ich nicht mehr wie ein normaler Mensch im Eiscafé sitzen oder in der Fußgängerzone laufen kann. Ständig fahre ich meinen Schwamm aus und sauge. Sauge Menschen, sauge Gesprächsfetzen, Gesten, Blicke.
Mit der Zeit hat sich mein Schwammorgan zu einem Fettschwamm entwickelt. Es reicht ihm nicht mehr, nur zu beobachten. Er verwickelt wildfremde Menschen in Gespräche. Er quatscht, hört zu. Ich weiß nicht, wie mein Schwamm das macht, aber er muss sich manchmal regelrecht wehren, wenn er schon voll ist. Weil noch mehr Lebensgeschichten kommen, noch mehr Einzelheiten aus einem Berufsleben. Seltsame Gelüste hat der Schwamm außerdem. Begleitet einen Förster im Wald beim Weihnachtsbaumschneiden. Fachsimpelt mit einer Töpferin über Terrakotta aus Mesopotamien. Lauscht den Träumen einer Malerin. Interessiert sich für das Geschimpfe von Kanalarbeitern. Nichts ist diesem Schwamm heilig, überall muss er mitmischen.
Einsamkeitsvernichter Nr. 3: Das Spracherkennungsprogramm auf Dialog stellen. Langsam üben und dann die Schocktherapie in einem öffentlichen Verkehrsmittel.
Ich wäre so gern mal wieder richtig einsam. Ich würde zu gern endlich wieder einen ganzen Tag mutterseelenallein mit meinen Figuren verbringen und in aller Stille Text verbrechen. Ich möchte diesen intensiven Moment auskosten, in dem ich selbstherrlich über das nächste Kapitel entscheide, ohne Rücksicht auf Verluste. Aber nicht einmal das autoerotische Vergnügen des Schöpfens lässt man uns. Man zerrt uns in die Öffentlichkeit, fragt uns Löcher in den Schwamm, und dann lesen wir auch noch vor gefüllten Sälen und trampeln uns die Füße auf überfüllten Buchmessen platt! Nein, Schriftsteller ist eindeutig der falsche Beruf für Leute, die Einsamkeit lieben. Was werde ich froh sein wenn ich heute abend endlich die Tür hinter mir zumachen kann...
Provokativ möchte ich behaupten, nicht der Schriftsteller ist einsam. Es reibt sich an ihm nur eine Welt, die dem Welpenstadium noch nicht entwachsen ist. Immer schön kuscheln, sich umtuddeln lassen und Nestwärme fühlen. Dauerparty am Fressnapf mit Standleitung zum Tierarzt für mögliche Wehwehchen. Und ständig Angst vorm großen "lonely wolf", der selbstbewusst irgendwelchen Fährten nachschleicht, eins mit sich, dem Wald und den Gerüchen. Wie sonst könnte es passieren, dass man ständig fürs Einsamsein bedauert wird?
Man kann sich ja auch ein Büro teilen. Früher, im Redaktionsbüro mit fünf Mann Belegschaft, habe ich mich nach Einsam... nein, nach Alleinsein gesehnt. Zählte man Interviewpartner, bettelnde Veranstalter und tratschende Kollegen aus anderen Redaktionen dazu, war die Bude ständig überfüllt. Es klingelten fremde Telefone, es dauerklappten Türen, ein anderer brüllte sein Gespräch und der Nebenmann zog sich erst mal das halbe Wasserglas Whiskey rein, um seinen Aufmacher gegen die schnöde Welt anschreiben zu können. Damals klapperten sogar noch die Schreibmaschinen. Und war der Artikel fertig, musste man ihn schützen, damit nicht irgendein dussliger Besucher seinen Kaffee darauf auskippte. Man arbeitete noch auf Papier.
Einsamkeitsvernichter Nr.1: Wenn du dir selbst zu still bist, lern singen oder nimm dir mit anderen Menschen ein Gemeinschaftsbüro.
Es ist schon eklig. Als Schriftsteller hat man so verdammt erwachsen zu sein. Kein Papa, keine Mama mehr, die einem sagen, wann Geschichten Lügen sind. Kein Lehrer, der einem Hausaufgaben aufgibt, weil der Plot missraten ist. Kein Chef, der brüllt, wann endlich die zehn Seiten auf seinem Tisch liegen. Und selbst Ehefrau oder Ehemann bleiben oft draußen vor der Tür. Nicht einmal mehr die Verlage wollen Ersatzeltern spielen, der Kleine hat gefälligst schon zu wissen, wie man allein aufs Töpfchen geht. Und der Agent lässt seine Autoren sich entwickeln - welch horror vacui, die freie Selbstentfaltung!
