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28. Januar 2008

Kulturindex Küche

Alle, die gern essen, die vor allem aber gern gut essen und Qualität bereits bei den Zutaten erwarten, können auf ein ganz besonderes Buch neugierig werden. Der Literaturkritiker Bill Buford ist "mal eben kurz" aus seinem Beruf ausgestiegen und hat sich zum Koch ausbilden lassen, schließlich in der Toskana noch Metzgern gelernt. Dieser Tage erscheint sein Reportagebuch mit dem sperrigen Titel "Hitze. Abenteuer eines Amateurs als Küchensklave, Sous-Chef, Pastamacher und Metzgerlehrling" im Hanser Verlag.

In der ZEIT ist das anregende Interview zu lesen, das Denis Scheck mit ihm geführt hat.

Wer allerdings glaubt, den im Essen gespiegelten Untergang der Kultur nur in den USA oder im gammelfleischduftenden Deutschland ausmachen zu wollen, dem sei nur einmal ein Gang in die Supermärkte der berühmten Kochnationen ans Herz gelegt!
Bufords Beschreibung trifft auch den ganz normalen Wahnsinn eines typischen französischen Einkaufsparadieses: "Außer wässrigen Gurken, aromalosen Tomaten und grauenhaften Fertiggerichten haben Supermärkte nämlich noch etwas im Angebot: Dummheit!"

Ich erlebe diese Misere täglich. Auf der einen Seite ähneln die Geschäfte immer mehr Drugstores, da muss ich chemisch veredeltes Fett mampfen für freundlicheres Cholesterin, an Zusatzstoffen aufgespritztes Damenwasser für bessere Verträglichkeit und ruhigere Nerven saufen, oder mit dem Vitaminschnitzel den bösen Alterungsprozess - beim Kunden, nicht beim Fleisch - aufhalten.

Und weil das alles so eklig gesund sein soll, gibt's daneben totgespritztes Einheitsgemüse aus Spanien, bei dem man wenigstens immer das Billigste kaufen kann, weil die Aubergine wie die Tomate schmeckt, die Gurke wie die Paprika. Es gibt weit und breit keine Traiteure mehr, alle eingegangen, weil die französische Hausfrau ihre eingeschweißten schmierigen Blätterteigteilchen in die Mikrowelle haut, auch wenn sie genauso aromatisch schmecken wie ihre Verpackung.

Wurst und Käse kommen aus der Riesenfabrik, die wenigen noch wirklich nach Tradition hergestellten Käse setzen portioniert in Folie den falschen Schimmel an oder verrecken am Luftmangel - denn auch Verkäuferinnen spart man sich. Nicht zu reden davon, dass dieser ganze Wahnsinn an Logistik, Verpackung, Bewerbung etc. unsere Lebensmittel künstlich verteuert, die dann als billig!billig! marktschreierisch angepriesen werden.

Buford hat gut reden mit seinem Einkauf auf dem Markt. Die Wochenmärkte sind in der kulinarisch berühmten Fressregion Elsass längst am Hyperrausch der Hypermarchés verstorben - wer hat die Zeit, bis in die Städte zu fahren? Und dort sitzen dann alte Weiblein mit den glücklichen Hühnchen, die sie in Wirklichkeit bei Metro in Deutschland gekauft haben.
Wo der Zander am liebsten im Riesling schwimmt, kommt der inzwischen rare Zander aus estnischen Zuchtbetrieben und wird der Supermarkts-Riesling immer mehr zu einem Gesöff, mit dem man Leder nachgerben kann.

Du bist, was du isst, heißt es so schön. Aber was ist das für eine Gesellschaft, die einen gar nicht mehr essen lässt, was man sein will?

27. Januar 2008

blog remix

sortenkurse mit text von marc und von ? sommerdreieckabfluss: das karnick julia. wie gurgelt hanf? nie winterparfum im sifon. was die rechtefreie tabakiera?
Tja, so liest sich das, was Leute in der Suchmaschine eingeben, um auf diesen Blog zu kommen! Dem armen Kerl mit dem "Pfusch am Bau" habe ich zwar nichts zu bieten, aber in Sachen "Durchhaltesprüche" empfehle ich gern die Autorin Viola Beer. Aber "Sortenkurse"! Leute, was erwartet ihr von mir?
Winterparfum: ein wenig Vanille als Fond, leichter Frosthauch und Hundeduft von einem, der sich in einer Wildschweinkuhle gewälzt hat.Umwerfend! Den Hanf vorher aus dem Siphon nehmen und den Tabak ganz normal verboten rauchen.

Euer Karnick Marc

Schall und Rauch?

