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30. Mai 2008

Der perfekte Autor

Wenn man Autorenforen im Internet durchstreift, fällt auf, dass oft wie besessen nach Sicherheiten gesucht wird: wie schreibt man das perfekte Buch für den perfekten Leser, wie wird man zum perfekten Autor, wie kann man Schwächen verhindern, bevor man überhaupt angefangen hat zu denken?

Warum redet kaum einer von diesen anderen Autoreneigenschaften, die man wie in allen Künsten haben muss, aber auch entwickeln kann, um ein stabiles Profistadium zu erreichen:
  • Liebe, Lust, Leidenschaft und Hingabe zum Metier
  • Risikobereitschaft und Wagemut
  • Gedankliche Freiheit und Fähigkeit zur Selbstabstraktion
  • Biss, Durchhaltevermögen, Beharrlichkeit
  • Loslassen können
  • Die Fähigkeit, Versagen oder selbst extrem widrigen Situationen noch etwas Positives oder zumindest Lehrreiches abzugewinnen
  • Die Fähigkeit, immer einen Ausweg zu finden
  • Die Haltung eines "Jetzt-erst-recht"
  • Stressresistenz, Kreativsein auch unter Druck

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Sicherheiten sind mit keinem der Punkte zu gewinnen. Im Gegenteil: wer ein solches Leben akzeptiert, stellt sich dem Chaos, der Unberechenbarkeit - dem Leben. Schreiben ist Leben. Das perfekte Leben wäre Stillstand, Tod. Und ein perfekter Roman liest sich, wie er ist: tot.

28. Mai 2008

Ölschreiber

Die Erdölpreise steigen dank Spekulationen ins Unglaubhafte und die Milchbauern wollen endlich ihren Diesel erwirtschaften. In solchen Momenten überlegen vor allem die Ärmeren, wie sie mit immer weniger Geld den Kühlschrank füllen können. Zu denen zählen die meisten hauptberuflichen Künstler und Autoren, sofern sie nicht zu den wenigen bekannten Gutverdienern gehören, die ja nur Promillanteile ausmachen sollen. Denn Autorenhonorare steigen allenfalls mit dem Grad des Absatzes und der Bekanntheit, eigentlich stiegen sie seit Jahren nicht, und das Normhonorar, das für Lesungen als Untergrenze empfohlen wird, liegt beim Stand von vor ZEHN Jahren. Da bleibt nicht viel, um sich an Spekulationsgeschäften zu beteiligen... und immer weniger fürs Essen und Heizen.

Was tun? Generalstreik für Autoren? Es heißt, die seien ein egoistisches, individualistisches Häufchen. Wie wäre das, einfach mal gesammelt unsere Milch, pardon, unsere Manuskripte nicht abzuliefern? Würde das überhaupt jemand kratzen? Gar nicht so einfach mit den Visionen für eine Zukunft mit Auskommen für eine harte Arbeit.

Wie wäre es mit der:
Auch ein Buchautor braucht Erdöl. Wie jeder andere Mensch fährt er oft Auto, ob zu Recherchen in der Pampa oder Lesungen in Hinterbibbelhausen, wo es keinen Zug gibt. Dann wäre da die Heizung zu bezahlen. Will der Autor bei Auftritten eine gute Figur machen, badet er mit Erdölderivaten, trägt Erdölprodukte auf der Haut und kleidet sich in Dinge, die Erdöl verbraucht haben. Ohne Erdöl keine Arbeitswerkzeuge, kein Computer. Nicht, dass andere Menschen das nicht auch bräuchten - aber die haben manchmal Lohnerhöhungen, streikbare Gewerkschaften, Urlaubs- und Rentenansprüche etc. Der gemeine Homo schreibensis dagegen tippt ohne Netz und doppelten Boden, nicht mehr wie anno dunnemals auf der Schreibmaschine, aber eben oft zu solchen Honoraren.

Man stelle sich vor, dieser Kohlenwasserstoff-Schreiber käme nun auf die Idee, wegen seiner konstanten Ölfüllung zwar nicht mit der abgewerteten Schreibarbeit zu spekulieren, aber mit seinem Ölstand?! Wir Autoren, da teilweise auf Erdöl basierend, gäben Aktien aus. Man könnte sich mit soundsoviel Anteilen z.B. eine Lesung erwerben...

Ich gebe zu, das System wackelt und ist nicht wirklich durchdacht. Dass man sich in der Pfalz etwa Anteile an Weinbergen erwirbt, dafür drei Weinreben den Namen des Aktionärs tragen, und der am Ende der Saison ein paar Flaschen bekommt, das ist ja noch einsichtig. Wein, Kulturgut, begehrt. Da weiß man, was man hat und wofür man sich engagiert. Aber Bücher? Papier mit ein wenig Schrift drauf?

Ganz so idiotisch ist das Gedankenexperiment allerdings nicht. Ich kenne einen bildenden Künstler, der es durchgezogen hat. Für den Erwerb eines selbstgedruckten Aktienpakets hat man sich Leihzeiten für gewisse Bilder von ihm erworben. Soundso viel Aktien - soundso lang durfte man die Leihgabe ins eigene Wohnzimmer hängen und damit angeben. So hat er sich die Arbeit an neuen Bildern finanziert, das ganze teure Material. Und diese Bilder kosten heute Beträge mit fünf Nullen und nicht nur einer Eins davor. Ohne seine Aktien hätte er vor Jahren aufgeben müssen.

Vielleicht ist es an der Zeit, nicht nur Öl zu sparen, sondern auch kreativ neue Visionen und Ideen zu entwickeln? Gerade Schriftsteller müssten das doch können?

24. Mai 2008

Spielen will gelernt sein

Mein Hund Rocco liebt Bälle (B wie Beute). Und weil es Tage gibt, an denen seine Menschin die Zwei-Stunden-Bergtour nicht schafft, ist Spielen eine willkommene Möglichkeit, den Energiebolzen müde zu bekommen. Leider ist Hundespielzeug selten auf mehr als zwei Tage Lebenszeit ausgelegt - nicht bei einem intelligenten Hund dieser Kiefergröße. Und alles, was man nicht kaputt kriegt, wie Tennisbälle, ist nicht interessant. Was tun?
Ich schlich bisher traurig an Bällen aller Größen und Sonderangebote vorbei, bis mir heute ein Basketball in die Hände fiel. Klasse, dachte ich, den kriegt er weder in sein Maul noch so schnell platt.