Ich muss da irgendetwas falsch machen. Außer Agenten, Verlegern, Lektorinnen lerne ich ständig interessante Leute kennen. Kolleginnen und Kollegen sind dabei besonders anstrengend, weil die Gespräche immer dann spannend werden, wenn man längst wieder im Kämmerlein sitzen oder schlafen müsste. Manchmal absorbiert einen dieses Gruppenleben sogar so, dass für nicht schreibende Freunde zu wenig Zeit bleibt. Oder für die einsame Aufgabe des Fensterputzens. Aber es stimmt schon: Ich bin dazu verurteilt, trotz all dieser Leute meine Entscheidungen allein zu treffen, mir kein X für ein U vormachen zu lassen, genau zu wissen, was ich will und wo ich hin will. Ich darf alleine scheitern, ich muss alleine mit meinen Abgründen ringen, ich mache Dinge, die außer meiner Hauptfigur keiner versteht. Kein Patschhändchen weit und breit, dass mich für diese Arbeit betuddelt.
Einsamkeitsvernichter Nr. 2: Die Umschulung auf Kindergärtner oder Politiker lässt Patschhändchen nie ausgehen.
Es soll Kolleginnen und Kollegen geben, die recherchieren ihre Romane allein mit Wikipedia und Google, warten auf die elektronische Bibliothek von Alexandria und fragen abends: "Liebling, wie war dein Tag da draußen?" Und dann erfinden sie wieder, drinnen. Kopfwelten. Ich habe diese Technik noch nie beherrscht. Mein Kopf ist für meine Texte zu klein. Zum Glück habe ich bereits als kleines Kind gelernt, ein anderes Organ zum Ausgleich dieser Behinderung zu vergrößern: meinen Schwamm. Ich bin nämlich süchtig nach Leben, nach Leuten. Manchmal nervt es mich, dass ich nicht mehr wie ein normaler Mensch im Eiscafé sitzen oder in der Fußgängerzone laufen kann. Ständig fahre ich meinen Schwamm aus und sauge. Sauge Menschen, sauge Gesprächsfetzen, Gesten, Blicke.
Mit der Zeit hat sich mein Schwammorgan zu einem Fettschwamm entwickelt. Es reicht ihm nicht mehr, nur zu beobachten. Er verwickelt wildfremde Menschen in Gespräche. Er quatscht, hört zu. Ich weiß nicht, wie mein Schwamm das macht, aber er muss sich manchmal regelrecht wehren, wenn er schon voll ist. Weil noch mehr Lebensgeschichten kommen, noch mehr Einzelheiten aus einem Berufsleben. Seltsame Gelüste hat der Schwamm außerdem. Begleitet einen Förster im Wald beim Weihnachtsbaumschneiden. Fachsimpelt mit einer Töpferin über Terrakotta aus Mesopotamien. Lauscht den Träumen einer Malerin. Interessiert sich für das Geschimpfe von Kanalarbeitern. Nichts ist diesem Schwamm heilig, überall muss er mitmischen.
Einsamkeitsvernichter Nr. 3: Das Spracherkennungsprogramm auf Dialog stellen. Langsam üben und dann die Schocktherapie in einem öffentlichen Verkehrsmittel.
Ich wäre so gern mal wieder richtig einsam. Ich würde zu gern endlich wieder einen ganzen Tag mutterseelenallein mit meinen Figuren verbringen und in aller Stille Text verbrechen. Ich möchte diesen intensiven Moment auskosten, in dem ich selbstherrlich über das nächste Kapitel entscheide, ohne Rücksicht auf Verluste. Aber nicht einmal das autoerotische Vergnügen des Schöpfens lässt man uns. Man zerrt uns in die Öffentlichkeit, fragt uns Löcher in den Schwamm, und dann lesen wir auch noch vor gefüllten Sälen und trampeln uns die Füße auf überfüllten Buchmessen platt! Nein, Schriftsteller ist eindeutig der falsche Beruf für Leute, die Einsamkeit lieben. Was werde ich froh sein wenn ich heute abend endlich die Tür hinter mir zumachen kann...
14. April 2009
Rosa Rauschen
Es soll Schriftsteller geben, die sich zum Schreiben Hardrock um die Ohren ballern. Im Allgemeinen zählen Schriftsteller jedoch zur eher lärmempfindlichen, weil hochkonzentriert arbeitenden Spezies. Und im Besonderen sind sie genau dann um Ruhe besorgt, wenn Termine drohen.
Morgen soll ich eine Rede vor Journalisten halten, von der noch kein Satz steht (wird auch morgen nicht, weil ich Reden ja doch immer todesmutig improvisiere). Und gleichzeitig droht der Abgabetermin für die Bewerbung um ein Stipendium, die noch besser sitzen sollte als eine bei Verlagen. Immerhin, der typisch französische Osterlärm Marke "wir spielen Strand von La Grande Motte" ist abgeebbt. Meine Fenster standen sperrangelweit auf - bis eben.
Jetzt haben sie an Nachbars Haus ein Gerüst hochgezogen, von dem ein türkischer Patriarch mit Donnerstimme seinen in unterschiedlichen Stimmlagen ebenfalls donnernden Clan kommandiert und mit einem Opernglas wahrscheinlich gleich an meinem Bildschirm mitlesen könnte. Damit es mir nicht zu wohl wird, bauen sie beim anderen Nachbarn gerade am Zaun eine Kreissäge auf für irgendwelchen Innenausbau. Damit man die Kreissäge nicht so hört, schallt lauter Discostampf aus dem Auto.
