Im Zwischenleben-Blog sagt Bluomo, die Geschichten lägen auf der Straße. Wie recht er hat!
Sage ich, die ich gerade aus Strasbourg komme, wo ich einen Termin in einem besonders niedlichen Viertel hatte. Nähe Place de Faubourg nebst Hintergassen. Dort flanieren - und man steht als Geschichtensammler unter Strom. Allerdings sollte man beim Flanieren so tun, als habe man es irgendwie eilig und sehe nichts und niemanden...
Mich hat das Landesparlament dorthin geschickt, zu einer Unternehmensberatung für Künstler. Und nun will ich doch nicht mehr re-emigrieren und könnte die Leutchen knutschen, ich fühle mich richtig verwöhnt! Endlich hat mal jemand verstanden, was ich will und warum ich solch einen verrückten Beruf habe. Endlich weiß ich, wie ich es anstellen muss. Und leider weiß ich jetzt auch, dass man mich in meinem ländlichen Canton, der "Outre-Foret", also wortwörtlich und dem Sinn nach "Hinterwald" heißt, völlig falsch beraten hatte.
Jedenfalls habe ich jetzt den schönsten Beruf der Welt, ich bin nicht mehr nur écrivaine, sondern arbeite ab 2009 hoffentlich auch als ... fantaisiste! Das sind die Momente, wo man wie bei der Speisekarte jegliche Übersetzung meidet, weil sie einfach nicht klingt. Jedenfalls sind das die Leute, die "cabaret littéraire" machen, wobei cabaret im Französischen doppeldeutig ist - es meint Spektakel oder Spelunke, weil ersteres meist in letzterem stattfindet.
Wie nun also die amtlichen Grundlagen gelegt waren, ging ich flanieren, um Geschichten im Rinnstein aufzusammeln. Ein faszinierendes Viertel, in dem man mit wenigen Schritten aus der Türkei zu den Antillen gelangt, von dort über Schwarzafrika nach Marokko hüpft und dahinter im elsässischsten Elsass landet. Es gibt eine winzige Straße mit jungen Modemachern und Künstlern, es gibt dort orientalische Boutiquen mit Prachtroben wie aus dem Serail und silbernem Teegeschirr, türkische Miniläden mit uraltem verstaubtem Likör aus Bulgarien, die Etiketten vergilbt, es gibt italienische Designerschuhe zum Träumen und zwielichtige Hotels, in denen Männer mit Pitbulls verschwinden, die schlechter gekleidet sind als der Hund.
Eine Dame vom horizontalen Gewerbe flaniert ebenfalls, am hellichten Tage, hinter einem Gendarmerieauto her, das Schritt fährt. Nein, sie läuft nicht den blaugekleideten Ordnungshütern nach, sondern zum dort aufgestellten Kondomautomat. Hinter dem Automat bietet ein türkisches Reisebüro muslimische Reisen für Mutter mit Kind. Die Straßen sind erfreulich touristenfrei, der Espresso im Stehcafé kostet nur 1,50 E und weckt dafür Zombies auf. Vor einem etwas feineren Billighotel kärchert der Portier Hundepisse vom Hydranten weg, der damit zum roten Mahnmal für die Politik unseres Präsidenten wird (der hat das Wort "wegkärchern" nämlich geschaffen und will das mit Armen und Ausländern tun). Noch hat er Frankreichs Kultur nicht ganz zerstört, die Künstler mit ihren riesigen Mappen und Fantasieklamotten stapfen weiter unverdrossen in die winzigen Galerien oder ins Studentenrestaurant.
Und dann verlaufe ich mich, verpasse eine Straße und finde mich mitten im größten Polizeiaufgebot, das ich je gesehen habe. Gendarmerie allüberall, die Straße blockiert. Die Uniformen geschniegelt, als käme der Polizeipräsident persönlich. Vielleicht ein hochrangiger Politiker? In diesem Viertel? Der Gehweg scheint passierbar, also laufe ich lustig an den schwer beschäftigten Jungs und Mädels vorbei.
Nur, was machen die eigentlich? Razzia. Im Affenzahn werden drei Autos zur Kontrolle gewunken, die selbst mir verdächtig vorkommen. Als ich die Fahrer sehe, halte ich unwillkürlich meine Handtasche fester. Und dann sehe ich den Typen mit der Kamera. Ich habe derart neugierig versucht zu sehen, welcher Sender das war, dass der Typ unwillkürlich auf die Passantin schwenkte. Tja, jetzt bin ich also auch noch unbezahlte Statistin in irgendeinem "polar", einem französischen Fernsehkrimi.
Ja, die Geschichten liegen wirklich auf der Straße. Manchmal findet man dort sogar gebrauchte.
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30. September 2008
Radiostar mit fünf Fingern
Ein Kollege hat mir mal gesagt, man merke an meinen Büchern, dass ich in Frankreich lebe: Es ginge ständig irgendwo um Essen und Trinken (Kunststück, wenn man kulinarisch literarische Reiseführer schreibt). Na und jetzt, mit dieser Kolumne... da bekomme ich langsam Selbstzweifel. Klinge ich zugedröhnt, high oder wie die Kräuteroma aus dem Fliegenpilzwald? Heiße ich Baba Jaga?
Kommt also doch tatsächlich jemand vom Radio hierher. Genauer gesagt, vom RBB. Und was wollen die? Nicht etwa für längst überfällige Rezensionen recherchieren oder sich ein Bild von mir machen. Nein, die lieben KollegInnen gugeln "Cannabis, Mehltau, rauchen"!
Nun habe ich ja zwei schlechte Eigenschaften: Ich bin auch Journalistin, also von Geburt an viel zu neugierig. Und ich bin Buchautorin, habe also eine ganz gefährliche Fantasie. Ich reime mir aus allem und jedem Geschichten zusammen, reine Fiktion, versteht sich.
Ich sehe da also eine Redaktionskonferenz vor mir, wo der Chef mit leuchtenden Backen dasteht und sagt: "Bringse mal wieder was für unsere Landbevölkerung. Heuer ist Hanfernte, und Sie wissen ja, das staubt immer so und die armen Kerls auf ihren Treckern, die leiden... Machense was, zielgruppenaffin, der verlorene Hörer von heute besitzt anderthalb Misthaufen, fährt mit Heizöl und liest keine Bücher. Dafür hat jede moderne Erntemaschine Anschluss ans Internet! Ich will heute diese Superstory vom Hanf hören! Damit bedienen wir gleich noch die Hörer aus schicken städtischen Schichten, Künstler, Werbefachleute, Journalisten!"
Den Einwurf eines Redakteurs, dass Werbefachleute und Journalisten seit Jahrzehnten auf härterem Stoff seien, überhört er. "Habt ihr je gehört, dass in Brandenburg jemand Speed im Vorgarten pflanzt oder Koks schaufelt? Haltet mir den regionalen Bezug!"
Jetzt sehe ich die armen Kollegen am frühen Morgen herumrödeln, sturznüchtern am miesen Redaktionskaffee hängend. Und mit Treckerfahren haben sie es nicht so, da fällt ihnen nur dieser uralte Witz von Otto ein. Außerdem ist das Wetter schlecht, der Kuhdung müffelt und überhaupt. In Berlin gibt's Hanfplantagen allenfalls auf Dachböden oder in Blumentöpfen, es hilft alles nichts, sie müssen raus. Vor-Ort-Termin bei Bauer Cannabius.
Jetzt haben aber junge Journalisten gelernt, dass sich die gute alte Recherche durch Gugeln ersetzen lässt, dass man das virtuelle Leben für ein wirkliches nehmen kann und den Bauern damit ein X für ein U vormachen. Sie gehen auf virtuellen O-Ton-Fang.
Die zierliche Redaktionsassistentin gibt den entscheidenden Tipp: "Denkt dran, Katastrophen, Krisen, Skandale! Ohne drohenden Weltuntergang verkauft ihr unserem Chef keine Story mehr!" Ihr Kaffee ist schlecht, aber Ideen hat die Frau, das muss man ihr lassen.
Doch der zuständige Redakteur sitzt immer noch auf der Radioleitung. Eine Hanf-Katastrophe, die das Abendland dem Untergang weiht, kann er sich nicht vorstellen. "Was wäre denn so richtig schlimm, wenn man was im Garten pflanzt?", fragt er die Assistentin.
Die hätte sich schon längst einen Redakteursposten verdient. Wieder hat sie den rettenden Einfall: "Dieses Jahr war DIE Katastrophe in meinem Rosengarten. Stell dir vor, überall dieser fiese Mehltau, eine Invasion, eine Bedrohung zum Schluss sogar für Ringelblumen und - man glaubt es nicht - Salbei! Alles weiß, wie dieses perverse Pulver, dass sie mal in den USA aus dem Geheimlabor geklaut hatten und verschickt. Also ich hätte glatt die Rosenblätter abkratzen können und die Briefe hätten genauso ausgesehen. Ein Pilz. Keine Rettung, keine Gegenwehr möglich, will man nicht zu Giftgas greifen!"
Der Redakteur ist glücklich. DAS ist eine Story! Mehltau-Invasion bei Cannabis in Berlin-Brandenburg. Steckt El-Quatschda dahinter? Gibt es bereits Bekennerschreiben? Was sagt die Geheimpolizei dazu? Brennt bei Gugl bereits der rote Knopf mit der Direktleitung ins Pentagon? Endlich, endlich... Das wird sein ganz großer Durchbruch werden. Mit erwartungsvoll zitternden Händen tippt er die Worte in die Suchmaschine, die die Welt mehr erschüttern werden als Klimakatastrophe und Titanic zusammen: Cannabis, Mehltau, rauchen.
Und so landet der arme Kollege hier. Tja, Kollege, warum soll es dir bei der Recherche eigentlich besser gehen als mir?
PS: Soeben in meinem Ordner für später gelandet: Romanidee "Mehltaumord im Hanffeld"
Kommt also doch tatsächlich jemand vom Radio hierher. Genauer gesagt, vom RBB. Und was wollen die? Nicht etwa für längst überfällige Rezensionen recherchieren oder sich ein Bild von mir machen. Nein, die lieben KollegInnen gugeln "Cannabis, Mehltau, rauchen"!
Nun habe ich ja zwei schlechte Eigenschaften: Ich bin auch Journalistin, also von Geburt an viel zu neugierig. Und ich bin Buchautorin, habe also eine ganz gefährliche Fantasie. Ich reime mir aus allem und jedem Geschichten zusammen, reine Fiktion, versteht sich.
Ich sehe da also eine Redaktionskonferenz vor mir, wo der Chef mit leuchtenden Backen dasteht und sagt: "Bringse mal wieder was für unsere Landbevölkerung. Heuer ist Hanfernte, und Sie wissen ja, das staubt immer so und die armen Kerls auf ihren Treckern, die leiden... Machense was, zielgruppenaffin, der verlorene Hörer von heute besitzt anderthalb Misthaufen, fährt mit Heizöl und liest keine Bücher. Dafür hat jede moderne Erntemaschine Anschluss ans Internet! Ich will heute diese Superstory vom Hanf hören! Damit bedienen wir gleich noch die Hörer aus schicken städtischen Schichten, Künstler, Werbefachleute, Journalisten!"
Den Einwurf eines Redakteurs, dass Werbefachleute und Journalisten seit Jahrzehnten auf härterem Stoff seien, überhört er. "Habt ihr je gehört, dass in Brandenburg jemand Speed im Vorgarten pflanzt oder Koks schaufelt? Haltet mir den regionalen Bezug!"
Jetzt sehe ich die armen Kollegen am frühen Morgen herumrödeln, sturznüchtern am miesen Redaktionskaffee hängend. Und mit Treckerfahren haben sie es nicht so, da fällt ihnen nur dieser uralte Witz von Otto ein. Außerdem ist das Wetter schlecht, der Kuhdung müffelt und überhaupt. In Berlin gibt's Hanfplantagen allenfalls auf Dachböden oder in Blumentöpfen, es hilft alles nichts, sie müssen raus. Vor-Ort-Termin bei Bauer Cannabius.
Jetzt haben aber junge Journalisten gelernt, dass sich die gute alte Recherche durch Gugeln ersetzen lässt, dass man das virtuelle Leben für ein wirkliches nehmen kann und den Bauern damit ein X für ein U vormachen. Sie gehen auf virtuellen O-Ton-Fang.
Die zierliche Redaktionsassistentin gibt den entscheidenden Tipp: "Denkt dran, Katastrophen, Krisen, Skandale! Ohne drohenden Weltuntergang verkauft ihr unserem Chef keine Story mehr!" Ihr Kaffee ist schlecht, aber Ideen hat die Frau, das muss man ihr lassen.
Doch der zuständige Redakteur sitzt immer noch auf der Radioleitung. Eine Hanf-Katastrophe, die das Abendland dem Untergang weiht, kann er sich nicht vorstellen. "Was wäre denn so richtig schlimm, wenn man was im Garten pflanzt?", fragt er die Assistentin.
Die hätte sich schon längst einen Redakteursposten verdient. Wieder hat sie den rettenden Einfall: "Dieses Jahr war DIE Katastrophe in meinem Rosengarten. Stell dir vor, überall dieser fiese Mehltau, eine Invasion, eine Bedrohung zum Schluss sogar für Ringelblumen und - man glaubt es nicht - Salbei! Alles weiß, wie dieses perverse Pulver, dass sie mal in den USA aus dem Geheimlabor geklaut hatten und verschickt. Also ich hätte glatt die Rosenblätter abkratzen können und die Briefe hätten genauso ausgesehen. Ein Pilz. Keine Rettung, keine Gegenwehr möglich, will man nicht zu Giftgas greifen!"
Der Redakteur ist glücklich. DAS ist eine Story! Mehltau-Invasion bei Cannabis in Berlin-Brandenburg. Steckt El-Quatschda dahinter? Gibt es bereits Bekennerschreiben? Was sagt die Geheimpolizei dazu? Brennt bei Gugl bereits der rote Knopf mit der Direktleitung ins Pentagon? Endlich, endlich... Das wird sein ganz großer Durchbruch werden. Mit erwartungsvoll zitternden Händen tippt er die Worte in die Suchmaschine, die die Welt mehr erschüttern werden als Klimakatastrophe und Titanic zusammen: Cannabis, Mehltau, rauchen.
Und so landet der arme Kollege hier. Tja, Kollege, warum soll es dir bei der Recherche eigentlich besser gehen als mir?
PS: Soeben in meinem Ordner für später gelandet: Romanidee "Mehltaumord im Hanffeld"
29. September 2008
Endorphine für Künstler
Wissenschaftler haben festgestellt, dass bestimmte Nahrungsmittel Endorphine im Körper freisetzen, so eine Art hauseigene Glücklichmacher-Droge. Da kann man mit Bananen oder schwarzer Schokolade operieren oder den Wissenschaftlern des CNRS in Frankreich folgen, die auf die perfekte Kochabfolge beim Steak mit Zwiebeln schwören, im rechten Moment mit Rotwein abgelöscht - oder der Uralt-High-Freude aus Weichkäse und trockenem Rotwein. Kein Jux, man hat inzwischen tatsächlich chemisch nachgewiesen, dass es nicht klappt, wenn man falsch ablöscht oder der Rotwein nicht trocken ist.
Als Künstler holt man sich die Endorphine anders.
Vom Publikum:
Von anderen Künstlern:
Kurzum, man muss sich jeden Tag neu entscheiden, ob man sich lieber ein Steak brät oder sich auf den Hosenboden setzt. Nur, von nichts kommt nichts, erst recht kein Steak.
Ich überlege gerade: Gibt es noch andere Endorphinquellen für Künstler? Wir Schriftsteller haben doch eigentlich mit noch mehr zu tun als dem Publikum und KollegInnen?
Na, bevor ich mir jetzt selbst das Hirn zermartere, was bekanntlich Endorphine kostet, esse ich lieber einen Apfel. Vielleicht haben die Mitleser hier ja Hausrezepte für Schriftstellers kleines Hirnglück?
Als Künstler holt man sich die Endorphine anders.
Vom Publikum:
- jemand versteht genau, was man mit seinem Werk sagen wollte
- jemand liest etwas aus dem Werk, das einen selbst bereichert oder interessiert
- jemand kauft das Werk oder kann sonst irgendwie etwas damit anfangen
- Applaus in allen Formen
Von anderen Künstlern:
- man erfährt, dass man nicht allein kämpft
- man hört, dass es neben den Abs auch die Aufs gibt
- man lästert sich frei über die Kunstvermarkter, die das eigentliche große Geld machen
- man bekommt an der rechten Stelle den Kopf gewaschen
- man sieht, eiserne Disziplin und Besessenheit sind normal
- man fühlt die Energie, die aus der Arbeit entsteht und sich überträgt
Kurzum, man muss sich jeden Tag neu entscheiden, ob man sich lieber ein Steak brät oder sich auf den Hosenboden setzt. Nur, von nichts kommt nichts, erst recht kein Steak.
Ich überlege gerade: Gibt es noch andere Endorphinquellen für Künstler? Wir Schriftsteller haben doch eigentlich mit noch mehr zu tun als dem Publikum und KollegInnen?
Na, bevor ich mir jetzt selbst das Hirn zermartere, was bekanntlich Endorphine kostet, esse ich lieber einen Apfel. Vielleicht haben die Mitleser hier ja Hausrezepte für Schriftstellers kleines Hirnglück?
27. September 2008
Dahingesponnen
Unlängst wurde eine alte Sendung "Paris - Berlin" bei ARTE wiederholt, in der es um den digitalen Menschen ging. Der Philosoph Alain Finkielkraut gab den Bedenkenträger, der sich dem Medium Internet fern hält, wenn er es nicht für Wichtiges nutzen muss, der Rest der geladenen Gäste bezog euphorisch bis blind Gegenposition und verherrlichte den Quantensprung der Zivilisation - und wie immer bei wichtigen Themen, die unsere Zukunft betreffen, kamen Frauen nicht vor. Pardon, doch, natürlich in der üblichen erlaubten Gesellschaftsrolle, als hübsche (allerdings auch intelligente und souveräne) Moderatorin.
Na und jetzt spielt mir einer, der mit Fernsehen und Musikbranche zu tun hat, die Kassandra und droht: "Warte nur, mit eurem System ist demnächst auch Schluss. Ihr Schriftsteller bekommt genau das, was wir schon haben: Massenschundsender, überkommerzialisiert - und Spartenfernsehen." Er hat dann erklärt, wie er sich das vorstellt.
Das Massenfutter wird immer billiger, immer verbreiteter, immer aggressiver beworben werden. Spätestens wenn sich ein Lesegerät preiswert (!) durchsetze, lese man Schmonzes künftig fast für umme elektronisch und die Honorare würden da auch entsprechend sinken. Gedruckt gibt es das Papier zwischen Pappdeckeln schon heute für ein paar Penny in gleichnamigen Supermärkten - das würde noch zunehmen... Bücherabteilung bei Aldi inklusive. Außerdem prophezeit er ein Autoren-Massensterben bei Trendware. Weil nur noch hochprofessionelle Zulieferer gefragt würden. Das Geschäft dem Zufall überlassen? Wie kurzsichtig! Verlage bestellen die mittelalterliche Geschundene mal mit, mal ohne Alkohol, mal aus deutschen Landen, mal mit Highlander. Unter den Autoren würde Darwin zuschlagen.
Und der Rest ist für all die, die die Nase vom verkommenen Fernsehen voll haben. Die ihren Sender für Hochseeangeln brauchen, ihr 3sat plus ARTE, ihre Küchensendungen. Und die sind verdammt wählerisch, schauen genau hin, wählen genau aus. Seine Kassandrarufe gingen dann ins Extrem - weil die riesigen Verlage es längst verlernt hätten, anspruchsvolles Spartenpublikum zu bedienen (hihihilfe, Rrrrisikooo!), seien sie auf dem Sektor demnächst überflüssig. Nur ans Zielpublikum müsse man noch richtig ran, da sei Deutschland nicht Entwicklungsland, sondern Wüste.
Wir haben dann geträumt. Stell dir vor, du hättest ein paar Hunderttausender übrig und wüsstest nicht, wohin damit. Irre, was man mit allen heutigen medialen Möglichkeiten machen könnte. Ich würde ein Portal für Sparten-Feuilleton gründen. Ich würde Leute einstellen, die nicht besprechen, was sowieso schon alle besprechen. Ich bräuchte "Nasen", Trüffelschweine. Mainstream, ob hochliterarisch oder tiefliterarisch (die Deutschen legen darauf ja Wert, habe ich mir sagen lassen), wäre verboten. Und all die Leute, die in den Buchketten nichts finden, weil da eh nur die bezahlten Stapel liegen, die würden in diesem Portal ständig fündig - für jeden Sondergeschmack.
