Wow, dieses Feeling!

Es ist ein unbeschreibliches Gefühl! Heute habe ich eine zweistündige Bergwanderung mit meinem Hund gebraucht, um mich wieder einigermaßen zu erden - aber der freie Blick von den Vogesen auf die Hornisgrinde im Schwarzwald war dann auch eher wie Fliegen ... und gestern kam das Feiern gerade richtig. Vaslav Nijinsky und Sergej Diaghilew hatten zwar französischen Champagner getrunken, aber ich besorgte mir doch das passende Gesöff zum Buch und ein paar russische Köstlichkeiten. Der Blick in den Nachthimmel von oben war dann gigantisch - alle Orte nutzten irgendeine Regenpause, um das schönste und prächtigste Feuerwerk neben Sylvester abzufackeln. Entlang der Berghänge donnerte es, als würden die Revolutionstruppen einmarschieren - stattdessen stiegen überall am Horizont bunte Glitzersträuße in den Himmel. Gefeiert wurde natürlich der französische Nationalfeiertag heute - aber ich habe das frech als angemessenes Ambiente zum Buchbegießen benutzt.


Es ist komisch - ich hatte noch nie ein so starkes Gefühl bei einem Buch, höchstens beim Erstling, aber das war auch anders. Nebenher schwirrt mir der Kopf, so viele Texte sind noch hinauszuschicken, Mails zu schreiben, Kontakte zu knüpfen, Daten irgendwohin zu schieben. Dann ruft mich meine Freundin an, mein Buchpaket mit den Vorabexemplaren sei da - ich habe es mir nach Deutschland schicken lassen, damit es schneller geht. Mit roten Backen und ganz aufgeregt werde ich dem Päckchen entgegenfahren - "Faszination Nijinsky" ist wirklich ein greifbares Buch geworden! Fast schaffe ich die Glückwünsche bei Twitter und Facebook nicht mehr - so viele liebe Leute verbreiten die Kunde fleißig, so viel geschieht...

Warum habe ich dieses absolute High-Gefühl nie derart bei einem anderen Buch gehabt? Weil da andere über die Form bestimmten? Weil ich "nur" einen Text  abgab und dann einfach zuschauen musste, was andere damit veranstalteten? Weil ich das Gefühl hatte, nur ein Rädchen in einem Getriebe zu sein und nicht die Urheberin, ohne die es das Buch gar nicht gäbe?

Sicher spielt das eine Rolle. Ich bin von vorn bis hinten für das Projekt selbst verantwortlich. Wenn jemand damit scheitern sollte, bin ich das. Wenn jemand Mist gebaut haben sollte, geht das auf meine Kappe. Wenn das Projekt jemanden ruinieren könnte, dann nur mich. - Aber genau das ergibt noch ein ganz anderes Gefühl. Ich habe nicht einfach "meinen Teil" beigetragen. Ich habe ein richtiges "Kunstwerk" projektiert - von Anfang bis zum Publikum. Nicht dass ich behaupten möchte, dass es auch ein Kunstwerk geworden ist, aber es ist zum ersten Mal wirklich ein "Werk". Wenigstens ein "Werkelchen". Das macht stolz nach der harten Arbeit. Und es holt mich aus der Bittstellerhaltung heraus, in der wir Autoren so gern versacken. Ich habe gelernt, wie man eine Idee umsetzt und eine Vision in die Realität holt. Ich habe gelernt, ganz andere Fragen zu stellen als die altbekannte: "Wer mag meine Idee?" Diese unbändige Freiheit - gekoppelt an eine Art künstlerisches Unternehmertum, macht gewiss einen Großteil dieses Gefühls aus.

Aber es kommt nicht von alldem alleine. Es kommt von den Menschen und ähnelt vielleicht deshalb ein wenig dem Gefühl auf der Bühne, wenn man einen gigantischen Applaus bekommt. Dieses Gefühl vermittelt einem kein Bücherkarton der Welt, kein Lob aus dem Lektorat, kein Eintrag bei Amazon. Man bekommt es nur von Menschen, etwa bei Lesungen, bei Auftritten ...