Manchmal begegnen einem Namen, die man samt Person in ein Schatzkästchen stecken möchte. Da ist Boulpiquante, der Patissier, der ist so einer. Boulepiquante bedeutet "die Kugel, die sticht", der "pieksende Bollen". Schön das etymologische Wörterbuch, das zum Verb "piquer" vermerkt: vom populärlateinischen "piccare", das eine schnelle Bewegung bezeichnet, die von einem trockenen Geräusch begleitet wird.

Ob Patissier Boulpiquante trockene Geräusche machen kann, weiß ich nicht. Aber er ist kugelig rund und trotzdem immens behende. Saust durch die Gegend, das Kugelbäuchlein vorgereckt, als wolle er einen damit aufspießen.

19. Januar 2008

Ländliche Freuden

Manchmal kommen nicht einmal meine Hobbys von Büchern weg. Ich binde nämlich gern welche oder kaufe aus Zeitmangel dicke leere Hefte und Kladden, denen ich neue Deckel verpasse. Als Kind schon war ich verrückt darauf, das kleinste Buch der Welt zu schaffen.

In irgendeinem Umzugskarton auf dem Speicher müsste es noch liegen, aber ich finde das übersehbare Ding nicht mehr. Groß wie zwei Daumennägel eines Erwachsenen, aus fliederfarbenen "Buch"seiten. Der Einband war mit maigrünem Filz belegt und es gab sogar eine winzige Riegelschließe über einer winzigen Muschelperle. Das Büchlein war so klein, dass ich die Sprüche mit rückwärtsgewandter Füllfeder schreiben musste, damit die Schrift feiner wird. Heute sehe ich bedeutend schlechter, binde also ab Notizbuchgröße aufwärts.

Und dann hab ich fast geheult, als mein letzter Kruschtelladen im Städtl , den ich dazu brauchte, plötzlich zu machte. Ich war da drin Dauerkundin. Kaufte mit leuchtenden Augen Satinbänder, handgeklöppelte Spitzen und allen möglichen Kruscht, den andere zum Nähen benutzen. Die Zutaten endeten natürlich oft als Lavendel- oder Rosenblütensäckchen! Es wurde aber auch schon ein Gartenbuch daraus, in dem ich notiere, was ich wo pflanze, beobachte... Ein DIN-A-4-HEFT mit 90 Seiten als Grundlage. Über die fliederfarbene feine Wellpappe des Einbands läuft provencalische Spitze und es gibt einen Bandverschluss. Ich fand einen Rest Satin, der mit traumhaften alten Rosen bedruckt war, wie auf einem Aquarell.

Außerdem war dieser Laden, der sich übersetzt "Regenbogen" nannte, ein Eldorado an Erlebnissen. Auf engstem Raum zusammengequetscht, kauften hier Teenager die neueste Modewolle (Stricken ist trendy in Frankreich), die Bauersfrauen probierten hinter einem Vorhang einkaufstütengroße BHs, und irgendwer brauchte immer einen Schwatz, eine Nadel oder Knöpfe. Obwohl auf bäuerlichem Niveau im Vogesengeschmack (hier gab es auch noch die echten alten Kittelschürzen in Marineblau und Wachstischtücher mit Elsässer Störchen), fand ich oft unerwartete Preziosen wie eine Rosenstola. Und dann war der Laden von einem Tag auf den anderen zu. Wo kann man heute noch Klöppelspitzen am Meter kaufen?

Gestern quatsche ich mit einer Freundin zufällig über Stricknadeln (ich selbst kann übrigens allenfalls geradeaus stricken und bin zu ungeduldig, weil ich meine Finger zum Schreiben brauche). Und sie meint: "Ja nein, die ist nur umgezogen, das wurde zu klein." Es folgte ein Lob aus zwei Kehlen über den Reichtum, den wir mit solchen Kruschtelläden noch haben, wo die Supermärkte noch nicht alles kaputt gemacht haben. Diese Läden, in denen man sich fühlt wie ein Kind beim Entdecken auf dem Speicher, wo man allein in den Knöpfen stundenlang wühlen könnte wie in Edelsteinen. Dann kommt man mit einem Tütchen heraus, hat preiswert Schönheit erstanden - und ist um einige menschliche Begegnungen und vor allem viele Romaninspirationen reicher.