Wenn Menschen denken, lacht sich der Hund eins. Als er mich endlich müde getobt hatte, widmete er sich aufmerksam seiner Beute. Mit diesem eigenartigen Erfinderblick, den kleine Kinder manchmal haben, wenn sie Käfern die Beine ausreißen oder Frösche zerlegen. Auch für Rocco ist Beute offensichtlich langweilig, wenn man nicht eruieren kann, wie das Gedärm drinnen aussieht.

Dann der Heureka-Blick. Die Spitze des Reißzahns vorsichtig ins Ventil gedrückt, die Pfote auf den Ball - pfffff. Erfolgserlebnis. Endlich ist er etwas schlapper, so dass man ihn doch ins riesige Maul bekommt und verschleppen kann. Die Menschin stört schon wieder. Na warte, Menschin, ich zeig dir dummem Lebewesen auf zwei Beinen, wie man harte Bälle tötet! Ventil gesucht, Reißzahn leicht hineingedrückt, Pfote auf den Ball - pffffff. So kommt es, dass ich jetzt einen stolzgeblähten Hund und einen ziemlich fertigen Ball besitze...

Übrigens - die Rechercheurin in mir wollte natürlich wissen, wie dieser Intelligenzbolzen das winzige Ventil findet. Er hat es sich am Aufdruck gemerkt! An diesem dämlichen Warnhinweis für Menschen, der dort das übliche Farbmuster unterbricht!

23. Mai 2008

Lernen durch Nachahmen?

Wenn Buchautoren zusammen sitzen, wird gern die Frage gestellt, wie viel man von großen Vorbildern nachahmen darf und ob das nicht der Tod des eigenen Schreibens sei. Das geht so weit, dass einem etliche sogar den Ratschlag geben, in den Verkaufsexposés selbstbewusst Vergleiche mit Berühmtheiten zu streuen: Spannung wie bei Grisham, eine Liebesgeschichte in der Tradition von Rosamunde Pilcher, ein Mann'scher Sprachduktus (ich habe so etwas in meiner gesamten Laufbahn nicht übers Herz gebracht, sondern beschreibe meine Projekte in ihren eigenen Eigenschaften. Die Verlage waren nicht böse darüber.).

Und der Markt macht es einem nicht einfach. "Die Päpstin" läuft fantastisch? Nichts wie her mit den Kardinälinnen, Gegenpäpstinnen und sonstigem Nachahmergespons. Bis zum Erbrechen kann man heute Nachfolgerprodukte in den Markt drücken; wer Sushis gegen seinen sonstigen Geschmack isst, frisst einem auch Carpaccio aus der Hand. Ob dieser Weg dann zum eigenen führt, mag dahingestellt sein...

Ist Nachahmen wirklich so tabu, so schlimm, so verwerflich?
Ich gestehe: Ich habe Schreiben durch Nachahmen gelernt. Allerdings schon in der Schule. Unser etwas außergewöhnlicher Deutschlehrer, der im Winter auch schon mal die Prüfungsaufgaben verheizt hat und beim Anblick des Lehrplans einen über den Durst getrunken, hatte so sein eigenes System, uns Literatur nahe zu bringen.

Ich erinnere mich an unsere Kulterzählung von Thomas Mann: Tod in Venedig. In unserer Klasse absolut hipp. Vom zerfledderten Buch abgesehen brachte ich es auf neun Mal Anschauen des gleichnamigen Films (verglichen mit etwa zwölf Rocky Horror Picture Shows). Natürlich mussten wir das Ding interpretieren. Eine Woche lang, jeden Tag einmal. An einem Tag waren wir Psychotherapeut, am anderen bösartiger Feuilletonist (das Klischee gab es schon 1979). Wir mussten lesen als frommer Priester, als Hausfrau, als Superintellektueller...

Und wenn wir dachten, wir seien erlöst, mussten wir in der nächsten Woche schreiben. Jeder durfte sich eine Kurzgeschichte ausdenken. Aber eben nicht gleich "runterschreiben"! Montags schrieb der Thomas Mann in uns die Geschichte nieder, dienstags der Max Frisch usw. Wir mussten in jede Berühmtheit schlüpfen, die wir vorher als multiple Leserpersönlichkeit auseinandergenommen hatten. Mussten ihren Stil nachahmen, ihren Aufbau, die ganze Art - und ja, wir Schüler haben das nicht geahnt: auf diese Weise lernt man genau hinlesen und vor allem verinnerlichen. Und natürlich gab's im Unterricht das, was man heute wohl Poetry Slam nennen würde - und Applaus reichlich, wenn die Nachahmung besonders "echt" gelungen war.

Nach diesen aufreibenden zwei Wochen haben wir uns mit jenem Lehrer vergnügt und Blödsinn gemacht, abgeschalten. Bis wir wieder wir selbst waren, locker, unbeschwert, ohne Schielen auf Wenn und Abers. Und dann hatten wir eine Woche, um diesselbe Geschichte aus unserer ganz eigenen Feder fließen zu lassen. Ganz sicher hatten wir von den Großen gelernt. Aber wir wären nie auf die langweilige Idee verfallen, sie immer noch nachzuahmen. Wir waren nach diesen zwei Wochen heiß darauf, endlich unsere eigene Stimme sprechen zu lassen. Drauf gepfiffen, was Thomas Mann oder der bösartige Feuilletonist sagten, egal, ob Max Frisch sich im Grab umdrehte oder der Priester beim Lesen rot wurde. Die eigene Stimme entwickeln und sprechen lassen.

Der Unterschied zu heute liegt nicht unbedingt darin, dass es solchen Unterricht weniger zu geben scheint (die Übungen kann man sich selbst konstruieren). Ich fürchte, der Unterschied liegt darin, dass damals keiner von uns je auf die Idee gekommen wäre, irgendeinen dieser Texte freiwillig veröffentlichen zu wollen. Meine Texte aus dieser Zeit existieren nicht einmal mehr. Aber sie sind der Humus, auf dem die jetzigen wachsen.