Ach, wir träumten dann noch von echten Videoclips für Autoren und Bücher, stellten uns verrückte Autoren bei youtube vor, und fragten uns, warum man Hörbücher von Schauspielern kauft, aber keine mp3s vom Autor höchstpersönlich runterladen kann. Für Geld versteht sich, denn Autoren wollen ja auch in Zukunft leben. Bei e-books kamen wir richtig ins Schwärmen: Warum müssen die immer wie gedruckt aussehen? Wo bleibt bitteschön, beim heutigen Stand der Technik, der Reiseführer mit eingebetteten Videos, Direktlinks zu Sehenswürdigkeiten und Hotels, Diskussionsforum beim Autor und selbstübersetzender Software? Warum muss solch ein Text nur Text sein???
Träumen und spinnen darf man ja mal. Also... wenn ich Geld hätte oder für jemanden mit Geld arbeiten würde, mir gingen die Ideen nicht aus. Und irgendwie juckt es mir verdammt stark in den Fingern. Mal die Buchmesse abwarten, was sie an Technik und Entwicklungen international bringt. Das ist vielleicht fruchtbarer, als sein halbes Leben mit Warten zu vergeuden - Warten auf Entscheider, die sich längst nicht mehr entscheiden können?
Na und jetzt spielt mir einer, der mit Fernsehen und Musikbranche zu tun hat, die Kassandra und droht: "Warte nur, mit eurem System ist demnächst auch Schluss. Ihr Schriftsteller bekommt genau das, was wir schon haben: Massenschundsender, überkommerzialisiert - und Spartenfernsehen." Er hat dann erklärt, wie er sich das vorstellt.
Das Massenfutter wird immer billiger, immer verbreiteter, immer aggressiver beworben werden. Spätestens wenn sich ein Lesegerät preiswert (!) durchsetze, lese man Schmonzes künftig fast für umme elektronisch und die Honorare würden da auch entsprechend sinken. Gedruckt gibt es das Papier zwischen Pappdeckeln schon heute für ein paar Penny in gleichnamigen Supermärkten - das würde noch zunehmen... Bücherabteilung bei Aldi inklusive. Außerdem prophezeit er ein Autoren-Massensterben bei Trendware. Weil nur noch hochprofessionelle Zulieferer gefragt würden. Das Geschäft dem Zufall überlassen? Wie kurzsichtig! Verlage bestellen die mittelalterliche Geschundene mal mit, mal ohne Alkohol, mal aus deutschen Landen, mal mit Highlander. Unter den Autoren würde Darwin zuschlagen.
Und der Rest ist für all die, die die Nase vom verkommenen Fernsehen voll haben. Die ihren Sender für Hochseeangeln brauchen, ihr 3sat plus ARTE, ihre Küchensendungen. Und die sind verdammt wählerisch, schauen genau hin, wählen genau aus. Seine Kassandrarufe gingen dann ins Extrem - weil die riesigen Verlage es längst verlernt hätten, anspruchsvolles Spartenpublikum zu bedienen (hihihilfe, Rrrrisikooo!), seien sie auf dem Sektor demnächst überflüssig. Nur ans Zielpublikum müsse man noch richtig ran, da sei Deutschland nicht Entwicklungsland, sondern Wüste.
Wir haben dann geträumt. Stell dir vor, du hättest ein paar Hunderttausender übrig und wüsstest nicht, wohin damit. Irre, was man mit allen heutigen medialen Möglichkeiten machen könnte. Ich würde ein Portal für Sparten-Feuilleton gründen. Ich würde Leute einstellen, die nicht besprechen, was sowieso schon alle besprechen. Ich bräuchte "Nasen", Trüffelschweine. Mainstream, ob hochliterarisch oder tiefliterarisch (die Deutschen legen darauf ja Wert, habe ich mir sagen lassen), wäre verboten. Und all die Leute, die in den Buchketten nichts finden, weil da eh nur die bezahlten Stapel liegen, die würden in diesem Portal ständig fündig - für jeden Sondergeschmack.
Ach, wir träumten dann noch von echten Videoclips für Autoren und Bücher, stellten uns verrückte Autoren bei youtube vor, und fragten uns, warum man Hörbücher von Schauspielern kauft, aber keine mp3s vom Autor höchstpersönlich runterladen kann. Für Geld versteht sich, denn Autoren wollen ja auch in Zukunft leben. Bei e-books kamen wir richtig ins Schwärmen: Warum müssen die immer wie gedruckt aussehen? Wo bleibt bitteschön, beim heutigen Stand der Technik, der Reiseführer mit eingebetteten Videos, Direktlinks zu Sehenswürdigkeiten und Hotels, Diskussionsforum beim Autor und selbstübersetzender Software? Warum muss solch ein Text nur Text sein???
Träumen und spinnen darf man ja mal. Also... wenn ich Geld hätte oder für jemanden mit Geld arbeiten würde, mir gingen die Ideen nicht aus. Und irgendwie juckt es mir verdammt stark in den Fingern. Mal die Buchmesse abwarten, was sie an Technik und Entwicklungen international bringt. Das ist vielleicht fruchtbarer, als sein halbes Leben mit Warten zu vergeuden - Warten auf Entscheider, die sich längst nicht mehr entscheiden können?
25. September 2008
Des un sells (dies und das)
Beim Auffrischen von Websites, Überprüfen von Platzierungen etc. begegnen einem seltsame Dinge:
Google schreibt zu meiner Website über das Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" folgenden Grammatikschlunz: "Informationen zu einem kulinarischen Reiseführer durch den Elsass." Liebe Datentypisten, ich weiß, you don't speak German, aber DAS Elsass ist im Deutschen wie im Elsässischen sächlich, neutrum, DAS. Es heißt also auch: Durch DAS Elsass.
Nochmal an die Guglhupfe aus Mountain View (welch vielsagender Ortsname): Ich find's ja witzig, wie schnell und pünktlich eure Robots anspringen, wenn in meinem Blog ein geheimdienstliches Pfui-Wort erklingt, wie z.B. Bombenspaß oder Sandkastenterror oder böser Achsenbruch. Speichert das unbedingt mit unendlicher Halbwertszeit! Und allen Blogbetreibern als Tipp: Verwendet Reizwörter. Ihr dürft dann zwar eure Verwandten über dem Teich nicht mehr besuchen, aber werdet in der Suchmaschine absolut top gelistet. Witz am Rande: Die Guglhupfe verwenden doch tatsächlich noch XP... tztztz....
Apropos Reizwörter: Leute, die ihr ständig per Suchmaschine eure tägliche Dröhnung bei mir sucht und verzweifelt wissen wollt, was ihr mit dem verdammten Mehltau auf eurem Hanf anstellen sollt, ich will euch erlösen! Lest meinen Roman "Stechapfel und Belladonna", dringend. Allerdings derzeit nur noch unter dem Ladentisch zu haben. Dafür frisch im Angebot der absolute Knaller gegen Mehltau UND Läuse: "Das Buch der Rose". Und hört bitte auf, Mehltau zu rauchen. Mehltau ist nämlich ein Pilz, aber kein psychedelischer. Auch nicht küchentauglich. Und weil die meisten von euch aus der Schweiz kommen: Umziehen. Bergklima ist ja nun wirklich nichts für sonnenliebende Pflänzchen.
Und nein, Viagra hab ich auch nicht im Angebot. Obwohl irgendein Volldepp meine URL auf einer entsprechenden Website empfiehlt. Abfaulen möge es dir.
o, ich denke, nach diesem Eintrag darf ich meine Verwandten in den USA auch nicht mehr besuchen. Cheerio.
Google schreibt zu meiner Website über das Buch "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" folgenden Grammatikschlunz: "Informationen zu einem kulinarischen Reiseführer durch den Elsass." Liebe Datentypisten, ich weiß, you don't speak German, aber DAS Elsass ist im Deutschen wie im Elsässischen sächlich, neutrum, DAS. Es heißt also auch: Durch DAS Elsass.
Nochmal an die Guglhupfe aus Mountain View (welch vielsagender Ortsname): Ich find's ja witzig, wie schnell und pünktlich eure Robots anspringen, wenn in meinem Blog ein geheimdienstliches Pfui-Wort erklingt, wie z.B. Bombenspaß oder Sandkastenterror oder böser Achsenbruch. Speichert das unbedingt mit unendlicher Halbwertszeit! Und allen Blogbetreibern als Tipp: Verwendet Reizwörter. Ihr dürft dann zwar eure Verwandten über dem Teich nicht mehr besuchen, aber werdet in der Suchmaschine absolut top gelistet. Witz am Rande: Die Guglhupfe verwenden doch tatsächlich noch XP... tztztz....
Apropos Reizwörter: Leute, die ihr ständig per Suchmaschine eure tägliche Dröhnung bei mir sucht und verzweifelt wissen wollt, was ihr mit dem verdammten Mehltau auf eurem Hanf anstellen sollt, ich will euch erlösen! Lest meinen Roman "Stechapfel und Belladonna", dringend. Allerdings derzeit nur noch unter dem Ladentisch zu haben. Dafür frisch im Angebot der absolute Knaller gegen Mehltau UND Läuse: "Das Buch der Rose". Und hört bitte auf, Mehltau zu rauchen. Mehltau ist nämlich ein Pilz, aber kein psychedelischer. Auch nicht küchentauglich. Und weil die meisten von euch aus der Schweiz kommen: Umziehen. Bergklima ist ja nun wirklich nichts für sonnenliebende Pflänzchen.
Und nein, Viagra hab ich auch nicht im Angebot. Obwohl irgendein Volldepp meine URL auf einer entsprechenden Website empfiehlt. Abfaulen möge es dir.
o, ich denke, nach diesem Eintrag darf ich meine Verwandten in den USA auch nicht mehr besuchen. Cheerio.
Arbeiten an Website
In eigener Sache: Ab heute Abend arbeite ich ziemlich radikal am Update meines Molochs von Website. Es kann bis zum Wochenende einschließlich zu Störungen und gebrochenen Links kommen. Sollte es ab Montag noch Probleme geben, bitte kurze Notiz hier hinterlassen. Danke für das Verständnis!
24. September 2008
Zukunftsware Literatur
Ein Chinese namens Tsai-Lun soll einst das Papier erfunden haben. Und während die einstigen Pergament-Zivilisationen jammern, dass womöglich bald keiner mehr lesen wolle und ihre AutorInnen zu Sozialhilfeempfängern werden, hat China bereits die Nase in der Zukunft. Die Chinesen beweisen ganz ohne Papier, dass Bücher und Autoren viel wert sein können, wenn man sich vom Muff alten Denkens befreit.
23. September 2008
Buchmesse-Sensibelchen
Jedes Jahr das Gleiche vor der Buchmesse: Sensibelchen bekommt sein Sensibelfieberchen. Normalerweise gibt es dagegen das einzig wahre Heilmittel: Schreiben, bis das Fieber flüchtet. Dumm nur, dass ich diesmal zu früh mit all meinen Arbeiten fertig geworden bin und selbst die typischen Vorgestern-Termine längst eingehalten habe. So drehe ich Däumchen, in der Hoffnung, dass all die Kunden, denen es mit meiner Arbeit so eilte, auch ihre Rechnungen schnell bezahlen. Denn der Heizöltank ist so leer und sauber wie ein ausgeschlecktes Marmeladenglas, der Ölpreis steigt mit jedem Tag säumiger Zahler... kurzum, die Moral ist nicht die beste.
Statt Arbeitsdruck und Wärme also zig Artikel über den Untergang der eigenen Branche zur Lektüre, derweil man im Bekanntenkreis die Belege für die Theorie erlebt. Kollegen geht die Luft aus, Bücher verkaufen sich eben nicht wie Rohöl, irgendwo trudelt mir eine skurrile Absage ein, ein Kollege bekommt eine Absage von einem Verlag, bei dem er sich gar nicht beworben hat, einem anderen signalisiert ein Lektor, er sei noch nicht weiblich genug für diese Welt, müsse seinen inneren "-in"-Aspekt stärker entwickeln. Und Glamour bitte, Glamour. Wie bitte soll man da hoffnungsvoll auf die Buchmesse blicken?
Jedes Jahr sage ich mir, es sei idiotisch, sich diesen Nervenstress zu machen, auf diesen einzigen supergroßen Markttermin derart zu schielen. Und dann mache ich mir Vorhaltungen: Kein Verkauf bis nach der Buchmesse würde heißen, dass 2008 gelaufen wäre, so rein theoretisch. Selbst wenn man vorher etwas verkauft hat, aber da ist dieses magische Datum. Und dann wärst du wieder ein Jahr älter und du hast dir doch dieses Alterslimit gesetzt, dass du bis zur nächsten Null das und das geschafft haben musst... Und dann hast du das Banklimit und das Heizöltanklimit und wahrscheinlich will eh keiner deine Bücher lesen, was du bisher auf den Markt gekippt hast, ist genug, Limit, aus, Schluss. Schluss?
Wenn du wenigstens irgendeinen Trend bedienen würdest oder deine inneren weiblichen Aspekte entwickelt hättest. Aber nein, als Vorbild in der Kindheit hat es ja unbedingt Pippi Langstrumpf sein müssen und dann kamen all die Kerls, Robin Hood, Huckleberry Finn, Aschenbach (untermalt von Gustav Mahler, was sonst) ... Schwamm drüber, so wird das mit dir nie was. Und dann sieht man plötzlich allüberall kleine Atlasroben knistern und wallt wieder zurück in den Düsterwald. Da entdeckt einen garantiert keiner. Kurzum: Ich weiß nicht, wie es anderen AutorInnen geht, ich jedenfalls fange vor der Buchmesse regelmäßig an zu spinnen. Werde ungenießbar und denke mir lockende bürgerliche Berufe aus. Gestern war ich noch der Meinung, eventuell als Klofrau auf dem Place Kléber qualifiziert zu sein. Ist das ein urmenschliches Ritual, dem Schicksal Schlimmes bieten zu wollen, damit es sanft zurücklächelt?
Bleibt zu sagen, dass man sich nach so viel Selbstdemontage natürlich erfolgreich in die Schreibblockade treibt. Zum Glück ist jetzt der in dieser Zeit wichtigste Mensch in meinem Leben nicht blockiert: Während ich die Zeit mit unsinnigen Ausflüchten wie Treppenputzen, Bloggen oder Petersilie-Ziehen vergeude, rödelt mein Agent für mich. Was wären wir ohne unsere AgentInnen! Wir hätten sauber geputzte Fenster, abgenagte Fingernägel, den Suff im Gesicht - und kämen nie zu Potte. Also, reiß dich am Riemen, Madame. Da gehen pünktlich zur Buchmesse mehrere Projekte in die Welt, die allen Kassandrarufen trotzen. Ohne "-in" und Aber. Du könntest jetzt daran schreiben, damit dich nachher nicht der Abgabetermin überrollt... nur mit welchem fange ich an?
Was soll man machen... Sensibelchen hat sich drei Tage ihr Sensibelfieberchen genommen. Man nimmt sich das wie eine polnische depresja, wie slawische Musik. Runter, immer tiefer runter, bis zum Scheitelpunkt. In voller Vorfreude und Feier. Denn ein Scheitelpunkt hat's in sich, dass es am anderen Ende wieder hoch geht.
Mein "Runter" war in diesem Jahr ganz besonders pervers. Ich habe Tischdecken gewaschen. Und Tischdecken getrocknet. Und Tischdecken gelegt. Klar, dass ich bei dieser Arbeit zwischendurch in meinem Roman lesen musste. Schließlich ähneln sich Tischdecken irgendwie. Nach der dritten Tischdecke konnte ich nicht mehr anders - ich schrieb ganz aus Versehen weiter.
Jetzt ist mir alles egal, die Buchmesse, die Unsicherheit, das Warten, der nächste Winter, die Zukunft. Wenn ich nur nicht noch mehr Tischdecken waschen muss!!! Ich schreibe. Wenn es sein muss, am nackten Tisch. Und nächstes Jahr um die gleiche Zeit steigt das Fieber wahrscheinlich wieder?
Statt Arbeitsdruck und Wärme also zig Artikel über den Untergang der eigenen Branche zur Lektüre, derweil man im Bekanntenkreis die Belege für die Theorie erlebt. Kollegen geht die Luft aus, Bücher verkaufen sich eben nicht wie Rohöl, irgendwo trudelt mir eine skurrile Absage ein, ein Kollege bekommt eine Absage von einem Verlag, bei dem er sich gar nicht beworben hat, einem anderen signalisiert ein Lektor, er sei noch nicht weiblich genug für diese Welt, müsse seinen inneren "-in"-Aspekt stärker entwickeln. Und Glamour bitte, Glamour. Wie bitte soll man da hoffnungsvoll auf die Buchmesse blicken?
Jedes Jahr sage ich mir, es sei idiotisch, sich diesen Nervenstress zu machen, auf diesen einzigen supergroßen Markttermin derart zu schielen. Und dann mache ich mir Vorhaltungen: Kein Verkauf bis nach der Buchmesse würde heißen, dass 2008 gelaufen wäre, so rein theoretisch. Selbst wenn man vorher etwas verkauft hat, aber da ist dieses magische Datum. Und dann wärst du wieder ein Jahr älter und du hast dir doch dieses Alterslimit gesetzt, dass du bis zur nächsten Null das und das geschafft haben musst... Und dann hast du das Banklimit und das Heizöltanklimit und wahrscheinlich will eh keiner deine Bücher lesen, was du bisher auf den Markt gekippt hast, ist genug, Limit, aus, Schluss. Schluss?
Wenn du wenigstens irgendeinen Trend bedienen würdest oder deine inneren weiblichen Aspekte entwickelt hättest. Aber nein, als Vorbild in der Kindheit hat es ja unbedingt Pippi Langstrumpf sein müssen und dann kamen all die Kerls, Robin Hood, Huckleberry Finn, Aschenbach (untermalt von Gustav Mahler, was sonst) ... Schwamm drüber, so wird das mit dir nie was. Und dann sieht man plötzlich allüberall kleine Atlasroben knistern und wallt wieder zurück in den Düsterwald. Da entdeckt einen garantiert keiner. Kurzum: Ich weiß nicht, wie es anderen AutorInnen geht, ich jedenfalls fange vor der Buchmesse regelmäßig an zu spinnen. Werde ungenießbar und denke mir lockende bürgerliche Berufe aus. Gestern war ich noch der Meinung, eventuell als Klofrau auf dem Place Kléber qualifiziert zu sein. Ist das ein urmenschliches Ritual, dem Schicksal Schlimmes bieten zu wollen, damit es sanft zurücklächelt?
Bleibt zu sagen, dass man sich nach so viel Selbstdemontage natürlich erfolgreich in die Schreibblockade treibt. Zum Glück ist jetzt der in dieser Zeit wichtigste Mensch in meinem Leben nicht blockiert: Während ich die Zeit mit unsinnigen Ausflüchten wie Treppenputzen, Bloggen oder Petersilie-Ziehen vergeude, rödelt mein Agent für mich. Was wären wir ohne unsere AgentInnen! Wir hätten sauber geputzte Fenster, abgenagte Fingernägel, den Suff im Gesicht - und kämen nie zu Potte. Also, reiß dich am Riemen, Madame. Da gehen pünktlich zur Buchmesse mehrere Projekte in die Welt, die allen Kassandrarufen trotzen. Ohne "-in" und Aber. Du könntest jetzt daran schreiben, damit dich nachher nicht der Abgabetermin überrollt... nur mit welchem fange ich an?
Was soll man machen... Sensibelchen hat sich drei Tage ihr Sensibelfieberchen genommen. Man nimmt sich das wie eine polnische depresja, wie slawische Musik. Runter, immer tiefer runter, bis zum Scheitelpunkt. In voller Vorfreude und Feier. Denn ein Scheitelpunkt hat's in sich, dass es am anderen Ende wieder hoch geht.
Mein "Runter" war in diesem Jahr ganz besonders pervers. Ich habe Tischdecken gewaschen. Und Tischdecken getrocknet. Und Tischdecken gelegt. Klar, dass ich bei dieser Arbeit zwischendurch in meinem Roman lesen musste. Schließlich ähneln sich Tischdecken irgendwie. Nach der dritten Tischdecke konnte ich nicht mehr anders - ich schrieb ganz aus Versehen weiter.
Jetzt ist mir alles egal, die Buchmesse, die Unsicherheit, das Warten, der nächste Winter, die Zukunft. Wenn ich nur nicht noch mehr Tischdecken waschen muss!!! Ich schreibe. Wenn es sein muss, am nackten Tisch. Und nächstes Jahr um die gleiche Zeit steigt das Fieber wahrscheinlich wieder?
Ende des Buchmarktes?
Weil wir so schön bei der Farbe Schwarz sind, möchte ich Interessierten am Buchmarkt dringend einen sehr detaillierten und aufschlussreichen Artikel im New York Magazine ans Herz legen. Boris Kachka untersucht darin den Werdegang des amerikanischen Buchmarkts, seine Hypes wie das Todesröcheln - und denkt über eine mögliche Zukunft nach. Der Buchmarkt, wie wir ihn bisher kannten, ist am Ende, so sein Fazit.
Auch wenn einiges nicht auf Europa übertragbar ist (so können europäische Autoren von entsprechenden Vorschüssen und Tantiemen nur träumen) - gerade die Missstände der Branche scheinen längst auch hierzulande überzuschwappen. Und weil letztendlich auch die Giganten aus den USA hier etwas zu sagen haben (Random House, amazon etc.), lohnt sich der Blick allemal.