Spontan haben wir beschlossen, das heute abend beim Flammkuchenessen zu feiern. In einer unserer Handwerker- und Bauernkneipen, in die sich garantiert kein Tourist verirrt. Dort brummt es dann wie im Bahnhof, von Großeltern bis Enkel sind alle am Feiern, Essen, Schwatzen, Herumrennen und Spielen. Man prostet an den Nebentisch, winkt alten Bekannten aus dem Dorf zu und lässt sich's ellenlang gutgehen - über Kalorien redet man bei diesem alten Ritual nicht. Und zum Beginn der Picon Bière (fr. Marke drin, gefälliger Geschmack) oder Amère (elsäss. Marke drin, bitterer) als Apéritif, schon die Wahl der Marke zeugt von Geschmack oder Politik. Aber jeder hebt den seinen, jeder lässt den anderen - das ist die wahre Politik ... und dann klingt's überall auf Elsässisch "Alla hopp, G'sundheit!"

Nur Touristen sind so dumm, mehr als ein Glas davon zu trinken und werden dann unerträglich laut. Wahrscheinlich, so denken wir, müssen sie kompensieren, was ihnen nachher beim Aufstehen fehlt: die Beine.

Das Buch der Rose

Endlich ist es soweit. "DAS BUCH DER ROSE. 5000 Jahre Kunst und Kultur durch die Blume betrachtet" ist auf dem Weg in die Technik (Inhaltsverzeichnis). Ich muss nur noch das Register tüchtig einkürzen, in einer guten Woche folgen die Fahnenkorrekturen - und dann wird auch schon gedruckt! Denn der Band mit den Gemälde-Abbildungen soll pünktlich zur Frühlings- und Gärtnerslaune im März erscheinen.

Es war für mich ein Mammutwerk, nicht nur von der Recherche her, die mich in ihrem Umfang selbst überrascht hat. Ich habe gewusst, dass die Rose weltweit die Lieblingsblume Nr. 1 ist und beim Duft von Rosenöl die Herzen höher schlagen. Aber ich habe nicht geahnt, dass Menschen und Rosen so viel gemeinsam haben, über so viele Jahrtausende. Dass die Rose derart viel über uns Menschen verrät!

Doppelt freue ich mich über das Erscheinen, weil dieses Projekt im Jahr seiner Erfindung 2006 noch sehr auf der Kippe stand und beinahe nicht das Licht der Welt erblickt hätte. Und dann ist geschehen, was mir immer noch wie ein Wunder vorkommt: Ich habe einen neuen Agenten gefunden, der sich rege für die Rosen eingesetzt hat, und bald auch einen wundervoll passenden Verlag, der sich einen Namen gemacht hat in Sachen Kunst und Kulturgeschichte.

Was meine Leser interessieren wird: Es geht fleißig weiter mit Büchern von mir. Dass im Januar ein neues Geschenkbüchlein von Viola Beer erschien, habe ich vor lauter Arbeit kaum bemerkt. Mit diesem Büchlein, das als "Voller Elan in den neuen Tag" zu kaufen ist, hatte meine Existenzgründung als Vollzeitschriftstellerin begonnen. Das Original habe ich "Mein Kraftbuch" genannt gehabt, und mir selbst handgeschrieben auf weißes Bütten in einem Einband aus seltenem Baumpapier mit einer Blattgoldspirale geschenkt. Dass meine damaligen Durchhaltesprüche jetzt auch anderen zugänglich sind, freut mich besonders.

Allerdings habe ich mich nun bei meiner Arbeit auf diese "Klöpse" verlegt, die man nicht in vier Monaten "herunter" schreibt, die man dafür aber auch mehrmals lesen kann. Das nächste Sachbuch wird ein kunsthistorisches. Nur so viel darf verraten werden: Es ist wieder ein "großes" Thema und es wird üppig und aufwändig illustriert werden. Daneben bereite ich wieder ein Romanprojekt vor. Einen Neuanfang plane ich auch hier: Es wird kein Frauenroman werden...

Wenn ich also nicht zum Bloggen komme, dann nur, weil ich ständig schreibe. Und so ganz "nebenbei" wollen auch Veranstaltungen und Lesungen organisiert werden. Man sieht sich... womöglich ... zur Rosenzeit in Baden-Baden!

Die Russen kommen

Nein, sie sind längst da. Letzten Donnerstag in Baden-Baden habe ich auf der Straße mein Russisch wieder etwas aufmöbeln können, als Schülerin musste ich dafür ins Sprachlabor. Wenn ich zwischen den Belle-Epoque-Fassaden wandle, denn in dieser Stadt verhält man unwillkürlich seinen Schritt - dann ist mir schon bewusst, dass ich auf Schritt und Tritt in die Fußstapfen der ganz Großen meines Berufes trete. Fast gespenstisch sind sie anwesend, jeder kennt sie, manche grüßen ihre Büsten, und anderswo längst vergriffene Bücher liegen wie selbstverständlich in den Buchhandlungen.