Und wenn ich mal absolut nicht weiter weiß, wie ich einen Dialog anlege, dann bin ich mir nicht zu schade, erst einmal auf Schmierpapier ein paar "Große" nachzuahmen. Bis es mir reicht und ich begriffen habe, was ICH sagen wollte. Bis MEIN Dialog reif ist. Ja, man kann auch durch Nachahmung lernen. Und man sollte sich in seinen Lernmethoden nie beschränken.

Neue Rezensionen

"Das Buch der Rose" von Petra van Cronenburg (Parthas Verlag) wurde vom Rheinischen Merkur empfohlen und in der Literaturzeitschrift Sandammeer ausführlich besprochen:
"Die Autorin mischt geschickt Anekdoten und Informationen, flicht historische Exkurse in literarische und technische Betrachtungen ein und schafft damit eine ebenso informative wie amüsante Kulturgeschichte der Rose. Zumal sie nicht nur die bekannten Spuren verfolgt, sondern oft auf Unbekanntes verweist."
Und die Wienerin urteilte:
"Eine angemessene Würdigung der Königin der Blumen in opulenten Bildern und liebevollen Beschreibungen."

21. Mai 2008

Schreiben als Therapie

Es gibt doch diese schlauen Bücher mit Titeln wie "Das ultimative Rezept, einen irre guten Roman zu basteln" oder "Zauberformel für Weltbestseller". Meist kann man darin lesen, dass Schreiben der Therapie wegen ein beliebter Anfängerfehler sei und unbedingt zu vermeiden. Meist kommt nämlich nur Betroffenheitsquark und Langeweile heraus, selbst die Lebensberichte gefolterter Alkoholiker und sektengesteuerter Mutanten werden ja heutzutage von Ghostern perfekt auf den Markt hin geschrieben.

Alles falsch, behaupte ich. Jedenfalls heute. Schreiben IST Therapie, immer, wo man auch tippt oder hinschmiert. Ich behaupte: Wer Schreiben nicht jederzeit zur Therapie machen kann, wird nie mit seinem Buch fertig. So. Punkt.

Einen Beweis soll ich liefern? Bitteschön: Die Autorin ist wie ihr Hund ein extrem lärmempfindliches Wesen. Diverse Traumata, wie z.B. eine polnische Zahnklinik, haben sie vor allem gegen bohrende, schrille und alle Geräusche empfindlich gemacht.
Und nun ist es so weit.
Neben meinem Büro (das über der Straße hängt) fräßen sie die Straße auf. Sozusagen links von meinem Schädeldach pockert ein Bagger den Asphalt ab, dass der Computer wackelt (und hoffentlich diverse Dinge diese Aktion überleben). Auf meinen Ohren sitzen Kopfhörer und der mp3-player hat doppelte Lautstärke. Pink Floyd: Welcome To The Machine (man gönnt sich ja sonst nichts).

So - alles nicht genug. Jetzt kommt die Therapie. Die Autorin SCHREIBT. Ihre Figur, rrrrums, sitzt auf einer Bank an der Dorfstraße, krrrriekkk, säuft sich Prosecco rein, patapommmmm, fühlt sich verdammt unwohl in ihrer Haut, krrräääääk, kriegt den Moralischen, zakzakzakzakzak, und hat eine wichtige Situation so richtig versemmelt, ppppommmmm. Die Autorin wird zur Figur, die Schultern sinken nach vorn, rrrummms, ihre Miene wirkt immer bedröppelter, krak, der Kaffee ersetzt den Prosecco, krok, und auf die Ohren gibt's jetzt plötzlich James Brown: It's a Man's Man's Man's World. Yeah. Die Figur säuft, nölt und hat Kopfhörer auf den Ohren. Hört James Brown. Yeah, krak bumm peng ist das ein verdammter Tag zum Schreiben.

Liebe Leser, solltet ihr je in meinem nächsten Roman James Brown entdecken, so denkt daran: Schreiben ist Therapie. Und mein verschreibender Arzt ist die Wasserversorgung.

19. Mai 2008

Tunnel ohne Ausgang

Dahlia, die Hauptfigur in meinem Roman Lavendelblues, fährt auf S. 64 nach Baden-Baden und muss durch den Stadttunnel. Dort heißt es:

"Ich hasse es, wenn man in Tunnel gezwungen wird. Drinnen fällt mir immer diese Geschichte ein, die ich einmal gelesen habe, von Reisenden in einem Zug, der in einen Tunnel rast, immer schneller rast, in einen Tunnel ohne Ende."

Als ich die Szene schrieb, ahnte ich nicht die Tragikkomik der Realität. Und jedes Mal wenn ich selbst durch den Michaelstunnel fuhr, falls er nicht des Nachts aus unerfindlichen Gründen ohne Hinweis- und Umleitungsschilder mal wieder gesperrt war, ahnte ich nicht, wie nah sich Roman und Wirklichkeit sein können.

Baden-Baden, die Stadt mit der höchsten Millionärsdichte und dauerpleite, hat offensichtlich 1989 am falschen Ende gespart. Und alle anderen haben geschlafen. So kommt es, dass man jetzt plötzlich bemerkt, dass dem Michaelstunnel Notausgänge fehlen. Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Ein Tunnel ist aber keine Wurst.

Nichts genaues weiß ich nicht, aber offensichtlich soll der Tunnel, der nur zwei Öffnungen und eine schauderhafte Belüftung hat, nächstes Jahr saniert werden. Notausgänge wird man in den Schwarzwaldfels bohren müssen. Und das wird viele Monate dauern. Baden-Baden wird zum Umleitungsspaß werden, für Auswärtige ist die wechselnde Straßenführung und Beschilderung schon jetzt kaum zu verstehen. So kommt es, wenn man am falschen Ende spart...

Aber hoffentlich kommt es nicht wie im dreist erfundenen Roman:
"Zurückfinden ist jedoch genauso schwer, weil sich die Verkehrsführung der Einbahnstraßen mit dem Wochentag, der Uhrzeit und wahrscheinlich der Wetterlage ändert."

