Madame macht Druck

Wer wie ich im Atelier Tetebrec hauptsächlich mit Papier arbeitet, ist natürlich stets neugierig, was sich damit sonst noch alles anstellen lässt. Auch Papierperlen kann man entweder aus fertigen Papierabfällen drehen, aus edlem Geschenkpapier oder aufwändig selbst färben. Für mein Sketchbookproject und weil ich mich inzwischen auch für Künstlerbücher interessiere, teste ich gerade Druckverfahren aus - und zwar am liebsten solche der Monotypie. Bei der Monotypie wird direkt auf Druckplatten gearbeitet. Sie sind darum streng genommen auch keine Drucke, sondern echte Originale. Beim Glasdruck muss ich sehr zeichnerisch arbeiten und bin technisch reichlich begrenzt, also habe ich nach etwas "Wilderem" gesucht und bin zum Gelatinedruck gekommen. Den will ich hier zeigen und erklären. Die kleineren Bilder sind durch Anklicken vergrößerbar.

Mischtechniken im Gelatinedruckverfahren (c) by Petra van Cronenburg

Was braucht man für den Gelatinedruck?

  • Eine Gelatinedruckplatte
  • Farben: nicht zu schnell trocknend, Wasser- oder Aquarellfarben aus der Tube / Flasche, letztere evtl. mit Retardiermittel
  • Papier: glatte Oberflächen nehmen den Druck ohne Struktur auf, eine gewisse Dicke sollte wegen der wässrigen Eigenschaften vorhanden sein. Aber auch Pergamentpapier lässt sich bedrucken, wenn man die Farben nicht zu nass aufbringt (es wellt sich leicht). Weiß verändert die Farben natürlich nicht, man kann aber auch farbiges Papier in die Gestaltung einbeziehen.
  • Nicht kratzende Gegenstände zum Erzeugen von Zeichen / Strukturen: Grobe Wellpappe, Bubble-Folie, Plastikdeckel, Pflanzenteile, Schablonen, Textilgeflecht etc.
  • Stempel und alle Gegenstände, die stempeln können und nicht kratzen.
  • Eine Gummiwalze wie für den Linoldruck
  • Ein großes Blatt Papier oder Karton zum Sauberfahren der Walze
Auf Pergamentpapier bekommt der Druck etwas Durchscheinendes wie Glasmalerei. Ich verwende diesen Untergrund, um später Collagen damit auf Papier zu kleben, weil unterschiedliche Schichten durchscheinen. (c) by Petra van Cronenburg
Die Druckplatten kann man, synthetisch hergestellt, zu teils stolzen Preisen kaufen. Man kann sie aber auch ganz einfach selbst herstellen, sofern man an zwei Zutaten kommt: Gelatine und flüssiges Glyzerin (keine Stücke für Seifen!). Der Verkauf von letzterem ist von Land zu Land unterschiedlich, in Frankreich gibt es die Fläschchen in jedem Supermarkt bei der "Parapharmacie" und man müsste in jeder Apotheke fündig werden oder im Internet. Ich habe mich bei den Rezepturen durch viele, auch schlechte Rezepturen durchgewühlt und bin dann bei zweien hängengeblieben: Der feinen Videoanleitung von Lindsay Weirich alias "The Frugal Crafter" und dem bei ihr genannten australischen Rezept. Beide benutzen Gelatinepulver, weil es sich leichter abwiegen lässt, dazu später mehr.

Je nach angewandten Techniken ist das Ergebnis eher grafisch betont ...
... oder eher malerisch. (c) by Petra van Cronenburg

Die amerikanischen Maße umgerechnet, komme ich bei Lindsay auf 711 ml Wasser zu 711 ml Glyzerin und 12 TL Gelatinepulver, was - nach einiger Rechnerei, etwa 28 g entspricht. Auf diese Menge kann man auch 2 TL Zucker zugeben. (In ihrem Blog nimmt sie die Hälfte von allem, im Video alles).
Das australische Rezept nutzt weniger Wasser: 120 ml Wasser zu 200 ml Glyzerin und 35 g Gelatine plus 51 g Zucker. Das ergibt eine Platte von ca. 16 cm auf 16 cm.

