Nachtrag zum Kindle

Eben hatte ich gemeldet, dass sich die Zeichen dafür verdichten, dass es endlich auch in Deutschland einen Kindle-E-Book-Shop geben könnte. Da lassen sich die Amerikaner schon wieder etwas Neues einfallen, das betörend banal klingt und trotzdem einiges an Gewohnheiten aufmischen könnte. Die "Kindle Singles" sind jetzt für Texte im Angebot, die Buchlänge nicht erreichen und doch lang genug für ein Reader-Erlebnis sind: maximal 30.000 Zeichen zu maximal 5 Dollar.

Das könnte nicht nur die von Verlagen so geschmähte Form der Kurzgeschichte oder Erzählung wieder befeuern. Jetzt gibt es endlich auch für Journalisten die Möglichkeit, sich den Aufwand zu finanzieren und mit dem eigengebauten Feature oder der Privatreportage ohne Zwischenschaltung einer Zeitung bei den Leserinnen und Lesern zu landen. Spannend ist das vor allem deshalb, weil in den USA auch Zeitungen, Zeitschriften und ganze Blogs für den Kindle verkauft werden können.

Praktisch bedeutet das z.B.:
Ich biete mein Blog neben der kostenlosen online-Version als Kindle-Version an. Darin sind die aktuellen Beiträge für eine kurze Zeit ebenfalls kostenlos, danach zahlt man einen kleinen Beitrag. Mit den Single-Kindles ließe sich dazu eine "Auskopplung" anbieten, an der man besonders lang oder aufwändig arbeitet, etwa Themenwochen oder Schwerpunkte. Ein Beitrag unter 5 $ tut nicht weh, würde aber dem Autor finanzieren, sich noch intensiver und ausführlicher um ein Thema zu kümmern. So etwas wie die "Frauenwoche für Buchmacherinnen" könnte dann noch größer, noch journalistischer ausgearbeitet werden.

Auskopplungen könnte ich mir auch von Büchern vorstellen, allen voran Sachbüchern. So ließe sich etwa zu meinem Elsass-Buch ein Rezeptheft als Single auskoppeln oder aus dem Nijinsky der noch hochgeheime zweite Teil. Mehrfachverwertung beim Autor in einer Welt, in der man sonst fast nur noch Buy-out-Verträge angeboten bekommt!

Wer mich kennt, der weiß, dass ich sonst ultrakritisch mit Amazon und Geschäftsmeldungen allgemein bin. Aber hier muss ich sagen: Die Amerikaner stoßen jetzt geschickt in genau die Lücken, die unsere traditionellen Verwerter und Vermarkter zu Lasten von Autoren und Journalisten immer schmählicher vernachlässigen. Wenn eine solche Firma das macht, dann heißt dies aber auch, dass bei den Lesern ganz eindeutig ein Bedarf da ist. Herkömmliche Verlage in Europa verschlafen das seit Jahren. Wer bekommt heute schon noch das große Feature von seiner Zeitung ordentlich finanziert? Welche Zeitschrift druckt noch echte Großreportagen? Welcher Verlag nimmt Kurzgeschichten an? Und reden nicht alle von kürzeren Aufmerksamkeitsspannen, während Bücher immer stärker die 500-Seiten-Marke überschreiten sollen?

Natürlich gibt es auch andere Firmen, bei denen man Kurztexte anbieten kann, neu ist das nicht. Neu ist die Vernetzung der unterschiedlichen Formen, die Seriosität bei den Verträgen und die Power im Vertrieb. Denn auch das ergab meine Recherche bei E-Book-Plattformen: Sie sind für Autoren nur dann wirklich hilfreich, wenn sie entsprechende Reichweiten haben und wenn große Kundenströme unkompliziert dort einkaufen können. Und das Angebot von 70% Tantiemen ist schon gar nicht zu verachten. Man rechne das einmal gegen ein Buy-out-Honorar von FAZ & Co. oder gegen die Verlagsangebote bei Anthologien...

Mein Virus hat sich schon fast verflüchtigt. Die Journalistin in mir schreit nämlich nach Platz ;-) Und die Autorin schaut wieder etwas hoffnungsvoller in die Zukunft.

update:
Sehr lesenswerter Artikel von Holger Ehling: "Der Buchhandel hat (fast) schon verloren".
Er beschäftigt sich mit der Frage, ob durch die E-Books in Zukunft die großen Distributoren die Macht der Großverlage und des Buchhandels brechen werden. Es heißt darin:
"Im Ebook-Markt kommt zudem ein strategischer Nachteil der Verlage (und auch des etablierten Zwischenbuchhandels) gegenüber den Plattformern zum Zuge: Ihnen fehlt der Kontakt zum Endkunden."
Das bringt mich auf den Gedanken, dass auch AutorInnen hier Stärke beweisen könnten...

PS: Übrigens schön, wenn man als Bloggerin schneller ist als die Zeitschrift Buchmarkt.

4 Kommentare:

  1. Und wenn man jetzt auf dem Kindle auch noch ePubs lesen könnte, ohne kompliziert an der firmware rumzuschrauben. Nicht auszudenken wäre das ...

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  2. Das ist überall noch das Problem und sicher ein Grund, warum sich E-Books noch nicht so verbreiten: Fehlende gemeinsame Standards, weil jeder nur seinen reader in den Markt drücken will.

    Für selbstverlegende Autoren (und Verlage) heißt das: Konvertieren des Manuskripts in alle gängigen Formate und Anbieter, bei denen man keine Exklusivverträge abschließen muss - oder die ALLES haben. Ein Dschungel...

    Gibt es denn wenigstens für Leser die Möglichkeit, sich ein Ebook in *jedem* gewünschten Format *einfach und bequem* zu besorgen?

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  3. Wenn es den Titel denn gibt, kann man ihn auch besorgen. Im Moment mangelt es eher am Angebot, denn am Format. Vielleicht ändert sich das ja auch mit Amazon.

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  4. Auch gerade entdeckt beim Fotorechte-Einkauf: Wenn ich ein Buch mit Fotos zusätzlich als E-Book herausbringe, können die Kosten je nach Anbieter der Fotorechte ziemlich explodieren. Da wird für E-Books kräftig abkassiert.
    Wobei der Leser denkt, es sei ja um so vieles einfacher, Fotos digital anzubieten...

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