Zitate aus: Petra van Cronenburg: Lavendelblues, BLT bei Lübbe, ISBN 3-404-92214-X

18. Mai 2008

Signieren und Lesen

Die ersten Rosen stehen zumindest im Elsass schon in voller Blüte, Zeichen dafür, dass auch meine Veranstaltungen mit Riesenschritten nahen.

Ich will noch einmal an die Signierstunden und die Lesung in Europas einzigem Kübelrosarium La "Reine des Roses" in Hatten im Nordelsass erinnern. Alle Daten inklusive Adresse gibt es HIER. Bitte denken Sie daran, dass man sich für die Lesung am 8. Juni bis spätestens 1. Juni voranmelden muss, weil der Platz zwischen den Rosen begrenzt ist. Dafür winkt denen, die eine Karte ergattern, ein lauschiges Plätzchen unter freiem Himmel zwischen duftenden Rosenbäumen, Rosenbüschen und lauschigen Rosenlauben und -toren - in der Nacht festlich illuminiert. (Die Lesung findet auch bei schlechtem Wetter statt - dann in der Galerie).

Und was ich vergessen hatte - nach der geschlossenen Veranstaltung der Vernissage werde ich auch am 31. Mai während der öffentlichen Benefiz-Kunstausstellung ab ca. 14:30 Uhr anwesend sein und gern mein Buch "Das Buch der Rose" signieren.

Hatten ist übrigens von deutscher Seite aus via Rastatt oder Baden-Baden (ideal Grenzübergang Wintersdorfer Brücke) bequem in 15-20 min zu erreichen. Aus Richtung Pfalz fährt man Weintor - Wissembourg und dann die D 34 über Seebach - Trimbach, dort auf die D 104 nach Buhl - Hatten. Das Rosarium befindet sich kurz hinter der Kurve der Hauptstraße, Parkplätze gibt es schräg gegenüber bei der Kirche.

15. Mai 2008

Frisch verliebt

Wie kommt ein Autor auf seine Projekte? Ganz einfach: die Projekte suchen sich ihren Autor - und wehe, der will nicht. Und wenn er will, dann frisst es ihn mit Haut und Haaren. Darum sagt man im Französischen wohl, wenn man von etwas zutiefst be-geistert ist: "je suis mordu" / "ich bin gebissen".

In einem solchen Zustand bin ich gerade. Angefangen hat alles etwa im Jahr 2000, als ich etwas widerwillig einen touristischen Ausflug machte und mich Hals über Kopf, keulenschlagartig, blitzschnell verliebte. Der Mann ließ mich nicht mehr los, seine Augen versprachen interessante Geschichten und Erfahrungen. Aber weil er selbst so schweigsam war, musste ich kratzen, graben, suchen.

Ich war verrückt vor Liebe und unternahm die komischsten Dinge, nur um ihm näher zu kommen. Irgendwann war ich so von der Rolle, dass ich seine Briefe kopierte, nachts durch sein Schloss schlich und von einer Rose einen Steckling klaute. Ich wollte ein Buch über "sein" Thema schreiben. Aber stattdessen zwinkerte mir sein Foto zu, das mittlerweile an meiner Wand hing, und er schien zu sagen: "Jetzt machst du es erst mal wie ich. Erfüll dir endlich deine Träume und schreibe einen Roman." Und später wollte der Markt mit "seinem" Thema nicht so recht.

Ich habe diesen Mann nach all den Jahren immer noch nicht vergessen, das Bild hängt immer noch an meiner Wand - und dann habe ich in zwei meiner Bücher "Merker" gesetzt. Damit ich nicht vergesse, was ich mal wollte. So ist im Vorwort von "Das Buch der Rose" die Rede von einem Rosengarten eines Schlosses, den ich rekonstruieren konnte. Das ist so ein Merker und das Foto im Buch mit dem goldenen Spiegel auch (das der Verlag zufällig aus vielen anderen ausgesucht hat). Dort hängen nämlich die Blüten von jenem Steckling der Dorothy Perkins. Ich hatte das Gefühl, wenn ich es schaffe, eine Erinnerung gedruckt ins Leben zu bringen, schaffe ich auch irgendwann jenes Buch...

Jetzt ist es so weit. Die Zeichen der Zeit stehen günstig. Das Thema ist gewachsen und hat sich verändert. Aber anderes schien so unendlich ungünstig. Ich war mir sicher, ich würde es bei der derzeitigen Konstellation meiner Arbeit nie schaffen. Es musste einfach über meine Kräfte gehen... Ich stand kurz davor, meinen Agenten anzurufen und zu sagen - ich kann das dieses Jahr noch nicht angehen.

In der Nacht davor hatte ich einen Traum. Ich sitze im Rosarium beim Signieren meines Rosenbuchs. Kommt einer und legt mir das Buch hin, ich schaue ihn an und falle fast um. Es ist dieser Mann. Und der grinst mich nur an und sagt: "Du schaffst das, schreib unser Thema. Denk dran, ich habe auch oft bis zur Selbstausbeutung an scheinbar irrsinnigen Ideen gearbeitet - und manchmal kam erst nach Jahrzehnten das Ergebnis. Jetzt hast du mich schon in dein Rosenbuch geschmuggelt, jetzt wird es Zeit für ein eigenes. Keine Ausreden mehr, ich will jetzt endlich lebendig werden."

Was soll ich sagen? Ich war in diesem Augenblick wieder hin und weg und so verliebt wie schon lange nicht mehr. Recht hat er. Nachdem er nun schon seit 78 Jahren tot ist, wird es Zeit, ihn und sein Thema wiederzubeleben.

Muss ich wirklich noch vom Happy End reden? Nach diesem Traum habe ich eine Kiste voll Material auf dem Esszimmertisch ausgebreitet und sortiert, und verweigere bis einschließlich Wochenende jedem Besucher den Zutritt. Zwischen meterhohen Haufen von Papier sitzt eine verrückt gewordene Autorin mit wahrscheinlich glasigen Augen, nicht von der Muse geküsst, sondern gebissen... und kritzelt auf große Papierbögen seltsame Blubberblasen mit Stichworten. Bis Montag will sie daraus ein Sachbuchkonzept gestrickt haben - der Agent wartet.