Den Artikel kann man hier im Original mit allen Leserkommentaren lesen (die sich ebenfalls lohnen) - und hier gibt es das gesamte Opus auf einen Blick im Printformat.
Auch wenn einiges nicht auf Europa übertragbar ist (so können europäische Autoren von entsprechenden Vorschüssen und Tantiemen nur träumen) - gerade die Missstände der Branche scheinen längst auch hierzulande überzuschwappen. Und weil letztendlich auch die Giganten aus den USA hier etwas zu sagen haben (Random House, amazon etc.), lohnt sich der Blick allemal.
Den Artikel kann man hier im Original mit allen Leserkommentaren lesen (die sich ebenfalls lohnen) - und hier gibt es das gesamte Opus auf einen Blick im Printformat.
Journalismus absurd
Es tut mir aufrichtig leid, dass ich es immer noch nicht zu einem Vertrag mit den Happy Hours geschafft habe. Also mal wieder schwarz. Weil das Geld der Welt auf schwarzen Märkten mit weißen Westen floriert, weil Erdöl schwarz ist ... ach was, natürlich glaube ich nicht an den Untergang des Abendlandes, wäre ich sonst noch hier?
Außerdem bin ich von einer gewissen lebenserhaltenden Naivität. Als mir Anfang der Neunziger ein Filmproduzent sagte, die Inhalte des Privatfernsehens seien nur lustig bunte Platzhalter für das eigentliche Anliegen, nämlich die Werbung, lachte ich kindlich naiv auf, als habe er einen Witz erzählt. Als ich bei einer Zeitung den ersten Artikel "entschärfen" musste, weil man sonst wichtige Anzeigenkunden vergraulen könnte, tippte ich mir naiv an die Stirn, in der Meinung, nur mein Blatt habe nichts von Pressefreiheit und Informationspflicht gehört.
Ich schreibe weiter, habe meine Naivität also nicht besiegt. Denn ich kann staunen wie ein kleines Kind. Etwa über das, was die WELT inzwischen unter Journalismus versteht. Solche Absurditäten fallen einem gestandenen Journalisten doch sonst nur im Alptraum ein, oder?
Nein, noch geht das Abendland nicht unter. Seine Chancen steigen ins Unermessliche. Wer nicht schreiben kann, knipst einfach, und dafür braucht er auch nichts mehr zu können. Denn die Kameras von heute erkennen dank Software aus der Antiterror-Überwachungs-Branche Gesichter jetzt vollautomatisch, verfolgen sie bis ins schattigste Eck und halten drauf, drücken ab. Notfalls mit leichten Faustschlägen zu bedienen. Dazwischen quetschen wir ein paar ungelenke Zeilen; poetisch ist, was nicht klingt und nicht verstanden wird. Wozu Verlagsverträge? Wir drucken Fotobücher mit Instant-Layout, online bestellt, und schmuggeln unverkäuflichen Text darunter.
Ich meine, wenn schon große Zeitungen aus NICHTS bestehen, mit NICHTS Geld machen und Kunden fangen - warum dann nicht endlich endlich auch NICHTS zwischen Buchdeckel klemmen? Oder bin ich mit meinen Utopien zu naiv?
Außerdem bin ich von einer gewissen lebenserhaltenden Naivität. Als mir Anfang der Neunziger ein Filmproduzent sagte, die Inhalte des Privatfernsehens seien nur lustig bunte Platzhalter für das eigentliche Anliegen, nämlich die Werbung, lachte ich kindlich naiv auf, als habe er einen Witz erzählt. Als ich bei einer Zeitung den ersten Artikel "entschärfen" musste, weil man sonst wichtige Anzeigenkunden vergraulen könnte, tippte ich mir naiv an die Stirn, in der Meinung, nur mein Blatt habe nichts von Pressefreiheit und Informationspflicht gehört.
Ich schreibe weiter, habe meine Naivität also nicht besiegt. Denn ich kann staunen wie ein kleines Kind. Etwa über das, was die WELT inzwischen unter Journalismus versteht. Solche Absurditäten fallen einem gestandenen Journalisten doch sonst nur im Alptraum ein, oder?
Nein, noch geht das Abendland nicht unter. Seine Chancen steigen ins Unermessliche. Wer nicht schreiben kann, knipst einfach, und dafür braucht er auch nichts mehr zu können. Denn die Kameras von heute erkennen dank Software aus der Antiterror-Überwachungs-Branche Gesichter jetzt vollautomatisch, verfolgen sie bis ins schattigste Eck und halten drauf, drücken ab. Notfalls mit leichten Faustschlägen zu bedienen. Dazwischen quetschen wir ein paar ungelenke Zeilen; poetisch ist, was nicht klingt und nicht verstanden wird. Wozu Verlagsverträge? Wir drucken Fotobücher mit Instant-Layout, online bestellt, und schmuggeln unverkäuflichen Text darunter.
Ich meine, wenn schon große Zeitungen aus NICHTS bestehen, mit NICHTS Geld machen und Kunden fangen - warum dann nicht endlich endlich auch NICHTS zwischen Buchdeckel klemmen? Oder bin ich mit meinen Utopien zu naiv?
21. September 2008
Lesefrucht
"Nach dem ersten Buch wird Ihnen jeder, Verleger, Kritiker, Lektoren etc. gute Ratschläge geben: Vergessen Sie alle! Verlassen Sie sich ganz auf Ihre Intelligenz und Ihre Intuition."
Marcel Reich-Ranicki
Marcel Reich-Ranicki
Visionen gesucht
Kurz bevor Mitte Oktober der größte und verrückteste Buch-Markt, die Frankfurter Buchmesse, die Pforten öffnet, mehren sich warnende Stimmen. Es sind vor allem Schriftsteller, also die Betroffenen am Ende der Nahrungskette, die das "Profit-Center Buch" mit Sorge betrachten und sich fragen, wie es dazu kommen konnte, dass ein Kulturgut nicht anders behandelt wird als eine Packung Toilettenpapier.
Der Schriftsteller Wolfgang Bittner beklagt im Börsenblatt die Folgen ökonomischer Zwänge im Kinder- und Jugendbuchbereich: "Was aber kann an Literatur, die diesen Namen verdient, entstehen, wenn in vielen Verlagen neben der Jagd nach Bestsellern Spießigkeit, Engstirnigkeit und mangelnde Bildung dominieren? Da wird massenweise Lesefutter mit zweifelhaftem Unterhaltungwert produziert, das die Regale und die Köpfe verstopft." Sein Kollege Klaus Kordon bemängelt in der ZEIT, dass in einem von Trends getriebenen Markt Realistisches und Aufrüttelndes keine Chance mehr habe.
Passt das WELT-Editorial von Elmar Krekeler dazu, der Überproduktion und Beschleunigung in Großverlagen für krank erklärt und darauf aufmerksam macht: "Krank ist es auch, weil durch eine monatliche Produktion die Chance für kleinere Verlage in die Medien zu kommen noch geringer wird. Deren große Stunde schlug spätestens immer dann, wenn - ab Mitte November etwa und bis Ende Januar - die wichtigsten Titel der großen Häuser, die jetzt allesamt auf monatliche Auslieferung umstellen, sozusagen durch waren und man verstärkt auf Entdeckungsreise bei den kleineren gehen konnte."
Sicher sind all diese Artikel diskussionswürdig. Aber eine Wahrheit haben sie gemeinsam: Das Geschäft mit dem Buch, so wie es sich derzeit entwickelt, kann nur noch als verrückt bezeichnet werden. Mich selbst erinnert so manches, was mir dabei begegnet, an die Angstblüte mancher Bäume. Vor allem in Monokulturen, denen das natürliche Gleichgewicht abhanden kommt, treiben viele Bäume zur Unzeit neue und viel zu viele Blüten aus. Vor dem drohenden Untergang soll die eigenen Art irgendwie überleben. Auch Mäuse setzen unter bestimmten Umständen zuerst besonders viele Nachkommen in die Welt und werden dann aus Überlebensstress zeugungsunfähig...
Die eine Baumart stirbt, die nächste Pflanze erobert das Terrain. Auch im Buchmarkt steckt ein bißchen Darwin und noch Schlimmeres: Hier greift der Mensch massiv mit seiner realitätsgestaltenden Werbemaschinerie ein - eine Evolutionsmethode, die ihm in der Natur zum Glück noch nicht gelingt. Also hilft alles Klagen nicht, das Buch ist genauso eine Ware wie alles andere in unserem System. Warum also soll es ihm besser gehen als der Packung Toilettenpapier, der verramschten Digitalkamera vom letzten Jahr oder dem T-Shirt aus Fernost? Sicher, überproportional viele Vollzeit-Schriftsteller geraten in letzter Zeit in Armut. Aber warum soll es ihnen eigentlich besser gehen als Milchbauern, Bergmännern oder Arbeitern in der Autofabrik?
Der Zynismus in den letzten Zeilen ist Absicht: Nicht der Buchmarkt spinnt, er ist nur Teil aller Märkte der westlich industrialisierten Welt, in denen so langsam gehörig etwas aus dem Ruder läuft. Und um das zu ändern, muss man zwar den Finger in Wunden bohren und präzise hinschauen, aber vor allem neue Visionen entwickeln. Bäume mögen unter Extrembedingungen ihre Blätter verlieren. Aber sie blühen trotzdem, dann erst recht. Bis zum Tod - oder einem Aufrappeln im nächsten Jahr. Wo bleibt bei den Buchleuten der Wille zu Veränderungen, Verbesserungen, die Zukunftmusik?
Es wäre so einfach, bereits im Kleinen anzufangen. Elmar Krekeler beklagt, dass sich das Feuilleton nur noch um die Großen kümmert und die Kleinen keine Chance mehr hätten. Wer zwingt das Feuilleton dazu? Als ich meine Ausbildung im Feuilleton machte - das ist zugegeben schon länger her - da waren die Chefredakteure noch stolz auf ihre Unabhängigkeit von Verlagen und Marktdiktaten! Wie wäre es denn mit Rubriken wie "Das vergessene Buch" / "Der kleine Verlag des Monats" / "Was wir nicht in der Buchhandelskette entdeckten und uns dort hineinwünschen"?
Wo bleibt der Erfindungsgeist dieser Tage, wo auch Schriftstellern zur Verbreitung von Wort und Text längst nicht mehr nur zwingend die Buchform zur Verfügung steht? Angst vor Vermüllung und Seichtheit in der Kultur? Warum nicht einen "Verein der hemmungslosen und snobistischen Hirnanwender" gründen und gegensteuern?
Das ist es, was mir persönlich in diesen verrückten Profitanbetungszeiten fehlt: Chuzpe, Erfindergeist, Fantasie, Visionen. Und dann nicht jammern, sondern machen... (ja ja, ich mach ja schon...)
Der Schriftsteller Wolfgang Bittner beklagt im Börsenblatt die Folgen ökonomischer Zwänge im Kinder- und Jugendbuchbereich: "Was aber kann an Literatur, die diesen Namen verdient, entstehen, wenn in vielen Verlagen neben der Jagd nach Bestsellern Spießigkeit, Engstirnigkeit und mangelnde Bildung dominieren? Da wird massenweise Lesefutter mit zweifelhaftem Unterhaltungwert produziert, das die Regale und die Köpfe verstopft." Sein Kollege Klaus Kordon bemängelt in der ZEIT, dass in einem von Trends getriebenen Markt Realistisches und Aufrüttelndes keine Chance mehr habe.
Passt das WELT-Editorial von Elmar Krekeler dazu, der Überproduktion und Beschleunigung in Großverlagen für krank erklärt und darauf aufmerksam macht: "Krank ist es auch, weil durch eine monatliche Produktion die Chance für kleinere Verlage in die Medien zu kommen noch geringer wird. Deren große Stunde schlug spätestens immer dann, wenn - ab Mitte November etwa und bis Ende Januar - die wichtigsten Titel der großen Häuser, die jetzt allesamt auf monatliche Auslieferung umstellen, sozusagen durch waren und man verstärkt auf Entdeckungsreise bei den kleineren gehen konnte."
Sicher sind all diese Artikel diskussionswürdig. Aber eine Wahrheit haben sie gemeinsam: Das Geschäft mit dem Buch, so wie es sich derzeit entwickelt, kann nur noch als verrückt bezeichnet werden. Mich selbst erinnert so manches, was mir dabei begegnet, an die Angstblüte mancher Bäume. Vor allem in Monokulturen, denen das natürliche Gleichgewicht abhanden kommt, treiben viele Bäume zur Unzeit neue und viel zu viele Blüten aus. Vor dem drohenden Untergang soll die eigenen Art irgendwie überleben. Auch Mäuse setzen unter bestimmten Umständen zuerst besonders viele Nachkommen in die Welt und werden dann aus Überlebensstress zeugungsunfähig...
Die eine Baumart stirbt, die nächste Pflanze erobert das Terrain. Auch im Buchmarkt steckt ein bißchen Darwin und noch Schlimmeres: Hier greift der Mensch massiv mit seiner realitätsgestaltenden Werbemaschinerie ein - eine Evolutionsmethode, die ihm in der Natur zum Glück noch nicht gelingt. Also hilft alles Klagen nicht, das Buch ist genauso eine Ware wie alles andere in unserem System. Warum also soll es ihm besser gehen als der Packung Toilettenpapier, der verramschten Digitalkamera vom letzten Jahr oder dem T-Shirt aus Fernost? Sicher, überproportional viele Vollzeit-Schriftsteller geraten in letzter Zeit in Armut. Aber warum soll es ihnen eigentlich besser gehen als Milchbauern, Bergmännern oder Arbeitern in der Autofabrik?
Der Zynismus in den letzten Zeilen ist Absicht: Nicht der Buchmarkt spinnt, er ist nur Teil aller Märkte der westlich industrialisierten Welt, in denen so langsam gehörig etwas aus dem Ruder läuft. Und um das zu ändern, muss man zwar den Finger in Wunden bohren und präzise hinschauen, aber vor allem neue Visionen entwickeln. Bäume mögen unter Extrembedingungen ihre Blätter verlieren. Aber sie blühen trotzdem, dann erst recht. Bis zum Tod - oder einem Aufrappeln im nächsten Jahr. Wo bleibt bei den Buchleuten der Wille zu Veränderungen, Verbesserungen, die Zukunftmusik?
Es wäre so einfach, bereits im Kleinen anzufangen. Elmar Krekeler beklagt, dass sich das Feuilleton nur noch um die Großen kümmert und die Kleinen keine Chance mehr hätten. Wer zwingt das Feuilleton dazu? Als ich meine Ausbildung im Feuilleton machte - das ist zugegeben schon länger her - da waren die Chefredakteure noch stolz auf ihre Unabhängigkeit von Verlagen und Marktdiktaten! Wie wäre es denn mit Rubriken wie "Das vergessene Buch" / "Der kleine Verlag des Monats" / "Was wir nicht in der Buchhandelskette entdeckten und uns dort hineinwünschen"?
Wo bleibt der Erfindungsgeist dieser Tage, wo auch Schriftstellern zur Verbreitung von Wort und Text längst nicht mehr nur zwingend die Buchform zur Verfügung steht? Angst vor Vermüllung und Seichtheit in der Kultur? Warum nicht einen "Verein der hemmungslosen und snobistischen Hirnanwender" gründen und gegensteuern?
Das ist es, was mir persönlich in diesen verrückten Profitanbetungszeiten fehlt: Chuzpe, Erfindergeist, Fantasie, Visionen. Und dann nicht jammern, sondern machen... (ja ja, ich mach ja schon...)
20. September 2008
Wie hält man das aus?
Irgendwo macht sich ein Kollege gerade Gedanken ums Altern und in einem anderen Blog taucht zu einem Krimi von Jonquet die Frage auf, wie es ein Autor aushalte, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Im Falle Jonquets, der von Almodovar verfilmt wird, geht es um eher Abartiges, Abgründiges. Spontan kam mir die Idee, dass das Altern und das Schreiben etwas gemeinsam haben könnten.
Nun arbeiten Autoren ja in der Regel einsam und auf sich selbst zurückgeworfen, sind also nicht unbedingt Herdentiere. Dementsprechend gibt es mindestens so viele Antworten auf die Frage wie Autoren. Und nicht jeder macht sich tiefe Gedanken, denn auch als Auftragsarbeit und sogar mit schnöder Routine kann man Bücher schreiben. Liegt die Antwort vielleicht in der Frage, was einen Autor motiviert, sich mit Themen auseinanderzusetzen, an die Tante Erna auch nicht geschenkt denken möchte?
Ich kann mich da nur sehr subjektiv nähern. Warum wähle ich mir welche Themen? Ganz einfach: Ich muss gebissen sein. So sagt man hier im Französischen: "je suis mordue". Das bedeutet, etwas hat mich berührt, gepackt, hält mich in seinen Fängen - und wie das Gift einer Schlange verteilt sich die Be-Geisterung in meinen Adern, die Leidenschaft (la passion). Die ich natürlich brauche, um all die Durststrecken und Abgründe des Berufs auszuhalten - um durchzuhalten.
Die Magie dieses Gepacktseins kann ich nicht erklären. Ich glaube, ein Thema sucht mich, nicht umgekehrt. Und dieses Thema muss nichts Schönes sein. Als ich die Kulturgeschichte der Rose schrieb, gab es viel Schönheit und Lust. Aber da waren auch mindestens eben so viele menschliche Abgründe - und die waren viel viel interessanter. Im Moment ist ein Sachbuchprojekt von mir unterwegs, bei dem viele meiner Bekannten den Kopf schütteln: Wie kannst du nur als Frau? Ganz einfach: Ich bin gebissen. Es wird hart, diesmal wird es ein Blick in ziemliche Extreme menschlichen Umgetriebenseins, aber es ist auch ungeheuer spannend, herausfordernd. Und auch wenn ich über meinen in der Entstehung begriffenen neuen Roman nichts sagen darf - Tante Erna gruselte sich davor, während mich ungeheure Neugier antreibt.
Wenn man dann älter wird und beim Schreiben zu sich in Distanz geht, merkt man, dass die Themen, die einem so "zufällig" zufallen, sehr viel mit dem eigenen Selbst zu tun haben. Nicht so platt, wie das manche Leser meinen, wenn sie denken, eine Ich-Figur sei nun dringend identisch mit dem Autor oder man plaudere da aus den eigenen Untiefen. Nein, die Themen haben viel zu tun mit den Fragen, die man sich selbst über die Menschen und die Welt stellt. Schreiben ist auch ein Vorgang des Begreifens, des Verstehens. Ein Autor, der einen Mörder erfindet, der seine ganze Familie abschlachtet, muss selbst keine Familienprobleme haben. Aber vielleicht interessiert er sich dafür, wie der Mikrokosmos Familie funktioniert? Am Extrem begreift man leichter das Normale. (Anders gesagt, ich habe früher Spielzeugautos zerlegt, um zu sehen, wie sie funktionieren - heute schreibe ich eben).
Sich als Leser diese Fragen über die wahren Motivationen eines Autor zu stellen, bringt wohl weniger richtige Antworten als Hauptgewinne beim Lotto. Deshalb können wir auch nur mutmaßen, wie einer solche extremen Projekte durchhält. Wir sehen es vielleicht hinterher in der Biografie - die einen feixen mit ihrer Familie über das letzte Schauerkapitel, die anderen landen im Suff oder in der Psychiatrischen, weil sie irgendwann den Rückweg in professioneller Eigendistanz nicht mehr geschafft haben. Auch das gehört zum Autorenberuf: Aushalten lernen. Sich neben der Arbeit immer wieder selbst finden. Professionelle Eigendistanz beim Arbeiten.
Und hier liegt meiner Meinung nach eine Verbindungsstelle zum Altern. Diese ewige Frage: Wer bin ich? Wer will ich sein? Wie entwerfe ich mich selbst - auch gegen die Erwartungen und Klischees von außen? Wer sind die anderen? Was treibt die Menschen um? Warum sind sie so, wie sie sind?
Für viele Autoren bedeutet Schreiben ein ständiges Sich-neu-Entwerfen. Das sich daran reibt, die Welt tiefer verstehen zu wollen. Schreiben ist Leben.
Die Beschäftigung mit menschlichen Abgründen beim Schreiben macht auf der einen Seite extrem sensibel, hellhörig und empfindlich. Man kann das im "normalen" Leben nicht mehr unbedingt abschalten. Schlüsselerlebnis in Polen... idyllisches Masuren, Einsamkeit, Natur, eine malerische Kate. Ein Bekannter neben mir juchzt, wie schön das ist, wie idyllisch. Ich schaue auch hin, sehe die Schönheit, sehe aber auch das alte, völlig gekrümmte Mütterchen, das sich die Hände im Rinnstein wäscht, weil der Brunnen so weit weg ist und es in dieser Natur keinen Wasseranschluss gibt. Ich nannte das als Journalistin "meine Berufskrankheit". Ich kann nicht mehr wegschauen. Das ist nicht immer leicht.