Wenn man ihnen schon an Können nicht nacheifern kann, in dieser Stadt darf man ihnen nachlaufen. Dostojewski war da und spukt noch heute ab und zu in einem Theaterspiel durchs Casino. Turgenjew lebte hier seine Ménage à trois, Gogol und Tolstoi kamen: Baden-Baden war einst nicht nur die Sommerresidenz Europas, sondern auch die Stadt der Schriftsteller. Otto Flake, dessen hübsche, mit Fachwerk verzierte Villa schräg gegenüber der Trinkhalle liegt, wo sich all die Schriftsteller beim Schlürfen von preiswertem Thermalwasser trafen, schrieb einmal, 1814 sei "Baden-Baden" zum gesellschaftlichen Begriff geworden.

Und weil Baden-Baden vor allem die Stadt der "Reichen und Schönen" ist, kommen jetzt die Russen von heute als Touristen. Nicht immer sind sie schön, nicht immer reich, aber manchmal einfach unverschämt reich. Was letztere tatsächlich treiben zwischen den auch schon in die Schlagzeilen geratenen Casinobesuchen und touristischen Edelevents, darüber wird in der Stadt viel gemunkelt und viel gelästert. Kann sich einer wirklich nur für alte Kultur interessieren, gar für Schriftsteller? Wie verdächtig, wenn heute noch jemand Dostojewski liest! Als ob man immer so genau wüsste, was deutsche, amerikanische oder japanische Reiche mit ihrem Geld anstellen...

Jedem, der das Phänomen der "kommenden Russen" verstehen will - und darüberhinaus ein wenig vom seltsamen Mikrokosmos Baden-Badens, dem empfehle ich Renate Efferns kurzweiliges Büchlein "Hurra, die Russen kommen zurück". Die hochkarätige Fremdenführerin, Leiterin der Turgenjew-Gesellschaft und Historikerin zeichnet in ihren wahren Anekoten ein sehr menschliches und differenziertes Bild von den Bewohnern beider Nationen. Ihr Humor ist trotz der Härte ihres Berufs unerschütterlich, ihre Erlebnisse sind - wie das mit dem Luxushoteldirektor unterm Tisch - manchmal umwerfend. Obwohl immer versöhnlich im Ton, entlarvt sie Großmannssucht oder menschliche Gleichgültigkeit, zeigt, dass die da oben nicht weniger schrullig sind als die da unten. Eigentlich, so der Grundtenor des Buches, sollte doch jeder willkommen sein, der sich für Schriftsteller interessiert?

Aber was machen die Schriftsteller von heute in dieser Kurstadt? Manchmal gibt es einen Stadtschreiber, inzwischen öfter lieber einen Stadtmusicus - denn da ist ja das Festspielhaus. Manchmal gibt es Autoren, die zu genau hinschauen, zu kritisch betrachten. Die mag man dann nicht so in der Stadt. Das Wort "Nestbeschmutzer" nimmt keiner gern in den Mund, man bleibt sauber. Und liest Jürgen Roths "Ermitteln verboten" trotzdem heimlich unter der Decke. Und dann gibt es Bücher über die Dekadenz gewisser Kurorte, die so freundlich entlarven, dass kaum einer merkt, wie der Kaiser plötzlich ohne Kleider dasteht. "Sanfte Illusionen" von Carsten Otte, der in Baden-Baden lebt, ist mehr als ein Buch über Kurstädte und ihre Dekadenz. Er zeichnet ein feines Bild moderner Sicherheitssehnsucht, die nur in der Rückwärtsgewandheit und Konservierung überleben kann.

Wenn ich in Baden-Baden bin, möchte ich immer Gustav Mahler hören, wie er gesagt hat: "Tradition ist die Bewahrung des Feuers und nicht Anbetung der Asche."

16. Januar 2008

Die ersten Rosen

Während ich so getan habe, als sei ich zu faul zum Bloggen, schwitzte ich über einer Mammutarbeit. 5000 Jahre Kulturgeschichte der Rose ... und das ist sogar leicht untertrieben, denn das Buch fängt mit einem Brontops an, dem womöglich der Geifer tropfte, als es vor einem der ersten Rosenbüsche stand. In der kurzen Atempause nach dem Lektorat habe ich jetzt ganz schnell für alle Rosenliebhaber meine schon etwas ältere Rosen-Website aufgemöbelt und endlich auch bebildert.
Und während in meinem Garten schon wieder die Rosen blühen (im Elsass ist es frühlingslau), nutze ich die Zeit bis zur Fahnenkorrektur, um ein neues Romanprojekt verkaufsfertig zu machen. Gleichzeitig recherchiere ich bereits ein neues Sachbuch an, mehr wird nur tröpfchenweise verraten...
So... und jetzt färben wir dieses Posting noch fein rosenfarben ein. So viel Kitsch muss sein.