Und wenn irgendjemand später einmal fragen wird, wie ich ausgerechnet auf solch ein Thema komme, werde ich unmöglich erzählen können, dass ich vor vielen Jahren gelangweilt und widerwillig in einem Museum stand, das mich zunächst überhaupt nicht interessierte. Und weil eine Begleiterin so unsäglich nervte und wie ein Maschinengewehr blödes Zeug schwatzte, drehte ich mich weg, schaute das Foto eines mir völlig unbekannten Mannes an - und war hin und weg. Weil mir diese Augen verrieten, dass da ein ganz großes Thema verborgen war, dass ich nur zu graben brauchte... Graben musste.

11. Mai 2008

Feminismus statt Abtreibung

Es gibt Archäologen, die haben so viel Phantasie, dass sie hervorragende Krimis schreiben können. Und es gibt offensichtlich auch Archäologen und Anthropologen, die vergessen bei aller nötigen Interpretation von Fundstücken den wissenschaftlichen Gesamthorizont und das akribische Überprüfen gewagter Hypothesen. Das besondere Hypothesen-Fundstück ist ein noch lebendes Ehepaar aus Arizona, das sich sicher ist, den Schlüssel für das Aussterben der Neandertaler entdeckt zu haben.

Es ist kein Aprilscherz. Die Frauen sind schuld. Die bösen bösen Neandertalerfrauen haben die Neandertaler aussterben lassen. Wie sie das gemacht haben? Ganz einfach: sie sollen emanzipiert gewesen sein. Gut, ein bißchen waren wohl auch die Männer schuld und all die Leutchen dazwischen. Denn auch das will man inzwischen genau wissen: Neandertaler kannten unsere festgefügten Gender-Rollen nicht. Insofern sind die Neandertaler der Geschichte eigentlich wir.

"Husband and wife" Steven L. Kuhn and Mary C. Stiner von der Universität Arizona finden das allerdings nicht. Mahnend erklären sie der Moderne, dass der Feminismus der Steinzeit eine ganze Menschenrasse ausgelöscht habe. Was wir weder mit Pille noch Abtreibung schaffen, hat Mrs Neandertal ganz einfach gelöst: Sie ging auf die Jagd! Man stelle sich das vor! Frau Feuerstein nicht am Kochtopf, wo sie hingehört, sondern bewaffnet bis an die Zähne vor dem fetten Mammut! Tja, und dann ist es passiert. Die unendliche fraueninduzierte Tragödie der Menschheit.

Das Forscherehepaar aus den USA ist sich sicher: Mammut hat gemampft. Zu viele gebärfähige Frauen seien bei der Jagd umgekommen. Und der Rest? Die mögen zwar überlebt haben und vielleicht auch das ein oder andere Neandertalergör in die Welt gesetzt, aber sie waren schlicht viel zu selten daheim. Haben ihre Pflichten beim Sammeln und Hegen und Pflegen vernachlässigt. Kein Wunder, dass dann auch die Männer hops gingen, die die Jagd überlebt hatten. So ein Mammutsteak braucht tüchtig Beilagen, wenn ein Mann richtig groß und stark werden will. Ja, Sie ahnen bereits, was kommt... Homo Dingens, der mit den ordentlichen Hausfrauen an Herd und Feuer, Baby auf dem Arm, Männer-Jäger draußen - und der hat sich durchgesetzt.

Ich denke, es ist müßig, sich jetzt zu fragen, ob damals wirklich nur übergroße, überwilde Viecher vor den Pfeil kamen oder warum ausgerechnet die Mädels so dämlich waren, sich ständig aufschlitzen zu lassen. (Unsereins hätte wahrscheinlich das Fallenstellen entwickelt). Oder warum, wenn es doch noch keine Gender-Rollen gab, die Jungs nicht auch mal im Topf gerührt und Fellklamotten genäht haben. Zum Glück fragen sich weltweit jede Menge Wissenschaftler, ob das Aussterben nicht einsichtigere Gründe gehabt haben könnte: Klimaveränderungen, kulturelle Entwicklungen u.v.m. Schließlich gibt's auch keine Kelten und Römer mehr, Zeiten ändern sich... und selbst die Griechen haben den Gebärstreik der Lysistrate überlebt.

Und was machen wir jetzt mit der "Krone der Schöpfung", diesem dämlichen Homo sapiens sapiens, der Mann wie Frau die Welt übervölkert, aber fröhlich allerlei Arten ausrottet, das Klima wandelt, Kriege anzettelt, grauenhafte Politiker an die Spitze seiner Staaten wählt, andere Menschen terrorisiert, knechtet, tötet, unterdrückt, ja sogar Frauen minder schätzt, steinigt, nach der Geburt beseitigt oder verstümmelt?

Genau Mädels. Auf zur fröhlichen Mammutjagd! Lasst eure Kerls mit Kerner kochen und die Alten Körner mahlen. Wir treffen uns auf Safari. In Arizona.

10. Mai 2008

Louise Odier

Jedes Jahr im Mai gibt es den gleichen Wettstreit in meinem Garten. Wann werden die ersten Rosen endlich blühen - und welche schafft es zuerst?
Gewinner in diesem Jahr ist meine Louise Odier, die heute die erste Blüte zeigt. Eine traumhafte historische Rose mit intensivem Rosa, dicht gefüllten Blütenkugeln und wunderbarem Duft, die sich für ländliche oder altmodische Buketts ebenso gut eignet wie für andere Dekorationen. Leider ist meine Blüte nicht ganz fotogen, weil zur Hälfte von einer Raupe gefressen, aber der Link zeigt ja auch ein Foto. Jetzt bin ich natürlich gespannt, welche Rose ihr folgen wird ... und wünsche allen Rosenfreunden rosige und sonnige Tage!

