Houellebecq lesen (1)

Nein, nein, nein, ich lese die Gattung dieser Hype-Bücher nicht, diese von gut bezahlten PR-Agenturen künstlich hochgepuschten Bestseller, die sich doch nur so gut verkaufen, weil da mal wieder einer oder eine (meist ist es einer) auf Randale macht, Skandal verspricht. Es ist doch ein offenes Geheimnis in der Buchbranche, dass zum Erfolg eines Buchs gern eines verhilft: Polarisierung. Je mehr Menschen sich über ein Buch streiten, desto lauter und öfter werden sein Titel, sein Autor genannt. Irgendwann ist der Punkt erreicht, wo auch die letzten es einfach nur haben wollen, um "in" zu sein und mitreden zu können. Da stehen sie dann im Regal, die ungelesenen Bestseller, die auch so gutes Geld einbringen - und werden irgendwann verschämt entsorgt, wenn der nächste Provokateur ein paar hundert Seiten gefüllt hat.

So oder so ähnlich konnte man mich schon oft sprechen hören. Sollte ich dieses Buch wirklich kaufen, nur weil ganz Frankreich davon zu sprechen schien? Houellebecqs Bücher polarisieren auch mich: Einige finde ich schlicht brillant, wie sie die heutige Gesellschaft in gewissen Zuständen entlarven - auch sprachlich wunderbar. Mit anderen kann ich gar nichts anfangen und bin gelangweilt, weil Monsieur H., wie ihn manche nennen, sich nur allzu gern am eigenen Versatzstückkasten bedient, sprich, seine Marotten hat. Marotten bergen die Gefahr, zu Manierismen zu werden. Seine Sexszenen sind außerdem nicht jedermanns Sache, für sein Frauenbild wird er von manchen regelrecht angefeindet. Aber das Chamäleon der perfekten Selbstinszenierung hält vielleicht auch hier nur einen Spiegel vor. Ist es H., der Autor, der so denkt? Oder tut H. einfach nur wie seine frauenfeindlichen Protagonisten, um die marode Männerwelt zu entlarven? Man darf sich nie allzu sicher sein bei seinen Büchern. Bei seinen Aussagen gar nicht, denn Schriftstellerei und Selbstinszenierung verschmelzen in seinem Leben.

Gesehen habe ich ihn dann in den Nachrichten von FR2. Da saß er still und verschlossen wie eine alternde Sphinx, der Entertainer, der sonst so gesprächig sein kann. Keine Lust gehabt? Wurden die falschen Fragen gestellt? H. wirkte ein wenig zickig, aber er sprach sozusagen in Subtexten. Interessant war, wozu er nichts sagte und wo er die unerwarteten Antworten gab. Zugegeben, das reizte meine Neugier.

Inzwischen ist Houellebecq aufgrund der Terroranschläge von Paris abgetaucht. Einer seiner engen persönlichen Freunde wurde dabei ermordet, sein Verlag Flammarion steht unter besonderem Polizeischutz. Man wird heutzutage nicht nur für Karikaturen bedroht. Und das macht es unmöglich, das Buch so unbefangen zu lesen wie vor dem Anschlag. Es erhitzt viele Gemüter, die es nicht einmal gelesen haben. Ich bin neugierig von Beruf, als Feuilletonistin und ehemalige Literaturkriterin sowieso. Ich will es wissen.

Sehr misstrauisch und sehr kritisch habe ich mir zuerst die Kindle-Leseprobe heruntergeladen. Und war erstaunt: Das liest sich sprachlich wie inhaltlich fast zu brillant, um wahr zu sein. Wird er dieses Niveau für den Rest des Buchs durchhalten können? Oder sackt er ab in Wiederholungen seines bekannten Baukastens, wie manche Kritiker finden? Zwei Dinge werden auf den ersten Seiten schnell klar:
1. Es lohnt sich eine Beschäftigung mit Joris-Karl Huysmans, jenem Schriftsteller der Dekadenz des 19. Jahrhunderts (Wikipedia), der sich als Freigeist mit kontroversen Themen bis hin zum Satanismus beschäftigte und sich dann fromm zum Katholizismus bekehrte. Houellebecqs Protagonist beschäftigt sich mit ihm und es wird da sicher Anspielungen und Querverweise geben. Denn H. und H. - die gehören nicht nur bei diesem Roman zusammen.
2. Der Roman überrascht vor allem deshalb, weil er nichts von dem zu bringen scheint, was die PR-Maschinerie in den Mittelpunkt geschrieben hat. Noch ist es zu früh, etwas darüber zu sagen, ob das wirklich das ach so böse Buch gegen den Islam sei, wie manche behaupten. Es könnte auch ganz anders kommen.

Ich "befürchte" nur eines = würde mich freuen: Dass es ein typischer Houellebecq geworden ist, ein Roman, der all diejenigen Lügen straft, die etwas zu ihren Gunsten hineingeheimnissen wollen. Weil er sie alle - scharfe Kritiker wie Jubler - an der Nase herumführt. Der Roman hat den Autor durch die Ereignisse der letzten Woche tragisch überrollt, weil er ein Gespür für unsere Befindlichkeit entwickelt hat, für das Thema unserer Zeit, bevor es ganz reif ist. Mehr ist noch nicht zu sagen ... außer, dass er sich recht trocken-lakonisch im Stil anlässt, so gar nicht satirisch. Die Satire mag eher im völlig unmöglichen Plot liegen.
Ich will diesmal keine Rezension *nach* dem Lesen schreiben, sondern kurze Zwischenberichte aus dem Lesekämmerchen geben, wenn mir danach ist, falls mir danach ist, in loser Folge. Demnächst, hier in diesem Theater ...

zu Teil 2

2 Kommentare:

  1. Dann bin ich gespannt. Ich hatte mich sehr auf dieses Buch gefreut, bin aber leider ziemlich enttäuscht. Kann sein das mir Hintergrundwissen fehlt. Zumindest hat es mein Interesse geweckt es mit noch einem Buch zu versuchen. Ich bin sehr gespannt auf deine Beiträge zu diesem Buch. LG Xeniana

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  2. Ich bin selbst gespannt, Xeniana!
    Und ich freue mich, wenn andere ihre Meinungen in Kommentaren posten, dann haben wir eine Vielfalt. Jetzt werde ich erst mal gemütlich lesen ...

    PS: Nur bitte keine Spoiler - ich versuche auch, nicht zuviel zu verraten! :-)

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