Um mein eigenes Rezept zu entwickeln, habe ich mich erst einmal mit der Chemie beschäftigt. Wozu sind die Zutaten überhaupt gut? Worauf muss ich achten?

Tipp: Beim Gelatinedruck das Papier größer wählen als die Platte oder Papier unterlegen - denn beim Mark Making sehen Muster schöner und vor allem natürlicher verteilt aus, wenn man über den Rand hinaus arbeitet. Später kann man das auch beschneiden. (c) by Petra van Cronenburg

Mein Rezept für eine Druckplatte

Vorbereitungen:

Gelatine ist der Hauptbestandteil, damit die Druckplatte nachgibt und nicht rigide ist wie Glas. Glyzerin hält sie geschmeidig, beweglich und biegsam. Beide Stoffe zusammen bilden wohl so etwas wie natürliche Polymere - das Endergebnis hat nicht nur etwas Weichplastikartiges, sondern ist auch haltbar! Der Zucker sorgt für einen pH-Wert, der das ganze stabiler hält. Manche geben nun noch 70%igen Alkohol beim Kochen zu, weil das angeblich vor Schimmel und Fäulnis schützt.

Aber das ist Unsinn, weil der Alkohol beim Köcheln fast vollständig verdampft. Er macht im Gegenteil die Mischung fast zu flüssig und sorgt eigentlich nur dafür, dass sich nicht zu viele Blasen bilden beim Rühren. Da gibt's einen viel besseren Trick: Vor dem Erkalten in der Form Alkohol dünn aufsprühen oder mit einem Blatt Zeitung leicht über die Oberfläche ziehen. Wer Angst vor Schimmel u. ä. hat: Ein paar Tropfen Thymian- oder Zimtessenz in die Mischung, aber erst kurz vor dem Einfüllen in die Form. Alles andere macht die perfekte Lagerung: Nicht so abgeschlossen, dass sich Schwitzwasser bildet, Luft muss noch ran. Ich lagere meine Platte zwischen Pergamentpapier im Atelier. Und wenn etwas schiefgeht: einfach eine neue köcheln! Laut Lindsay braucht man nicht mal neues Material - man köchelt einfach die alte Platte neu auf und siebt dabei aber unbedingt Farbreste ab! Ob das wirklich klappt, weiß ich allerdings nicht - ich kann mir mit der Zeit Materialermüdung vorstellen.

Nicht ganz so einfach war das Aufspüren einer Form - deren Boden sollte absolut plan sein und sie bestimmt die Größe der Druckplatte. Aus Glas bekommt man sie am einfachsten heraus - aber so viele Glasformen im Haushalt haben innen einen erhabenen Stempel oder Strukturen ...

Je glatter das Papier, desto "aufgesetzter" wirken Farben. So lassen sich vor allem im Mehrschichtdruck schöne Strukturen schaffen. Aber aufgepasst - billige oder überalterte Farben splittern dann auch gern mal ab. (c) Petra van Cronenburg
Ein Wort zur Gelatine: 

Die gute alte Schweinegelatine funktioniert am besten. Veganer fragen immer nach Ersatzstoffen: Es ist prinzipiell möglich, solche Platten aus Agar Agar zu gießen, aber sie werden nicht so haltbar wie aus Gelatine und von der Struktur her brüchiger, habe ich mir sagen lassen. Selbst probiert habe ich es noch nicht, weil Agar-Agar hier sehr teuer ist. Vielleicht sollte man dann doch lieber zur gekauften synthetischen Platte tendieren? Für mein Rezept hatte ich nicht genügend Zutaten im Haus, also nur eine kleinere Platte gefertigt. Das Doppelte müsste für eine große Platte reichen.