Es ist schwer zu beschreiben - denn man selbst ist in dem Moment vollkommen versunken und verschmolzen mit dem eigenen Sujet, im wahren Wortsinne be-geistert. Und dann gibt es diesen magischen Moment, wo die Begeisterung überspringt auf andere Menschen wie ein Funke.

Man kann das nicht mit Worten erreichen und schon gar nicht mit Worten planen. Man kann es auch nicht wirklich lernen, obwohl die großen Gurus der schriftstellerischen Baukastensysteme das gern behaupten. Man kann es sich nicht einmal vornehmen. Und wenn man es plötzlich erreicht, wird einem der eigene Text zum Wunder: Womit habe ich das geschafft, dass sich jemand für Nijinsky interessiert? Da sind doch nur Substantive, Verben, Adjektive, lauter Wörter und Satzzeichen? Warum springt da plötzlich ein Funke über?

Es ist einfach gigantisch, was da plötzlich alles passiert, womit ich nie gerechnet hätte. Heute morgen finde ich die Nachricht über einen Buchtrailer für mich in der Mailbox, ich bekomme beim Anschauen Gänsehaut und bemerke dazu, dass es womöglich wegen der Musikrechte Probleme geben könnte ... Nein, das sei eine Eigenkomposition. Ich bin überwältigt. Und zu einem Essen eingeladen, mit haargenau den gleichen Leuten, die mir vor fast genau einem Jahr Mut machten, dieses Projekt überhaupt zu wagen. Kurz zuvor hatte ich das Schreiben überhaupt aufgeben wollen - jetzt kann ich ihnen mein Buch in die Hand drücken und mich bedanken, dass sie mich vor dieser Dummheit bewahrt haben. Woanders strecken hilfreiche Geister ihre Fühler in Richtung Russland und einer Veranstaltung.

Es kommt auch die Frage, ob ich an den Versuch einer polnischen Lizenz gedacht und wenigstens den Klappentext auf Polnisch hätte, schließlich sei der polnischstämmige Nijinsky als Dreijähriger im Teatr Wielki in Warschau auf der Bühne herumgehüpft? Nein, an Lizenzen habe ich im Traum nicht gedacht - das ist auch bei sehr großen Verlagsprojekten eher die Kür ... Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt? Irgendwann, irgendwie muss also ein polnischer Bewerbungstext her. Heute überholt eine Buchhändlerin plötzlich alle auf der rechten Spur. Noch ist die Sortimentsmeldung nicht durch, da hat sie schon Exemplare beim Verlag bestellt: "Faszination Nijinsky" kann man also bald in der wunderbaren Schiller Buchhandlung in der Ballettstadt Stuttgart kaufen! (Sie kann sich hiermit als weltweit erste Buchhandlung bezeichnen, die das Buch führt!)

Das ist genau das, was diesmal anders ist. Ich fühle mich von allen Seiten so reich beschenkt. Niemand von diesen Menschen müsste tun, was sie tun. Keiner wird dafür bezahlt. Sie machen es freiwillig, von sich aus, aus Begeisterung für Nijinsky, für die Ballets Russes. Begeisterung für etwas, das schon hundert Jahre alt ist - und angeblich heute nur noch ein klitzekleines Spezialpublikum interessieren könnte.

Diese Begeisterung von außen hat mir in den letzten Jahren so sehr gefehlt, dass ich zwischenzeitlich ernsthaft an meiner Berufung zweifelte. Nicht, dass sie aufgrund meiner Bücher nicht bei dem ein oder anderen Leser dagewesen wäre. Aber außer bei Lesungen habe ich das ja nicht mitbekommen, nicht gespürt. Ich gab mein Manuskript ab, setzte mich mit Änderungen und Korrekturen auseinander, korrigierte Fahnen und hörte so etwas Ähnliches wie "nettes Manuskript", "feines Buch". Manchmal durfte ich antworten: "nettes Cover", "feiner Titel" - aber das war nur Formsache, weil Autoren da nie Mitsprache haben. Wer die Branche kennt, der weiß, dass auch die Frage nach Abverkäufen keine Lobeshymnen verursacht - man will ja das Honorar beim nächsten Mal nicht ins Kraut schießen lassen. Ich arbeitete wie unter einer Glasglocke, in einer gut geölten Maschinerie. Die wahrscheinlich um Längen besser verkauft, aber auch nicht immer den Spaß bringt.