8. Mai 2008

Das andere Elsass

Feiertag in Frankreich. Herrlich. Nach einem elend langen Arbeitstag, der erst um Mitternacht endete, genieße ich das Ausschlafen. Und stehe um halb neun senkrecht im Bett. Zwei, drei Häuser weiter hat einer eine Höllenmaschine in Betrieb genommen, deren deutscher Name mir nicht geläufig ist. Egal, ein riesiger Benzinrasenmäher ist nichts dagegen. Eine Kettensäge schnurpselt dagegen angenehm.

Weil ich den Menschen bisher für nett hielt, habe ich ihn angerufen und versucht, auch nett zu sein. Ich wollte ihn eigentlich nur höflich sagen, dass das um die Zeit am Feiertag stört - und ob er nicht vielleicht ein paar Stunden später... Keine Chance. Am anderen Ende der Leitung spöttisches Lachen: "Ca vous dérange? Tant pis!" Aufgelegt. Übersetzt hieße die freundliche Entgegnung: "Was, das stört Sie? Umso besser." Welches die schriftsprachliche Variante für ein elsässisches "Druffg'schisse" wäre...

Weil mir eigentlich an guten mitmenschlichen Beziehungen gelegen ist, rufe ich seine Mutter an und frage sie einleitend nur mal so, ob sie wüsste, was mit ihrem Sohn sei, wie man mit dem wieder ins Gespräch kommen könne. "Der ist so. Der ist immer so." Aha. Ja, was mach ich da, ich wollte doch nur ... und ich sage eben kurz, worum es ging. Fehler. Ganz schlimmer Elsass-Anfänger-Fehler!

Die Dame, die begeistert meine Bücher liest und immer für ein Schwätzlein zu haben ist, keift plötzlich wie die Furie los, und ich lausche am Hörer, baff, überrascht, weil ich nicht mehr weiß, ob ich gerade eine Romanszene erfinde oder ob das Realität sein kann. Irgendwie schreit sie mich an, dass ihr Sohn als hart arbeitender Mensch sich das Recht erarbeitet habe, am Feiertag Lärm zu machen, so viel er wolle. So eine wie ich solle aber mal ganz schnell den Mund halten und Respekt vor so einem haben.

Denn "so eine wie ich", die schaffe ja nichts Rechtes, die habe ja nicht mal Arbeitszeiten und schon gar kein geregeltes Leben. Und überhaupt solle ich ganz still sein, denn ich ginge ja nicht einmal in die Kirche. Nie, auch kein einziges Mal sei ich in den ganzen 19 Jahren in der Kirche gesehen worden. - Da habe ich dann gebrüllt: "Jetzt reicht's." Und aufgelegt.
Denn in einer Woche wird sie mir wieder fröhlich zuwinken. Wenn ich noch meine Kirschbäume hätte, würde sie anrufen, ob sie Kirschen haben könne, ihr Sohn esse doch so gern Kirschplotzer, und meine seien immer viel eher reif als ihre (von denen ich nie welche bekam, denn ich hatte ja selbst welche). Und nachher im Sommer, wird sie wieder das Gespräch mit mir suchen, um sich zu beklagen, was für einen herzlosen Sohn sie habe. Der sie schnöde allein in der Einsamkeit zurücklasse, wenn er in Urlaub fahre. Und ich werde ihr dann freundlich empfehlen, vielleicht Trost in der Kirche zu suchen...

Auch das ist das Elsass. Ländlich-retardiert, jenseits aller inneren Noblesse, derb-respektlos, bar jeder Empathie. "L'état, c'est moi" - das Ich ist das Zentrum, um das alle Sterne zu kreisen haben, ordentlich in Grüppchen geteilt, deren Leitsternchen die Kirchen sind. Und da ist mein Canton ein besonders retardierter, der selbst Pfarrern von außerhalb das Leben und Arbeiten zur Hölle macht. Es gibt ihn nämlich noch, den Religionskrieg. Wo der Kirchgang zeigt, wer man ist (oder sein möchte). Wo man interkonfessionelle Heiraten unter Christen mithilfe der Pfarrer und wackerer Gemeindemitglieder zu verhindern weiß. Sinnvoll, denn jeder Konfessionsstreit im Elsass ist auch ein Streit um Land, um Besitz - und damit Anerkennung. In elsässischen Sagen versetzt der Teufel nachts Grenzsteine, im Leben machen es die Männer der Familien.

Katholiken haben traditionell Geschirrtücher in anderen Farben als Protestanten, Touristen kaufen die schönen roten und blauen Karos auf Leinen freudig durcheinander. Noch vor 20 Jahren, als nicht so hemmungslos Elsässer aus anderen, weltoffeneren Gebieten zuzogen, da hat man sogar an der Fensterladenfarbe sehen können, welcher Konfession jemand angehörte. Die komische Schriftstellerin war die erste, die für einen Dorfskandal sorgte. Sie erdreistete sich, eine Farbe zu benutzen, die nicht christlich war. Monatelang wurde ich dafür geächtet.

Lassen Sie sich dadurch aber nicht von einem Besuch im Elsass abschrecken. Solche Gegenden sind in der Regel auch touristisch zutiefst unterentwickelt. Und in der Kneipe wird man Ihnen fröhlich zuprosten, denn Touristen haben drei große Vorteile: Sie sind begeistert von der Idylle, die sie so herrlich an unwiderbringlich verlorene Vergangenheiten erinnert. Sie lassen Geld da. Und sie gehen vor allem wieder weg. Allerdings oft in die Landesteile des Elsass, in denen Herzensoffenheit, Respekt vor dem anderen und Weltoffenheit lebendige Tugenden sind. Diese Elsässer beneiden die anderen Elsässer dann gründlich und werden noch missgünstiger.

In diesem humorvollen Sinne schon mal eine Vorankündigung für den goldenen Oktober: Ich werde das Elsass ins Badische "exportieren". Am 24.10. werde ich in der Stadtbibliothek Gaggenau aus meinem Buch lesen: "Elsass. Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt" (sanssouci bei Hanser). Anekdoten aus dem prallen Leben habe ich bis dahin ganz sicher auch reichlich im Gepäck.

Denn ich liebe dieses Land, in dem auch Witz und Kabarett blühen. Kaum einer kann sich so herrlich über "die Betonköpf'" lustig machen wie die Elsässer selbst... Geben wir es mal zu: Ob einer zu den Brückenköpf' oder Betonköpf' zählt, ist eine ganz schön europäische Angelegenheit!