Ich habe vom Hersteller beider Produkte (Gelatine und Agar Agar) eine Umrechnungsformel:
In Sachen Gelatinierfähigkeit entsprechen sich 6 g Gelatinepulver = 3 Bögen Gelatine = 2 g Agar Agar

Für eine Gelatineplatte von 18,5 cm x 9 cm und ca. 0,5-0,7 cm Dicke nutzte ich:

8 Bögen Gelatine
50 ml Glyzerin
ca. 50 ml Wasser
1 TL weißer Zucker
ca. 5 Trpf. Thymianessenz

Viele klagen, ihre Platten würden nicht richtig fest - aber sie verwenden enorm viel Wasser. Ich habe deshalb die Gelatineblätter kleingerissen und nur in einem absoluten Minimum an kaltem Wasser aufgelöst. Man muss öfter mit dem Finger rühren, damit alles benetzt wird und zum Schluss evtl noch etwas auftröpfeln. Ich würde also raten: Wasser zum Quellen nur tropfenweise zuführen und dabei mit dem Finger rühren, bis man das Gefühl hat, es reicht zum Quellen, ohne dass das Ganze dann schwimmt.

Das Glyzerin verrührt man mit dem Zucker. Alles zusammen gibt man in einen Topf und erwärmt die Mischung vorsichtig unter Rühren, bis sich die Gelatine langsam verflüssigt und der Zucker gut auflöst. Es darf nicht kochen, aber auch nicht zu kühl sein. Im Gegensatz zum Gelatinekochen für die normale Küche hat man hier eine zähe, schleimartige Masse, die sich beim Rühren zu einem Bollen um den Kochlöffel formt. Zieht man ihn zurück, breitet sich die Masse wieder aus - Kochphysik.

Man spült eine Form mit sehr kaltem Wasser kurz aus (dann bekommt man die Platte später besser raus). Rührt die Masse nochmal kurz durch und füllt sie sofort in die Form. Erkalten lassen und dann nochmal für Stunden, am besten über Nacht, in den Kühlschrank. Fertig! Um die Druckplatte nicht zu verletzen, fährt man mit einem spitzen Messer unter eine Ecke und hebt sie vorsichtig hoch. Man geht mit dem Finger drunter und kann die gesamte Platte leicht aus der Form holen, wenn man diese dabei kopfunter hält. Es kann losgehen!

Die Amerikaner nennen das Verfahren "gelli printing" - unter diesem Stichwort kann man bei youtubes in Tutorials schier ersaufen. Ich halte meine Erläuterungen zur Technik darum nur kurz.

Für dieses Stück wurde die Druckplatte nicht vollständig mit Farbe bedeckt, so entstehen die Leerstellen. Zum Schluss wurde der Druck gestempelt. (c) Petra van Cronenburg

Das Druckverfahren:

Auf der Platte entsteht das Originalbild. Durch mehrere Druckvorgänge hintereinander kann man unterschiedliche Schichten kombinieren (ähnlich wie beim Linol- oder Holzdruck). Gemischt werden die Farben ebenfalls direkt auf der Platte durchs Walzen - ich benutze deshalb nur die Grundfarben, Schwarz und Deckweiß. Die Farben werden direkt aus der Tube auf die Platte gegeben und mit der Walze verteilt. Je öfter man walzt, desto mehr mischen sie sich. Der Überraschungseffekt macht den Reiz aus. Die Walze dann sofort auf Pappe oder Papier sauberwalzen!

Es gibt unzählige Möglichkeiten und Techniken - ich möchte dazu ermuntern, wild zu experimentieren und sich nicht den Kopf mit zu vielen Anleitungen zu beschweren. An Gegenständen ist alles erlaubt, was die Oberfläche der Druckplatte nicht schädigt. Spannend ist dabei, dass ein Gegenstand immer doppelt wirkt: Drücke ich z.B. eine grobe Wellpappe auf die Platte, nimmt sie Farbe weg im Bild. Ich kann sie aber auch sofort - auf einem bereits erfolgten Druck - als Stempel benutzen und erhalte Streifen. Ich arbeite deshalb an mehreren Drucken gleichzeitig: Mit dem, was ich von der Druckplatte nehme, bestempele ich andere Bilder. Ich benutze hier auch Plastikdeckel von Verpackungen für Ringe, Pflanzenteile und sogar meine Finger. Das muss aber schnell gehen, denn für den Druck muss die Farbe durchgehend feucht sein! Und genauso kann man natürlich auch mit Gummistempeln arbeiten!

