Ich werd' zum Hirsch

Heute ist ein Tag, wie man ihn normalerweise vor der Öffentlichkeit versteckt. Die Profis und die Perfekten könnten sich ja womöglich krummlachen, wenn ich plötzlich nach der vollautomatischen Felsbeißerwumme giere, die ich im letzten Beitrag erfunden habe. Ich werde zum Hirsch!

Noch bin ich nur ein Rindvieh...
Zum Glück habe ich in vorletzter Sekunde noch einmal eine "echte" Verlegerin gefragt (Bücherfrauen, wenn ich euch nicht hätte!), ob mein Satzspiegel gewisse Grundvoraussetzungen erfüllt. Haarscharf, rasiermesserhaarscharf stimmt er. Weil ich aber eher von der vorsichtigen Truppe bin, zumal ich beim Bedrucken und Schneiden ja nicht dabei bin, habe ich beschlossen, zwei Millimeter Sicherheitszone einzuplanen. Und dann ging der Spaß von Neuem los. Neue niedliche Hurenkinder, freche Schusterjungen und tatsächlich noch jede Menge laut kichernder Fehler. Letzteres darf eigentlich gar nicht wahr sein, denn das Buch wurde von einem Profi lektoriert, von zwei Fachleuten gegengelesen und von der Autorin dann noch mehrmals schier tot korrigiert. Und sie alle haben die gleichen Fehler übersehen! So viel zur Wichtigkeit eines hochprofessionellen Lektorats! Wie fehlerhaft wäre das Buch ohne dieses Durchforsten!

Merke außerdem: Tausche nie in letzter Sekunde ein Foto aus. Das hat zwar - irgendwo gegen Ende des Buchs - geklappt, aber plötzlich war der Schmutztitel auf Seite 3 komplett verschwunden. Wusch, wie von Gundel Gaukeley weggezaubert. Ich weiß bis jetzt noch nicht, wo genau er spazierenging. Irgendwie war er drei Änderungen weiter nämlich plötzlich wieder da. Wunder der Technik. Merke: Extrem fleißig Back-ups machen und am besten unterschiedliche Phasen getrennt abspeichern!

Aber da wartete noch eine böse Überraschung. Meine winzigen zwei Millimeter vermehrten das Buch wundersam um zwei Seiten. Kein Problem bei reinen Textbüchern. Aber weil ich die Fotos quer durchs Buch anordne, muss jetzt Kapitel 4 dran glauben. Es fängt nicht wie die anderen auf einer rechten Seite an! Die pure Katastrophe für eine Perfektionistin wie mich. Und das, wo es sich bei der einen Seite nur um eine halbe handelt! Normalerweise kann man tricksen. Entweder müsste man sie wegkürzen oder mehr als eine halbe Seite dazuschreiben. Letzteres fällt aufgrund des gefeilten Texts absolut flach. Ersteres ist auch mit den besten Schiebetricks nicht zu schaffen. Vierzehn Zeilen, die mir das Leben zur Layouterhölle machen. Das sind die Momente, wo ich bei der Fahnenkorrektur im Frauenroman gesagt hätte: Pfeifen wir drauf, raus mit dem Kram, eh alles nur Blähtext, weg und weg und weg. Doch dieser Text ist bereits aufs Äußerste filetiert. Zwölf Zeilen könnte ich mit einem ganz miesen Trick schaffen, den jeder Setzer, jeder Layouter sofort erkennen würde. Und deshalb tu ich's nicht. Und fluche.

Es wird gehen müssen. Aber zuvor muss ich berechnen, ob mir das gleiche Wunder nicht später noch blüht. Nur ... mit dem Rechnen ist das so eine Sache. Vorhin wollte ich etwas im Duden nachschlagen. Und habe nicht bemerkt, dass ich im Englischwörterbuch las.
Ich muss auch etwas anderes einrechnen: So sehr viel dicker darf mein Buch nicht werden. Das Cover ist nämlich längst fertig. Feinst berechnet auf die Papierstärke jeder einzelnen Seite plus Deckel.

Merke: Nimm den Mund nicht zu früh zu voll. Erzähle nie, du müsstest eine Datei nur noch in ein pdf umwandeln. Auf dem Weg dahin können die schönsten Katastrophen passieren.

Merke außerdem: Der Satzspiegel für ein Buch mit Abbildungen, zumal ohne Profisoftware, ist eine elende Frickelei, hässliche Mathematik und Arbeit mit Augenmaß bis zum Überlaufen derselben. Nie, aber auch nie wieder Dagoberts Geiz beim Programm - es endet in Donald'scher Maloche!

PS: Die Danksagungsliste im Buch wird auch immer länger.

PPS: Morgen aber! Wär doch gelacht.

PPPS: Was strenge ich mich eigentlich so an, wo man doch heute ganz einfach und ohne große Kenntnisse Bücher produzieren kann?

2 Kommentare:

  1. Ich sage mal: Das Wichtigste wäre, dass du keine Fotos verwendest, auf die einer Anspruch hat, also deren Rechte zum Abdruck nicht bei dir liegen. Das könnte teuer und unangenehm werden. Ansonsten macht man sich zumeist zu viele Gedanken. Klar, man möchte auch das tollste und schönste Buch produzieren, kein Mittelmaß.

    Na, ich drück die Daumen, dass die Chose glatt über die Bühne läuft. Ein paar graue Haare, die sind übrigens im Preis inbegriffen ;-)

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  2. Lieber Richard,
    zu meinem Brotberuf gehört es u.a., für andere Leute (Verlage, Redaktionen, Organisationen etc.) Fotomaterial und Fotorechte zu recherchieren. Ich hoffe doch, dass ich das für mich selbst genauso auf die Reihe bekomme ;-) Keine Angst, da bin ich auch die Überkrittliche, die im Ernstfall sogar den Urheberrechtsanwalt befragt. Das ist also gar nicht das Problem.

    Das Problem: Jedes Kapitel beginnt mit einem Foto und jedes Kapitel muss (meiner derzeitigen Meinung nach) auf einer rechten Seite beginnen, damit das wirkt. Irgendwo dazwischen gibt's eine Fotoserie. Wenn plötzlich Kapitel drei länger wird ... na, du kannst es dir ausrechnen.

    Ich bin natürlich selbst schuld. Ich hätte das so machen können wie die meisten Verlage, die einfach alle Fotos auf einmal in einen Block klatschen. Ich war in Mathe einfach noch nie gut ;-)

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