Wie überstehen das andere? Wie schreiben Kollegen Termintext unter erschwerten Stillebedingungen? Jonathan Frantzen hat sein Geheimnis einmal im Fernsehen gelüftet. Er ist so einer, der nur in absoluter Stille kann und für den ein Aufenthaltsstipendium im Bahnwärterhäuschen die Hölle wäre. Weil es aber in New York nie Stille gibt, setzt er sich Rosa Rauschen aufs Ohr.
Ich wollte das natürlich auch, fand es zum kostenlosen Download. Ursprünglich wurde das Geräusch, korrekt 1/f-Rauschen genannt, im Tonstudio als Referenzsignal benutzt, bis man es für die Tinnitustherapie entdeckte. In der Wikipedia heißt es so schön:
"In der Akustik wird das 1/f-Rauschen als ein Geräusch empfunden, bei dem ein durchschnittlicher Mensch alle Frequenzbereiche des hörbaren Schallspektrums etwa gleich laut empfindet." Gleich laut. Nicht gleich still.
Andere versprechen vollmundig gar salbungsvolle Wirkungen auf die Hirnwellen und extra beschwingtes Lernen, idyllisch wie ein Wasserfall soll es sich anhören. Entspannung pur, Kreativitätsbeschleuniger hoch drei, könnte man meinen. (Warum aber braucht dann Jonathan Frantzen so lange für ein Buch?)
Und dann habe ich mir das Zeug unter obigem Downloadlink mal angehört. Danke. Da nehme ich doch lieber die Kreissäge als Soprano continuo und lass den türkischen Patriarchen zum Stampfstampfkreisch zünftig rappen - im Chor mit seinem Clan, abgemischt mit etwas Hundebellen von Rocco. Strawinsky hätte daran seine helle Freude gehabt und würde noch ein Horn dagegen setzen. Und wie war gleich noch mal die Melodie meines Textes?
Morgen soll ich eine Rede vor Journalisten halten, von der noch kein Satz steht (wird auch morgen nicht, weil ich Reden ja doch immer todesmutig improvisiere). Und gleichzeitig droht der Abgabetermin für die Bewerbung um ein Stipendium, die noch besser sitzen sollte als eine bei Verlagen. Immerhin, der typisch französische Osterlärm Marke "wir spielen Strand von La Grande Motte" ist abgeebbt. Meine Fenster standen sperrangelweit auf - bis eben.
Jetzt haben sie an Nachbars Haus ein Gerüst hochgezogen, von dem ein türkischer Patriarch mit Donnerstimme seinen in unterschiedlichen Stimmlagen ebenfalls donnernden Clan kommandiert und mit einem Opernglas wahrscheinlich gleich an meinem Bildschirm mitlesen könnte. Damit es mir nicht zu wohl wird, bauen sie beim anderen Nachbarn gerade am Zaun eine Kreissäge auf für irgendwelchen Innenausbau. Damit man die Kreissäge nicht so hört, schallt lauter Discostampf aus dem Auto.
Wie überstehen das andere? Wie schreiben Kollegen Termintext unter erschwerten Stillebedingungen? Jonathan Frantzen hat sein Geheimnis einmal im Fernsehen gelüftet. Er ist so einer, der nur in absoluter Stille kann und für den ein Aufenthaltsstipendium im Bahnwärterhäuschen die Hölle wäre. Weil es aber in New York nie Stille gibt, setzt er sich Rosa Rauschen aufs Ohr.
Ich wollte das natürlich auch, fand es zum kostenlosen Download. Ursprünglich wurde das Geräusch, korrekt 1/f-Rauschen genannt, im Tonstudio als Referenzsignal benutzt, bis man es für die Tinnitustherapie entdeckte. In der Wikipedia heißt es so schön:
"In der Akustik wird das 1/f-Rauschen als ein Geräusch empfunden, bei dem ein durchschnittlicher Mensch alle Frequenzbereiche des hörbaren Schallspektrums etwa gleich laut empfindet." Gleich laut. Nicht gleich still.
Andere versprechen vollmundig gar salbungsvolle Wirkungen auf die Hirnwellen und extra beschwingtes Lernen, idyllisch wie ein Wasserfall soll es sich anhören. Entspannung pur, Kreativitätsbeschleuniger hoch drei, könnte man meinen. (Warum aber braucht dann Jonathan Frantzen so lange für ein Buch?)
Und dann habe ich mir das Zeug unter obigem Downloadlink mal angehört. Danke. Da nehme ich doch lieber die Kreissäge als Soprano continuo und lass den türkischen Patriarchen zum Stampfstampfkreisch zünftig rappen - im Chor mit seinem Clan, abgemischt mit etwas Hundebellen von Rocco. Strawinsky hätte daran seine helle Freude gehabt und würde noch ein Horn dagegen setzen. Und wie war gleich noch mal die Melodie meines Textes?