Aber im Journalismus gewinnt schnell die Tagesaktualität, Bilder verblassen. Als Buchautorin muss ich noch genauer hinschauen, muss überlegen, was zu diesem Bild geführt haben könnte und was daraus wird. Ich erfinde die Geschichten dahinter - und beim Sachbuch recherchiere ich sie sogar akribisch. Ich bin mit so einem Projekt auf lange Monate zusammen, innig zusammen. Und da ist das Zurück in die unbeschwerte Welt nicht immer leicht. Man ist gebissen - und das bedeutet, irgendwie ist man auch gezeichnet. Es ist dann wie in jedem Beruf, in dem man in Abgründe schaut, wie beim Kriminalkommissar, dem Chirurgen, dem Pfarrer. Der eine schafft das Abschalten, wenn er mit dem Hund durch den Wald läuft. Der andere muss schon drei Ster Holz hacken...
Irgendwann ist es dann auch wie mit dem Altern: Man leidet ab und zu am genauen Hinschauen und wünscht sich in den Zustand zuvor zurück, als es die Falten und Zipperlein noch nicht gab. Aber die Unschuld der Jugend, mit der man gewisse Dinge einfach ausblenden konnte, ist vorbei. Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Man kann vorwärtsschauen. Und da wächst mit der Zeit das Verstehen, das Mitfühlen, die Liebe zum Hauptsujet - den Menschen. Und damit auch die innere Gelassenheit und das Gefühl eines Reichtums, der mit keinem Geld der Welt zu bezahlen ist.
Nun arbeiten Autoren ja in der Regel einsam und auf sich selbst zurückgeworfen, sind also nicht unbedingt Herdentiere. Dementsprechend gibt es mindestens so viele Antworten auf die Frage wie Autoren. Und nicht jeder macht sich tiefe Gedanken, denn auch als Auftragsarbeit und sogar mit schnöder Routine kann man Bücher schreiben. Liegt die Antwort vielleicht in der Frage, was einen Autor motiviert, sich mit Themen auseinanderzusetzen, an die Tante Erna auch nicht geschenkt denken möchte?
Ich kann mich da nur sehr subjektiv nähern. Warum wähle ich mir welche Themen? Ganz einfach: Ich muss gebissen sein. So sagt man hier im Französischen: "je suis mordue". Das bedeutet, etwas hat mich berührt, gepackt, hält mich in seinen Fängen - und wie das Gift einer Schlange verteilt sich die Be-Geisterung in meinen Adern, die Leidenschaft (la passion). Die ich natürlich brauche, um all die Durststrecken und Abgründe des Berufs auszuhalten - um durchzuhalten.
Die Magie dieses Gepacktseins kann ich nicht erklären. Ich glaube, ein Thema sucht mich, nicht umgekehrt. Und dieses Thema muss nichts Schönes sein. Als ich die Kulturgeschichte der Rose schrieb, gab es viel Schönheit und Lust. Aber da waren auch mindestens eben so viele menschliche Abgründe - und die waren viel viel interessanter. Im Moment ist ein Sachbuchprojekt von mir unterwegs, bei dem viele meiner Bekannten den Kopf schütteln: Wie kannst du nur als Frau? Ganz einfach: Ich bin gebissen. Es wird hart, diesmal wird es ein Blick in ziemliche Extreme menschlichen Umgetriebenseins, aber es ist auch ungeheuer spannend, herausfordernd. Und auch wenn ich über meinen in der Entstehung begriffenen neuen Roman nichts sagen darf - Tante Erna gruselte sich davor, während mich ungeheure Neugier antreibt.
Wenn man dann älter wird und beim Schreiben zu sich in Distanz geht, merkt man, dass die Themen, die einem so "zufällig" zufallen, sehr viel mit dem eigenen Selbst zu tun haben. Nicht so platt, wie das manche Leser meinen, wenn sie denken, eine Ich-Figur sei nun dringend identisch mit dem Autor oder man plaudere da aus den eigenen Untiefen. Nein, die Themen haben viel zu tun mit den Fragen, die man sich selbst über die Menschen und die Welt stellt. Schreiben ist auch ein Vorgang des Begreifens, des Verstehens. Ein Autor, der einen Mörder erfindet, der seine ganze Familie abschlachtet, muss selbst keine Familienprobleme haben. Aber vielleicht interessiert er sich dafür, wie der Mikrokosmos Familie funktioniert? Am Extrem begreift man leichter das Normale. (Anders gesagt, ich habe früher Spielzeugautos zerlegt, um zu sehen, wie sie funktionieren - heute schreibe ich eben).
Sich als Leser diese Fragen über die wahren Motivationen eines Autor zu stellen, bringt wohl weniger richtige Antworten als Hauptgewinne beim Lotto. Deshalb können wir auch nur mutmaßen, wie einer solche extremen Projekte durchhält. Wir sehen es vielleicht hinterher in der Biografie - die einen feixen mit ihrer Familie über das letzte Schauerkapitel, die anderen landen im Suff oder in der Psychiatrischen, weil sie irgendwann den Rückweg in professioneller Eigendistanz nicht mehr geschafft haben. Auch das gehört zum Autorenberuf: Aushalten lernen. Sich neben der Arbeit immer wieder selbst finden. Professionelle Eigendistanz beim Arbeiten.
Und hier liegt meiner Meinung nach eine Verbindungsstelle zum Altern. Diese ewige Frage: Wer bin ich? Wer will ich sein? Wie entwerfe ich mich selbst - auch gegen die Erwartungen und Klischees von außen? Wer sind die anderen? Was treibt die Menschen um? Warum sind sie so, wie sie sind?
Für viele Autoren bedeutet Schreiben ein ständiges Sich-neu-Entwerfen. Das sich daran reibt, die Welt tiefer verstehen zu wollen. Schreiben ist Leben.
Die Beschäftigung mit menschlichen Abgründen beim Schreiben macht auf der einen Seite extrem sensibel, hellhörig und empfindlich. Man kann das im "normalen" Leben nicht mehr unbedingt abschalten. Schlüsselerlebnis in Polen... idyllisches Masuren, Einsamkeit, Natur, eine malerische Kate. Ein Bekannter neben mir juchzt, wie schön das ist, wie idyllisch. Ich schaue auch hin, sehe die Schönheit, sehe aber auch das alte, völlig gekrümmte Mütterchen, das sich die Hände im Rinnstein wäscht, weil der Brunnen so weit weg ist und es in dieser Natur keinen Wasseranschluss gibt. Ich nannte das als Journalistin "meine Berufskrankheit". Ich kann nicht mehr wegschauen. Das ist nicht immer leicht.
Aber im Journalismus gewinnt schnell die Tagesaktualität, Bilder verblassen. Als Buchautorin muss ich noch genauer hinschauen, muss überlegen, was zu diesem Bild geführt haben könnte und was daraus wird. Ich erfinde die Geschichten dahinter - und beim Sachbuch recherchiere ich sie sogar akribisch. Ich bin mit so einem Projekt auf lange Monate zusammen, innig zusammen. Und da ist das Zurück in die unbeschwerte Welt nicht immer leicht. Man ist gebissen - und das bedeutet, irgendwie ist man auch gezeichnet. Es ist dann wie in jedem Beruf, in dem man in Abgründe schaut, wie beim Kriminalkommissar, dem Chirurgen, dem Pfarrer. Der eine schafft das Abschalten, wenn er mit dem Hund durch den Wald läuft. Der andere muss schon drei Ster Holz hacken...
Irgendwann ist es dann auch wie mit dem Altern: Man leidet ab und zu am genauen Hinschauen und wünscht sich in den Zustand zuvor zurück, als es die Falten und Zipperlein noch nicht gab. Aber die Unschuld der Jugend, mit der man gewisse Dinge einfach ausblenden konnte, ist vorbei. Man kann das Rad nicht zurückdrehen. Man kann vorwärtsschauen. Und da wächst mit der Zeit das Verstehen, das Mitfühlen, die Liebe zum Hauptsujet - den Menschen. Und damit auch die innere Gelassenheit und das Gefühl eines Reichtums, der mit keinem Geld der Welt zu bezahlen ist.
16. September 2008
Musikfestivals im Elsass
Freunde des Elsass und des Dreiländerecks aufgepasst: Meine Tipps zu diesem Thema haben einen eigenen Platz gefunden und sind an der lila Schrift schnell zu finden. Hier gibt's einen Überblick über die neuen Musikfestivals!
Und bei der Gelegenheit will ich gleich loswerden, dass ich noch einmal am 24.Oktober aus meinem Elsassbuch lese - und zwar in der Bibliothek in Gaggenau. Mehr dazu im Oktober.
Und bei der Gelegenheit will ich gleich loswerden, dass ich noch einmal am 24.Oktober aus meinem Elsassbuch lese - und zwar in der Bibliothek in Gaggenau. Mehr dazu im Oktober.
Das andere Leben
Es ist eine ganz einfache Rechnung: Das Heizöl kostet mindestens doppelt so viel - also muss man als Freiberufler auch doppelt so viel arbeiten (es sei denn, die Honorare stiegen entsprechend, welch schöner Traum). Lange habe ich mit mir gehadert, wie man zu Geld kommen könnte, wenn man gleichzeitig zwei Bücher schreibt und Termine einzuhalten hat.
Die Vernunft schrieb den bürgerlichen Angestelltenjob vor, idealerweise Teilzeit. Zwei Stunden fürs Pendeln muss man hier ohnehin mindestens einrechnen. Aber setze ich mich nach so einer Arbeit nachher wirklich noch an ein Buch? Abgesehen davon hörte ich ja schon vor zwei Jahren überall, ich sei viel zu alt zum Arbeiten (wie geht das mit der Rente ab 67?). Fast wäre ich depressiv geworden, weil ich langsam selbst glaubte, ein unnützes, altes, kaputtes Wrack zu sein.
Tja, und dann hat sich der kleine innere Schweinehund gemeldet und frech gekichert. Schau mal, als Schriftsteller hast du doch auch keine Rentenzeit und schreibst, bis dir der Griffel aus den gichtigen Fingern fallen wird. Es gibt noch andere Berufe, die man bis ins hohe Greisenalter ausüben kann, ohne dass einer meckert. Aber ich kann das doch nicht! Ich bin mein Leben lang darauf gedrillt worden, dass ich das nicht können kann. Der Schweinehund hat mir einen Tritt gegeben und mich daran erinnert, dass ich in meinem allerersten Beruf doch auch sowas wie ein Bühnenkasper geworden wäre. Und dann ist bei einem Auftritt als Autorin im Galand die Schnapsidee irgendwie aus der Luft herbeigehüpft...
Aber wie kriegt man sich dazu, so etwas auch wirklich durchzuziehen? Um mich herum schütteln alle den Kopf, erklären mich für verrückt, trauen es mir nicht zu oder geben zu bedenken, welch irrer Berg an Arbeit das sei. Unmöglich. Sie appelieren an meine Vernunft, es fallen Worte wie Sicherheit, ordentliche Arbeit, bürgerlich anerkannt... Den potentiellen Arbeitgebern vor ein paar Jahren habe ich beinahe geglaubt, ich sei tattrig alt. Bevor ich jetzt allen glaube, ich sei verrückt und durchgedreht, zwinge ich mich. Ich entwickle die Idee öffentlich, vor Publikum. Sozusagen live im Internet. Ich würde mich grässlich blamieren, wenn ich den Rückzieher machen würde. Und siehe da, es hilft wie ein Abgabetermin eines Verlags. Denn man würde Faulheit ja sehen...
Dieser Think Tank für einen Kleinkunstabend ist außerdem ein neues mediales Experimentierfeld. Ein erlebbarer Abend entsteht nicht nur vorab, sondern versorgt nachher das Publikum mit Geschichten und Ideen im Hintergrund, die sich mit den gespielten verweben...
Die Vernunft schrieb den bürgerlichen Angestelltenjob vor, idealerweise Teilzeit. Zwei Stunden fürs Pendeln muss man hier ohnehin mindestens einrechnen. Aber setze ich mich nach so einer Arbeit nachher wirklich noch an ein Buch? Abgesehen davon hörte ich ja schon vor zwei Jahren überall, ich sei viel zu alt zum Arbeiten (wie geht das mit der Rente ab 67?). Fast wäre ich depressiv geworden, weil ich langsam selbst glaubte, ein unnützes, altes, kaputtes Wrack zu sein.
Tja, und dann hat sich der kleine innere Schweinehund gemeldet und frech gekichert. Schau mal, als Schriftsteller hast du doch auch keine Rentenzeit und schreibst, bis dir der Griffel aus den gichtigen Fingern fallen wird. Es gibt noch andere Berufe, die man bis ins hohe Greisenalter ausüben kann, ohne dass einer meckert. Aber ich kann das doch nicht! Ich bin mein Leben lang darauf gedrillt worden, dass ich das nicht können kann. Der Schweinehund hat mir einen Tritt gegeben und mich daran erinnert, dass ich in meinem allerersten Beruf doch auch sowas wie ein Bühnenkasper geworden wäre. Und dann ist bei einem Auftritt als Autorin im Galand die Schnapsidee irgendwie aus der Luft herbeigehüpft...
Aber wie kriegt man sich dazu, so etwas auch wirklich durchzuziehen? Um mich herum schütteln alle den Kopf, erklären mich für verrückt, trauen es mir nicht zu oder geben zu bedenken, welch irrer Berg an Arbeit das sei. Unmöglich. Sie appelieren an meine Vernunft, es fallen Worte wie Sicherheit, ordentliche Arbeit, bürgerlich anerkannt... Den potentiellen Arbeitgebern vor ein paar Jahren habe ich beinahe geglaubt, ich sei tattrig alt. Bevor ich jetzt allen glaube, ich sei verrückt und durchgedreht, zwinge ich mich. Ich entwickle die Idee öffentlich, vor Publikum. Sozusagen live im Internet. Ich würde mich grässlich blamieren, wenn ich den Rückzieher machen würde. Und siehe da, es hilft wie ein Abgabetermin eines Verlags. Denn man würde Faulheit ja sehen...
Dieser Think Tank für einen Kleinkunstabend ist außerdem ein neues mediales Experimentierfeld. Ein erlebbarer Abend entsteht nicht nur vorab, sondern versorgt nachher das Publikum mit Geschichten und Ideen im Hintergrund, die sich mit den gespielten verweben...
14. September 2008
Zehnjähriges
Beinahe hätte ich es nicht gemerkt, dass ich in diesem Jahr mein Zehnjähriges als Buchautorin feiere. So kurz vor der nächsten Buchmesse hebt man natürlich nicht gleich die Tassen, sondern zieht ein möglichst schonungsloses Resumée.
An mein erstes Buch, ein Sachbuch, erinnere ich mich nur noch mit einem sanften nachsichtigen Lächeln und wundere mich, warum keiner im Verlag je aufgemuckt hat, dass meine Sätze viel zu verquast akademisch und stilistisch einfach nicht auf der Höhe waren. Es werden also auch Bücher gedruckt, wo einer erst schreiben lernen will. Welten liegen dazwischen bis zum Rosenbuch. Inzwischen habe ich meinen Stil gefunden und lerne, was ich daraus alles machen kann.
Welten liegen auch zwischen der Arbeitsweise von "damals" und heute. Meinen ersten Verlag habe ich noch besucht, wie eine Familie kennengelernt - und so wurden auch die Autoren behandelt und geschätzt. Mein Lektor besuchte mit mir den Handlungsort und während des Schreibens entspann sich ein reger Fachaustausch. Ich bekam sogar Recherchetipps und Material vom Verlag. Man hat mich regelrecht gelehrt, wie man Autor wird. Kein kleiner Verlag, aber irgendwann war solches menschenbezogene Arbeiten und Entwickeln von Büchern nicht mehr wirtschaftlich - es gibt den Verlag längst nicht mehr. Bücherschreiben ist heute hochprofessionelles, effektives Arbeiten auf Zeit und wird dank Internet mit Mausklicks erledigt. Nachwuchs wird nicht mehr aktiv in Verlagen herangezogen, es wachsen doch automatisch so viele Autoren nach. Und die wechseln, ebenfalls untreu, auch mal ganz schnell zur Konkurrenz.
Aber ich bin wieder zu den Ursprüngen zurück. Das erzählende Sachbuch lag mir - ohne dass ich das wusste - bereits im Studium, wo sich ein Professor beklagte, meine Arbeiten seien ja gut recherchiert, aber einfach viel zu spannend geschrieben.
Was hat sich in zehn Jahren noch getan? Die Zeit, die man auch als Profi braucht, um ein neues Projekt zu verkaufen, hat sich erheblich verlängert. Risikofreude, Schwung und Begeisterung der Neunziger sind dahin. Der Apparat ist aufgebläht, die Entscheidungswege in den großen Verlagen haben sich verlängert. Dafür sind die Normalhonorare noch ziemlich genau auf dem gleichen Stand wie damals. Um den zu überschreiten, muss man heute Spitzentitel liefern, einen Namen haben etc.
Etwas hat sich seltsam umgedreht. Als ich in den Neunzigern anfing, verstanden sich viele Verleger und Lektoren als ein wichtiger Faktor in der Volksbildung. Bücher waren nicht nur dazu da, Menschen zu unterhalten, sondern durften beim Lesen durchaus fordern. Wenn wir den Menschen nicht Niveau bieten, müssen wir uns nicht beklagen, wenn eines Tages keiner mehr lesen will. So dachte man damals. Bücher, das war das kleine Stückchen "mehr" im Leben: Mehr Leben, mehr Horizonte, mehr Ebenen, mehr Bereicherungen... Leser waren interessierte neugierige Menschen, die sich gern herausfordern ließen - jedenfalls stellte man sie sich so vor. (Und es gibt natürlich noch heute Verlage, die sich das so vorstellen).
Heute höre ich bei Lesungen und Auftritten immer häufiger Klagen. "Wir wissen nicht mehr, was wir noch lesen können. In all dem Müll mag es ja noch Intelligentes geben, aber man findet es nicht mehr", sagen die Leser, die in der Überfülle bedruckten Papiers geistig verhungern. Ähnlich wie im Fernseh- oder Comedygeschäft verkaufen sich Skandale, Debiles, Lächerliches inzwischen recht schnell. Bei Anspruchsvollem tönt die Frage: "Können wir das unseren Lesern zumuten?"
Das Bild der Publikumsverlage vom Durchschnittleser, der natürlich eine Frau ist, darf man gar nicht öffentlich machen. Es gäbe entweder einen nationalen Leseboykott - oder die Welt würde beweisen, dass es leider stimmt.
Und es ist schwieriger geworden, an die "eigenen" Leser überhaupt heranzukommen. Es gibt sie, sie sind da draußen irgendwo. Aber sie können sich immer weniger entscheiden angesichts der unübersehbaren Menge von Neuerscheinungen. Die Instanzen, die früher Bücher empfahlen, werden von immer weniger Menschen ernst genommen. Ein gebildeter Mensch und Literaturliebender, der vielleicht umstritten ist, aber Rückgrat, Meinung und Kenntnis besitzt - so wie Reich-Ranicki - fehlt beim Nachwuchs. Heute hält man ein Buch in die Kamera: Lesen!
Das Feuilleton nagelt sich selbst auf Bücher fest, die ohnehin Bestseller sind oder werden, weil man dann so schön dasteht, wenn man über einen redet, über den alle anderen auch reden. Auch hier will keiner mehr das Risiko wagen, gegen den Mainstream zu arbeiten und noch Unentdecktes zu entdecken. Man druckt immer öfter den Werbetext des Verlags ab und nennt das "Rezension". Spätestens bei der dritten Dublette nehmen Leser solche Blätter nicht mehr ernst. Und Autoren bleiben dadurch ohne echte, fundierte, fachliche Kritik. Und all die Leserrezensionsprojekte im Internet? Wir wissen, wie Musiker ihre Wertungen erreichen und welche Schlammschlachten da abgehen... Bliebe der Buchhändler, wenn es ihn denn noch gäbe.
Auch das haben die zehn Jahre gebracht: Marktkonzentration. Wachsen von großen Ketten und Giganten, Eingehen von Kleinen. Verkäufe, Fusionen, Konkurs. Bei Verlagen wie im Buchhandel. Nicht zu reden von all den unbekannten Kollegen, die bei solchen Transaktionen auf der Strecke blieben.
Persönliche Veränderung: Weniger naive Freuden als früher, mehr Realismus und gesunde Desillusion. Früher habe ich ein neues Buch glücklich gestreichelt. Heute schaue ich es nachdenklich an und frage mich, wann es verramscht werden wird. Man schreibt Bücher schon lange nicht mehr, damit etwas bleibt, und schon gar nicht fürs Leben.
Früher habe ich mehr oder weniger für mich geschrieben, autark, auf Verlage konzentriert. Heute brauche ich in regelmäßigen Abständen Publikum live, um wieder einmal hautnah zu spüren, dass Leser nicht so dumm sind, wie sie manche gern herbeireden möchten. In den Neunzigern sah ich die Zukunft gegen die deprimierenden Zustände während der Medienkrise im Buchgeschäft. Dort schien alles so aufbauend, hell und licht... es roch nach kreativer Entfaltung. Es brodelte, es ließ sich etwas bewegen. Heute beziehe ich meine Motivationen wieder aus anderen Arbeiten - weil ich dort das gute alte Brodeln schneller spüre. Mir fehlt wohl der innere Zen.