Solch ein Umbruch hat natürlich Folgen. Ich habe seit Jahren eine Idee in der Schublade, von der ich sicher bin, dass sie die Menschen ebenfalls begeistern wird, zumal sie obendrein wieder hochaktuell ist. Es gibt sogar Berührungspunkte zur Avantgarde im Nijinsky-Buch ... Es ist ein Stoff, den ich nie aus der Schublade geholt habe, weil ich wusste, dass Verlage solche schrägen Themen gar nicht erst anfassen. Und die Verlage, die früher so etwas machten, sind inzwischen alle der Marktkonzentration oder Themenglättung zum Opfer gefallen. Oder ich kenne noch nicht die richtigen. Jetzt gibt es aber auch noch mehr technische Möglichkeiten - das Thema könnte man multimedial anpacken. Nur finanziell ist es zu aufwändig für eine kleine Autorin, wollte man es ausreichend bebildern und bestücken.

Meine Fragestellung hat sich geändert. Nicht: "In welches Verlagsprogramm könnte das passen oder wie könnte ich es passend machen?" Sondern: "Wie und wo finde ich interessierte Partner, die sich für das Thema begeistern können - so wie es ist?" Das darf gern ein Verlag sein. Aber auch ein App-Entwickler oder sonstwer. Das kann über Crowdfunding gehen und über Crowdsourcing. Oder ganz andere Wege. Es könnte zu einem Mitmach-Projekt werden.
Herrliche Zeiten! Schluss mit Schublade.

7 Kommentare:

  1. Ich freu mich mit Dir....ich freu mich mit Dir....ich freu mich mit Dir..ich freu mich mit Dir....ich freu mich mit Dir...ich freu mich....

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  2. Ich geh heut meine Bücher holen ... ich geh heut meine Bücher holen ... Ich geh heut meine Bücher holen ... ich geh heut meine Bücher holen ... und hab richtig Schiss, dass irgendein Unfall passiert sein könnte...

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  3. Ich weiß nicht, ob das auf jedem Bildschirm so rauskommt, aber ich hab grad auf meinem mit den Pünktchen eine typografische Gasse gebastelt, durch die der Leser auf den letzten Satz fällt. Autsch.

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  4. Sabine Kanzler15/7/11 13:43

    Ich geh heut Dein Buch bestellen - nicht über den Verlag, sondern über den Buchladen, in dem ich regelmäßig kaufe. Dann haben die es schon mal gesehen und wahrgenommen, wenn ich es abhole.

    Meinste, so was hilft?

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  5. Ganz, ganz herzlichen Glückwunsch, Petra! Das klingt so mitreißend, dass ich gern an deiner Stelle auf dem Berg mit dem Feuerwerk überall gewesen wäre! Es ist, als hätte alles in dir auf diesen Augenblick hingearbeitet.

    Herzlichst
    Christa

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  6. Liebe Sabine,
    natürlich hilft das :-) Warte vielleicht noch ein paar Tage - bei Libri ist das Buch zwar schon durch, aber die anderen Sortimente brauchen noch etwas - und je nachdem, bei welchem dein Buchhändler einkauft, bekommt er es dann vielleicht nicht auf den Schirm. Man kann das bei der Book2Look-Leseprobe rechts ganz gut sehen...
    Und merci vielmohls!

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  7. Ja, liebe Christa, so ein Projekt ist wie Marathonlaufen, vor allem, wenn sich zwischendurch alles gegen die Idee verschworen zu haben scheint. Allerdings ist der Effekt danach auch ähnlich - nach dem großen Adrenalinrausch möchte ich nur noch schlafen...
    Herzlichst,
    Petra

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