Eine andere Technik ist das Aussparen von Formen. Ich kann dabei recht löchrige Strukturen auf die eingefärbte Platte legen (ich verwende z.B. Mullkompressen, die ich vorher zerre und auch durchlöchere). Aber auch Schablonen, Blätter, Blüten, Scherenschnitte etc. Ich kann aber auch mit einem nassen Finger Linien und Formen in die Farbe ziehen!

Es wird dann schnell das Blatt Papier auf die Druckplatte gelegt, Oberseite nach unten. Mit den Fingern fährt man mit leichtem Druck möglichst schnell kreuz und quer übers Papier, damit es überall in Kontakt mit der Druckplatte kommt. Dann das Papier vorsichtig und schnell abziehen und zum Trocknen weglegen. Nach dem Trocknen lässt es sich weiter verarbeiten.

Je nach Farbdicke entstehen übrigens immer mindestens zwei Drucke, bis die Druckplatte wieder durchsichtig ist. Das Original und der sogenannte "Geisterdruck". Wenn man Glück hat, reicht es sogar für mehrere, die sich stets stark voneinander unterscheiden. Man produziert also immer Unikate.

Das war es auch schon - ich wünsche viel Freude und kreatives Werkeln mit dem Verfahren, das sich übrigens auch hervorragend mit Kindern ausprobieren lässt. Aber Achtung: die Druckplatten sind selbstverständlich nicht zum Verzehr geeignet, für Haustiere kann das sogar gefährlich werden!
Ich werde einige dieser Blätter ganz sicher für Künstlerbücher benutzen, aber auch für Collagen-Bilder. Beides werde ich hoffentlich bald zusätzlich zu meinem Papierschmuck in meinem Etsy-Shop anbieten können. Und wenn euch das gefallen hat, freue ich mich übers Liken meines Shops bei Etsy - dann werdet ihr automatisch informiert, wenn Neues zu haben ist!

Hier kann man die Effekte von Mullkompressen, ethnischem Stempel und Blasenfolie sehen. (c) Petra van Cronenburg
Mullkompressen, Wellpappe und die eigenen Finger - mehr braucht es nicht. (c) Petra van Cronenburg
Einer der frühesten Versuche: So sieht es aus, wenn man einfach mit einem fertigen Stempel auf einer diffusen Farbfläche arbeitet, ohne Druckschichten zu kombinieren. (c) Petra van Cronenburg
Und was ich sonst so als Papierkünstlerin treibe, kann man in diesem Interview erfahren oder auf meiner Website sehen! Und natürlich freue ich mich über jede Spende in die Kaffeekasse - siehe rechts im Menu, danke!

2 Kommentare:

  1. Alle Achtung, da hast du dich mal wieder gründlich in ein Thema eingegraben :-) Geliprinting kenn ich, und mit deinem Rezept werd ich dann auch mal eine dauerhafte Platte köcheln. Aber mit einer Platte nur aus Gelatine kommt man auch weit, solange man sie kühl lagert.

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    1. Das ist ein guter Tipp, danke Sewsanne, denn ich hab nicht mehr genügend Glyzerin da. Die Glyzerinplatte hat halt den Vorteil, dass sie im Atelierhaltbar ist, sie will nur ab und zu mal mit Wasser bestrichen werden, wenn die Oberfläche zu sehr abtrocknet. Dann "trinkt" sie ...
      Das mit dem Eingraben läuft bei mir unter Fortbildung. Ich zahle jeden Monat Fortbildungsabgabe, da muss ich mir doch auch mal kostenlos Wissen aneignen ;-)

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