Und ein Ausblick? Müsste ich mein Geld mit Prophetie verdienen, würde ich sagen, dass sich die Verlage in gewissen Bereichen (natürlich nicht überall) überflüssig machen werden oder eines Tages auch gegen gewisse Alternativen sich für Autoren nicht mehr rechnen. Ich wage zu behaupten, dass spezialisierte Werbe- und Auftrittsagenturen in den kommenden Jahren wichtige Aufgaben übernehmen werden, direkt beim Autor, ohne jeden Zwischenhandel. Unterschiedliche Medien werden sich noch stärker vernetzen und nicht mehr unbedingt unterscheidbar bleiben. Wie das zu finanzieren sein könnte, wage ich nicht vorauszuschauen. Denn ich sehe in der Zukunft leider auch die Möglichkeit, dass die kreative Arbeit selbst immer schlimmer entwertet wird. Das wiederum hieße, dass man schleunigst seinen Taxischein machen sollte...
Fazit nach zehn Jahren also: Trotzdem. Jetzt erst recht.
An mein erstes Buch, ein Sachbuch, erinnere ich mich nur noch mit einem sanften nachsichtigen Lächeln und wundere mich, warum keiner im Verlag je aufgemuckt hat, dass meine Sätze viel zu verquast akademisch und stilistisch einfach nicht auf der Höhe waren. Es werden also auch Bücher gedruckt, wo einer erst schreiben lernen will. Welten liegen dazwischen bis zum Rosenbuch. Inzwischen habe ich meinen Stil gefunden und lerne, was ich daraus alles machen kann.
Welten liegen auch zwischen der Arbeitsweise von "damals" und heute. Meinen ersten Verlag habe ich noch besucht, wie eine Familie kennengelernt - und so wurden auch die Autoren behandelt und geschätzt. Mein Lektor besuchte mit mir den Handlungsort und während des Schreibens entspann sich ein reger Fachaustausch. Ich bekam sogar Recherchetipps und Material vom Verlag. Man hat mich regelrecht gelehrt, wie man Autor wird. Kein kleiner Verlag, aber irgendwann war solches menschenbezogene Arbeiten und Entwickeln von Büchern nicht mehr wirtschaftlich - es gibt den Verlag längst nicht mehr. Bücherschreiben ist heute hochprofessionelles, effektives Arbeiten auf Zeit und wird dank Internet mit Mausklicks erledigt. Nachwuchs wird nicht mehr aktiv in Verlagen herangezogen, es wachsen doch automatisch so viele Autoren nach. Und die wechseln, ebenfalls untreu, auch mal ganz schnell zur Konkurrenz.
Aber ich bin wieder zu den Ursprüngen zurück. Das erzählende Sachbuch lag mir - ohne dass ich das wusste - bereits im Studium, wo sich ein Professor beklagte, meine Arbeiten seien ja gut recherchiert, aber einfach viel zu spannend geschrieben.
Was hat sich in zehn Jahren noch getan? Die Zeit, die man auch als Profi braucht, um ein neues Projekt zu verkaufen, hat sich erheblich verlängert. Risikofreude, Schwung und Begeisterung der Neunziger sind dahin. Der Apparat ist aufgebläht, die Entscheidungswege in den großen Verlagen haben sich verlängert. Dafür sind die Normalhonorare noch ziemlich genau auf dem gleichen Stand wie damals. Um den zu überschreiten, muss man heute Spitzentitel liefern, einen Namen haben etc.
Etwas hat sich seltsam umgedreht. Als ich in den Neunzigern anfing, verstanden sich viele Verleger und Lektoren als ein wichtiger Faktor in der Volksbildung. Bücher waren nicht nur dazu da, Menschen zu unterhalten, sondern durften beim Lesen durchaus fordern. Wenn wir den Menschen nicht Niveau bieten, müssen wir uns nicht beklagen, wenn eines Tages keiner mehr lesen will. So dachte man damals. Bücher, das war das kleine Stückchen "mehr" im Leben: Mehr Leben, mehr Horizonte, mehr Ebenen, mehr Bereicherungen... Leser waren interessierte neugierige Menschen, die sich gern herausfordern ließen - jedenfalls stellte man sie sich so vor. (Und es gibt natürlich noch heute Verlage, die sich das so vorstellen).
Heute höre ich bei Lesungen und Auftritten immer häufiger Klagen. "Wir wissen nicht mehr, was wir noch lesen können. In all dem Müll mag es ja noch Intelligentes geben, aber man findet es nicht mehr", sagen die Leser, die in der Überfülle bedruckten Papiers geistig verhungern. Ähnlich wie im Fernseh- oder Comedygeschäft verkaufen sich Skandale, Debiles, Lächerliches inzwischen recht schnell. Bei Anspruchsvollem tönt die Frage: "Können wir das unseren Lesern zumuten?"
Das Bild der Publikumsverlage vom Durchschnittleser, der natürlich eine Frau ist, darf man gar nicht öffentlich machen. Es gäbe entweder einen nationalen Leseboykott - oder die Welt würde beweisen, dass es leider stimmt.
Und es ist schwieriger geworden, an die "eigenen" Leser überhaupt heranzukommen. Es gibt sie, sie sind da draußen irgendwo. Aber sie können sich immer weniger entscheiden angesichts der unübersehbaren Menge von Neuerscheinungen. Die Instanzen, die früher Bücher empfahlen, werden von immer weniger Menschen ernst genommen. Ein gebildeter Mensch und Literaturliebender, der vielleicht umstritten ist, aber Rückgrat, Meinung und Kenntnis besitzt - so wie Reich-Ranicki - fehlt beim Nachwuchs. Heute hält man ein Buch in die Kamera: Lesen!
Das Feuilleton nagelt sich selbst auf Bücher fest, die ohnehin Bestseller sind oder werden, weil man dann so schön dasteht, wenn man über einen redet, über den alle anderen auch reden. Auch hier will keiner mehr das Risiko wagen, gegen den Mainstream zu arbeiten und noch Unentdecktes zu entdecken. Man druckt immer öfter den Werbetext des Verlags ab und nennt das "Rezension". Spätestens bei der dritten Dublette nehmen Leser solche Blätter nicht mehr ernst. Und Autoren bleiben dadurch ohne echte, fundierte, fachliche Kritik. Und all die Leserrezensionsprojekte im Internet? Wir wissen, wie Musiker ihre Wertungen erreichen und welche Schlammschlachten da abgehen... Bliebe der Buchhändler, wenn es ihn denn noch gäbe.
Auch das haben die zehn Jahre gebracht: Marktkonzentration. Wachsen von großen Ketten und Giganten, Eingehen von Kleinen. Verkäufe, Fusionen, Konkurs. Bei Verlagen wie im Buchhandel. Nicht zu reden von all den unbekannten Kollegen, die bei solchen Transaktionen auf der Strecke blieben.
Persönliche Veränderung: Weniger naive Freuden als früher, mehr Realismus und gesunde Desillusion. Früher habe ich ein neues Buch glücklich gestreichelt. Heute schaue ich es nachdenklich an und frage mich, wann es verramscht werden wird. Man schreibt Bücher schon lange nicht mehr, damit etwas bleibt, und schon gar nicht fürs Leben.
Früher habe ich mehr oder weniger für mich geschrieben, autark, auf Verlage konzentriert. Heute brauche ich in regelmäßigen Abständen Publikum live, um wieder einmal hautnah zu spüren, dass Leser nicht so dumm sind, wie sie manche gern herbeireden möchten. In den Neunzigern sah ich die Zukunft gegen die deprimierenden Zustände während der Medienkrise im Buchgeschäft. Dort schien alles so aufbauend, hell und licht... es roch nach kreativer Entfaltung. Es brodelte, es ließ sich etwas bewegen. Heute beziehe ich meine Motivationen wieder aus anderen Arbeiten - weil ich dort das gute alte Brodeln schneller spüre. Mir fehlt wohl der innere Zen.
Und ein Ausblick? Müsste ich mein Geld mit Prophetie verdienen, würde ich sagen, dass sich die Verlage in gewissen Bereichen (natürlich nicht überall) überflüssig machen werden oder eines Tages auch gegen gewisse Alternativen sich für Autoren nicht mehr rechnen. Ich wage zu behaupten, dass spezialisierte Werbe- und Auftrittsagenturen in den kommenden Jahren wichtige Aufgaben übernehmen werden, direkt beim Autor, ohne jeden Zwischenhandel. Unterschiedliche Medien werden sich noch stärker vernetzen und nicht mehr unbedingt unterscheidbar bleiben. Wie das zu finanzieren sein könnte, wage ich nicht vorauszuschauen. Denn ich sehe in der Zukunft leider auch die Möglichkeit, dass die kreative Arbeit selbst immer schlimmer entwertet wird. Das wiederum hieße, dass man schleunigst seinen Taxischein machen sollte...
Fazit nach zehn Jahren also: Trotzdem. Jetzt erst recht.
13. September 2008
12. September 2008
Dolce Vita
Eben habe ich nach Endkorrektur meine Übersetzung in den virtuellen Äther geblasen und mache Feierabend, ein Wort - so habe ich aus dem Theaterstück gelernt - das die Franzosen als Gruß (schöner Feierabend) nicht kennen.
Was macht eigentlich eine Autorin, die zwei Wochen mit Doppelschichten hinter sich hat? Richtig: Sie gibt das Schreiben auf. Wenigstens für kurze Zeit. Jetzt wird erst mal gefeiert, indem ich mir eine fremdländische Speise koche, "Lewwerknepp" (sagt man das so?) habe ich mir aus der Pfalz mitgebracht, und hoffe, sie revoltieren nicht im Magen, wenn man französischen Wein dazu trinkt.
Morgen ist dann der arg vernachlässigte arme Hund dran. Riesenwaldspaziergang, bei dem wir dann oben auf dem Berg wieder den Proviant miteinander teilen. Und mir anschließend all die "Zeitverschwendungen" gönnen, die man während des Schreibens verdrängt. Was einem manchmal den Eindruck vermittelt, entweder würde die Zeit nur so dahinrasen oder das Leben verschwendet oder beides zusammen.
Ich würde gern wieder einmal der Nase nach durch die Welt fahren, erst kurz vor jeder Kreuzung entscheiden, welche Richtung die schönere sein könnte, ohne auf Ortsnamen und Karten zu schauen. Ich würde gern einmal wieder einen Markt besuchen oder den Hofladen eines Gemüsebauern, Frische, Farben und Düfte inhalieren, mich auf Geschmäcker freuen. Oder gehe ich endlich in die Sonderausstellung über die Markgräfin Sibylla Augusta in Rastatt, bevor es zu spät ist? Ins Museum Frieder Burda wollte ich außerdem... Ständig verschiebe ich so etwas auf Regentage - und wenn man schreibt, nimmt man Regen bekanntlich nicht mehr wahr.
Ich stelle fest, man muss kein Franzose sein, um das Wort "Feierabend" nicht zu kennen. Schriftsteller haben da durchaus nicht nur Sprachdefizite. Ich ahne jetzt schon: Wenn ich zur süßen Faulenzia über die Grenze fahre, tippe ich zwar nicht, denke aber daran, dass dort ja mein Roman spielt. Und so werde ich zur "Handlungs"reisenden...
Was macht eigentlich eine Autorin, die zwei Wochen mit Doppelschichten hinter sich hat? Richtig: Sie gibt das Schreiben auf. Wenigstens für kurze Zeit. Jetzt wird erst mal gefeiert, indem ich mir eine fremdländische Speise koche, "Lewwerknepp" (sagt man das so?) habe ich mir aus der Pfalz mitgebracht, und hoffe, sie revoltieren nicht im Magen, wenn man französischen Wein dazu trinkt.
Morgen ist dann der arg vernachlässigte arme Hund dran. Riesenwaldspaziergang, bei dem wir dann oben auf dem Berg wieder den Proviant miteinander teilen. Und mir anschließend all die "Zeitverschwendungen" gönnen, die man während des Schreibens verdrängt. Was einem manchmal den Eindruck vermittelt, entweder würde die Zeit nur so dahinrasen oder das Leben verschwendet oder beides zusammen.
Ich würde gern wieder einmal der Nase nach durch die Welt fahren, erst kurz vor jeder Kreuzung entscheiden, welche Richtung die schönere sein könnte, ohne auf Ortsnamen und Karten zu schauen. Ich würde gern einmal wieder einen Markt besuchen oder den Hofladen eines Gemüsebauern, Frische, Farben und Düfte inhalieren, mich auf Geschmäcker freuen. Oder gehe ich endlich in die Sonderausstellung über die Markgräfin Sibylla Augusta in Rastatt, bevor es zu spät ist? Ins Museum Frieder Burda wollte ich außerdem... Ständig verschiebe ich so etwas auf Regentage - und wenn man schreibt, nimmt man Regen bekanntlich nicht mehr wahr.
Ich stelle fest, man muss kein Franzose sein, um das Wort "Feierabend" nicht zu kennen. Schriftsteller haben da durchaus nicht nur Sprachdefizite. Ich ahne jetzt schon: Wenn ich zur süßen Faulenzia über die Grenze fahre, tippe ich zwar nicht, denke aber daran, dass dort ja mein Roman spielt. Und so werde ich zur "Handlungs"reisenden...
KSK: Vorläufiger Sieg?
Die Demokratie funktioniert noch. Die lauten Proteste aus allen möglichen wichtigen Reihen haben dafür gesorgt, dass ein politischer Fehler eingesehen wurde. Ob es dann am 19. September eine Mehrheit für die KSK geben wird, bleibt abzuwarten.
Demokratie ist aber auch fragil, wenn Politiker im eigenen Bürokratie-Durcheinander nicht mehr durchblicken, das einer heimlich und dreist für seine Zwecke nutzt. Wie das funktionierte, ist in der Berliner Zeitung nachzulesen. Wer es war, werden wir wohl nie erfahren. Und so wird es wieder vorkommen können. Bei den Künstlern... oder bei anderen.
Mein Vorschlag: Behörden reformieren.
Demokratie ist aber auch fragil, wenn Politiker im eigenen Bürokratie-Durcheinander nicht mehr durchblicken, das einer heimlich und dreist für seine Zwecke nutzt. Wie das funktionierte, ist in der Berliner Zeitung nachzulesen. Wer es war, werden wir wohl nie erfahren. Und so wird es wieder vorkommen können. Bei den Künstlern... oder bei anderen.
Mein Vorschlag: Behörden reformieren.
10. September 2008
Fatalna administracja
Es passt so schön in eine Zeit, in der uns Behörden und Politiker so erfreuen...
... denn ab und zu hat eine Autorin auch mit Behörden zu tun. Und wer so unverschämt ist, seinen Wohnsitz in Europa frei zu wählen, seinen Beruf und seine Sprache womöglich auch, der wird mit beiden Seiten gestraft.
Akt 1 - La douce France
Ein französischer Behördenbrief. Man freue sich mitteilen zu dürfen, dass die Autorin für ein gewisses Anliegen nun einen neuen Ansprechpartner habe, nicht etwa ums Eck, wo es zuhauf solche Behörden gibt, sondern in Strasbourg. Das käme nun daher, dass ich Künstlerin sei und die Behörden im Norden des Elsass mit Künstlern nicht umzugehen wüssten. Deshalb doch besser die Großstadt. Man würde mir aber freundlichst und hochachtungsvollst versichern, wenn ich mich dort nicht innerhalb von vier Wochen vorstelle, ja dann... französisches Behördenfegefeuer.
Vier Jahre habe ich mit dieser Behörde gekämpft und mir das Hirn aus dem Kopf gequatscht, um denen zu erklären, dass Autoren Künstler sind.
Zwei Arbeitstage wird mich der Kram kosten, denn in Frankreich schüttelt man Beamten besser persönlich die Hand.
Akt 2 - Deutschland ewig dein
Europa hat dafür gesorgt, dass man nicht in zwei Ländern steuerlich doppelt abgezockt werden kann, wenn man in einem sowieso längst nicht mehr lebt. Für echte Emigranten gibt's zwar keine Ausweise mehr und kein automatisches Wahlrecht, aber Deutschland bietet dafür Geburtshaftung. Schön klar, die Sache mit dem Doppelbesteuerungsabkommen, könnte man meinen. Aber das deutsche Bundesfinanzministerium hat sich einen unwahrscheinlich dicken Wust an Sonderbestimmungen und Formularen ausgedacht.
Und da gibt es ein niedliches Formular in zwei Sprachen und drei Ausführungen mit zwei Blättern, über das die Franzosen nur schallend lachen (was soll denn das, fragen sie) - und das den idyllischen Namen trägt (Achtung!): Antrag nach § 50d EStG auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung und/oder Erstattung von Abzugssteuer für Lizenzgebühren und ähnliche Vergütungen aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. Punkt. Atemholen. (Vorsicht, die Vorgänge bei Auftritten sind noch übler, wenn ein deutscher Künstler links vom Rhein wohnt und rechts vom Rhein auftritt, also in ca. 1 km Entfernung, wird er im eigenen Geburtsland mit einer horrenden "Ausländersteuer" bestraft, vorab.)
Tja. Und weil das Bundesfinanzministerium endlich digitalisiert ist, gibt's dort die Formulare. Zwei Stunden habe ich vergeblich versucht, die Dinger auszudrucken. Die nötige Adobeversion wollte bei Adobe nicht funktionieren. Und als es nach zwei Stunden dann doch irgendwie auf dem Bildschirm erschien, konnte ich mich abrackern wie ich wollte: Es druckte nur die deutschen Seiten. Dann kam herrlichstes Griechisch. Als ich nach einer weiteren halben Stunde endlich Griechenland in die Wüste geschickt hatte, druckte es mir auf einer leeren Seite nur noch ein verschwommenes Geisterwort, ein einziges: Bun-des-fi-nanz-mi-ni-ste-ri-um.
Ich LIEBE Europa.
... denn ab und zu hat eine Autorin auch mit Behörden zu tun. Und wer so unverschämt ist, seinen Wohnsitz in Europa frei zu wählen, seinen Beruf und seine Sprache womöglich auch, der wird mit beiden Seiten gestraft.
Akt 1 - La douce France
Ein französischer Behördenbrief. Man freue sich mitteilen zu dürfen, dass die Autorin für ein gewisses Anliegen nun einen neuen Ansprechpartner habe, nicht etwa ums Eck, wo es zuhauf solche Behörden gibt, sondern in Strasbourg. Das käme nun daher, dass ich Künstlerin sei und die Behörden im Norden des Elsass mit Künstlern nicht umzugehen wüssten. Deshalb doch besser die Großstadt. Man würde mir aber freundlichst und hochachtungsvollst versichern, wenn ich mich dort nicht innerhalb von vier Wochen vorstelle, ja dann... französisches Behördenfegefeuer.
Vier Jahre habe ich mit dieser Behörde gekämpft und mir das Hirn aus dem Kopf gequatscht, um denen zu erklären, dass Autoren Künstler sind.
Zwei Arbeitstage wird mich der Kram kosten, denn in Frankreich schüttelt man Beamten besser persönlich die Hand.
Akt 2 - Deutschland ewig dein
Europa hat dafür gesorgt, dass man nicht in zwei Ländern steuerlich doppelt abgezockt werden kann, wenn man in einem sowieso längst nicht mehr lebt. Für echte Emigranten gibt's zwar keine Ausweise mehr und kein automatisches Wahlrecht, aber Deutschland bietet dafür Geburtshaftung. Schön klar, die Sache mit dem Doppelbesteuerungsabkommen, könnte man meinen. Aber das deutsche Bundesfinanzministerium hat sich einen unwahrscheinlich dicken Wust an Sonderbestimmungen und Formularen ausgedacht.
Und da gibt es ein niedliches Formular in zwei Sprachen und drei Ausführungen mit zwei Blättern, über das die Franzosen nur schallend lachen (was soll denn das, fragen sie) - und das den idyllischen Namen trägt (Achtung!): Antrag nach § 50d EStG auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung und/oder Erstattung von Abzugssteuer für Lizenzgebühren und ähnliche Vergütungen aufgrund des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. Punkt. Atemholen. (Vorsicht, die Vorgänge bei Auftritten sind noch übler, wenn ein deutscher Künstler links vom Rhein wohnt und rechts vom Rhein auftritt, also in ca. 1 km Entfernung, wird er im eigenen Geburtsland mit einer horrenden "Ausländersteuer" bestraft, vorab.)
Tja. Und weil das Bundesfinanzministerium endlich digitalisiert ist, gibt's dort die Formulare. Zwei Stunden habe ich vergeblich versucht, die Dinger auszudrucken. Die nötige Adobeversion wollte bei Adobe nicht funktionieren. Und als es nach zwei Stunden dann doch irgendwie auf dem Bildschirm erschien, konnte ich mich abrackern wie ich wollte: Es druckte nur die deutschen Seiten. Dann kam herrlichstes Griechisch. Als ich nach einer weiteren halben Stunde endlich Griechenland in die Wüste geschickt hatte, druckte es mir auf einer leeren Seite nur noch ein verschwommenes Geisterwort, ein einziges: Bun-des-fi-nanz-mi-ni-ste-ri-um.
