Heidenreich, ZDF: Mit den Dritten beißt man besser!

Thema: Quote machen, aber richtig!
Eben habe ich einen niedlichen kleinen Marketing-Quoten-Blurb-Medieninteresse-Bericht abgegeben. (Ja, ich mache sowas auch beruflich: Warum es sich ausgerechnet jetzt lohnt, für die Zielgruppe der Gynäkologen einen Krimi über den Erdbeerbonbonmord zu schreiben). Dann habe ich mir zum Abschalten die eigenen Quoten angeschaut und mit Entsetzen festgestellt, dass die Wörter Heidenreich, Gottschalk, Reich-Ranicki, Fernsehpreis, ZDF und Atze Schröder meiner Kolumne ungeahnte Leserscharen beschert haben, für die ich als Buchautorin weitaus schwerer schuften müsste. Aber das haben mir ja auch schon all meine Verlage prophezeit: "Die Heidenreich muss nur ihr Buch in die Kamera halten - und schon haben Sie es geschafft!" Und jetzt mache ich Quote mit ihrem Abgang. Pervers irgendwie. Verrückte Welt.

Zur geistigen Erbauung habe ich mich dann noch ein wenig in den Abgesängen umgeschaut. Aber holla! Schöne neue Medienwelt. Wenn man auch fürs Zweite erst mal keine Lesebrille mehr braucht, die Dritten dieser Welt zeigen uns mal so richtig, was nach Atze als zukünftigem Tagesschausprecher und Gottschalk mit der neuen Leseshow "Deutschland sucht den Schriftstellerstar" medial drohen könnte.

Fangen wir mal seriös an. In der SZ dient sich Reich-Ranicki plötzlich als Fernsehberater an und will den Nachfolger bestimmen. Das Handelsblatt zeigt uns, wie der Hase laufen wird, wenn Marketing und Management in Kunst und Kultur das Sagen noch mehr übernehmen: Da zeigt man als geduldiger Chef die Zähne, hat Probleme mit bestens verdrahteten Mitarbeitern und nennt fristlose Kündigungen "entsprechende Briefe", in denen man einen Verzicht nahelegt. In Handelsblatt-Sprache wägt ein Chef "viele" der 3000 Mitarbeiter mit "manchen" Buchmessebesuchern ab. Und übrigens, Literatur, die muss der Roger Willemsen machen. Wer sonst. Der ist auch gar nicht auf sein Ego bedacht.

Es kommt noch schlimmer. PolkaRobot bietet Elke Heidenreich einen Internetjob an. Das ist nett. Wenn ich mir meine Quote anschaue, gar nicht so blöd, Literatur ins Internet zu verlegen. Oder sagt man "im Internet"? Springen wir mal zu MRR ins Fernsehen, nein, zur Telekom. Die hinken ihrer Zeit hinterher (vielleicht telefoniert der zuständige Redakteur zu lange mit der Werbeabteilung?). Dafür geben sie sich brutal volksnah (Bildstrecke: Die Quotenkönige / Die wahren Quotenstars) und brutalst innovativ: bieten mir in einer Anzeige "Heidenreich-Gebrauchtmaschinen für die Süßwarenindustrie" zum Schnäppchenpreis! Was bitte will die Telekom uns damit sagen?

Weiter in die Bloggosphäre: Ein Herr Schack will uns befehlen, den Spiegel dazu zu lesen und mag auch Alice Schwarzer nicht. Das Literaturcafé findet, der Buchhandel habe eine Werbefachkraft verloren. Aus den Reihen gut ausbalancierter Coachs verlautet, dass Frau Heidenreich doch ihre Balance verloren hat und ganz schlimm destruktive Kommunikation mit ganz schlimm viel Aggressivität betreibt und wir "kulturbeseelten Menschen" von diesem Negativbeispiel nur lernen können. Dr. Buchstäblich-Seltsam stellt genau zur richtigen Zeit fest, dass auch der Buchstabe "i" (wie in "HeIdenreIch") wundersam aus der Sprache gelöscht wird. Alles nur Zufall?

Medien-gerecht bringt mich auf die verwegene Idee eines Büchertalks mit Fernsehköchen (die schreiben doch auch alle) . Zentrale der Macht findet, Homer Simpson würde Lisa nie vor die Tür setzen. Das Web-Diarium kann auf Häppchenliteratur verzichten, schaut aber interessiert den Implosionen der Kulturwelt zu. Zuckerbrot weiß humorig, das war alles wenigstens für einen Kalauer gut. Ein älterer Beitrag von intelligentesleben deckt eine Verschwörung auf: Im Mai hat das ZDF selbst eine Kritik von Elke Heidenreich am ZDF veröffentlicht, aber nicht hingelesen.

Tja, und während ich in den Nachrufen stochere, haben bereits die größten belletristischen Verlage einen offenen Brief ans ZDF geschrieben und fordern Elke Heidenreich zurück!

Selten war Fernsehen so spannend, so aufregend, so pervers, so verrückt!
Und ich hab mich jetzt erfreulich von meinen "Klienten" aus dem Literaturbetrieb abreagiert, denen ich seit Monaten begreiflich zu machen versuche, dass ein Thema, das in aller Munde ist wie "Klimawandel", tatsächlich ein Thema ist. Quote, Quote allüberall. Vielleicht geh ich zum Fernsehen?

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