Jetzt hätte ich doch beinahe den Stiel vergessen, der die Blüte hält, das Buch heißt "Das Buch der Rose" und erscheint pünktlich zur Arbeitssaison der Gärtner im März bei Parthas.

Anybody out there?

Sie haben einen Leser. Sagt mir mein Tracker. In alten Tagebuchzeiten hätte mich das auf die Palme gebracht und ich hätte das Vorhängeschloss an dem Ding überprüft.

Und jetzt, wo ich mal wieder beschlossen habe, ich könne doch mal wieder bloggen, um es dann mal wieder aus Zeitmangel oder weil das Vanilleeis besser schmeckt, sein zu lassen... jetzt, wo ich... wo wollte ich nur mit diesem Satz hin? So ist das mit dem öffentlichen Labern. Man macht in einer schwarzen Kiste Wörter-Striptease und dieser eine Leser schaut gemütlich zu, wie man den Faden verliert und das Gewebe aufdröselt. Vielleicht lacht er sich auch eins, weil die Autorin eigentlich gerade an Texten sitzen müsste, die für sehr viele Leser sind.

Manchmal, in seltsamen Alpträumen, stelle ich mir vor, dass es nur noch Online-Buchhändler gibt. Und da bestellt dann dieser eine virtuelle Leser, den ich hier hatte. Es ist Hupf, der robot von Gugl. Und haste nicht gesehen, schnellen die Verkäufe plötzlich hoch. Da ordert die Datenbank, die vor Drucktermin schon behauptet, dass andere Leute andere Bücher mit dem noch ungedruckten Werk gekauft haben. Es ordert der Kaufrangzähler, um mich wieder in ein gerechteres Verhältnis zum Gartengrill und der Klobürste... ach nein, den hatten wir schon...

An solchen Tagen weiß ich wieder, warum ich Bücher, also diese richtigen Dinger aus Papier und Pappe, schreibe. Auch wenn ich da nur einen einzigen Leser hätte - der wäre immerhin aus Fleisch und Blut. Der geht körperlich mit meiner Arbeit um und wirft eine irre Maschinerie aus Synapsenfeuer und Feinmotorik an. Das gibt mir ein Gefühl von Wirklichkeit.
Denn wenn mein einer Leser wüsste...
Vielleicht bloggt ja hier ein blog-robot, verdammt dazu, ständig Texte abzusondern, weil sonst die Lötstellen erweichen?

13. Januar 2008

Rezensions-Junkies

Wer die letzte Meldung aufmerksam in Linktiefen verfolgt, wird feststellen, dass es für Rezensions-Junkies neue Betätigungsfelder gibt. Man kann jetzt sehr viel mehr rezensieren als nur Bücher! Feuilleton, kümmere dich künftig um Pickelpinzetten und Grilldrahtbürsten. Auch das ist Kulturgut.

Hard Core Reading

Als Autor interessiert man sich ja hin und wieder für die Bedingungen des Buchhandels. Immer wieder spaßig ist es beispielsweise, die Margen zu vergleichen, die ein gewisser online-Buchhändler kassiert, und was der Autor pro Buch behält. Und manchmal - Autoren sind eitel - schaut man auch schon mal gern, neben wem man im Regal steht. Es soll ja Autoren geben, die nicht gern in der Nähe von Comics verkauft werden oder sich schlechte Chancen ausrechnen, wenn man sie mit dem neuesten Käsekochbuch anpreist.

All das ist Vergangenheit! Ein gewisser Online-Buchhändler hat jetzt das gute alte Tante-Emma-Laden-Prinzip wiederbelebt. Wo einst Heringe zwischen Lutschern und Toilettenpapier im Fass vor sich hin müffelten, kauft der gebildete Leser heute seine Literatur ebenfalls in abwechslungsreichem Umfeld ein. Nein, Lutscher gibt's leider für die Kids noch keine. Aber was nicht ist, kann ja noch über uns hereinbrechen.

Der Autor von heute wird präsentiert zwischen authentischen Klobürsten und allem für die Erektion. Na wenn das mal statt Lese-Orgasmus nicht ein müffelnder Abgang wird!
"Alles muss raus!" empfiehlt uns die Werbeanzeige. Klasse. Ich geh morgen raus - zum kleinen feinen Buchhändler meines Vertrauens. Real life und garantiert noch mit echter Literatur statt bedrucktem Klopapier.