Ich LIEBE Europa.
KSK: Politik als Verwirrspiel
Damit haben die Politiker gestern wohl nicht gerechnet, dass ihnen wegen der Abschaffung der Künstlersozialkasse so viel öffentlicher Protest entgegenschlägt. Und plötzlich gerät das Spiel fast zur Farce, die knallharte Wirklichkeit wird sprachlich abgemildert. Der Bremer Bürgermeister (hat der in der großen Politik viel zu sagen?) spricht von einem Missverständnis und beschreibt einen niedlichen kleinen Arbeitsunfall: er meint damit eine politische Abstimmung, bei der die Abschaffung ausdrücklich gefordert wurde! Einige Länder distanzieren sich, während andere dabei sind. Den Mund machen die auf, die eigentlich nicht abschaffen wollten. Die anderen schweigen.
Es kommt noch besser. Der Kieler Regierungssprecher Christian Hauck wirft dem Kulturrat vor, er habe eine Ente in die Welt gesetzt. Dagegen legt der Geschäftsführer des Kulturrates eindeutige Zahlen vor. Demnach hätten sieben Länder für eine Abschaffung gestimmt, sechs mit Nein, drei sich enthalten.
Die Medien halten sich - obwohl Journalisten Hauptbetroffene sind - derzeit erstaunlich zurück und schreiben eher die Verwirrung fest.
Warten wir ab, ob der Bundesrat am 19. September tatsächlich entscheidet und die Nation zu einer kulturlosen macht - oder ob ein paar Politiker einfach nur mal wieder nicht schweigen konnten. Ob mit oder ohne "Arbeitsunfall" der Bürokratie: die Basis für eine Abschaffung ist breit, sie agiert bereits und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann man den "verwirrten" und von "Missverständnissen" geplagten Betroffenen die Rechnung präsentiert.
Ein Schelm, der Böses beim politischen Rückwärtsrudern denkt. Schon Caesar handelte nach dem Prinzip divide et impera - teile und herrsche...
Es kommt noch besser. Der Kieler Regierungssprecher Christian Hauck wirft dem Kulturrat vor, er habe eine Ente in die Welt gesetzt. Dagegen legt der Geschäftsführer des Kulturrates eindeutige Zahlen vor. Demnach hätten sieben Länder für eine Abschaffung gestimmt, sechs mit Nein, drei sich enthalten.
Die Medien halten sich - obwohl Journalisten Hauptbetroffene sind - derzeit erstaunlich zurück und schreiben eher die Verwirrung fest.
Warten wir ab, ob der Bundesrat am 19. September tatsächlich entscheidet und die Nation zu einer kulturlosen macht - oder ob ein paar Politiker einfach nur mal wieder nicht schweigen konnten. Ob mit oder ohne "Arbeitsunfall" der Bürokratie: die Basis für eine Abschaffung ist breit, sie agiert bereits und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann man den "verwirrten" und von "Missverständnissen" geplagten Betroffenen die Rechnung präsentiert.
Ein Schelm, der Böses beim politischen Rückwärtsrudern denkt. Schon Caesar handelte nach dem Prinzip divide et impera - teile und herrsche...
9. September 2008
Es stinkt zum Himmel!
Es stinkt zum Himmel und es schlägt dem Fass den Boden aus, was sich deutsche Politiker in bravem Kadavergehorsam gegen Wirtschaftsverbände jetzt ausgedacht haben: Die Künstlersozialkasse soll abgeschafft werden. Angeblich, um den Mittelstand zu heben. Und dabei ist das Durchschnittsgehalt von 12.600 E jährlich bei Künstlern nur deshalb so hoch, weil "besserverdienende" Berufe wie z.B. Journalisten mitgerechnet werden. Die meisten Buchautoren oder bildenden Künstler könnten froh sein, je solch ein Jahresgehalt zu erreichen.
Manch einer wird fragen, was das soll, den meist armen Künstlern auch noch zu helfen. Die Konsequenz einer Abschaffung der Künstlersozialkasse, die zuständig für unsere Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist, wäre ganz einfach:
Informationen zum Skandal:
Wie die Politiker durchdrehen
Der Kulturrat schlägt Alarm
Der Verband deutscher Schriftsteller wehrt sich
... und das sollte eigentlich auch jeder Betroffene tun!
Obwohl es mich selbst nicht betrifft im Ausland (da sorgen weder KSK noch VS für einen), hier ein Vergleich, dass Deutschland auch mit der bisherigen Lösung noch lange nicht das kulturfreundlichste Land Europas ist:
Als ich noch in Polen lebte, wurden Künstler sogar durch einen Spezialsteuersatz gefördert, der extrem niedrig lag. Weil die Politik der Meinung war, Kunst und Kultur bereicherten ein Land und Künstler seien auch international etwas wie Außenbotschafter. Nicht wenige Schriftsteller saßen als hochangesehene Leute sogar im Parlament. Wie das heute ist, weiß ich nicht, aber noch vor wenigen Jahren wanderten viele bildende Künstler und Schauspieler aus Deutschland aus - nach Polen. Weil sie dort besser behandelt wurden.
In Frankreich gibt es eine ähnlich Organisation wie die Künstlersozialkasse. Anders als in Deutschland sind dort Künstler außerdem arbeitslosenversichert! Im Fall völlig ausbleibender Verträge würde ein arbeitslos gemeldeter Künstler nach den letzten beiden Monaten seines Gewinns berechnet. Er gilt nämlich obendrein als Mikrounternehmer mit eigener Firma und hat dadurch in den ersten Jahren der Gründung auch steuerlich einen Vorteil.
Wer aus irgendwelchen Gründen keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat, kann vertragslose Zeiten mit Sozialhilfe überbrücken. Vorteil: Die wird auch gewährt, solange der Verdienst unter dem SMIC bleibt. SMIC - das ist der gesetzliche Mindestlohn, der für jeden Einwohner Frankreichs gilt, auch für Künstler!
Alles zusammen bedeutet, dass ein Künstler in Ausfallszeiten in Frankreich auch von der Krankenversicherung her vollkommen versorgt wird, ohne Beiträge zahlen zu müssen. Als Ausfallszeiten gelten auch die Zeiten unter Vertrag, in denen der gesetzliche Mindestlohn nicht erreicht wird!
Allerdings: Sarkozy, der sich ja immer so nett an Merkel ranschmeißt, will auch hier mit eisernem Besen bei den Armen ausfegen. Aber - auch das ist anders im Nachbarland - hier gehen die Künstler und ihre Mitstreiter aus der ganz normalen Bevölkerung massenhaft auf die Straße und demonstrieren ihren Unmut laut. Und nicht wenige, die etwas zu sagen haben, warnen davor, dass die Grande Nation endgültig am Boden liegen wird, wenn sie Kunst und Kultur ausblutet. Arme Welt ohne Kunst udn Kultur. Wir wissen, dass die Menschheit den großen Evolutions- und Bewusstseinssprung schaffte, als der Urmensch die Kunst erfand. Könnte man davon lernen?
Ein Deutschland ohne KSK, das seine Kulturschaffenden so verachtet, wäre für mich jedenfalls kein Land, in das ich freiwillig zurückkehren würde. Würde ich als Künstler zu den Gutverdienenden gehören (soll es ja auch geben), würde ich meine Steuern auch lieber einem Land schenken, das seine geistigen und kreativen Güter mindestens so sehr wertschätzt wie diejenigen, bei denen es nur um Profit und Konsum geht.
Ich wünsche allen betroffenen KollegInnen Wut, Biss und das Beste!
Manch einer wird fragen, was das soll, den meist armen Künstlern auch noch zu helfen. Die Konsequenz einer Abschaffung der Künstlersozialkasse, die zuständig für unsere Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung ist, wäre ganz einfach:
- noch mehr Künstler rutschen in absolute Armut ab und kosten den Staat damit Geld
- unzählige Künstler stünden ohne Altersversorgung da und würden damit auch im Alter zum Sozialfall
- unzählige Künstler würden zur Berufsaufgabe gezwungen
- Deutschland würde damit kulturell und künstlerisch im Eiltempo verarmen, aber immerhin unternehmerfreundlich sein
Informationen zum Skandal:
Wie die Politiker durchdrehen
Der Kulturrat schlägt Alarm
Der Verband deutscher Schriftsteller wehrt sich
... und das sollte eigentlich auch jeder Betroffene tun!
Obwohl es mich selbst nicht betrifft im Ausland (da sorgen weder KSK noch VS für einen), hier ein Vergleich, dass Deutschland auch mit der bisherigen Lösung noch lange nicht das kulturfreundlichste Land Europas ist:
Als ich noch in Polen lebte, wurden Künstler sogar durch einen Spezialsteuersatz gefördert, der extrem niedrig lag. Weil die Politik der Meinung war, Kunst und Kultur bereicherten ein Land und Künstler seien auch international etwas wie Außenbotschafter. Nicht wenige Schriftsteller saßen als hochangesehene Leute sogar im Parlament. Wie das heute ist, weiß ich nicht, aber noch vor wenigen Jahren wanderten viele bildende Künstler und Schauspieler aus Deutschland aus - nach Polen. Weil sie dort besser behandelt wurden.
In Frankreich gibt es eine ähnlich Organisation wie die Künstlersozialkasse. Anders als in Deutschland sind dort Künstler außerdem arbeitslosenversichert! Im Fall völlig ausbleibender Verträge würde ein arbeitslos gemeldeter Künstler nach den letzten beiden Monaten seines Gewinns berechnet. Er gilt nämlich obendrein als Mikrounternehmer mit eigener Firma und hat dadurch in den ersten Jahren der Gründung auch steuerlich einen Vorteil.
Wer aus irgendwelchen Gründen keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe hat, kann vertragslose Zeiten mit Sozialhilfe überbrücken. Vorteil: Die wird auch gewährt, solange der Verdienst unter dem SMIC bleibt. SMIC - das ist der gesetzliche Mindestlohn, der für jeden Einwohner Frankreichs gilt, auch für Künstler!
Alles zusammen bedeutet, dass ein Künstler in Ausfallszeiten in Frankreich auch von der Krankenversicherung her vollkommen versorgt wird, ohne Beiträge zahlen zu müssen. Als Ausfallszeiten gelten auch die Zeiten unter Vertrag, in denen der gesetzliche Mindestlohn nicht erreicht wird!
Allerdings: Sarkozy, der sich ja immer so nett an Merkel ranschmeißt, will auch hier mit eisernem Besen bei den Armen ausfegen. Aber - auch das ist anders im Nachbarland - hier gehen die Künstler und ihre Mitstreiter aus der ganz normalen Bevölkerung massenhaft auf die Straße und demonstrieren ihren Unmut laut. Und nicht wenige, die etwas zu sagen haben, warnen davor, dass die Grande Nation endgültig am Boden liegen wird, wenn sie Kunst und Kultur ausblutet. Arme Welt ohne Kunst udn Kultur. Wir wissen, dass die Menschheit den großen Evolutions- und Bewusstseinssprung schaffte, als der Urmensch die Kunst erfand. Könnte man davon lernen?
Ein Deutschland ohne KSK, das seine Kulturschaffenden so verachtet, wäre für mich jedenfalls kein Land, in das ich freiwillig zurückkehren würde. Würde ich als Künstler zu den Gutverdienenden gehören (soll es ja auch geben), würde ich meine Steuern auch lieber einem Land schenken, das seine geistigen und kreativen Güter mindestens so sehr wertschätzt wie diejenigen, bei denen es nur um Profit und Konsum geht.
Ich wünsche allen betroffenen KollegInnen Wut, Biss und das Beste!
Dreiländereck
Passend zum dreisprachigen Theater noch eine kleine Ankündigung in eigener Sache: Die Genießer und Elsassfans, Freunde des Dreiländerecks, Grenzgänger und Grenzüberschreiter, die fleißigen Leser meines Elsassbuchs und meiner Rubrik "Sinnesreisen" werden bald ein eigenes Plätzchen bekommen. Und zwar ein ganz Besonderes - Virtuelles wird sich verbinden mit Realem! Eine Oase für mehr als fünf Sinne also...
Mehr wird noch nicht verraten, aber der Vorhang wird natürlich in dieser Kolumne hochgezogen werden, wenn es so weit ist.
Mehr wird noch nicht verraten, aber der Vorhang wird natürlich in dieser Kolumne hochgezogen werden, wenn es so weit ist.
Frontières - Grenzen
Ein Blog ist ein PR-Instrument. Also zuerst die hemmungslose Selbstbeweihräucherung: Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben ein abendfüllendes Theaterprojekt aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt. Eben den Schlusspunkt gesetzt, nun folgen nur noch ein paar Korrekturdurchläufe. Knallharte Arbeit auf Zeit (die Proben laufen bereits), die Spaß machte und bei der ich nicht nur sprachlich viel dazugelernt habe. Und vielleicht noch ein wenig mehr theatersüchtig wurde...
Und weil das Zusammentreffen mit den "Machern" in die Schublade "Magie des Lebens" oder "seltsame Synchronizitäten" gehört, gibt's jetzt ganz offiziell noch Schleichwerbung satt für die Aufführungen im Dreiländereck:
"Frontières - Grenzen" ist ein deutsch-französisches Theaterprojekt des gemeinnützigen Vereins "Sur les Sentiers du Théatre" (Auf den Pfaden des Theaters). Dominique Guibbert, Schauspielerin, Dramaturgin und Gründerin des Theaters "Pandora" in Colmar, hat aus Original-Interviews mit deutschen, elsässischen und französischen Bewohnern des Grenzlandes einen Abend mit animierter Lesung entwickelt. Die aus dem Badischen stammende und im Elsass lebende Buchautorin Petra van Cronenburg hat die französischen Passagen ins Deutsche übersetzt.
"Frontières - Grenzen" zeigt in anschaulich persönlichen Eindrücken, wie Deutsche Franzosen erleben und wie Franzosen über die Deutschen denken. Es zeigt aber auch anhand von Emigrantenschicksalen einen völlig ungewohnten und oft überraschenden Blick auf die ehemalige deutsch-deutsche Grenze oder die Grenze zu Polen. Die kommentarlos präsentierten Originalaussagen aus dem pfälzisch-badisch-elsässischen Grenzland öffnen den Blick für eine neue Sicht des Nachbarn oder die eigene Kultur - und bieten spannenden Diskussionsstoff zum Thema innerer wie äußerer Grenzen.
Zwei Schauspieler und mehrere Laienspieler von "Sur les Sentiers du Théatre" (Auf den Pfaden des Theaters) werden das Stück im Elsass, in Baden und in der Pfalz aufführen.
Auf dem letzten Link kann man nicht nur ein Probenfoto anschauen, sondern erfährt die genauen Daten. In Deutschland stehen Herxheim, Elchesheim und Rastatt auf dem Spielplan.
Und als besonderes Bonbon sollte man sich den 23. November im elsässischen Munchhausen notieren (das ist das kleine Dorf direkt am Rhein bei Seltz, nicht mit Munchhouse, der Stadt zu verwechseln!)
Da gibt es nämlich als Schlusspunkt des Festivals einen ganzen Tag zum Thema "Frontières - Grenzen) mit viel Theater, Ausstellung und Kulinarischem.
Und weil das Zusammentreffen mit den "Machern" in die Schublade "Magie des Lebens" oder "seltsame Synchronizitäten" gehört, gibt's jetzt ganz offiziell noch Schleichwerbung satt für die Aufführungen im Dreiländereck:
"Frontières - Grenzen" ist ein deutsch-französisches Theaterprojekt des gemeinnützigen Vereins "Sur les Sentiers du Théatre" (Auf den Pfaden des Theaters). Dominique Guibbert, Schauspielerin, Dramaturgin und Gründerin des Theaters "Pandora" in Colmar, hat aus Original-Interviews mit deutschen, elsässischen und französischen Bewohnern des Grenzlandes einen Abend mit animierter Lesung entwickelt. Die aus dem Badischen stammende und im Elsass lebende Buchautorin Petra van Cronenburg hat die französischen Passagen ins Deutsche übersetzt.
"Frontières - Grenzen" zeigt in anschaulich persönlichen Eindrücken, wie Deutsche Franzosen erleben und wie Franzosen über die Deutschen denken. Es zeigt aber auch anhand von Emigrantenschicksalen einen völlig ungewohnten und oft überraschenden Blick auf die ehemalige deutsch-deutsche Grenze oder die Grenze zu Polen. Die kommentarlos präsentierten Originalaussagen aus dem pfälzisch-badisch-elsässischen Grenzland öffnen den Blick für eine neue Sicht des Nachbarn oder die eigene Kultur - und bieten spannenden Diskussionsstoff zum Thema innerer wie äußerer Grenzen.
Zwei Schauspieler und mehrere Laienspieler von "Sur les Sentiers du Théatre" (Auf den Pfaden des Theaters) werden das Stück im Elsass, in Baden und in der Pfalz aufführen.
Auf dem letzten Link kann man nicht nur ein Probenfoto anschauen, sondern erfährt die genauen Daten. In Deutschland stehen Herxheim, Elchesheim und Rastatt auf dem Spielplan.
Und als besonderes Bonbon sollte man sich den 23. November im elsässischen Munchhausen notieren (das ist das kleine Dorf direkt am Rhein bei Seltz, nicht mit Munchhouse, der Stadt zu verwechseln!)
Da gibt es nämlich als Schlusspunkt des Festivals einen ganzen Tag zum Thema "Frontières - Grenzen) mit viel Theater, Ausstellung und Kulinarischem.
7. September 2008
legumes
Kann man sich in einen Zustand hineinarbeiten, in dem man nur noch Gemüse ist? Man kann.
Heute etwa 40 Seiten Normtext Rohübersetzung nicht nur in den Computer getippt, sondern dabei auch gleich geschliffen. Morgen kommt die gleiche Menge. Dann bleiben noch fünf Tage für all die Zweifelsfälle und noch nicht so ideal übersetzten Ausdrücke.
Hirn: Gemüseeintopf, weichgekocht. Körper: geraffelte Karotten. Wenn doch nur der Nacken nicht wie ein zähes, ledernes Steak wäre.
Die Übersetzerin lässt sich jetzt gen Deutschland in eine Pfälzer Weinstube chauffieren, um das deutsch-französische Hirn mit einem Tröpfchen wiederzubeleben, das einst auf einer der idiotischsten Grenzen wuchs. Als es die noch gab, brauchten die Winzer nämlich Sondergenehmigungen, um von Schweigen auf die in Frankreich gelegenen Weinberge zu gelangen - und denen in Wissembourg ging es mit ihren deutschen Reben nicht besser.
Zum Glück hat dieser Wahnsinn ein Ende! Prost und Santé!
Heute etwa 40 Seiten Normtext Rohübersetzung nicht nur in den Computer getippt, sondern dabei auch gleich geschliffen. Morgen kommt die gleiche Menge. Dann bleiben noch fünf Tage für all die Zweifelsfälle und noch nicht so ideal übersetzten Ausdrücke.
Hirn: Gemüseeintopf, weichgekocht. Körper: geraffelte Karotten. Wenn doch nur der Nacken nicht wie ein zähes, ledernes Steak wäre.
Die Übersetzerin lässt sich jetzt gen Deutschland in eine Pfälzer Weinstube chauffieren, um das deutsch-französische Hirn mit einem Tröpfchen wiederzubeleben, das einst auf einer der idiotischsten Grenzen wuchs. Als es die noch gab, brauchten die Winzer nämlich Sondergenehmigungen, um von Schweigen auf die in Frankreich gelegenen Weinberge zu gelangen - und denen in Wissembourg ging es mit ihren deutschen Reben nicht besser.
Zum Glück hat dieser Wahnsinn ein Ende! Prost und Santé!
6. September 2008
Gegengift
Falls jemand angesichts der Vorhersagen Ludwig Börnes für den Buchmarkt graue Haare bekommen haben soll oder wie ich den "Club der snobistischen Hirnanwender" gründen mochte, so will ich ihn heute beruhigen. Es gibt natürlich auch die Gegenwelt, immer noch, zäh, und wie Unkraut nicht auszurotten. Bevor man verzweifelt oder seine Zeit mit vielleicht guten Zigarren in unsinnigen Clubs vergeudet, lohnt es sich immer wieder, den Lärm, die Kakophonie der Verbilligung einfach auszuschalten.
"Wenn gutes Geschäft auf Qualität beruht, ist es einfach viel interessanter", sagt Top-Literaturagent Andrew Wylie in einem Interview mit Felicitas von Lovenberg in der FAZ. Und schiebt als Beweis eine Liste eindrucksvoller Verlage nach, die zeigt, dass sich auf Dauer immer noch hohe Qualität und Wertschätzung bezahlt machen. Man könnte fast meinen, dass schnelles Geld keine Zeit hat, Junge zu bekommen.