6. Mai 2008

Verbrannte Bücher

Am 10. Mai vor 75 Jahren verbrannten die Nazis auf dem Berliner Opernplatz öffentlich Texte und Bücher, die sie in ihrer Diktatur nicht mehr dulden wollten. Es ging ihnen dabei nicht mehr nur um ein Verbot des Lesens - jede Möglichkeit, frei über seinen Lesestoff, seine Informationen und die eigene Kultur zu entscheiden, sollte damit ausgerottet werden. Und so, wie man bildhaft Bücher auf dem Scheiterhaufen hinrichtete, waren deren AutorInnen dem Berufsverbot ausgesetzt, der Verfolgung, dem Exil - und damit der Loslösung vom eigenen Sprachumfeld - und schließlich der Ermordung.

Zum Jahrestag plant der Verband deutscher Schriftsteller zahlreiche Aktionen und Lesungen vergessener und verschwundener Texte. Vergessen nicht nur wegen der Zerstörung, sondern weil nach dem Zweiten Weltkrieg an dieses Thema nicht systematisch gerührt wurde.

Literatur auf dem Scheiterhaufen – Der Geist im Feuer“ unter diesem Titel erinnern die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, das P.E.N. Zentrum Deutschland und der Verband Deutscher Schriftsteller am 9. Mai 2008 mit einer zentralen Gedenkveranstaltung in der Akademie der Künste am Pariser Platz an den 75. Jahrestag der Bücherverbrennungen. Die Rede zum Gedenken hält Bundespräsident Horst Köhler.

Was geht uns die Bücherverbrennung heute an?

Faschistisches, menschen- und lebensverachtendes Gedankengut feiert heute wieder in aller Öffentlichkeit fröhliche Urständ - bis hinein in die Politik, die über unser Leben bestimmt. Es gilt wieder wach zu werden, aufmerksam hinzuschauen. In einer freiheitlichen Demokratie des Medienzeitalters wird sich niemand mehr damit ausreden können, er habe nichts davon gewusst - oder es sei zu gefährlich gewesen, Rückgrat und Zivilcourage zu leben. Wehret den Anfängen - dieser alte Spruch ist nach wie vor aktuell!

Weltweit werden Schriftsteller und Schreibende zensiert, verfolgt, verboten, ermordet. Von der Freiheit des Wortes ist unsere Welt weit entfernt. (Hilfe für verfolgte Schriftsteller)

Deutsche SchriftstellerInnen und LeserInnen der heutigen Zeit leiden an den Folgen der Bücherverbrennung, teilweise ohne es zu merken. Denn Schreiben heißt immer auch, sich auf Traditionslinien zu beziehen, von denen zu lernen, die vorher geschrieben haben. Aus einer kontinuierlichen Schriftkultur entstehen Auseinandersetzungen mit der Vergangenheit und Entwicklungen für die Zukunft. Mit der Bücherverbrennung wurden diese Wurzeln abgeschnitten. Wenigstens die Emigranten haben viel von ihrer Erzählkultur und alten Erzählformen in andere Länder retten können. Aber ihr eigenes Land hat sich von dieser Befruchtung und Inspiration abgeschnitten. Nicht zuletzt, weil jüdische Schriftsteller die deutschsprachige Erzählkunst nachhaltig prägten und mitentwickelten. Nach 1945 hat Deutschland auch in der Literatur wieder von vorn anfangen müssen.

Die Beschäftigung mit alten und vergessenen Texten kann uns heute wieder einen Zugang zu jenen Wurzeln schaffen. Wir Schriftsteller werden die Wunde nie mehr schließen können. Aber wir können wieder lernen von den Alten, eintauchen in ihre Ausdrucks- und Erlebniswelten. Wir können uns inspirieren lassen, um Neues zu schaffen. Und vielleicht können wir eines Tages eines wieder lernen, das durch die Nazibarbarei so zerstört wurde: das große Erzählen.

Lesetipps:

Volker Weidermann: Das Buch der verbrannten Bücher, Kiepenheuer & Witsch
Weidermann hat versucht, die Biographien der 131 SchriftstellerInnen zu rekonstruieren, die 1933 auf der schwarzen Liste der "Schönen Literatur" standen.

Ray Bradbury: Fahrenheit 451, Heyne
Der weltberühmte, auch verfilmte Science Fiction ist teilweise erschreckend von der Gegenwart eingeholt worden und wird dadurch zusätzlich zu einer Allegorie auf subtile "Verbrennungen" von Kultur und Literatur durch gleichgültige Konsumentenhaltung.

Antoni Graf Sobanski: Nachrichten aus Berlin, 1933-1936, Parthas
Der polnische Journalist und Kosmopolit war bei der Bücherverbrennung und dem Reichsparteitag als Korrespondent dabei und wurde schließlich selbst Opfer des Veröffentlichungsverbots. Nach 70 Jahren haben die Polen seine espritreichen Reportagen ans Licht geholt, jetzt sind sie erstmals übersetzt. Zitat vom 10.5.1933:

"Ich trauere um die Bücher als sterbende Gegenstände; ich trauere um das Volk, das diese Schande auf sich lud. Ich bin beschämt darüber, als gaffender Ausländer Zeuge dieser "Familienschande" gewesen zu sein. In diesem Augenblick der gemeinsam verspürten Scham war ich assimiliert."


Übermorgen, am 8. Mai, feiern viele Länder Europas mit Ausnahme von Deutschland die Befreiung von der Naziherrschaft.

5. Mai 2008

Verlogene Geschichten

Schreiben Sie über Tiere, das ist was fürs Herz und wird immer gekauft! So lautete einmal ein Ratschlag während meiner Volontärsausbildung. Eine Menge Kollegen scheinen darauf gehört zu haben, denn Knut bringt Knete und die herzallerliebsten Tierärzte und Tierärztinnen im Fernsehen sind Legion.