Auch den Autoren rückt er den Blick gerade: "Meines Erachtens gibt es ein gewaltiges Missverständnis, was den Wert von Literatur angeht. Vom Buchhandel angestiftet, neigen viele Verleger fatalerweise dazu, Werke, die sich über einen kurzen Zeitraum hinweg gut verkaufen, überzubewerten. Und Schriftsteller, darin von Verlegern bestärkt, erliegen oft dem Eindruck, ihr Werk sei höchstens von regionaler Bedeutung und Relevanz."
Er spricht dabei von einem Phänomen, das auch in Deutschland bekannt ist. Taschenbücher eines Autors werden in immer kürzeren Abständen auf den Markt geworfen, generieren durch Wiederholungseffekte betörende Auflagenstärken im Vorabverkauf - und sind nach einem halben Jahr abgeschlagen, regelrecht verdampft. Also muss schnell ein neues her...
Dagegen gibt es den "langsamen" Markt, der Substanz, gute Ideen und hohe professionelle Qualität braucht. Denn seine Bücher setzen sich anfangs langsamer und schwerer durch, bleiben dann aber - dank Backlist - Longseller, die man auch nach drei Jahren noch gut lesen kann. Wylie's Forderung klingt konsequent: "Wenn sich demnach ein solcher (Qualitäts)Autor nicht langfristig verkauft, international keinen Anklang findet und sich niemand gebührend um seine Backlist kümmert, dann ist dieser Autor eindeutig nicht gut vertreten."
Ein lohnendes Interview, das sich außerdem mit der Frage nach elektronischen Rechten und möglichen Folgen von e-books für die Autoren beschäftigt und erklärt, warum es für Autoren richtige und falsche Verlage gibt.
"Wenn gutes Geschäft auf Qualität beruht, ist es einfach viel interessanter", sagt Top-Literaturagent Andrew Wylie in einem Interview mit Felicitas von Lovenberg in der FAZ. Und schiebt als Beweis eine Liste eindrucksvoller Verlage nach, die zeigt, dass sich auf Dauer immer noch hohe Qualität und Wertschätzung bezahlt machen. Man könnte fast meinen, dass schnelles Geld keine Zeit hat, Junge zu bekommen.
Auch den Autoren rückt er den Blick gerade: "Meines Erachtens gibt es ein gewaltiges Missverständnis, was den Wert von Literatur angeht. Vom Buchhandel angestiftet, neigen viele Verleger fatalerweise dazu, Werke, die sich über einen kurzen Zeitraum hinweg gut verkaufen, überzubewerten. Und Schriftsteller, darin von Verlegern bestärkt, erliegen oft dem Eindruck, ihr Werk sei höchstens von regionaler Bedeutung und Relevanz."
Er spricht dabei von einem Phänomen, das auch in Deutschland bekannt ist. Taschenbücher eines Autors werden in immer kürzeren Abständen auf den Markt geworfen, generieren durch Wiederholungseffekte betörende Auflagenstärken im Vorabverkauf - und sind nach einem halben Jahr abgeschlagen, regelrecht verdampft. Also muss schnell ein neues her...
Dagegen gibt es den "langsamen" Markt, der Substanz, gute Ideen und hohe professionelle Qualität braucht. Denn seine Bücher setzen sich anfangs langsamer und schwerer durch, bleiben dann aber - dank Backlist - Longseller, die man auch nach drei Jahren noch gut lesen kann. Wylie's Forderung klingt konsequent: "Wenn sich demnach ein solcher (Qualitäts)Autor nicht langfristig verkauft, international keinen Anklang findet und sich niemand gebührend um seine Backlist kümmert, dann ist dieser Autor eindeutig nicht gut vertreten."
Ein lohnendes Interview, das sich außerdem mit der Frage nach elektronischen Rechten und möglichen Folgen von e-books für die Autoren beschäftigt und erklärt, warum es für Autoren richtige und falsche Verlage gibt.
5. September 2008
Billigheimer
Ein deutscher Großmarkt macht Werbung, wer heute nach Mitternacht im Schlafanzug zum Einkaufen komme, bekomme 25% Rabatt auf alles, was Rabatt haben darf (also doch nicht alles).
Es ist erstaunlich, wie weit Menschen gehen, um billiger einzukaufen. Es ist faszinierend, womit man heute Werbung platzieren kann. Es ist erschreckend, wozu und wie leicht man Menschen manipulieren kann, sogar, dass sie Dinge tun, für die sie sich sonst schämen würden. Man braucht heute für die Massenmanipulation nicht einmal mehr die Politik, nur noch ein Sonderangebot.
Natürlich denke ich ernsthaft darüber nach, ob ich nicht bei meiner nächsten Lesung im Oktober aus "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" denjenigen Lesern freien Eintritt gewähre, die nur mit einem Zander bekleidet aufkreuzen. Na ja, die Damen dürfen noch zwei Kugelhopfe dazu tragen. Also Lesung nicht billig billig, sondern für umme!
Es ist erstaunlich, wie weit Menschen gehen, um billiger einzukaufen. Es ist faszinierend, womit man heute Werbung platzieren kann. Es ist erschreckend, wozu und wie leicht man Menschen manipulieren kann, sogar, dass sie Dinge tun, für die sie sich sonst schämen würden. Man braucht heute für die Massenmanipulation nicht einmal mehr die Politik, nur noch ein Sonderangebot.
Natürlich denke ich ernsthaft darüber nach, ob ich nicht bei meiner nächsten Lesung im Oktober aus "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" denjenigen Lesern freien Eintritt gewähre, die nur mit einem Zander bekleidet aufkreuzen. Na ja, die Damen dürfen noch zwei Kugelhopfe dazu tragen. Also Lesung nicht billig billig, sondern für umme!
4. September 2008
Bücher wie Brei
Allerorten wird darüber nachgedacht, ob das Abendland nun endlich untergeht und wo die Ursachen schlimmster Verblödung liegen. Dabei ist es ganz einfach: Die moderne Verblödung lauert in den immer dümmeren Büchern, mit denen sich der Buchmarkt langsam aber sicher dem Primitivismus anheim gibt.
Dabei kann man heutzutage alles innerhalb von drei Tagen lernen, ja Buchhaltung sogar in drei Stunden. Wen wundert es dann noch, dass sich auch die Schriftstellerei nach Ratgebermanier, fein nach Anleitung, in ebenfalls drei Tagen erlernen lässt! Man hat nichts dabei zu lernen, sondern nur vieles zu verlernen; nichts zu erfahren, sondern manches zu vergessen. Jeder Mensch kann das, weil jeder Mensch denken und schreiben kann.
Bestseller werden heute nicht mehr von Schriftstellern mit Rückgrat und Charakter geschrieben. Je unreflektierter ein Text, je mehr mit prallem Leben und Sachen gespickt statt mit Wissen, Reflexion und Können - desto mehr hat solch ein Buch Aussichten auf den ganz großen Massenerfolg. Dabei stehen die Chancen für seichte und dümmliche Literatur so gut wie nie: An nichts ist größerer Mangel als an Büchern ohne Verstand.
Viel Lärm um Schund herrscht auf dem Buchmarkt, jeder trötet einem lauthals seine Werbung entgegen. Sicherlich ein guter Weg, dabei als Autor seine Intelligenz zu verlieren, aber noch empfehlenswerter wäre es, erst einmal die Bücher im eigenen Heim wegzuwerfen, auch wenn es schwer fällt! In der Kunst, sich unwissend zu machen, ist die wahre Kunst der Selbsterziehung die nötigste, die schönste, aber die am seltensten und am stümperhaftesten geübt wird.
Das Volk ist Brei, Bücher sollen wie Brei werden - und wer es beherrscht, im Einheitsbrei zu rühren und kräftig mitzumischen, ist der Schriftsteller der Zukunft!
Ja ja, man könnte heulen angesichts der Lage. Eine schimpfliche Feigheit, zu denken, hält uns alle zurück. Drückender als die Zensur der Regierungen ist die Zensur, welche die öffentliche Meinung über unsere Geisteswerke ausübt. Die Meinung ist die Küche, worin alle Wahrheiten abgeschlachtet, gerupft, zerhackt, geschmort und gewürzt werden.
So kurz vor dem Untergang des Abendlandes in seiner unendlichen Verblödung - gibt es da noch Auswege? Sind unsere Buchhandlungen noch zu retten vor billiger Abgreifware? Vielleicht, denn nicht an Geist, an Charakter mangelt es den meisten Schriftstellern, um besser zu sein, als sie sind. Aus Eitelkeit entspringt diese Schwäche. Ja, Rettung gäbe es. Wer auf die Stimme seines Herzens hört statt auf das Marktgeschrei, und wer den Mut hat, lehrend zu verbreiten, was ihn das Herz gelehrt, der ist immer originell. Aufrichtigkeit ist die Quelle aller Genialität...
Nein, dieser Beitrag ist nicht von mir. Ich habe mir nur erlaubt, die herrlich ironischen Gedanken des großen Stilisten, Essayisten und Journalisten Juda Löw Baruch, auch als Ludwig Börne bekannt, ins Moderne zu übersetzen. Originalzitate in Kursivschrift. Sein Text "Die Kunst, in drei Tagen zum Originalschriftsteller zu werden" stammt von 1823.
Dabei kann man heutzutage alles innerhalb von drei Tagen lernen, ja Buchhaltung sogar in drei Stunden. Wen wundert es dann noch, dass sich auch die Schriftstellerei nach Ratgebermanier, fein nach Anleitung, in ebenfalls drei Tagen erlernen lässt! Man hat nichts dabei zu lernen, sondern nur vieles zu verlernen; nichts zu erfahren, sondern manches zu vergessen. Jeder Mensch kann das, weil jeder Mensch denken und schreiben kann.
Bestseller werden heute nicht mehr von Schriftstellern mit Rückgrat und Charakter geschrieben. Je unreflektierter ein Text, je mehr mit prallem Leben und Sachen gespickt statt mit Wissen, Reflexion und Können - desto mehr hat solch ein Buch Aussichten auf den ganz großen Massenerfolg. Dabei stehen die Chancen für seichte und dümmliche Literatur so gut wie nie: An nichts ist größerer Mangel als an Büchern ohne Verstand.
Viel Lärm um Schund herrscht auf dem Buchmarkt, jeder trötet einem lauthals seine Werbung entgegen. Sicherlich ein guter Weg, dabei als Autor seine Intelligenz zu verlieren, aber noch empfehlenswerter wäre es, erst einmal die Bücher im eigenen Heim wegzuwerfen, auch wenn es schwer fällt! In der Kunst, sich unwissend zu machen, ist die wahre Kunst der Selbsterziehung die nötigste, die schönste, aber die am seltensten und am stümperhaftesten geübt wird.
Das Volk ist Brei, Bücher sollen wie Brei werden - und wer es beherrscht, im Einheitsbrei zu rühren und kräftig mitzumischen, ist der Schriftsteller der Zukunft!
Ja ja, man könnte heulen angesichts der Lage. Eine schimpfliche Feigheit, zu denken, hält uns alle zurück. Drückender als die Zensur der Regierungen ist die Zensur, welche die öffentliche Meinung über unsere Geisteswerke ausübt. Die Meinung ist die Küche, worin alle Wahrheiten abgeschlachtet, gerupft, zerhackt, geschmort und gewürzt werden.
So kurz vor dem Untergang des Abendlandes in seiner unendlichen Verblödung - gibt es da noch Auswege? Sind unsere Buchhandlungen noch zu retten vor billiger Abgreifware? Vielleicht, denn nicht an Geist, an Charakter mangelt es den meisten Schriftstellern, um besser zu sein, als sie sind. Aus Eitelkeit entspringt diese Schwäche. Ja, Rettung gäbe es. Wer auf die Stimme seines Herzens hört statt auf das Marktgeschrei, und wer den Mut hat, lehrend zu verbreiten, was ihn das Herz gelehrt, der ist immer originell. Aufrichtigkeit ist die Quelle aller Genialität...
Nein, dieser Beitrag ist nicht von mir. Ich habe mir nur erlaubt, die herrlich ironischen Gedanken des großen Stilisten, Essayisten und Journalisten Juda Löw Baruch, auch als Ludwig Börne bekannt, ins Moderne zu übersetzen. Originalzitate in Kursivschrift. Sein Text "Die Kunst, in drei Tagen zum Originalschriftsteller zu werden" stammt von 1823.
3. September 2008
Arbeiterkampf
Bei Nachbars sind die Profigärtner angerückt. Garten- und Landschaftsbaufirma, drei Mann, Cheffe und zwei junge Leute. Cheffe fährt die Maschinen, einer der Jungen soll auf dem Boden, den er gezackert hat, große Steine und Äste auflesen und zum Abtransport aufschichten. In Zeitlupe bewegt sich der junge Mann, das Bücken fällt ihm sichtlich schwer, zu viel Fett schwärt bereits um den Bauch. Akribisch werden die Steine angeschaut, ob sie groß genug sind, dass es sich lohnt, den Rücken zu krümmen. Dann schmeißt er sie, wenn Cheffe nicht schaut, am Rand unter die Hecke.
Einige Zeit später findet Cheffe, dass unter der Hecke ganz schön viel Dreck herumliegt. Der zweite junge Mann, der schon Stunden in der Nase gepopelt hat, soll den wegräumen, zum Abtransport. Und die Hecke ein wenig putzen. Also gehorcht der zweite junge Mann und räumt den Dreck weg, den der erste hingeschmissen hat. Dann kommt das schwerste Gärtnershandwerk. Eine Hecke, die sichtlich aus verschiedenen Sorten Grünzeug besteht. Manches rankt sogar, manches bildet Unterholz. Schwer. Beide jungen Männer grübeln die Hecke an. Dann pinkelt der eine sicherheitshalber mal dagegen. Könnte ja helfen.
Cheffe kümmert sich nicht um die Müh der jungen Mitarbeiter, er muss Trecker fahren. Der eine geht wieder Steine sammeln, das erledigt sich in Zeitlupe so schön. Der andere staunt weiter die Hecke an, schnippelt hier fünf Zentimeter und dort einen Ast. Schmeißt den Dreck dorthin, wo er hat saubermachen sollen. Und dann gibt er sich einen Ruck, wahrscheinlich, weil er heute schon so intensiv hat arbeiten müssen. Er zückt die Kettensäge! Wird die Hecke fallen? Nein, er rasiert damit nur zwei Pflanzen weg, die er mit Kennerblick als Unkraut identifiziert hat: Eine wertvolle, über hundert Jahre alte Rosensorte. Und einen Zierknöterich, der ultrateuer ist wegen seiner eleganten lila Blüten - und der zehn Jahre gebraucht hat, um so groß zu werden.
Und dann passiert die absolute Katastrophe. Die Nachbarin, nämlich ich, spricht die jungen Leute an, dass der Nachbarszaun nur ein loses Provisorium sei. Und sie vielleicht nicht alles Holz dagegenlehnen sollten, sonst fällt er um und Nachbars Hund ist weg. Lehnt sich der eine gegen den Zaun, der mit dem Schmerbauch. Der Zaun schwabbelt gefährlich, der junge Mann auch. Wiederhole ich mein Sätzchen, sogar zweisprachig, zur Sicherheit. Sagt der andere: "Da müssen wir erst den Patron fragen, ob der umfällt. Und was wir dann machen sollen."
Was diese Geschichte in meinem Blog zu suchen hat? Ich hatte versucht, mir im Sommer das miese Schriftstellergehalt mit einem Job als Hilfsgärtnerin aufzubessern. Und ich habe zwei Jahre in diesem Job hinter mir (nicht zu reden von denen im eigenen Garten), weiß alles über den perfekten Schnitt und kann Pflanzen auch mit botanischem Namen erkennen. Denkste. Den einen war ich gleich zu alt. Die anderen durften nur Langzeitarbeitslose einstellen und hatten beschlossen, ihre Felder lieber brachliegen zu lassen, weil die zu unwillig arbeiteten. Die anderen wollten mich nicht einstellen, weil ich in meinem Alter ja rückenkrank werden könnte. Keiner hat mir gesagt, dass man für eine Anstellung inzwischen so knalldoof sein muss und den ganzen Tag Löcher in die Luft staunen darf.
Aber Schriftsteller sind ja so pervers, dass sie ALLES verhackstücken. Die Hauptfigur in meinem Roman ist zufällig Hilfsgärtnerin. Umso schöner, wenn ich dann schrullige Realität beigeben kann. Solche Sachen kann man sich nämlich unmöglich selbst ausdenken!
Einige Zeit später findet Cheffe, dass unter der Hecke ganz schön viel Dreck herumliegt. Der zweite junge Mann, der schon Stunden in der Nase gepopelt hat, soll den wegräumen, zum Abtransport. Und die Hecke ein wenig putzen. Also gehorcht der zweite junge Mann und räumt den Dreck weg, den der erste hingeschmissen hat. Dann kommt das schwerste Gärtnershandwerk. Eine Hecke, die sichtlich aus verschiedenen Sorten Grünzeug besteht. Manches rankt sogar, manches bildet Unterholz. Schwer. Beide jungen Männer grübeln die Hecke an. Dann pinkelt der eine sicherheitshalber mal dagegen. Könnte ja helfen.
Cheffe kümmert sich nicht um die Müh der jungen Mitarbeiter, er muss Trecker fahren. Der eine geht wieder Steine sammeln, das erledigt sich in Zeitlupe so schön. Der andere staunt weiter die Hecke an, schnippelt hier fünf Zentimeter und dort einen Ast. Schmeißt den Dreck dorthin, wo er hat saubermachen sollen. Und dann gibt er sich einen Ruck, wahrscheinlich, weil er heute schon so intensiv hat arbeiten müssen. Er zückt die Kettensäge! Wird die Hecke fallen? Nein, er rasiert damit nur zwei Pflanzen weg, die er mit Kennerblick als Unkraut identifiziert hat: Eine wertvolle, über hundert Jahre alte Rosensorte. Und einen Zierknöterich, der ultrateuer ist wegen seiner eleganten lila Blüten - und der zehn Jahre gebraucht hat, um so groß zu werden.
Und dann passiert die absolute Katastrophe. Die Nachbarin, nämlich ich, spricht die jungen Leute an, dass der Nachbarszaun nur ein loses Provisorium sei. Und sie vielleicht nicht alles Holz dagegenlehnen sollten, sonst fällt er um und Nachbars Hund ist weg. Lehnt sich der eine gegen den Zaun, der mit dem Schmerbauch. Der Zaun schwabbelt gefährlich, der junge Mann auch. Wiederhole ich mein Sätzchen, sogar zweisprachig, zur Sicherheit. Sagt der andere: "Da müssen wir erst den Patron fragen, ob der umfällt. Und was wir dann machen sollen."
Was diese Geschichte in meinem Blog zu suchen hat? Ich hatte versucht, mir im Sommer das miese Schriftstellergehalt mit einem Job als Hilfsgärtnerin aufzubessern. Und ich habe zwei Jahre in diesem Job hinter mir (nicht zu reden von denen im eigenen Garten), weiß alles über den perfekten Schnitt und kann Pflanzen auch mit botanischem Namen erkennen. Denkste. Den einen war ich gleich zu alt. Die anderen durften nur Langzeitarbeitslose einstellen und hatten beschlossen, ihre Felder lieber brachliegen zu lassen, weil die zu unwillig arbeiteten. Die anderen wollten mich nicht einstellen, weil ich in meinem Alter ja rückenkrank werden könnte. Keiner hat mir gesagt, dass man für eine Anstellung inzwischen so knalldoof sein muss und den ganzen Tag Löcher in die Luft staunen darf.
Aber Schriftsteller sind ja so pervers, dass sie ALLES verhackstücken. Die Hauptfigur in meinem Roman ist zufällig Hilfsgärtnerin. Umso schöner, wenn ich dann schrullige Realität beigeben kann. Solche Sachen kann man sich nämlich unmöglich selbst ausdenken!
2. September 2008
Termin am Freitag
Ich hole noch einmal einen alten Beitrag aus der Versenkung, um für eine Kollegenlesung Schleichwerbung zu machen: die schenke ich mir nämlich für die Doppelschichten diese Woche...
Sich verschenken
Heute in einem Blog über das Schreiben gefunden als typische "Selbsttäuschung von Autoren": "Die meisten Autoren gehen davon aus, dass irgendjemand auf ihre Werke warten würde, dass jemand sie erwarten, benötigen oder wünschen würde."
Wie ist das eigentlich bei mir? Ich habe inzwischen neun Bücher veröffentlicht (Lizenzen nicht mitgerechnet), ein neues Sachbuch und ein Roman sind in Arbeit, mehrere Projekte sind angedacht. Ich kann also von mir behaupten, in diesen zehn Jahren Realistin ohne Illusionen geworden zu sein und berufliche Selbsttäuschungen abgelegt zu haben. Dabei habe ich nie aufgegeben, sondern in Katastrophenzeiten eher einen noch festeren Biss bekommen. Ob ein Verlag pleite ging, aufgekauft wurde oder andere Miseren warteten, mein Wille ist bis heute eisern. Besessenheit und Leidenschaft, vor allem Leidenschaft, sind eher mein Ding, um auch mit leerem Kühlschrank noch zu schreiben. Täusche ich mich selbst? Weil ich fest daran glaube, dass da draußen jemand auf meine Bücher wartet?
Wenn ich unbedingt eine Geschichte erzählen muss, kann ich die doch auch meiner Tante erzählen oder ins heimliche Tagebuch schreiben? Wenn ich Spaß am Schreiben habe, kann ich es doch als Hobby ausüben, während andere in der Kneipe sitzen? Wenn ich Geld verdienen wollte, wäre ich mit jedem anderen Job besser bedient? Ich bin in mich gegangen: Ich schreibe tatsächlich in erster Linie für mein Publikum. Und wenn ich nicht bei jedem Projekt wüsste, dass da draußen Menschen sind, die es wirklich wollen (obwohl sie das ja noch nicht wissen) - dann hätte ich keine Kraft für all die Arbeit. Ein Buch wird für mich erst dann zum Buch, wenn es Leser hat, wenn es kommuniziert mit den Lesenden - und die ihre eigenen Ideen und Gedanken entwickeln.
Leider bekommt man das im stillen Kämmerlein selten mit. Aber da war mal bei einer Lesung eine Frau, die mich begeistert ansprach und mir gestand, dass sie schon bei meiner allerersten Lesung dabeigewesen war. Und wie sie gewartet habe und in der Buchhandlung nachgefragt, ob es wieder etwas Neues von mir gäbe. In diesem Moment wusste ich wieder, warum ich schreibe. Nicht für eine anonyme Masse an Auflagenstärke, sondern für diese eine Frau - und all die anderen. Dann war da mal ein Kritiker, der versuchte, mir nachzuweisen, dass mein ganzes Madonnenbuch Humbug sei. Mich hat es fasziniert zu sehen, wie tief ein Buch berühren kann, wie es sich gegen Denkwelten stellen kann. Auch wenn wir in unserer Meinung nicht zusammenkamen - dieser Mensch hat sich die Mühe gemacht, seine Denkwelt gegen die meine zu verteidigen, das Buch hat etwas mit ihm gemacht. Auch für solche Menschen schreibe ich.
Ich glaube fest daran, dass gute Bücher mit ihren Lesern reden können. Dass das, was ich als Monolog beginne, im Leser Widerhall findet und eigene Gedanken provoziert. Am schönsten und bereicherndsten sind für mich die seltenen Momente bei Lesungen, wenn man gemeinsam diesen Dialog fortführen kann. Dann passiert es mir oft, dass Leser Dinge in meinen Büchern entdecken, die mir selbst gar nicht bewusst sind, die ich vielleicht nicht einmal beabsichtigt habe. Wenn ich einen Roman geschrieben habe, ist das in meinem Kämmerlein zunächst die eindimensionale Geschichte, die ich erzählen wollte. Habe ich aber drei Leser, so liest jeder die Geschichte anders - der Roman gewinnt drei Ebenen dazu. Für diese drei Leser schreibe ich. Und ich halte durch, weil ich fest daran glaube, dass da draußen mindestens drei Menschen sind, die das können. Es ist, als würde eine Geschichte Junge bekommen...
Ich denke, dieser feste Glaube daran, dass da draußen irgendwer auf meine Bücher wartet, sie vielleicht sogar wünscht oder sich daran reibt, ist einer der wichtigsten Faktoren, der einen Autor von egozentrischer Selbstbespiegelung abhält. Es ist wie in der Kunst allgemein - etwas ist erst dann Kunst, wenn es Wirkung entfalten kann - bei anderen Menschen. Erst wenn ich beim Schreiben an meine Leser denke, öffnet sich mein Text. Die Leidenschaft des einsamen Schaffensprozesses ist schön und beglückend (und allzu oft ist es auch einfach nur harte Maloche wie in jedem anderen Beruf auch). Aber eines ist mir persönlich beim Schreiben noch wichtiger: Der Akt des Verschenkens, des Verströmens.
Man kann nicht ins Leere verschenken. Man muss sich sicher sein, dass jemand die Hand aufhalten wird. Und manchmal begegnet einem dann diese ganz besondere Magie - dass einem ein Leser auch etwas schenkt. Dieses Geschenk bekommen wir Autoren nur im Direktkontakt mit und da auch nicht immer. Aber unsere Bücher bekommen es mit! Vielleicht mag ich deshalb so gern Bücher, die "gelebt" aussehen, mit Kaffee- oder Schokoladenflecken, mit Eselsohren, Notizen... da sieht man förmlich, dass einer das Geschenk auch wirklich in die Hand genommen hat.
Wie ist das eigentlich bei mir? Ich habe inzwischen neun Bücher veröffentlicht (Lizenzen nicht mitgerechnet), ein neues Sachbuch und ein Roman sind in Arbeit, mehrere Projekte sind angedacht. Ich kann also von mir behaupten, in diesen zehn Jahren Realistin ohne Illusionen geworden zu sein und berufliche Selbsttäuschungen abgelegt zu haben. Dabei habe ich nie aufgegeben, sondern in Katastrophenzeiten eher einen noch festeren Biss bekommen. Ob ein Verlag pleite ging, aufgekauft wurde oder andere Miseren warteten, mein Wille ist bis heute eisern. Besessenheit und Leidenschaft, vor allem Leidenschaft, sind eher mein Ding, um auch mit leerem Kühlschrank noch zu schreiben. Täusche ich mich selbst? Weil ich fest daran glaube, dass da draußen jemand auf meine Bücher wartet?
Wenn ich unbedingt eine Geschichte erzählen muss, kann ich die doch auch meiner Tante erzählen oder ins heimliche Tagebuch schreiben? Wenn ich Spaß am Schreiben habe, kann ich es doch als Hobby ausüben, während andere in der Kneipe sitzen? Wenn ich Geld verdienen wollte, wäre ich mit jedem anderen Job besser bedient? Ich bin in mich gegangen: Ich schreibe tatsächlich in erster Linie für mein Publikum. Und wenn ich nicht bei jedem Projekt wüsste, dass da draußen Menschen sind, die es wirklich wollen (obwohl sie das ja noch nicht wissen) - dann hätte ich keine Kraft für all die Arbeit. Ein Buch wird für mich erst dann zum Buch, wenn es Leser hat, wenn es kommuniziert mit den Lesenden - und die ihre eigenen Ideen und Gedanken entwickeln.
Leider bekommt man das im stillen Kämmerlein selten mit. Aber da war mal bei einer Lesung eine Frau, die mich begeistert ansprach und mir gestand, dass sie schon bei meiner allerersten Lesung dabeigewesen war. Und wie sie gewartet habe und in der Buchhandlung nachgefragt, ob es wieder etwas Neues von mir gäbe. In diesem Moment wusste ich wieder, warum ich schreibe. Nicht für eine anonyme Masse an Auflagenstärke, sondern für diese eine Frau - und all die anderen. Dann war da mal ein Kritiker, der versuchte, mir nachzuweisen, dass mein ganzes Madonnenbuch Humbug sei. Mich hat es fasziniert zu sehen, wie tief ein Buch berühren kann, wie es sich gegen Denkwelten stellen kann. Auch wenn wir in unserer Meinung nicht zusammenkamen - dieser Mensch hat sich die Mühe gemacht, seine Denkwelt gegen die meine zu verteidigen, das Buch hat etwas mit ihm gemacht. Auch für solche Menschen schreibe ich.
Ich glaube fest daran, dass gute Bücher mit ihren Lesern reden können. Dass das, was ich als Monolog beginne, im Leser Widerhall findet und eigene Gedanken provoziert. Am schönsten und bereicherndsten sind für mich die seltenen Momente bei Lesungen, wenn man gemeinsam diesen Dialog fortführen kann. Dann passiert es mir oft, dass Leser Dinge in meinen Büchern entdecken, die mir selbst gar nicht bewusst sind, die ich vielleicht nicht einmal beabsichtigt habe. Wenn ich einen Roman geschrieben habe, ist das in meinem Kämmerlein zunächst die eindimensionale Geschichte, die ich erzählen wollte. Habe ich aber drei Leser, so liest jeder die Geschichte anders - der Roman gewinnt drei Ebenen dazu. Für diese drei Leser schreibe ich. Und ich halte durch, weil ich fest daran glaube, dass da draußen mindestens drei Menschen sind, die das können. Es ist, als würde eine Geschichte Junge bekommen...
Ich denke, dieser feste Glaube daran, dass da draußen irgendwer auf meine Bücher wartet, sie vielleicht sogar wünscht oder sich daran reibt, ist einer der wichtigsten Faktoren, der einen Autor von egozentrischer Selbstbespiegelung abhält. Es ist wie in der Kunst allgemein - etwas ist erst dann Kunst, wenn es Wirkung entfalten kann - bei anderen Menschen. Erst wenn ich beim Schreiben an meine Leser denke, öffnet sich mein Text. Die Leidenschaft des einsamen Schaffensprozesses ist schön und beglückend (und allzu oft ist es auch einfach nur harte Maloche wie in jedem anderen Beruf auch). Aber eines ist mir persönlich beim Schreiben noch wichtiger: Der Akt des Verschenkens, des Verströmens.
Man kann nicht ins Leere verschenken. Man muss sich sicher sein, dass jemand die Hand aufhalten wird. Und manchmal begegnet einem dann diese ganz besondere Magie - dass einem ein Leser auch etwas schenkt. Dieses Geschenk bekommen wir Autoren nur im Direktkontakt mit und da auch nicht immer. Aber unsere Bücher bekommen es mit! Vielleicht mag ich deshalb so gern Bücher, die "gelebt" aussehen, mit Kaffee- oder Schokoladenflecken, mit Eselsohren, Notizen... da sieht man förmlich, dass einer das Geschenk auch wirklich in die Hand genommen hat.
1. September 2008
Kinder zu vermieten
Es ist schon a weng hart, was man im Internet findet, wenn man grenznah Biobauern sucht... Neuerdings vermieten die Baden-Württemberger also schon ihre Kinder, wie man hier sehen kann. Würde mir keiner glauben, wenn ich es als Romanidee verhackstücken würde.
Hübsche Idee übrigens, bei der Betreuungsmisere im Nachbarland.
Hübsche Idee übrigens, bei der Betreuungsmisere im Nachbarland.
Angekommen...
Wenn man oft die Welten wechselt und in unbekannte Regionen zieht, gibt es irgendwann einen Zeitpunkt, wo man das Gefühl hat: Jetzt bin ich angekommen. Schwer bestimmbar, was solche Momente ausmacht, denn man ist ja bei sich im Kopf immer daheim, hat vielleicht längst Freunde am neuen Wohnort, nimmt am Leben teil. Äußerlich. Es funktioniert, aber da ist eine unbestimmte Sehnsucht, eine Fehlstelle. Und irgendwann gibt es diesen berühmten Klick, der einem zeigt, dass der eigene Kopf als Heimat zu klein ist. Dass da etwas einströmt, wenn man es denn lässt, etwas, das den eigenen Kopf ausdehnt und bunter macht.
Weil ich öfter Wohnorte und Länder gewechselt habe, gab es diesen faszinierenden Klick auch öfter. In einem Kraichgaudorf etwa. Dort hat man Neuankömmlinge ohne ererbten Landbesitz wie mich zwei Jahre lang nicht gegrüßt, sondern angestarrt und mit den Fingern gezeigt: Das ist die Neue. Bis ich mir Mut angeatmet habe und mit einer anderen Neuen eine Gruppe von Landfrauen und Hausfrauen mit Lesestoff verseucht. Der Literaturzirkel zwischen Misthaufen und Traktoren lief gut an und fortan zeigte man mit dem Finger: Das ist die Neue mit den Büchern. Und dann fingen die Männer dieser Frauen schüchtern an zu grüßen. Angekommen.
In Polen überfiel es mich gleich am ersten Abend, mit einer Gewalt, die mich noch öfter umwerfen sollte und mir in Nullkommanichts eine neue Sprache schenkte. Ankunft in Warschau für vier Jahre neues Leben, nervlich und körperlich völlig am Ende, denn die fünf Huskies, die ich damals noch hatte, hatten im Flugzeug natürlich mitkommen müssen. Und 1993 war das kein Europa, harte Grenzen in den Köpfen, und Visapflicht und Kontrolleure, die nach altem Regime rochen. Würde der Amtstierarzt die englischsprachigen Impfpässe verstehen? Auflauf auf dem Warschauer Flughafen, es erklangen Jauchzer, Rufe wie "Jack London", Menschentrauben, Kinder. Und plötzlich freundliche Flughafenmitarbeiter, die alles verluden, Wege ebneten, dolmetschten, nur um sich an den Jack-London-Hunden freuen zu dürfen.
Menschen und Hunde nebst Hundefutter im noch leeren Haus verstaut, denn der Umzugswagen hing am Zoll fest. Der Vermieter versorgte uns mit der Grundausstattung: Klopapier, Bier und Essen. Anstatt gleich umzukippen, bin ich in den Garten. Früher Herbst, es schneite leicht auf meine Sommerschuhe aus Frankreich, früher Abend, stockfinster. Und dann roch ich es und war angekommen. Die Leute kochten ihr Abendessen und es duftete aus jedem Hof wie bei meiner Oma in der Küche.
Ankommen kann man auch nach fast zwanzig Jahren immer wieder. Gestern im Elsass, als die Amateurspieler für das Stück "Frontiérès" (Grenzen) probten, das ich derzeit ins Deutsche übersetze. Da war nicht nur diese ungeheure Energie, die sich im Theater aufbaut. Da waren Köpfe, die Grenzübertritte ebenfalls praktizierten, die in sich daheim waren und doch neugierig auf Fremdes. Kulturvermischungen, Sprachenwechsel. Ein Deutscher las deutschen wie französischen Text mit Selbstverständlichkeit. Eine Elsässerin musste von einem elsässischen Dialekt in den anderen wechseln. Und dann der schwierigste Part: Eine dreisprachige Frau las das gebrochene Deutsch einer Polin doch tatsächlich mit schlesischem Akzent! Auch hier - irgendwann der Punkt, an dem ich nicht mehr bemerkte, in welcher Sprache ich dachte und redete. Angekommen.
Das Stück "Frontiérès - Grenzen" wird übrigens im Herbst in Herxheim in der Pfalz und im Badischen in Elchesheim und Rastatt aufgeführt. Termine und Ort gebe ich rechtzeitig hier bekannt.
Weil ich öfter Wohnorte und Länder gewechselt habe, gab es diesen faszinierenden Klick auch öfter. In einem Kraichgaudorf etwa. Dort hat man Neuankömmlinge ohne ererbten Landbesitz wie mich zwei Jahre lang nicht gegrüßt, sondern angestarrt und mit den Fingern gezeigt: Das ist die Neue. Bis ich mir Mut angeatmet habe und mit einer anderen Neuen eine Gruppe von Landfrauen und Hausfrauen mit Lesestoff verseucht. Der Literaturzirkel zwischen Misthaufen und Traktoren lief gut an und fortan zeigte man mit dem Finger: Das ist die Neue mit den Büchern. Und dann fingen die Männer dieser Frauen schüchtern an zu grüßen. Angekommen.
In Polen überfiel es mich gleich am ersten Abend, mit einer Gewalt, die mich noch öfter umwerfen sollte und mir in Nullkommanichts eine neue Sprache schenkte. Ankunft in Warschau für vier Jahre neues Leben, nervlich und körperlich völlig am Ende, denn die fünf Huskies, die ich damals noch hatte, hatten im Flugzeug natürlich mitkommen müssen. Und 1993 war das kein Europa, harte Grenzen in den Köpfen, und Visapflicht und Kontrolleure, die nach altem Regime rochen. Würde der Amtstierarzt die englischsprachigen Impfpässe verstehen? Auflauf auf dem Warschauer Flughafen, es erklangen Jauchzer, Rufe wie "Jack London", Menschentrauben, Kinder. Und plötzlich freundliche Flughafenmitarbeiter, die alles verluden, Wege ebneten, dolmetschten, nur um sich an den Jack-London-Hunden freuen zu dürfen.
Menschen und Hunde nebst Hundefutter im noch leeren Haus verstaut, denn der Umzugswagen hing am Zoll fest. Der Vermieter versorgte uns mit der Grundausstattung: Klopapier, Bier und Essen. Anstatt gleich umzukippen, bin ich in den Garten. Früher Herbst, es schneite leicht auf meine Sommerschuhe aus Frankreich, früher Abend, stockfinster. Und dann roch ich es und war angekommen. Die Leute kochten ihr Abendessen und es duftete aus jedem Hof wie bei meiner Oma in der Küche.
Ankommen kann man auch nach fast zwanzig Jahren immer wieder. Gestern im Elsass, als die Amateurspieler für das Stück "Frontiérès" (Grenzen) probten, das ich derzeit ins Deutsche übersetze. Da war nicht nur diese ungeheure Energie, die sich im Theater aufbaut. Da waren Köpfe, die Grenzübertritte ebenfalls praktizierten, die in sich daheim waren und doch neugierig auf Fremdes. Kulturvermischungen, Sprachenwechsel. Ein Deutscher las deutschen wie französischen Text mit Selbstverständlichkeit. Eine Elsässerin musste von einem elsässischen Dialekt in den anderen wechseln. Und dann der schwierigste Part: Eine dreisprachige Frau las das gebrochene Deutsch einer Polin doch tatsächlich mit schlesischem Akzent! Auch hier - irgendwann der Punkt, an dem ich nicht mehr bemerkte, in welcher Sprache ich dachte und redete. Angekommen.
Das Stück "Frontiérès - Grenzen" wird übrigens im Herbst in Herxheim in der Pfalz und im Badischen in Elchesheim und Rastatt aufgeführt. Termine und Ort gebe ich rechtzeitig hier bekannt.
Rentrée
Jedes Jahr im Sommer befindet sich Frankreich zwei Monate lang im Ausnahmezustand. Handwerker gehen nicht einmal mehr ans Telefon; auf Ämtern, auf denen schon vorher nicht alles funktioniert hat, funktioniert überhaupt nichts mehr; für ein frisches Brot fährt man auf dem Land Kilometer, und über den Präsidenten reißt man nicht einmal mehr schlechte Witze. Denn in den Ferien interessiert nur noch eins: das Leben. Das man sich mit unvorstellbar langen Staus am ersten Tag bitter erkauft - irgendwo an den Rändern des Landes, wenn man in der Mitte wohnt.
Manchmal, wenn man wirklich etwas dringend braucht, könnte man schon die Wände hoch gehen, die landesweite Lähmung stürzt Häuslesbauer und Menschen mit wichtigen Reparaturen gern mal in Verzweiflung. Und nur nicht krank werden, denn sicher ist die Vertretung des Arztes auch schon in Urlaub und irgendein Roboter hält die Praxis - man erinnert sich an das Massensterben in Krankenhäusern während der großen Hitzewelle vor Jahren... Es hat aber auch seine Vorteile. Schnell habe ich gelernt, dass es eine wunderbare Ausrede gibt für alles, was man aufschieben möchte, inklusive der pünktlich zu Ferienbeginn eintrudelnden Rechnungen: Mach ich alles zum Rentrée.
Gestern wurden noch einmal die Grills um die Wette angeheizt, Freunde und Familien feierten, als ob es heute kein Leben mehr gäbe. Erstaunlich früh gingen alle ins Bett, plötzlich kam der Wolkenbruch, Regen wie Sintflut, der all das wegzuwaschen schien.
Denn heute ist Rentrée. Noch bevor mein Hund aufsteht, klappten in der Nachbarschaft alle Autotüren. Sie sind wieder alle weg, wie die Aufziehmännchen, auf Arbeit, in der Schule. Friedliche Stille. Frankreich funktioniert ab heute wieder. Naja, falls der Präsident nicht wieder...
Manchmal, wenn man wirklich etwas dringend braucht, könnte man schon die Wände hoch gehen, die landesweite Lähmung stürzt Häuslesbauer und Menschen mit wichtigen Reparaturen gern mal in Verzweiflung. Und nur nicht krank werden, denn sicher ist die Vertretung des Arztes auch schon in Urlaub und irgendein Roboter hält die Praxis - man erinnert sich an das Massensterben in Krankenhäusern während der großen Hitzewelle vor Jahren... Es hat aber auch seine Vorteile. Schnell habe ich gelernt, dass es eine wunderbare Ausrede gibt für alles, was man aufschieben möchte, inklusive der pünktlich zu Ferienbeginn eintrudelnden Rechnungen: Mach ich alles zum Rentrée.
Gestern wurden noch einmal die Grills um die Wette angeheizt, Freunde und Familien feierten, als ob es heute kein Leben mehr gäbe. Erstaunlich früh gingen alle ins Bett, plötzlich kam der Wolkenbruch, Regen wie Sintflut, der all das wegzuwaschen schien.
Denn heute ist Rentrée. Noch bevor mein Hund aufsteht, klappten in der Nachbarschaft alle Autotüren. Sie sind wieder alle weg, wie die Aufziehmännchen, auf Arbeit, in der Schule. Friedliche Stille. Frankreich funktioniert ab heute wieder. Naja, falls der Präsident nicht wieder...