Aber selbst mein Hund, der Tierdokus bei ARTE und Rosamunde Pilcher bevorzugt, schläft dabei gnadenlos ein, weil die Tierlaute nicht zu den Bildern passen oder von satten Langweilern stammen müssen. Ich dagegen staune: Da rennt und fleucht es ohne Halsband und Leine, aber immer nach Knigge - und Affen hören besser auf Mensch als die eigene Schwiegermutter. Tierarztbesuche wirken wie eine Kreuzung aus Wellnessaufenthalt und geistlichem Beistand, am liebsten möchte man einmal wöchentlich einen absolvieren oder gleich Tierarzt werden. Oder Assistentin, um sich in den feschen Klinikleiter zu verlieben...

Nicht dass meine Tierärztin nicht auch zum Verlieben wäre - Rocco steht auf sie ganz besonders. Aber der Rest dieser Tierarztgeschichten ist Kolportage. Dreiste Lüge.

Wir haben uns vorhin zwecks Impfung einen Luxusaufenthalt in unserer Luxusklinik gegönnt. Inzwischen kann man dort auf dem Flachbildschirm Videoanimationen anschauen, die von sämtlichen Pharmafirmen des Landes gesponsert sind. Rocco liebt den falschen Hund, der beim Schütteln alle Haare verliert, weil Herrchen sich das Flohpuder gespart hat, und verbellt die Pixelkatzen. Ich finde die Riesenzecken und Darmparasiten einfach geil, herrliche Monster. Aber nach der dritten Endlosschleife finde ich, ich hätte mit Termin genug gewartet.

Und dann die anderen Wartenden... Kommen zwei mit Riesenkater auf dem Arm und wollen das flusige Vieh frei laufen lassen. Ich vorsichtig: "Sehen Sie meinen Hund?" (Schäferhundgröße). Er überlegt, sie überlegt, Rocco tropft der Zahn. Schließlich kommt Katerchen doch in die Box. Ruhe kehrt ein. Dreht er die Öffnung der Box zu Rocco. Kater starrt. Rocco starrt. Ich höflich: "Das ist jetzt vielleicht keine so gute Idee, mein Hund hasst Katzen." Er ganz freudig: "Och, das macht nichts, mein Kater hat keine Angst und der will den Hund anschauen. Und der Hund hat Angst?" Ich frecher: "Nein, der hat keine Angst. Katzen sind für ihn Nahrung, Futter." Roccos Zahn tropft, er ist kaum zu halten. Sie zu ihm: "Du, vielleicht ist es doch besser, ihn zu drehen. Was muss Katerchen sonst denken!" Tja, was muss der wohl denken über solche Menschen?

Ewiges Warten wegen Notfall, 24 Grad im Schatten draußen und die Klimanlage ist schlicht nicht eingeschaltet. Nach einer Stunde kommt endlich eine Assistentin auf die glorreiche Idee, den richtigen Knopf zu betätigen. Ich mach es kurz und schmerzlos: Mag ja sein, dass man gewisse Tiere ohne Leine apathisch neben sich setzen kann, wenn von links das Hamsterchen müffelt und rechts die Katze keift. Mein Rocco kann das nicht. Und wenn er weiß, dass er zur hübschen Ärztin soll, hört er auch nicht mehr auf mich.

Die Menschin versucht derweil die Befehle in drei Sprachen (normalerweise spricht er Französisch), untermalt von leckeren Belohnungen, die achtlos auf dem Boden liegen gelassen werden. Wozu Trockenfutter, wenn überall Lebendfutter platziert ist! Außerdem muss man diesen fiesen, gefährlich dreinblickenden Dobermann am Stachelhalsband so richtig verbellen. Dobermann bellt mit. Im gesamten Wartezimmer fallen Menschenohren zu. Rocco bellt besser. Ob's an seinem tiefen Riesenmaul oder an der richtigen Sängeratmung liegt, weiß ich nicht. Aber er probt ja bei mir im Treppenhaus, Resonanzkörper zu nutzen.

Das Bellen stoppt dann auf natürliche Weise. Der Dobermann zieht den Schwanz ein und zittert zwischen Herrchens Beinen. Für Herrchen bricht eine Welt zusammen, mit untertassengroßen Augen starrt er das Weib an, dessen Hund sich erdreistet... Aber das Weib ist da schon völlig nass geschwitzt, bringt die Impfung wie im Alptraum hinter sich und verlässt die Tierklinik keuchend. Neben ihr eine Mischung aus Beauceron und belgischem Schäferhund, die irgendwie größer geworden ist und einen seltsamen Macho-Blick drauf hat...

4. Mai 2008

Markennamen

Der Einfallsreichtum deutscher Verlage, unverwechselbare und zum Lesen verführende Titel zu schaffen, nimmt im Jahr 2008 wahrhaft chaoskreative Qualitäten an. Wäre man Spötter, könnte man meinen, einer gewissen internationalen Unternehmensberatung sei es endlich gelungen, auch in deutsche Programmkonferenzen eine Software mit Algorithmen einzuführen, die auf dem vermeintlichen Wissen basieren: Wenn die Kunden freiwillig Zahnpasta mit Maiglöckchengeschmack gekauft haben, verkaufe ihnen Maiglöckchenzahnbürsten, -waschlappen, -kämme und Geldanlagen mit Maiglöckchengeschmack dazu...

Nehmen wir mal nur die Monate des angebrochenen Jahres 2008, als in unterschiedlichen, aber damit austauschbar erscheinenden Verlagen folgende Titel auf Cover wanderten:
Im Namen der Königin
Der Geliebte der Königin
Die Schwester der Königin
Der Smaragd der Königin
Der Spiegel der Königin
Das Vermächtnis der Königin
Die Sopranistin der Königin

Klasse. Diese Erfolgslinie lässt sich beliebig fortführen, ohne neue Marketingideen bemühen zu müssen. Man darf gespannt sein auf:
Der Fußschemel der Königin
Der Eunuch der Königin (eine Hosenrolle!)
Die Mutter der Königin, die Tochter...
... oder einfach frech mit einem Titel aus dem Vorjahr ausrufen: Das war "Schach der Königin".

Bevor sie matt gesetzt ist, hätte ich einen Buchwunsch. Ich warte auf:
Die Geliebte der Königin.
Bitte!
Mehr Mut in den Titelkonferenzen!